Skip to content

OLG Hamburg: Zur Rechtsmissbräuchlichkeit von Serienabmahnungen bei Verfolgung einfach gelagerter im Internet leicht zu ermittelnder Wettbewerbsverstöße,

OLG Hamburg
Urteil vom 11.08.2016
3 U 56/15


Das OLG Hamburg hat sich zur Rechtsmissbräuchlichkeit von Serienabmahnungen bei Verfolgung einfach gelagerter und im Internet leicht zu ermittelnder Wettbewerbsverstöße geäußert. Das OLG führt aus, dass eine umfangreiche Abmahntätigkeit allein regelmäßig nicht ausreicht um Rechtsmissbrauch zu begründen. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten. Vorliegend standen (wie so oft) Abmahntätigkeit, Kostenrisiko und wirtschaftliche Interessen des Abmahners an der Verfolgung der Wettbewerbsverstöße außer Verhältnis. Das Gericht nahm daher Rechtsmissbrauch an.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist unzulässig, jedenfalls aber unbegründet, denn die der Klageforderung zugrunde liegende Abmahnung war rechtsmissbräuchlich, § 8 Abs. 4 S. 1 UWG.
1.
Die Abmahnung der Klägerin vom 5. Mai 2014 (Anlage K 1) war rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 S. 1 UWG. Da die missbräuchliche Abmahnung nicht berechtigt i. S. d. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ist, kann kein Aufwendungsersatz verlangt werden (BGH, WRP 2012, 930 – Bauheizgerät; BGH, GRUR 2013, 307 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung).

a)
Nach § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung wegen einer nach § 3 UWG oder § 7 UWG unzulässigen geschäftlichen Handlung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Diese Regelung gilt nicht nur für die gerichtliche, sondern auch für die außergerichtliche Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs und damit insbesondere für die Abmahnung (BGH, GRUR 2012, 730 Rn. 13 – Bauheizgerät). Ist eine vorgerichtliche Abmahnung rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG erfolgt, so sind nachfolgend gerichtlich geltend gemachte Anträge unzulässig (BGH, GRUR 2002, 715, 717 – Scannerwerbung (zu § 13 Abs. 5 UWG a. F); BGH, GRUR 2012, 730 Rn. 47 – Bauheizgerät, m. w. N.; BGH, BeckRS 2016, 13602 Rn. 15 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon).

Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind (BGH, GRUR 2000, 1089, 1091 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung). Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Es reicht aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH, GRUR 2006, 243 Rn. 16 – MEGA SALE). Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände (BGH, GRUR 2000, 1089 Rn. 20 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH, GRUR 2012, 730 Rn. 15 – Bauheizgerät). Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die sich aber in der Regel nur aus äußeren Umständen erschließen lassen (Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Auflage, 2016, § 8 Rn. 4.11). Bei der Beurteilung kann auch das Verhalten des Anspruchstellers bei der Rechtsverfolgung in früheren und späteren Fällen berücksichtigt werden (BGH, GRUR 2012, 730, 731 Rn. 15 – Bauheizgerät; OLG Hamm, BeckRS 2011, 21443).

Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, der Anspruchsberechtigte die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezweckt oder der Abmahnende systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen verlangt (vgl. BGHZ 144, 165, 170 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH, GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner; BGH, GRUR 2012, 286 Rn. 13 – Falsche Suchrubrik; BGH, BeckRS 2016, 13602 Rn. 15 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon, jeweils m. w. N.).

