Das neue Kaufrecht - Überblick über das Gewährleistungsrecht
von Rechtsanwalt Marcus Beckmann und Rechtsanwältin Anke Norda

Durch die Schuldrechtsreform haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert. Von großer Praxisrelevanz sind die Änderungen im Kaufrecht. Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht zum Teil vereinfacht. Die oft schwierige Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungskauf wurde aufgehoben. Auch Rechts- und Sachmängel werden nunmehr in Ihren Rechtsfolgen gleichbehandelt.

Haftungsverschärfung für Verkäufer

Durch eine Neudefinition des Sachmangelbegriffs wird die Haftung des Verkäufers wesentlich verschärft. Ein Sachmangel liegt primär dann vor, wenn der Kaufgegenstand nicht die vertragliche bestimmte Beschaffenheit hat. Auf zweiter Ebene wird auf den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch, die Eignung für eine gewöhnliche Verwendung und die übliche Beschaffenheit abgestellt. Es treten aber noch weitere Aspekte hinzu, welche die Gewährleistungsrechte des Käufers auslösen können. Auffällig ist zunächst die Haftung für Werbeaussagen (z.B. Drei-Liter Auto). Während bisher eine Haftung für die Zusicherung von Eigenschaften nur bei einer ausdrücklichen Haftungsübernahme vorlag, muss der Verkäufer nun für jede Art der Leistungsbeschreibung in Form von Werbung, Prospekten usw. einstehen. Damit nicht genug. Der Verkäufer haftet genauso für Leistungsbeschreibungen von Herstellern und Lieferanten. Auch eine fehlerhafte Montageanleitung stellt nun ausdrücklich einen Sachmangel dar (sogenannte „IKEA-Klausel“). Erfolgt die Montage durch den Verkäufer, so gilt hierfür gleichfalls Gewährleistungsrecht. Schließlich werden alle Fälle der Falsch- oder Zuweniglieferungen einem Sachmangel gleichgestellt. Auf das häufig streitige Kriterium der Genehmigungsfähigkeit der Lieferung kommt es nicht mehr an.

Gestuftes Gewährleistungsrecht

Ist der Kaufgegenstand mangelhaft, so stehen die Rechte des Käufers jetzt in einem Stufenverhältnis, welches sich teilweise der derzeit gängigen Vertragspraxis annähert. Zunächst hat der Käufer lediglich einen Nachbesserungsanspruch. Dabei hat der Käufer die Wahl, ob er Mangelbeseitigung oder Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt. Der Käufer muss in der Regel zwei Nachbesserungsversuche hinnehmen. Die Kosten hierfür hat der Verkäufer zu tragen. Ist die gewählte Form der Nachbesserung für den Verkäufer unzumutbar, so kann er sie verweigern. Schlägt die Nachbesserung fehl, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern. Gleiches gilt nach einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung. Verweigert der Verkäufer die Nacherfüllung insgesamt oder ist sie für ihn schlechthin unzumutbar, so bedarf es hierzu auch keiner Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung. Neben den eigentlichen Gewährleistungsrechten kann der Käufer Schadensersatz verlangen. Auf Arglist des Verkäufers oder das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft kommt es in diesem Zusammenhang nicht mehr an. Die oft schwierige Abgrenzung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschäden entfällt ebenfalls.

Verlängerung der Gewährleistungsfrist auf zwei Jahre

Ein weiterer für die Unternehmenspraxis sehr wichtiger Punkt ist die Verlängerung der Gewährleistungsfrist von sechs Monaten auf zwei Jahre ab Lieferung. Handelt der Verkäufer arglistig, so bleibt es bei der Regelverjährung von drei Jahren. Bei Bauwerken beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre.

Der neue Verbrauchsgüterkauf

Die Brisanz des neuen Gewährleistungsrechts zeigt sich beim sogenannten Verbrauchsgüterkauf. (= Kaufvertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer über eine bewegliche Sache). Das gesetzliche Gewährleistungsrecht ist für diese Fälle zwingend vorgeschrieben ! Eine Abweichung zu Lasten des Käufers in AGBs oder Individualverträgen ist unzulässig. Gewährleistungsausschlüsse oder Haftungsbeschränkungen sind daher im Verhältnis gewerblicher Anbieter und Verbraucher nicht mehr möglich. Als weitere Erschwerung kommt hinzu, dass der Verkäufer innerhalb der ersten sechs Monate im Streitfall beweisen muss, dass die Kaufsache bei Gefahrübergang fehlerfrei war (Beweislastumkehr). Ferner entfällt der Gefahrübergang beim Versendungskauf, so dass der Verkäufer für einen ordnungsgemäßen Transport der Kaufsache verantwortlich ist. Neu ist ein gesetzlich geregelter Rückgriffsanspruch des Verkäufers gegen Lieferanten, Zwischenhändler und Hersteller.




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