Urteil
LG Leipzig vom 13. 11.2003, Az. 12 S 2595/03
(Spam - verbotene Email-Werbung, Haftung des Providers)

In dem Rechtsstreit ... wegen Berufung erlässt das Landgericht Leipzig – 12. Zivilkammer – durch … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2003 folgendes

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 27.02.2003 (Az.: 2 C 8566/02) wird mit der Maßgabe folgender Neutenorierung zurückgewiesen:

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, an die Adresse des Klägers „xy @t-online.de“ E-Mails zu senden oder senden zu lassen, die für die Domain „http://www. erosubz.de“ werben.

Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 2.000,00 angedroht.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Unterlassen von unaufgeforderter E-Mail-Werbung.

Der Beklagte ist ein so genannter Access-Provider. Er gewährt als Second-Level-Domain-Inhaber der Domain in „http://www. erosubz.de“ hinter der Top-Level Domain „.de“ im Huckepackverfahren Dritten über seine Second-Level-Domain Zugang zum Internet. Die Second-Level-Domain hat der Beklagte bei der DENIC (die Organisation Deutsches Network Information Center vergibt und verwaltet Internet-Adressen) auf seinen Namen als deutsche Domain (nachfolgend nur noch bezeichnet als Second-Level-Domain) angemeldet.

Dem Unterlassungsbegehren des Klägers liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 02.08.2003 erhielt der Kläger, der Rechtsanwalt ist, unter seiner E-Mail-Adresse „xy @t-online.de“ Werbung mit erotischem Inhalt u. a. für die Internetseite „http://www.XXXMarlene -erosubz.de“. Als Absenderadresse war „Anal-geil@ hotmail.de“ angegeben (E-Mai vom 01.08.2002, zu den Akten gereicht mit der Klage, Bl. 9 d. A.). Am 03.08.2002 erhielt der Kläger erneut eine Werbe-E-Mail von „Analgeil @hotmail.de“, diesmal mit Werbung für die Internetseite „www.XXXca. erourl.de“ (E-Mail vom 03.08.2002), Bl. 10 d. A.). Am 13.08.2002 ging beim Kläger eine Werbe-E-Mail des Absenders „JungeGoere Steffi @lion.cc“ ein, diesmal mit Werbung für die Internetseite „XXXgirls .erosubz.de“ (E-Mail vom 13.08.2002, Bl. 11 d. A.). Am 15.08.2002 schließlich erhielt der Kläger unter seiner Adresse „xy @t-online.de“ eine E-Mail von „StephanieBrauer19@ lion.cc“, mit der für die Internetseite http://real. erosubz.de geworben wurde.

Bei den Internetseiten, für die in den genannten E-Mails geworben wird, handelt es sich um sogenannte Third-level-sub-domains (im Folgenden nur noch Sub-Domains) der Domain „erosubz .de“, dessen Inhaber der Beklagte ist.

Mit Schreiben vom 02.08.2002, dem Beklagten zugestellt am 08.08.2002, forderte der Kläger den Beklagten auf, Werbung per E-Mail für seine Internetseite „ero-subz.de“ zu unterlassen. Dem Schreiben war eine vorgefertigte strafbewehrte Unterlassungserklärung beigefügt. Nachdem der Beklagte auf dieses Schreiben nicht reagierte, erhob der Kläger unter dem 16.08.2002 Klage auf Unterlassen beim Amtsgericht Leipzig. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20.08.2002 (vorgelegt als Anlage B 1, Bl. 30 , 31 d. A.) ließ der Beklagte dem Kläger mitteilen, die beanstandeten E-Mails nicht versandt zu haben und für die Nachrichten nicht verantwortlich zu sein. Er sei lediglich Provider und vermiete Subdomains der Adresse „erosubz.de“. Weiter heißt es in diesem Schreiben „Nichts desto trotz haben wir unserem Mandanten geraten, die Subdomain, wie in der uns übersandten E-Mail benannt, sofort zu sperren. Dies ist geschehen. Weitere Belästigungen über diese von Ihnen benannte E-Mail Adresse dürften also nicht zu erwarten sein“.