Eine umfangreiche Abmahntätigkeit ist jedoch für sich genommen noch kein Indiz für ein überwiegendes Gebührenerzielungsinteresse (vgl. OLG München, NJWE-WettbR 1998, 29, 30); dieser Umstand ist vielmehr im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen. Ein Indiz für einen Missbrauch kann es sein, wenn die Abmahntätigkeit sich verselbständigt, das heißt in keinem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Geschäftstätigkeit des Anspruchstellers steht und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann (BGH, NJW 2001, 371 – Vielfachabmahner; BGH, GRUR 2012, 286 Rn. 12 – Falsche Suchrubrik). Ferner ist es ein Indiz für einen Missbrauch, wenn der beauftragte Anwalt das Abmahngeschäft „in eigener Regie“ betreibt, insbesondere selbst Wettbewerbsverstöße erst ermittelt (BGH, GRUR 2012, 286 Rn. 16 – Falsche Suchrubrik) oder den Auftraggeber vom Kostenrisiko ganz oder teilweise freistellt (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2007, 56, 57; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2016, 26, 27; OLG Jena, GRUR-RR 2011, 327 Rn. 12; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Auflage, 2016, § 8 UWG Rn. 4.12b). Für einen Rechtsmissbrauch kann auch sprechen, dass sich der Gläubiger auf die Verfolgung einfacher Wettbewerbsverstöße beschränkt oder dass er kein Ordnungsmittelverfahren betreibt, weil es für ihn nicht mit finanziellen Vorteilen verbunden ist (BGH GRUR 1990, 282, 285 – Wettbewerbsverein IV; Büscher in: Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Auflage, 2016, § 8 Rn. 287).

Ein Indiz für den Rechtsmissbrauch kann auch darin liegen, dass sich der Gläubiger eines titulierten lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruchs die Titelvollstreckung abkaufen lässt (OLG München, GRUR-RR 2012, 169, 171; OLG Hamburg, NJOZ 2011, 1162 Rn. 29; OLG Hamm, GRUR-RR 2005, 141 – Sortenreinheit).

Die Frage des Rechtsmissbrauchs ist im Wege des Freibeweises jederzeit von Amts wegen zu prüfen (BGH, GRUR 2002, 715, 717 – Scannerwerbung). Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit der in Anspruch Genommene. Hat er durch entsprechenden Tatsachenvortrag die für die Anspruchsberechtigung sprechende Vermutung erschüttert, so muss der Anspruchsteller substantiiert die Gründe darlegen, die gegen einen Rechtsmissbrauch sprechen (BGH, GRUR 2001, 178 – Impfstoffversand an Ärzte; BGH GRUR 2006, 243 – MEGA SALE; OLG Köln, NJW 1993, 571 ff.; Büscher in: Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Auflage, 2016, § 8 Rn. 297). Das Gleiche gilt, wenn der Anspruchsteller bereits in der Vergangenheit missbräuchlich vorgegangen ist und die äußeren Umstände mit der jetzigen Rechtsverfolgung im Wesentlichen übereinstimmen. Es ist dann Sache des Anspruchstellers, gewichtige Veränderungen in den maßgeblichen Umständen darzulegen, die die Gewähr für eine redliche Rechtsverfolgung bieten (KG, GRUR-RR 2004, 335).
b)

Dies zugrunde gelegt, erweist sich das Vorgehen der Klägerin als rechtsmissbräuchlich.
aa)

Im Rahmen der Gesamtabwägung ist zunächst davon auszugehen, dass die Klägerin in der Vergangenheit bei der Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen bereits massiv rechtsmissbräuchlich vorgegangen ist. Dieser Umstand lässt zwar allein noch keinen hinreichend sicheren Schluss darauf zu, dass auch der neuerlichen Abmahntätigkeit der Klägerin identische Beweggründe zugrunde liegen, es rechtfertigt aber indiziell einen entsprechenden Verdacht.

Die Klägerin hat bereits kurz nach dem zum 1. Oktober 2011 erfolgten Erwerb der Apotheke damit begonnen, zahlreiche Abmahnungen wegen Verstößen gegen die Preisangabenverordnung aussprechen zu lassen und nachfolgend entsprechende gerichtliche Verfahren angestrengt. So wurden in der Zeit von November 2011 bis Ende September 2012 wegen unzureichender Grundpreisangaben beim Vertrieb von Eiweiß-Produkten rund 80 Abmahnungen ausgesprochen. Ab dem 1. Oktober 2012 sind dann weitere 89 Abmahnungen ausgesprochen worden, und zwar überwiegend wegen unzureichenden Preisangaben beim Vertrieb von Artikeln der Sexualhygiene. Die Klägerin hat zudem nachfolgend rund 90 gerichtliche Verfahren geführt.

