Beschluss

LG Mönchengladbach, Beschluss vom 22.09.2004 - 5 T 445/04
Domainpfändung

In dem Zwangsvollstreckungssache ... gegen ...

beteiligt:

DENIC e.G. Domain Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft, Wiesenhüttenplatz 26, 60329 Frankfurt/Main, gesetzlich vertreten durch ihren Vorstand, Drittschuldnerin,

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach auf die sofortige Be­schwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 12.08.2004 durch den Vizepräsidenten des Landgerichts Jopen, Richterin am Landgericht zum Bruch und Richter am Landgericht Dr. Biermann am 22.09.2004 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Schuldner zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 500,00 €

Gründe

I.

Die Gläubigerin vollstreckt aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 04.02.2002 wegen einer Forderung einschließlich Kosten in Höhe von 6.402,60 € und hat am 14.11.2003 einen Pfändungsbeschluss erwirkt, wonach die aus den mit der Drittschuldnerin jeweils geschlossenen Domain-Registrierungsverträgen hergeleitete Befugnis des Schuldners, die Internet-Domains "[…].de", "[…].de", "[…].de", "[…].de" und "[…].de" für die Adressierung von Internet-Servern oder für andere Internet-Dienste zu nutzen, einschließlich zukünftig fällig werdender Ansprüche so lange gepfändet wird, bis der Gläubigeranspruch gedeckt ist.

Auf Antrag der Gläubigerin ordnete das Amtsgericht nach Anhörung des Schuldners mit Beschluss vom 12.08.2004 gern. §§ 857 Abs. 1, 844 Abs. 1 ZPO an, dass die gepfändeten Internet-Domains durch freihändigen Verkauf im Rahmen einer Versteigerung über die Internet-Auktions-Plattform „Sedo GmbH", Köln, www.sedo.de, verwertet werden. Gegen diesen am 16.08.2004 zugestellten Beschluss legte der Schuldner am 19.08.2004 eine als sofortige Beschwerde aufzufassende Erinnerung ein, der das Amtsgericht nicht abgeholfen und der Kammer zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist gegen den angefochtenen Beschluss nicht der Rechtsbehelf der Erinnerung, sondern die sofortige Beschwerde statthaft (vgl. Zöller, ZPO, 24. Auflage, § 844 Rdn. 5, 825 Rdn. 21; Baumbach-Hartmann, ZPO, 61. Auflage, § 844 Rdn. 12). Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist zulässig, sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Einwendungen des Schuldners sind insgesamt unbegründet.

1.

Obwohl sich die Beschwerde des Schuldners ausdrücklich nur gegen den Verwertungsbeschluss gern. § 844 Abs. 1 ZPO und nicht auch gegen den Pfändungsbeschluss selbst richtet, ist in die Rechtsmäßigkeitsprüfung des Verwertungsbeschlusses auch der zugrunde liegende Pfändungsbeschluss einzubeziehen. Denn der Pfändungsbeschluss ist gern. § 834 ZPO ohne Anhörung des Schuldners ergangen, die Einwände des Schuldners beziehen sich unter anderem auch auf die Rechtmäßigkeit des Pfändungsbeschlusses und der Schuldner hat damit zu erkennen gegeben, dass er die Zwangsvollstreckung insgesamt angreift. Da der Pfändungsbeschluss lediglich der einfachen Erinnerung unterliegt, ist er noch nicht bestandskräftig, so dass dessen Überprüfung auch im Beschwerdeverfahren noch möglich ist.

Der Beschluss vom 14.11.2003, mit welchem die Rechte an den o.a. Internet-Domains gepfändet worden sind, ist gern. § 857 Abs. 1 ZPO zu Recht ergangen. Da die Domain weder eine "körperliche Sache" (§ 808 ZPO) ist, noch ihr eine Geldforderung (§ 829 ZPO) oder ein Herausgabeanspruch (§§ 846 ff. ZPO) zugrunde liegt, kommt als Gegenstand der Pfändung nur ein "anderes Vermögensrecht" im Sinne des § 857 ZPO in Betracht. Gegenstand der Zwangsvollstreckung bilden nur die schuldrechtlichen An­sprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der DENIC zustehen. Diese Ansprüche sind auch - wie es §§ 857, 851 Abs. 1 ZPO fordert - übertragbar. Dies wird in § 6 Abs. 2 Satz 1 der DENIC-Registrierungsbedingungen ausdrücklich klargestellt (vgl. Berger, Rpfleger 2002, 183).

