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OLG Hamm: Beschränkung eines Online-Shops auf gewerbliche Kunden- deutliche ausdrückliche Bestätigung des gewerblichen Nutzungsstatus beim Anmelde- oder Bestellvorgang

OLG Hamm
Urteil vom 16.11.2016
12 U 52/16


Das OLG Hamm hat enstchieden, dass bei einer Beschränkung eines Online-Shops auf gewerbliche Kunden eine deutliche ausdrückliche Bestätigung des gewerblichen Nutzungsstatus beim Anmelde- oder Bestellvorgang erforderlich ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Dass die Internetseite der Beklagten diesen besonderen Anforderungen an einen Verbrauchervertrag im elektronischen Rechtsverkehr nicht genügt, hat das Landgericht nach Inaugenscheinnahme festgestellt. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen nicht vor und werden mit der Berufung nicht dargetan.

b. Eine Beschränkung des Internetangebots auf Gewerbetreibende ist grundsätzlich möglich. Das folgt aus der im Zivilrecht geltenden Privatautonomie. § 312j BGB ist nur auf Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB anwendbar (Palandt/Grüneberg, a.a.O., BGB § 312j Rn. 2).

aa. Erforderlich ist, dass der Wille des Unternehmers, ausschließlich mit Gewerbetreibenden zu kontrahieren, klar und transparent zum Ausdruck gebracht wird. Da der Inhalt seiner Erklärung aus der objektivierten Sicht des Erklärungsempfängers auszulegen ist, kommt es darauf an, ob der Wille erkennbar zum Ausdruck kommt und von einem durchschnittlichen Empfänger nicht etwa übersehen oder missverstanden werden kann. Dafür bedarf es neben deutlicher Hinweise an geeigneter Stelle auch, dass der Ausschluss von Verträgen mit Verbrauchern in erheblichem Maße sichergestellt ist (OLG Hamm MMR 2012, 596, Tz. 31; OLGR Hamm 2008, 673, Tz. 31 f.; NJW-RR 2002, 1634 f.).

In der Literatur wird darüber hinaus verlangt, dass das abgeschlossene Rechtsgeschäft tatsächlich dem selbständigen Zweck der Vertragspartei zuzuordnen ist; weisen das angegebene Gewerbe und die Art und Menge des Verkaufsgegenstands keinen eindeutigen Bezug zueinander auf, sei im Zweifel von einem Verbrauchergeschäft auszugehen (vgl. Hönninger in jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 355 Rn. 12).

bb. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt die Rechtfertigung für die Beschränkung des Verbraucherschutzes auf den redlichen Vertragspartner in dem auch im Verbraucherschutzrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Wer eine Sache von einem Unternehmer kaufen will, der zu einem Geschäftsabschluss mit einem Verbraucher nicht bereit ist, weil er keine Gewähr für die Kaufsache übernehmen will, darf sich den Schutz der ihn begünstigenden Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf nicht dadurch erschleichen, dass er sich gegenüber dem Unternehmer wahrheitswidrig als Händler ausgibt, um diesen zum Vertragsschluss zu bewegen. Verstößt er dagegen, so ist ihm die spätere Berufung darauf, er sei in Wahrheit Verbraucher, nach Treu und Glauben (sog. "venire contra factum proprium") verwehrt (vgl. BGH NJW 2005, 1045, Tz. 12 m.w.N.).

Eine dahingehende Täuschung kann nur in Betracht kommen, wenn der Wille, nur mit Gewerbetreibenden zu kontrahieren, klar und transparent zum Ausdruck gebracht wird und hinreichend sichergestellt ist, dass Verträge mit Verbrauchern nicht ohne weiteres zustande kommen können. Denn an einem Täuschungsvorsatz und damit an einem vorwerfbaren treuwidrigen Verhalten fehlt es jedenfalls dann, wenn die Beschränkung auf Gewerbetreibende vom Interessenten übersehen werden kann und der Ausschluss von Verbrauchergeschäften gar nicht gesichert ist.

c. Im vorliegenden Fall lässt sich weder eine ausreichendend klare und transparente Beschränkung des Internetangebots auf Unternehmer noch ein hinreichend gesicherter Ausschluss von Verbrauchergeschäften feststellen.

(1) Auf der Hauptseite oben (Bl. 23) befindet sich die Überschrift „X Plattform für Gastronomie, Gewerbe, Restaurants, Gaststätte, Chef-Köche & Profis“, die aber nach Schriftart und Position leicht übersehbar ist. Auch ergibt sich daraus eine Beschränkung auf eine gewerbliche Nutzung nicht klar und eindeutig.

(2) Im Text der Hauptseite (Bl. 23) wird dann zwar ausgeführt, dass sich das Portal an Gastronomen und Profiköche wende. Ein durchschnittlicher Nutzer wird dem aber nicht ohne weiteres entnehmen, dass einem Verbraucher eine Nutzung untersagt ist. Nach der Gestaltung der Seite stehen zudem die anzuklickenden Bilder der Unterseiten im Vordergrund, so dass ein durchschnittlicher Verbraucher den darunter befindlichen Text nicht unbedingt lesen wird.