Bei den monierten Verstößen gegen die Preisangabenverordnung hat es sich um einfach zu ermittelnde Wettbewerbsverstöße gehandelt, die zudem durch entsprechende Ausdrucke des jeweiligen Internetangebots auch leicht zu belegen waren. Ein nachvollziehbares eigenes Interesse an dieser umfangreichen Abmahntätigkeit hat die Klägerin nicht dargelegt. Die abgemahnten Verstöße betrafen Eiweiß-Produkte und Artikel der Sexualhygiene, mithin Waren aus dem Randsortiment der Apotheke der Klägerin. Dass der Klägerin durch die abgemahnten Verstöße ein wirtschaftlich relevanter Schaden entstanden sein könnte, ist weder dargelegt worden noch sonst ersichtlich.

Die durch die Abmahnungen sowie die gerichtlichen Verfahren ausgelösten Kosten, insbesondere Rechtsanwaltsgebühren waren jedoch erheblich. Ob dieses Kostenrisiko bei insgesamt € 1,3 Mio. liegt – wie die Beklagte meint – muss nicht entscheiden werden. Jedenfalls belaufen sich allein die Kosten der 189 Abmahnungen, mit welchen Verstöße gegen die Preisangabenverordnung nach einem Streitwert von mindestens € 10.000,00 geltend gemacht worden sind, auf insgesamt € 123.190,20 (=189 X € 651,80 = 1,3 Gebühr à € 631,80 zzgl. Telekommunikationspauschale von € 20,00). In diesem Betrag sind nur die anwaltlichen Gebühren des Drittwiderbeklagten enthalten.

Zur Bewertung des mit der Geltendmachung der Abmahnungen ausgelösten vollen finanziellen Risikos der Klägerin sind dem vorgenannten Betrag auch die erheblichen weiteren Kosten der Rechtsverfolgung, insbesondere die anwaltlichen Kosten der Gegenseite sowie die Gerichtskosten hinzuzufügen. Zwar kann angenommen werden, dass die Klägerin nicht damit rechnen musste, dass sich das hohe Kostenrisiko auch in vollem Umfang realisieren würde, denn sie hat gerade solche Wettbewerbsverstöße abmahnen lassen, die einerseits leicht über das Internet recherchierbar und daher durch Screenshots etc. auch gut nachweisbar sowie andererseits regelmäßig auch in rechtlicher Hinsicht zweifelsfrei als Wettbewerbsverstöße zu identifizieren waren. Gleichwohl verbleibt es angesichts der hohen Zahl der ausgesprochenen Abmahnungen bei einem nicht unerheblichen Kostenrisiko.

Dass dieses Risiko in einem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu den Einnahmen der Klägerin steht, kann nicht festgestellt werden. Zwar hat sie vorgetragen, dass sie mit ihrer Apotheke in der Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 30. Juni 2014 einen Gesamtumsatz von € 673.499,00 erzielt habe, wovon € 429.057,00 auf Umsätze mit den gesetzlichen Krankenkassen entfallen seien. Die Beklagte hat jedoch unter Zugrundelegung der genannten Umsätze und der typischen Kostenstruktur einer Apotheke substantiiert ausgeführt, dass der Klägerin ein monatliches Nettoeinkommen von lediglich € 1.839,90 verbleibe. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegen getreten, so dass der diesbezügliche Beklagtenvortrag als zugestanden zu behandeln ist.

