Skip to content

OLG Frankfurt: Zur Höhe des Schadensersatzes der Abnehmer bei kartellrechtswidrigen Preisen des Hersteller - Ermittlung des hypothetischen Marktpreises

OLG Frankfurt
Urteil vom 17.11.2015
11 U 73/11 (Kart)


Das OLG Frankfurt hat sich in dieser Entscheidung mit der Höhe des Schadensersatzes der Abnehmer bei kartellrechtswidrigen Preisen des Herstellers und der dafür notwendigen Ermittlung des hypothetischen Marktpreises befasst.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Senat geht bei der Bestimmung des tatsächlich entrichteten Kartellpreises von folgenden Grundlagen aus:

Ausgangspunkt ist zugunsten der Klägerin der von ihr behauptete sog. Listen-/Rechnungspreis, welcher um alle gewährten Rabatte/Rückvergütungen zu reduzieren ist (unter (1)). Vom Kartellpreis zu eliminieren sind zudem die Frachtkosten (unter (2)) sowie der gewährte Skontoabzug (unter (3)). Da im Ergebnis keine Differenz zu Gunsten der Klägerin verbleibt, kommt es auf den Umstand, dass die Beklagte die Höhe des Durchschnittspreises bestritten und die vorgelegten Unterlagen als verspätet gerügt hat, nicht an.

(1)

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der so genannte Listen-/Rechnungspreis von der Klägerin im Ergebnis nicht gezahlt wurde. Die Klägerin hat zum einen von der Abrechnungsfirma A GmbH sogenannte Rückvergütungen erhalten, die sie sich auf den Listenpreis anrechnen lässt (unter (a)). Der Listenpreis hat sich darüber hinaus jedoch durch weitere Faktoren verringert. Die Klägerin ist unstreitig in den Genuss von Gratislieferungen/Naturalrabatten gekommen; zudem haben die Baustoffhändler ihr teilweise zusätzliche Rabatte gewährt. Diese Positionen hält die Klägerin - mit Ausnahme einer Gratislieferung - im Rahmen ihrer Preisdarlegungen für nicht berücksichtigungsfähig. Wie vom Senat mehrmals im Rahmen der Hinweisbeschlüsse erwähnt (zuletzt Hinweisbeschluss 17.4.2015, Bl. 1021 der Akte), muss sich die Klägerin indes alle preisreduzierenden Faktoren, d.h. auch diese Beträge, anrechnen lassen (unter (b.)).

(a)

Hinsichtlich der so genannten Rückvergütungen legt der Senat die eigenen Angaben der Klägerin, sofern vorhanden, zu Grunde. Im Übrigen ist von einer pauschalen Rückvergütung in Höhe von 20 €/t auszugehen:

Die Rückvergütungen seitens der Abrechnungsstelle A GmbH setzten sich ausweislich des Vortrags der Klägerin sowie der zur Akte gelangten Abrechnungen jedenfalls aus monatlichen Zahlungen (Monatsrabatten) sowie Halbjahreszahlungen (Halbjahresrabatten) zusammen. Die Existenz dieser beiden Rabatt-Arten belegen auch die zur Akte gelangten Preisblätter der Beklagten (Bl. 208-210).

Die eigenen Berechnungen der Klägerin für die Jahre 2000-2001 berücksichtigen ausweislich Anlage K 116 für das Jahr 2000 eine durchschnittliche Rückvergütung in Höhe von 20,4 €/t und für das Jahr 2001 in Höhe von 23,11 €/t. Angaben für das Jahr 1999 fehlen. Der Senat hat insoweit bereits im Rahmen des Hinweisbeschlusses vom 24.4.2012 im Einzelnen ausgeführt, dass sich die Klägerin jedenfalls einen Rabatt in Höhe von pauschal 20 €/t anrechnen lassen muss. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die hier aufzuarbeitenden Vorgänge erhebliche Zeit zurückliegen und das Preissystem der Beklagten für die Klägerin nur aufwändig zu erfassen war. Der im Zivilprozess geltenden Darlegungs- und Beweislast entsprechend gehen jedoch insoweit verbleibende Unsicherheiten zulasten der Klägerin - wie vom Senat im Rahmen der Hinweisbeschlüsse auch im Einzelnen ausgeführt -, so dass in Ermangelung anderweitiger konkreter Angaben für das Jahr 1999 ein pauschaler Abzug von 20 €/t vorzunehmen ist.

Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, aus den eigenen Angaben der Klägerin ergebe sich, dass teilweise sehr viel höhere Rückvergütungen gewährt worden seien, die bis zu 35 €/t betragen hätten, überzeugt dies nicht. Richtig ist zwar, dass sich aus den eigenen Angaben der Klägerin für das Jahr 2002 Rückvergütungen in einer Größenordnung von bis zu 35 €/t ausweislich Anlage K 116 ergeben. Diese sind jedoch für den hier zu beurteilenden Zeitraum nicht maßgeblich.

(b)

Über diesen Abzug hinaus sind alle weiteren preisreduzierenden Faktoren zu berücksichtigen - worauf die Klägerin mehrfach hingewiesen wurde (Hinweisbeschluss vom 24.4.2012, Bl. 689 der Akte, 17.4.2014, Bl. 1022 der Akte).

Dies bezieht sich zum einen auf die so genannten Baustoffhändlerrabatte, welche in der ganz rechten Spalte des Zementbuchs erwähnt werden:

Dem eigenen Vortrag der Klägerin nach hat sie - auch bei einer Abwicklung der Käufe über Baustoffhändler/Spediteure - im Ergebnis die Preise gezahlt, die die Beklagte mit ihr ausgehandelt hatte.