Der Kläger hat behauptet, Inhaber der Adresse „xy @t-online.de“ zu sein. Der Beklagte sei Absender der streitgegenständlichen E-Mails an ihn gewesen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe gegen den Beklagten einen Anspruch darauf, von kommerziellen Werbe E-Mails verschont zu bleiben. Er meint, auch wenn der Beklagte nicht Absender der streitgegenständlichen E-Mails gewesen sei, sei er jedenfalls Zustandstörer und als solcher für den Versand der E-Mails verantwortlich.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es bei Zahlung einer Vertragsstrafe von EUR 2.000,00 für den Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs zu unterlassen, an die Adresse des Klägers „xy @t-online.de“ E-Mails zu senden oder senden zu lassen, die für die Domain „ero-subz .de“ werben.

Hilfsweise

den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den jeweiligen (eventuell ehemaligen) Inhaber der Subdomains „xxxMarlene. erosubz.de“, „XXXgirls. erosubz.de“ und „real. erosubz.de“ durch Bekanntgabe von Namen, Vorname und ladungsfähige Anschrift der Subdomain-Inhaber.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger Inhaber der Adresse „xy @t-online.de“ ist. Ferner hat er bestritten, die streitgegenständlichen E-Mails versandt zu haben oder für ihren Inhalt verantwortlich zu sein. Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, nicht Störer zu sein. Von den Subdomain-Inhabern seiner Domain „erosubz.de“ kenne er lediglich die E-Mail-Adressen.

Das Amtsgericht Leipzig hat der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, es bei Zahlung einer Vertragsstrafe von EUR 2.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs zu unterlassen, an die Adresse des Klägers, „xy @t-online.de“ E-Mails zu senden oder senden zu lassen, die für die Domain „http://www. erosubz.de“ weben. Zur Begründung hat das Amtsgericht Leipzig ausgeführt, der Beklagte sei jedenfalls als Zustandsstörer im Sinne des § 1004 BGB zur Verantwortung zu ziehen, da er Inhaber der Domain „http.//www. erosubz.de“ sei. Als sogenannter „Vermieter“ von Subdomains habe der Beklagte es zu verantworten, wenn über diese Subdomains Werbe E-Mails mit erotischem Inhalt an den Kläger verschickt werden, in denen für die Domain des Beklagten geworben werde, der Absender gefälscht sei und demzufolge nicht ausfindig gemacht werden könne. Einzige Bezugsperson sei in diesem Fall der Beklagte als Inhaber der Domain. Dieser sei für eine ordentliche Registrierung der Adressen derjenigen verantwortlich, an die er die Subdomains vermiete.

Wegen der weiteren Einzelheiten der amtsgerichtlichen Entscheidung wird auf das Urteil vom 27.02.2003 (Bl. 85- 93 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses, seinem Prozessbevollmächtigten am 31.03.2003 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, eingegangen beim Landgericht am 30.04.2003 und begründet mit Anwaltsschriftsatz vom 27.05.2003, eingegangen am 28.05.2003. Mit seiner Berufung rügt der Beklagte zunächst die seiner Auffassung nach falsche Tatsachenfeststellung durch das Amtsgericht. Das Amtsgericht gehe unzutreffend davon aus, dass der Kläger die streitgegenständlichen E-Mails erhalten habe. Dies sei durch den Kläger jedoch nicht bewiesen worden. Ferner sei nicht bewiesen worden, dass der Beklagte Versender der streitgegenständlichen E-Mails war. Darüber hinaus sei das Amtsgericht unzutreffend davon ausgegangen, dass der Absender der Werbe E-Mails nicht ausfindig gemacht werden könne. Darüber hinaus rügt die Berufung die Verletzung materiellen Rechts. Das Amtsgericht gehe rechtsirrig davon aus, dass bei Annahme der tatsächlichen Zusendung von Werbe E-Mails von Subdomains aus der jeweilige Inhaber der Domain als Zustandstörer im Sinne des § 1004 BGB anzusehen sei. Wegen der Einzelheiten des Vortrages wird auf die Berufungsbegründung vom 27.05.2003 (Bl. 98 – 103 d. A.) verwiesen.

Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen sowie vorsorglich die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, der Beklagte sei der einzige, der etwas gegen die streitgegenständlichen Spams (Werbe-E-Mails) hätte tun können, entweder durch technische oder durch juristische Maßnahmen. Er habe es in der Hand gehabt, mit jedem potentiellen Inhaber einer Subdomain einen Vertrag des Inhalts zu schleißen, dass sich der Subdomain-Inhaber verpflichtet, über die Subdomain keine rechtswidrigen Werbe-E-Mails zu versenden. Von dieser Möglichkeit habe der Beklagte keinen Gebrauch gemacht, weshalb er Zustandsstörer sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung vom 26.06.2003 (Bl. 105 – 108 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet, mithin zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

I.

Der Anspruch des Klägers auf Unterlassen von unaufgeforderter E-Mail-Werbung („Spamming“) ergibt sich aus §§ 823, 1004 BGB analog sowie aus § 1 UWG.

Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß §§ 823 II, 1004 BGB analog, § 1 UWG liegen hier vor.

1. Der Kläger hat die streitgegenständlichen E-Mails erhalten.

Das Berufungsgericht ist insoweit an die Feststellungen des Amtsgerichts, dass der Kläger Inhaber der E-Mail-Adresse „xy @t-online.de“ ist und die streitgegenständlichen unangeforderten Werbe-E-Mails erhalten hat, gebunden.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 11.10.2002 eine Bestätigung der T-Online International AG (Bl. 36 d. A.) vorgelegt, aus welcher sich ergibt, dass er Inhaber der E-Mail-Adresse „xy @t-online.de“ ist. Dass das Amtsgericht aufgrund dieser Bestätigung von der Richtigkeit der Behauptung der Kläger sei Inhaber der E-Mail-Adresse „xy @t-online.de“ ausging, ist nicht zu beanstanden. Konkrete Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit die-ser Feststellungen im Sinne des § 529 I Nr. 1 ZPO liegen nicht vor.

Über die Behauptung des Klägers, er habe die streitgegenständlichen E-Mails an seine E-Mail-Adresse „xy @t-online.de“ erhalten, hat das Amtsgericht eine Beweisaufnahme nicht durchgeführt, obwohl der Beklagte dies bestritten hat und der Kläger hierzu Beweis angeboten hatte. Jedoch hat das Amtsgericht im unstreitigen Teil des Tatbestandes zum Urteil vom 27.02.2003 festgestellt. „Am 02.08.2003 erhielt der Kläger unter der Adresse „xy @t-online.de“ eine E-Mail mit dem Absender „analgeil@ hotmail.de“, deren Inhalt Werbung für die Domain „http://www. ero-subz.de“ und die Subdomain „http://www.xxxMarlene .erosubz.de“ war….“. Gemäß § 314 ZPO ist das Berufungsgericht an diese unstreitigen Feststellungen im Urteil gebunden. Von der Möglichkeit eines Tatbestandsberichtigungsantrages gemäß § 320 ZPO hat der Beklagte keinen Gebrauch gemacht.

2. Nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur, der sich die Kammer anschließt, ist die Zusendung unerbetener E-Mail-Werbung (Spamming) unzulässig (vgl. Kaminski/Henßler/Kolaschnik/ Papathoma-Beatge, Rechtshandbuch E-Business, 2002, Seite 355, RN 40 m. w. N.; NJW, Beilage zu Heft 14/2001, Seite 36 ff. mit einem umfassenden Überblick zum gegenwärtigen Streitstand; LG Berlin, NJW 98, 3208 AG Brakel, NJW 98, 3209; LG Berlin, NJW 2002, 2569; Flechsig, MMR 2002, 347 ff. m w. N.). Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage von Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Spamming liegt noch nicht vor. Jedoch hat der BGH bereits zur unverlangten Werbung im früheren BTX-System entschieden, dass diese Werbemethode, wenn ein gewisser Grad der Belästigung überschritten wird, unzulässig ist (BGHZ 103, 203 ff.). Darüber hinaus hat der BGH die Werbung mittels Telefon und Telefax grundsätzlich für rechtswidrig gehalten, wenn der Adressat nicht zuvor seine Zustimmung erklärt hat (sogenannte Opt-in-Lösung im Gegensatz zur bei Briefkastenwerbung vertretenen Opt-out-Lösung: Werbung ist erlaubt, es sei denn, der Empfänger hat durch einen Aufkleber auf dem Briefkasten ausdrücklich kundgetan, dass er keine Werbung wünscht, BGHZ 106, 229, 234).

Zu Recht hat das Amtsgericht hier bezogen auf das streitgegenständliche Spamming die vom BGH für BTX- und Telefon- bzw. Telefaxwerbung favorisierte Opt-in-Lösung für richtig gehalten und in der Zusendung unverlangter E-Mail-Werbung einen Verstoß gegen § 1 UWG; eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers sowie eine Verletzung seines Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gesehen. Unaufgeforderte E-Mail-Werbung stellt eine erhebliche, im Ergebnis nicht hinnehmbare Belästigung des Empfängers dar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Empfänger Privatperson, Gewerbetreibender – oder wie hier Freiberufler – ist. Der Abruf der E-Mail Nachrichten erfolgt „online“, d. h., jede unerwünschte Nachricht, die übertragen wird, verlängert die Übertragungszeit. Der Empfänger muss Arbeitszeit und Geld (für anfallende Telefongebühren) aufwenden, um die Werbe E-Mails auszusondern (so auch schon der BGH zur unerwünschten Werbung im BTX-System, a. a. O., BGHZ 103, 211). Schließlich ist zu befürchten, dass eine große Anzahl von Werbesendungen die Speicherkapazität der Empfänger-Mailbox überschreitet oder sogar Viren enthält. In diesem Fall kann es zu Datenverlusten kommen oder zu Rücksendungen (mit Fehlermeldungen) der eingehenden Nachrichten an den Absender. Aus alledem ergibt sich, dass mit den unaufgeforderten Werbe E-Mails in den persönlichen Schutzbereich des Klägers eingegriffen wird. Gegen diese Rechtsverletzung kann der Kläger vorgehen und ein Unterlassen der unerbetenen E-Mail-Werbung verlangen.

3. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dieser hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs auch passivlegitimiert. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte die streitgegenständlichen Werbe-E-Mails versandt hat oder nicht. Denn als sogenannter Access Provider (oder auch Host-Provider) ist der Beklagte jedenfalls Zustandsstörer und haftet neben den hier ermittelten Subdomain-Inhabern, deren Haftung selbstverständlich unberührt bleibt (§ 8 I TDG, §§ 823, 1004 BGB analog).

a) Der Beklagte ist ein sogenannter Access Provider. Er gewährt als Second-Level-Domain-Inhaber hinter der Toplevel-Domain „.de“ im Huckepackverfahren Dritten Zugang zum Netz. Im hier vorliegenden Fall drückt sich dies unter anderem darin aus, dass die Third-Level-Subdomains „xxxgirls“ bzw. „xxxMarlene“ und „real“ der Second-Level-Domain „e- rosubz.de“ beherrscht werden.