Das deutliche Missverhältnis zwischen dem geringen wirtschaftlichen Interesse der Klägerin an den geltend gemachten Rechtsverstößen sowie ihrer begrenzten Einnahmesituation einerseits und dem potentiell erheblichen Kostenrisiko, das mit der Geltendmachung verbunden war, andererseits, lassen diese Abmahnvorgänge als rechtmissbräuchlich erscheinen. Der wirtschaftliche Vorteil in Form von Anwaltshonoraren ist im Wesentlichen auf Seiten des Drittwiderbeklagten eingetreten. Diese Sachlage führt zu dem Schluss, dass die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu gedient hat, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

Diese Umstände sind im Rahmen der Verhandlung mehrerer Berufungssachen vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht am 19. Februar 2013 erörtert worden. Die Klägerin hat nach entsprechendem Hinweis des Senats bzgl. der Rechtsmissbräuchlichkeit ihres Vorgehens verfahrensbeendende Erklärungen abgegeben, insbesondere sind Antrags- und Klagerücknahmen erfolgt (vgl. Protokoll der Berufungsverhandlung vom 19. Februar 2013, Az. 3 U 140/12).

Mit der nunmehr streitgegenständlichen Abmahnung vom 5. Mai 2014 hat die Klägerin einen Verstoß gegen die HCVO, d. h. die Bewerbung von Lebensmitteln, nämlich C-U Kapseln, mit nicht zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben geltend gemacht (Anlage K 1). Die Klägerin hat es nicht bei einer Abmahnung belassen, sondern insgesamt 11 Abmahnungen wegen eines entsprechenden Verstoßes aussprechen lassen.

Auch insoweit hat sie einen Wettbewerbsverstoß im Internet gerügt, der leicht zu ermitteln und leicht zu belegen war. Der Verstoß betrifft allerdings – anders als die vorangegangenen Abmahnungen – den Kern des Apothekensortiments. Durch die Bewerbung der C-U Kapseln mit gesundheitsbezogenen Angaben zur Blasengesundheit besteht die Gefahr, dass der angesprochene Verkehr statt der in der Apotheke angebotenen Arzneimittel zur Behandlung von Blasenkrankheiten auf die beworbenen C-U Kapseln zugreift. Mangels entsprechenden Klagvorbringens ist jedoch nicht konkret ersichtlich, in welchem Ausmaß der gerügte Verstoß den Umsatz der Klägerin gefährden könnte. Während das eigene wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Rechtsverfolgung mithin als eher gering anzusehen ist, ist sie mit dieser und den 10 weiteren gleichgelagerten Abmahnungen erneut ein nicht unerhebliches Kostenrisiko von allein € 10.830,60 (= 11 X € 984,60) für die Kosten des Drittwiderbeklagten eingegangen. Zur Bewertung des mit der Geltendmachung der Abmahnungen ausgelösten finanziellen Risikos der Klägerin sind darüber hinaus auch die weiteren Kosten der Rechtsverfolgung, insbesondere die anwaltlichen Kosten der Gegenseite sowie die Gerichtskosten zu berücksichtigen.

Die Grundstruktur des Vorgehens der Klägerin entspricht damit im Wesentlichen ihrem vorangegangenen Handeln. Auch im Hinblick auf die neuerlichen Abmahnungen besteht ein Missverhältnis zwischen dem eher geringen wirtschaftlichen Interesse der Klägerin an der Verfolgung der geltend gemachten Rechtsverstöße sowie ihrer begrenzten Einnahmesituation einerseits und dem nicht unerheblichen Kostenrisiko der Geltendmachung andererseits. Wiederum ist der erkennbare wirtschaftliche Vorteil der Rechtsverfolgung in Form von Anwaltshonoraren im Wesentlichen auf Seiten des Drittwiderbeklagten, nicht jedoch auf Seiten der Klägerin eingetreten.

Auch wenn der Umfang der jetzigen gegenüber der zurückliegenden Abmahntätigkeit reduziert ist und zudem der Gegenstand der Abmahnung nunmehr den Kernbereich des Apothekensortiment betrifft, zeigt schon die ansonsten übereinstimmende Grundstruktur des Vorgehens für die Annahme, dass die Grundlagen des Handelns der Klägerin unverändert geblieben sind, dass mithin auch die Verfolgung der jetzt geltend gemachten Ansprüche vorwiegend dazu gedient hat, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

Zudem treten weitere Aspekte hinzu, die die Rechtsmissbräuchlichkeit des Vorgehens der Klägerin bestätigen, insbesondere der Umstand, dass sie die notarielle Unterlassungserklärung der Beklagten vom 9. Mai 2014 (Anlage K 2) nicht "scharf gestellt" hat.