Im Rahmen der Ermittlung des tatsächlich entrichteten Preises kommt es nicht auf die formalen Vertragsbeziehungen an, sondern darauf, ob dieser, unmittelbar von der Kartellantin festgesetzte Preis gezahlt wurde. Insoweit führt die Klägerin selbst durchgehend aus, keinerlei eigenständige Preisverhandlungen mit den Baustoffhändlern geführt zu haben (Bl. 914 d.A.). Diese hätten als Empfangsvertreter gehandelt und seien in die "Absatzstruktur" der Beklagten eingebunden worden (Bl. 1283 d.A.). Preisabsprachen hätten allein zwischen ihr und der Beklagten bestanden (Bl. 1296 d.A.) - mit Schreiben vom 8.12.2004 hat sie zudem eine Aufstellung von Gesprächsterminen zwischen der Beklagten und ihr in ihrem Hause erstellt (Bl. 113 der Akte). Wiederholt hat die Klägerin betont, immer unmittelbar mit Mitarbeitern der Beklagten und nicht mit den "pro forma" - so ihr Vortrag - zwischengeschalteten Baustoffhändlern verhandelt zu haben (Bl. 392 der Akte).

Die weiteren zur Akte gelangten Unterlagen sprechen ebenfalls für direkte Einwirkungen der Beklagten auf die von der Klägerin zu entrichtenden Endpreise: Die Beklagte selbst hat Unterlagen eingereicht, die unstreitig von ihr stammen und Preiskalkulationen konkret und individuell für die Klägerin ausweisen (Bl. 208-210). Unstreitig hat die Beklagte zudem die Klägerin unmittelbar über Veränderungen des Preises in Kenntnis gesetzt - entweder durch allgemein an ihre "Geschäftsfreunde" adressierte Briefe oder aber konkret an die Klägerin adressierte Schreiben (Bl. 17, 121, 123, 126, 875 der Akte). Nicht zuletzt spricht die eigene Formulierung der Beklagten (Bl. 900 d.A.), in welcher von Liefermengen der Beklagten an die Klägerin die Rede ist, dafür, dass jedenfalls faktische unmittelbare Beziehungen zwischen den Parteien bestanden.

Ausgehend hiervon wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, im Einzelnen näher darzustellen, dass die sog. Baustoffhändlerrabatte gänzlich unabhängig von dem Preissystem der Beklagten gewährt wurden. Dies ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen. Die Klägerin selbst verweist darauf, dass die Baustoffhändler bewusst und gesteuert von der Beklagten zwischengeschaltet worden seien. Soweit diese die Abnahme bestimmter Mengen mit weiteren Rabatten honoriert haben, ist nicht ersichtlich, dass dieser Vorgang nicht mehr im Zusammenhang mit dem von der Klägerin betonten Gesamtkonzept der allein zur Beklagten bestehenden Preisabsprachen steht.

Unstreitig hat die Klägerin zum anderen Gratislieferungen erhalten, die sich bei der Preisgestaltung wie ein Naturalrabatt auswirken. So ergibt sich etwa aus den Anlagen B 7 bis B 9 (Blatt 211- 213), dass in unregelmäßigen Abständen Naturalrabatte bzw. Gratislieferungen unmittelbar an die Klägerin erfolgten. Die Preisblätter der Beklagten enthalten ebenfalls im Rahmen der tabellarischen Auflistung eine gesonderte Spalte für so genannte Naturalrabatte (Bl. 208 bis 210 d. Akte).

Da die Klägerin keine weitere schriftsätzliche Aufbereitung dieser zusätzlichen Rabatte vorgenommen hat, ist deren durchschnittliche Höhe gem. § 287 ZPO zu schätzen:

Hinsichtlich der Baustoffhändlerrabatte kommt als Grundlage der Schätzung allein das sog. Zementbuch in Betracht, dessen rechte Spalte allerdings nicht durchgehend lesbar erscheint. In den Jahren 1999-2001 wurden ihr demnach Beträge zwischen 6,90 und 9,40 DM/t, d.h. 4,70 €/t gutgeschrieben. Die Menge der rabattierten Lieferungen liegt nach stichprobenartiger Prüfung weit unter zehn Prozent des Jahresbezugs.

Konkrete Angaben der Klägerin zum Umfang der Gratislieferungen fehlen ebenfalls. Lediglich die durch Anlage B 9 (Bl. 213) belegte Gratislieferung über 28.38 t vom 24.8.2001 findet im Rahmen der Aufstellung Anlage K 116 Berücksichtigung. Aus Anlage B 8 folgt, dass im Jahr 1992 bereits für einen Zeitraum von drei Monaten (Oktober bis Dezember 1992) eine Gratislieferung gewährt wurde. Die Rechnung Nr. 1485 aus dem Jahr 2000 enthält ebenfalls eine Gratislieferung (Anlagenordner Schriftsatz 12.6.2012).

Berücksichtigt man, dass die Anlage B 9 vom Sommer 2001 stammt, erscheint jedenfalls die Annahme, dass die Klägerin zwei Gratislieferungen a ca. 29 t pro Jahr, d.h. 58 t p.a., erhalten hat, angemessen. Ausgehend von den für das Jahr 1999 und 2000 unstreitig gestellten Bezugsmengen in Höhe von rund 1.163 t erhielt die Klägerin durch die Gratislieferungen im Ergebnis einen Naturalrabatt Höhe von 5% des Gesamtbezugs.

Der Senat geht auf dieser Basis davon aus, dass zur Berücksichtigung dieser weiteren Rabatte überschlägig ein weiterer Abzug von 0,5 €/t angemessen, aber auch ausreichend ist."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.

Kommentar schreiben

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.
Formular-Optionen