Während der Netz-Provider – also z. B. die AOL oder die Deutsche Telekom AG – lediglich die Nutzung ihrer Übertragungskapazitäten anbieten, ermöglicht der Access Provider dem Nutzer den Zugang zum Internet, indem er ihm neben der Einwahlmöglichkeit auch die für den Verbindungsaufbau und die Nutzung des Netzes erforderlichen Protokollfunktionen (IP-Adresse, Namen-Service, Routing) zur Verfügung stellt. Das heißt, der Access Provider „hostet“ Dritte (das englische Wort „host“ meint hier den Gastgeber oder biologisch den Wirt eines Tieres oder einer Pflanze). Deshalb heißt der Access Provider auch „Host-Provider“. Subdomains werden an Kunden vergeben, die keinen eigenen Internetserver haben (grundlegend hierzu: Flechsig, „Subdomain: Sicher versteckt und unerreichbar= Die Verkehrsicherungspflichten des Host-Providers“, MMR 2002, Seite 347 ff., 348). Während Second-Level-Domains bei der DENIC angemeldet und vergeben werden, werden die Subdomains nicht von der Vergabestelle verwaltet, sondern allein durch den Host-Provider – meist gegen ein geringes Entgelt – vergeben und registriert (vgl. auch NJW, Beilage zu Heft 14/2001, Seite 16).

b) Aus den oben geschilderten Umständen ergibt sich nach Auffassung der Kammer die Störerhaftung des Host-Providers, hier des Beklagten, jedenfalls dann, wenn dieser bei Vergabe der Subdomains netzbezogene Prüfungspflichten - Verkehrssicherungspflichten – verletzt hat. Allein der Host-Provider ist neben den Subdomain-Inhabern selbst derjenige, der es bei Vergabe der Subdomains rechtlich sowie nach Vergabe der Subdomains technisch in der Hand hat, rechtswidrige Handlungen wie das unerwünschte Spamming dieser Subdomains zu verhindern oder zu beseitigen. Kann wie im vorliegenden Fall der Host-Provider keine Auskunft über die Subdomain-Inhaber geben, so hat er jedenfalls die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt. Zu seinen Prüfungs- und Aufsichtspflichten gehört nämlich, dass er sich als Host-Provider in die Lage versetzt, die von ihm gehosteten Subdomain-Inhaber zum Zwecke der zivilrechtlichen Verfolgung zu benennen. Anderenfalls wäre dem „Rechtsbruch im Netz“ völlig freie Hand gelassen (vgl. Flechsig, a. a. O., Seite 349). Es stellt eine angemessene Aufforderung an die Verkehrssicherungspflichten des Second-Level Domain-Inhabers dar, den potentiellen Subdomain-Inhaber erst dann ins Netz zu lassen, wenn er ihn ausreichend kennt, d. h. wenn es ihm möglich ist, Namen und ladungsfähige Anschrift des Subdomain-Inhabers anzugeben.

Ebenso wie von der Domain-Vergabestelle DENIC erwartet wird, dass sie die Registrierung einer Domain bei offenkundigen und unschwer erkennenden Rechtsverstößen eines registrierten Second-Level-Domain-Inhabers aufhebt (BGH, MMR 2001, 671), kann auch vom Second-Level-Domain-Inhaber (Host-Provider) erwartet werden, dass er die Third-level-Sub-Domain-Inhaber (Subdomain-Inhaber) jedenfalls kennt (Name und Adresse) und bei Rechtsverstößen die ihm rechtlich und technisch zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Verhinderung weiterer Rechtsverstöße ergreift. Denn er allein hat den Subdomain-Inhabern, den Zugang ins Netz und damit die Rechtsverstöße ermöglicht.