Während die Klägerin die Kosten der Abmahnung vom 5. Mai 2014 (Anlage K 1) umgehend, nämlich bereits mit der vorliegenden Klage vom 21. Mai 2014 gerichtlich geltend gemacht hat, hat die Klägerin nachfolgend nichts unternommen, um eine Vollstreckbarkeit der notariellen "Unterlassungserklärung mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung" der Beklagten vom 9. Mai 2014 (Anlage K 2) herbeizuführen. Auch hinsichtlich der weiteren Abmahnung vom 7. Januar 2015, mit der der Drittwiderbeklagte die Beklagte im Namen der Klägerin erneut wegen HCVO-Verstößen bei der Bewerbung des Produkts C-U Pulver abgemahnt hat, hat die Beklagte eine entsprechende notarielle Unterwerfungserklärung abgegeben, ohne dass die Klägerin einen Androhungsbeschluss nach §§ 890, 891 ZPO erwirkt hätte (Anlage B 7). Gleiches gilt hinsichtlich der Abmahnung eines weiteren Anbieters von C-U Pulver vom 20. Februar 2015, auf die der Abgemahnte ebenfalls eine entsprechende notarielle Unterwerfungserklärung abgegeben, ohne dass die Klägerin nachfolgend einen Androhungsbeschluss nach §§ 890, 891 ZPO erwirkt hätte (Anlage B 9).

Der Vortrag der Klägerin, sie habe insoweit eine Entscheidung des LG Erfurt in anderer Sache abwarten wollen und sie habe darauf vertraut, dass die Beklagte sich rechtmäßig verhalten werde, ist nicht geeignet, ihre nachhaltige Untätigkeit nachvollziehbar zu erklären.

Auch diese Untätigkeit bzgl. des Unterlassungsanspruchs einerseits und der umgehenden klagweisen Geltendmachung der Abmahnkosten in der vorliegenden Sache andererseits, zeigt, dass es der Klägerin auch vorliegend vorwiegend um die Entstehung eines Anspruchs auf Ersatz von Aufwendungen und Kosten der Rechtsverfolgung, nicht jedoch um die Durchsetzung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs geht. Das rechtfertigt – im Zusammenspiel mit den vorgenannten Umständen – die Annahme, dass die Grundlagen des Handelns der Klägerin auch bezogen auf den jetzt vorliegenden Streitgegenstand unverändert rechtsmissbräuchlich waren.
cc)

Hinzu kommt, dass der Drittwiderbeklagte die Klägerin jedenfalls zum Teil von etwaigen Kosten freigestellt hat, obwohl er dazu rechtlich nicht verpflichtet gewesen wäre.
(1)

Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte haben eingeräumt, dass die Klägerin keine Kostenbelastung durch die Antrags- und Klagerücknahmen vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht erlitten hat, sondern dass die dadurch angefallenen Kosten i. H. v. € 25.000,00 von der Haftpflichtversicherung des Drittwiderbeklagten - und dessen Selbstanteil von diesem unmittelbar - getragen wurden. Darüber hinaus haben Klägerin und Drittwiderbeklagter eingeräumt, dass auch die nachfolgend außerhalb Hamburgs anhängig gemachten Ansprüche aus Abmahnungen wegen Verstößen gegen die Preisangabenverordnung in der Mehrzahl verloren gegangen sind und gleichwohl der Klägerin die Kosten nicht in Rechnung gestellt wurden. Diese Kosten i. H. v. € 15.000,00 hat vielmehr der Drittwiderbeklagte übernommen. Ein Regress gegenüber der Versicherung erfolgte nicht.
(1.1)