Soweit sich der Schuldner auf die Entscheidung des Landgerichts München 1 vom 12.02.2001 (20 T 19368/00) beruft, in weicher die Pfändung einer Domain für unzulässig erklärt wird, weil der Domain neben der Adressfunktion auch eine geschützte Namens- und Kennzeichnungsfunktion innewohne, ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um eine in der Rechtsprechung vereinzelt gebliebene Auffassung handelt, die in der Literatur auf starke Kritik gestoßen ist (vgl. Berger, Rpfleger 2002, 183 f; Welzel, MMR 2001, 321 ff; Schmittmann, JurBüro 2001, 325 f). Überwiegend wird die Pfändung von Internet-Domains als zulässig angesehen (vgl. z.B. LG Düsseldorf, JurBüro 2001, 548 f; LG Essen, JurBüro 2000, 213 f; Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 857 Rdn. 12c).

Im Übrigen ist die vom Schuldner zitierte Entscheidung auf den hier in Rede stehenden Sachverhalt nicht einschlägig, weil in keiner der gepfändeten Domains der Name des Schuldners enthalten ist, ein Namensrecht des Schuldners selbst also gar nicht verletzt werden kann.

Soweit der Schuldner hinsichtlich der Domains "[…].de" und "[…].de" auf die Verletzung von Namensrechten Dritter verweist, ist dieser Einwand in diesem Vollstreckungsverfahren unbeachtlich. Das scheint auch der Schuldner zu erkennen, indem er darauf hinweist, dass diese Namensträger sich gegen die Verletzung ihrer Namensrechte wehren werden. Verletzt die Benutzung der Domain Namensrechte Dritter, so kann daraus möglicherweise ein Unterlassungsanspruch nach § 12 BGB gegen den Inhaber der Domain erwachsen. Dieser richtet sich jedoch nach einer Verwertung der Domain gegen den neuen Inhaber (Berger, Rpfleger 2002, 184). Der Vollstreckungsschuldner kann daraus für sich nichts herleiten.

2.

Ist somit der Pfändungsbeschluss zu Recht ergangen, so hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss auch zutreffend die Verwertung der Internet-Domains gern. § 844 Abs. 1 ZPO angeordnet. Die Versteigerung über ein Internet-Auktionshaus hat sich im Grundsatz als eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertungsmöglichkeit herausgebildet (Berger, Rpfleger 2002, 185; Welzel, MMR, 2001, 131, 136).

Der Schuldner ist der Auffassung, dass die Versteigerung wirtschaftlich nicht erfolgversprechend und mit erheblichen Kosten verbunden ist. Dieser Einwand wäre gern. § 803 Abs. 2 ZPO beachtlich, wenn von der Verwertung ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht zu erwarten wäre, weil in einem solchen Fall gern. § 803 Abs. 2 ZPO die Pfändung zu unterbleiben hat. Die Kammer vermag nicht zu beurteilen, ob eine Verwertung aller gepfändeten Internet-Domains über die Internet-Auktions-Plattform "Sedo GmbH" aussichtslos ist und ein deshalb die Kosten übersteigendes Auktionsergebnis nicht zu erwarten ist. Eine jede Versteigerung birgt das Risiko in sich, dass nicht das gewünschte Ergebnis erzielt wird.

Nach dem Vortrag des Schuldners bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die von ihm für seine Bewerbungen genutzte Domain "....de" als Arbeitsmittel i.S.v. § 811 Nr. 5 ZPO unpfändbar ist. Die Vorschrift bezieht sich zwar allein auf "Sachen" und ist deshalb nicht unmittelbar einschlägig. Es kommt jedoch eine analoge Anwendung in Betracht (Berger, Rpfleger 2002, 185). Ein darauf basierender Pfändungsschutz setzt allerdings voraus, dass die Domain "[…].de" zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit des Schuldners "erforderlich" ist. Das ist allerdings nur dann der Fall, wenn sich die Domain im Rechtsverkehr bereits durchgesetzt hat und nicht (mehr) ohne Weiteres gegen eine andere ausgetauscht werden kann (Welzel, MMR, 2001, 131, 135). Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Denn es bleibt dem Schuldner unbenommen, sich nur mit geringem finanziellen und tatsächlichen Aufwand ggfls. eine Ersatzdomain zu beschaffen. Insofern sind die Ausführungen des Schuldners zur Behinderung seiner zukünftigen Tätigkeit als Web-Designer unbegründet.

Ob nach einer erfolglosen Verwertung der gepfändeten Domains einer späteren Pfändung anderer Domains des Schuldners das Verbot einer zwecklosen Pfändung gern. § 803 Abs. 2 ZPO oder das Schikaneverbot des § 226 BGB entgegenstehen könnte, ist derzeit unerheblich, weil es sich um den ersten Verwertungsversuch der Gläubigerin handelt.

Schließlich ist das Vorbringen des Schuldners zur angeblichen Unrechtmäßigkeit des der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Titels unbeachtlich. Ein derartiger Einwand kann nur mit der Vollstreckungsgegenklage gern. § 767 ZPO oder mit einer Klage aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung geltend gemacht werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil die Frage der Pfändung von Internet-Domains - soweit ersichtlich - noch nicht höchstrichterlich entschieden ist.


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