Aus alledem folgt, dass der Host-Provider, hier der Beklagte, für das rechtswidrige Versenden der Werbe-E-Mails durch seinen Subdomain-Inhaber unmittelbar und selbst einzutreten hat, wenn er Name und Anschrift seiner Subdomain-Inhaber nicht benennen kann. Dementsprechend trifft ihn auch die sich hierauf beziehende Unterlassungspflicht.

c) Der Unterlassungsanspruch gegenüber dem Beklagten scheitert hier nicht daran, dass die Absender der streitgegenständlichen Werbe-E-Mails, in denen für Subdomains der Second-Level-Domain des Beklagten geworben wird, unbekannt sind. Zwar lassen die Absenderadressen einen un-mittelbaren Bezug zu den Subdomains und damit zur Domain des Beklagten nicht erkennen. Jedoch entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass Störer jeder ist, „der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung er rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, wobei es genügt, dass er das eigenverantwortliche Handeln eines Dritten unterstützt oder ausnutzt, obwohl er rechtlich in der Lage ist, es zu verhindern“ (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 3 U 101/01, Urteil vom 13.09.2001, m. w. N. insbesondere zur BGH-Rechtsprechung). Erhält ein Subdomain-Inhaber Kenntnis davon, dass ein Dritter für ihn unzulässig wirbt, so ist er grundsätzlich verpflichtet, das rechtswidrige Verhalten des Dritten – soweit ihm möglich – zu unterbinden. Gleiches gilt für den Domain-Inhaber, der es pflichtwidrig unterlassen hat, bei Vergabe der Subdomains Name und ladungsfähige Anschrift des Subdomain-Inhabers abzufragen. In Fallkonstellationen wie der vorliegenden muss eine Verantwortlichkeit von Subdomain-Inhabern bzw. Domain-Inhabern für Werbung für Ihre Internetseiten schon deshalb angenommen werden, weil es technisch unproblematisch ist. Absender-E-Mail-Adressen zu fälschen. Die Verantwortlichkeit des Subdomain-Inhabers bzw. des Domain-Inhabers folgt hier insbesondere auch daraus, dass dieser ohne weiteres in der Lage ist, die unzulässige Störung zu beseitigen, indem er z. B. die Subdomains, für welche geworben wird, aus dem Netz nimmt. Dies ist ihm auch zuzumuten.

d) Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten bei Vergabe der Subdomains führt hier nach Auffassung der Kammer zusammen mit dem Umstand, dass er als Second-Level-Domain-Inhaber zur Beseitigung der Störung ohne weiters in der Lage ist, zu einer eigen-ständigen der Äußerungshaftung identischen Verbreiterhaftung mit der Folge, dass der Beklagte zum Unterlassen zu verurteilen war (so auch Flechsig, a. a. O., Seite 352 f.).

Der Tenor des amtsgerichtlichen Urteils war nach Auslegung des klägerischen Antrages neu zu fassen. Der Antrag des Klägers zur Verurteilung des Beklagten „bei Zahlung einer Vertragsstrafe von EUR 2.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen“, E-Mails an seine Adresse zu senden oder senden zu lassen, war im vorliegenden Fall als Antrag zur Verurteilung zum Unterlassen unter gleichzeitiger Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von EUR 2.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung gemäß § 890 I ZPO auszulegen.

Eine „Vertragsstrafe“ war zwischen den Parteien nicht vereinbart. Dem gesamten Vorbringen des Klägers ist auch nicht zu entnehmen, dass er eine solche begehrt. Ihm geht es vielmehr um das Unterbleiben von E-Mail-Werbung und die Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs. Dies ist auch für den Beklagten ohne weiteres erkennbar.

Deshalb war der Antrag nach seinem erkennbaren Sinn auszulegen (Zöller, 23 Aufl. vor § 128 RN 25).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 II ZPO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die unverlangte Zusendung von Werbe-E-Mails findet in großem Umfang statt, ebenso wie die Vergabe von Second-Level-Domains. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu den hiermit verbundenen rechtlichen und tatsächlichen Problemen dieses Rechtsstreits existiert bislang noch nicht.



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