Die Kostenübernahme durch den Drittwiderbeklagten bzw. seine Haftpflichtversicherung hinsichtlich der Antrags- und Klagrücknahmen vom 19. Februar 2013 ist im Hinblick auf eine falsche anwaltliche Beratung und für sich genommen nicht geeignet, eine generelle Kostenfreistellung der Klägerin zu belegen. Angesichts der Vielzahl der außergerichtlichen Abmahnungen und gerichtlichen Verfahren und der zum Zeitpunkt ihrer Geltendmachung nicht höchstrichterlich geklärten Frage des Rechtsmissbrauchs im Sinne von § 8 Abs. 4 S. 1 UWG, erscheint ein Zuraten des Drittwiderbeklagten zu der erfolgten sehr umfangreichen Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche zwar gewagt. Soweit die Klägerin auf diesen falschen anwaltlichen Rat vertraut hat, war der Drittwiderbeklagte jedoch zum Schadensersatz verpflichtet.
(1.2.)

Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass auch die Freistellung von den Kosten der nachfolgend eingeleiteten gerichtlichen Verfahren in Höhe von rund € 15.000,00 darauf beruhen könnte, dass die Klägerin diesbezüglich auf einen falschen anwaltlichen Rat des Drittwiderbeklagten vertraut hätte. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass der Drittwiderbeklagte ihr auch nach der Berufungsverhandlung vom 19. Februar 2013 noch geraten habe, gleichgelagerte Ansprüche aus der Zeit vor dem 19. Februar 2013 außerhalb Hamburgs gerichtlich geltend zu machen. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin diesem Rechtsrat vertraut haben und ihm gefolgt sein sollte.

Sie selbst hatte mit diesem Vorgehen nichts mehr zu gewinnen. Soweit damit Abmahnkosten aus der Zeit vor dem 19. Februar 2013 geltend gemacht worden sind, hätte diese – wie vorstehend ausgeführt – ohnehin der Drittwiderbeklagte tragen müssen. Soweit damit weitere Unterlassungsansprüche aus der Zeit vor dem 19. Februar 2013 geltend gemacht worden sind, stand deren Durchsetzung – worauf das Hanseatische Oberlandesgericht die Klägerin in der Berufungsverhandlung vom 19. Februar 2013 bereits hingewiesen hatte – der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Mit der Übernahme der Kosten für diese verlorenen Verfahren in Höhe von € 15.000,00 hat der Drittwiderbeklagte die Klägerin mithin freigestellt, ohne dazu rechtlich verpflichtet gewesen zu sein.
(2)

Schon dieser Umstand weist – zusammen mit den weiteren Umständen, dass die Klägerin erstmals im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits anwaltliche Gebühren an den Drittwiderbeklagten bezahlt hat und dass der Drittwiderbeklagte sehr umfassend anwaltlich tätig geworden ist, ohne dass die Klägerin jemals einen entsprechenden Kostenvorschuss geleistet hätte –, darauf hin, dass der Drittwiderbeklagte die Klägerin auch hinsichtlich der Kosten der jetzt streitgegenständlichen Abmahnung freigestellt hat.

Zudem hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass für den Rechtsmissbrauch der Klägerin auch der Umstand spricht, dass sie angeboten hat, bestehende Unterlassungsansprüche gegen Zahlung eines entsprechenden Betrages aufzugeben (Anlage B 1).
c)

Schon die Kombination einzelner Umstände des Vorgehens der Klägerin belegt – wie vorstehend ausgeführt –, dass die Abmahnung der Klägerin vom 5. Mai 2014 rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 S. 1 UWG war. Dies gilt jedenfalls für die Gesamtabwägung aller vorstehend im Einzelnen erörterten Gesichtspunkte.

Eine solche rechtsmissbräuchliche Abmahnung ist nicht "berechtigt" im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 2 UWG und begründet daher keinen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen (Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Auflage, 2016, § 8 Rn. 4.6). Zudem führt die wegen Missbrauchs unzulässige Geltendmachung des Anspruchs durch Abmahnung dazu, dass auch die nachfolgende Klage unzulässig ist.

Die vorliegende Klage auf Erstattung der Abmahnkosten ist mithin bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Die diesbezügliche Berufung der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.

Kommentar schreiben

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.
Formular-Optionen