(3) Das gilt auch für den Hinweis links unten auf der Hauptseite (Bl. 23), der zwar nach der Formulierung eindeutig ist („Die Nutzung des Angebots ist ausschließlich für Firmen, Gewerbetreibende ... zulässig“). Der Text befindet sich aber am Rande der Seite und ist nicht hervorgehoben, mithin relativ leicht zu übersehen.

(4) Auf der Anmeldeseite („/register“, Bl. 25) befinden sich links unten der Hinweis und rechts in der Mitte Informationen mit gleichlautendem Text zum Nutzungsstatus, erneut aber lediglich am Rande und nicht hervorgehoben.

(5) Der auf der Hauptseite und auf den Unterseiten jeweils links unten vorhandene Hinweis ist unstreitig bei üblicher Bildschirmeinstellung erst durch Scrollen der Seite zu lesen.

(6) Zwar heißt es auf der Anmeldeseite zusätzlich in Fettdruck: „Die Nutzung der [Internetadresse] Plattform X ist ausschließlich für Firmen, Gewerbetreibende, Handwerksbetriebe, Vereine oder Behörden und selbständige Freiberufler bestimmt.“ (Bl. 25). Im Vordergrund als „Blickfang“ steht aber der Anmeldebereich mit den in die Eingabefelder einzugebenden Kontaktdaten. Der Bereich ist farblich hervorgehoben, während „Hinweis“ und „Informationen“ lediglich am Rande stehen, dies zudem zusammen mit allgemeinen Tipps, die eher auf Verbraucher zutreffen (z.B. „Was koche ich heute“).

(7) Auf der Anmeldeseite (Bl. 25) ist nur das Feld „Firma“ kein Pflichtfeld. Auch wenn ein Nicht-Verbraucher nicht stets eine Firma im handelsrechtlichen Sinne haben muss, kann die freigestellte Eingabe einer Firma bei einem Verbraucher den Eindruck erwecken, dass eine gewerbliche/berufliche Nutzung nicht Voraussetzung der Anmeldung ist.

(8) Das Markierungskästchen (Bl. 25) betrifft dann zwar den Text „Ich akzeptiere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und bestätige ausdrücklich meinen gewerblichen Nutzungsstatus.“. Üblicherweise rechnet ein Verbraucher an dieser Stelle aber nur mit zu akzeptierenden AGB. Dass zusätzlich der gewerbliche Nutzungsstatus bestätigt werden soll, kann mithin – ohne Hervorhebung – übersehen werden. Ob stets die Anordnung eines gesonderten Markierungskästchens für die Bestätigung der gewerblichen Nutzung erforderlich ist, bedarf deshalb keiner Entscheidung.

(9) Aber auch wenn der Text zum Markierungskästchen relativ kurz und deshalb hinreichend wahrnehmbar ist, erfolgt bei unterbliebener Markierung lediglich der Hinweis, dass die AGB bestätigt werden sollen. Es entsteht dadurch der Eindruck, dass der Anmeldevorgang gerade nicht von einem „gewerblichen Nutzungsstatus“ abhängig ist.

(10) Hieraus ergibt sich zugleich, dass der Ausschluss von Verbrauchergeschäften nicht weiter gesichert ist, weil der Anmeldevorgang ohne Eingabe einer Firma oder einer gleichbedeutenden gewerblichen oder beruflichen Bezeichnung und letztlich auch ohne ausdrückliche Bestätigung des „gewerblichen Nutzungsstatus“ abgeschlossen werden kann.

(11) Die mittelbar über das Akzeptieren der AGB abgegebene Bestätigung reicht nicht aus, weil AGB im elektronischen Geschäftsverkehr von Verbrauchern regelmäßig nicht im Einzelnen gelesen werden und mit einer dort enthaltenen Beschränkung auf eine gewerbliche/berufliche Nutzung auch nicht ohne weiteres gerechnet werden muss.

(12) In der Sache sind die kostenfreien Inhalte ganz allgemeiner Art und erkennbar für Unternehmer uninteressant. Überwiegend wird sich ein Verbraucher (Hobbykoch, Kochanfänger) angesprochen fühlen, soweit es um Basiswissen zum Einkaufen, Garen usw. (Bl. 27-30), um Grundlagen zum Kochen („Warum wird gekocht?“, „Was versteht man unter Kochen?“) und um sonstige Begriffserläuterungen geht (B. 31-35). Dort wird zudem „Kochen als Hobby“ erläutert und (erst) am Ende „Professionelles Kochen“ erläutert (Bl. 34 f.). Dafür besteht gar kein Anlass, wenn sich das Portal an Gewerbetreibende richtet. Erstinstanzlich hat der Kläger insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass Inhalt und Formulierungen der Tipps, Hinweise und Erläuterungen zu einer gewerblichen Tätigkeit nicht passen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


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