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LG Köln: Modell hat Anspruch Schadensersatz und Erstattung des immateriellen Schadens gegen Friseursalon wegen misslungener Haarfärbung

LG Köln
Urteil vom 14.07.2017
4 O 381/16


Das LG Köln hat entschieden, dass ein Modell einen Anspruch auf Schadensersatz und Erstattung des immateriellen Schadens gegen einen Friseursalon wegen einer misslungenen Haarfärbung hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

"I.

Die Feststellungsklage ist zulässig. Insbesondere das gemäß § 256 ZPO notwendige Feststellungsinteresse ist gegeben. Dies ist auch dann der Fall, wenn zwar ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung eines darüber hinausgehenden Schadens aber noch zu erwarten ist (BGH, Urt. v. 19.04.2016 – VI ZR 506/14, NJW-RR 2016, 759). Dies ist der Fall. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Schadensentstehung noch nicht abgeschlossen ist. Die Einzelrichterin konnte sich im Termin zur mündlichen Verhandlung selbst davon überzeugen, dass die Haare der Klägerin nach wie vor geschädigt sind. Genau dieser Zustand der Haare ist – wie unten ausführlich dargestellt – der schadensstiftende Umstand.

II.

Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz des materiellen sowie immateriellen Schadens zu, welcher ihr infolge der mangelhaften Behandlung ihrer Haare entstanden ist. Dieser ergibt sich hinsichtlich des Mangelbeseitigungsschadens aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB, hinsichtlich aller übrigen Schäden aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB.

1.

Die von der Klägerin beauftragte Einfärbung ihrer Haare sowie der in ihrem Eigentum stehenden Haarteile ist als Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff. BGB zu werden, da die Beklagte einen bestimmten Erfolg schuldete. Dass die Klägerin die Beklagte überhaupt mit der Einfärbung ihrer Haare – sei es als Tönung oder als Colorierung – beauftragte, steht nicht im Streit.

2.

Die von der Beklagten erbrachte Leistung war mangelhaft im Sinne des § 633 Abs. 2 BGB. Dies ist dann der Fall, wenn sie nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist (§ 633 Abs. 2 S. 1 BGB) oder sich nicht für die vom Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Darüber hinaus kann der Werkbesteller auch ohne konkrete Abrede erwarten, dass das hergestellte Werk sach- und fachgerecht gemäß der allgemeinen Regeln des einschlägigen Handwerks hergestellt ist (...).

Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat insofern vorgetragen, die Klägerin habe auf der ihr gezeigten Farbtafel den Farbton „braun-gold“ gewählt, also gerade nicht rot. Damit bestreitet auch die Beklagte nicht, dass die Klägerin die Färbung ihrer Haare nach „braun-gold“ wünschte, nicht nach rot. Es wäre dann an der Beklagten gewesen, das geeignete Mittel auszuwählen, um dieses Ergebnis zu erzielen.

Dies hat sie aber offensichtlich nicht getan, da die Haare der Klägerin nach der Behandlung rot waren. Davon ist die Kammer überzeugt: Die Rotfärbung ergibt sich zunächst aus dem Sachvortrag der Beklagten, wonach sie für die zweite Färbung einen Farbton von „blau/grün“ gewählt habe, was aber schon nach ihrem eigenen Sachvortrag Sinn machte, wenn die Haare tatsächlich den behaupteten Rotstich gehabt hätten. Die rötliche Verfärbung nach der Behandlung durch die Beklagte ergibt sich zudem aus den von der Klägerin vorgelegten Lichtbildern. So ist auf dem Lichtbild Anlage K 20 (Bl. 38 AH) die Klägerin zu sehen mit trockenen Haaren. Dass es sich bei dem im Hintergrund abgebildeten Mobiliar um dasjenige ihres Salons handelt, hat die Beklagte nicht konkret bestritten. Im Übrigen ist das gleiche Mobiliar auch auf dem Lichtbild Anlage K 13 (Bl. 27 AH) zu erkennen; auf diesem ist die Klägerin zu sehen, allerdings diesmal unter einem Trocknungsgerät sitzend offenbar mit dem einwirkenden Färbemittel im Haar. Auch hinsichtlich dieses Lichtbildes hat die Beklagte nicht konkret bestritten, dass es in ihrem Salon aufgenommen worden sei. Weiter hat die Klägerin die Lichtbilder Anlagenkonvolut K6 (Bl. 13-15 AH) zur Akte gereicht. Auf dem ersten der genannten Lichtbilder ist sie mit deutlich rötlichen Haaren zu sehen; dass im Hintergrund dieses Lichtbildes die Beklagte zu sehen ist, hat diese nicht konkret bestritten. Auf dem folgenden Lichtbild Bl. 14 AH ist zudem der Schriftzug „L“ des Salons der Beklagten zu erkennen. Keine der Parteien hat vorgetragen, dass sich die Klägerin noch zu einer anderen Gelegenheit als der hier streitgegenständlichen Behandlung im Salon der Beklagten aufgehalten habe. Angesichts dessen ist die Kammer der Überzeugung, dass die genannten Lichtbilder Anlagenkonvolut K6 die Klägerin nach der hier gegenständlichen Haarbehandlung zeigen.

Soweit der Beklagtenvertreter der Verwertung der zur Akte gereichten Lichtbilder widersprochen hat, so hat das keine für das hiesige Verfahren relevante Rechtsfolge. Die genannten Lichtbilder sind zweifelsohne dem richterlichen Augenschein gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 ZPO zugänglich. Es ist auch nicht im Ansatz ersichtlich, dass hinsichtlich dieser Lichtbilder ein Beweisverwertungsverbot bestehen könnte. Im Übrigen sind die vom Beklagtenvertreter vorgebrachten Verwertungswidersprüche der hier allein maßgeblichen Zivilprozessordnung fremd; vielmehr handelt es sich um ein Rechtsinstrument aus dem Strafverfahren gemäß der StPO, die im hier zu entscheidenden Zivilprozess zweifelsohne nicht zur Anwendung kommt.

3.

Die Beklagte hatte auch die Gelegenheit zur Nachbesserung, sowohl hinsichtlich der Haare der Klägerin als auch der Haarteile. Diese haben offenbar nicht zum Erfolg geführt; etwas anderes trägt auch die Beklagte nicht konkret vor. Dies liegt insbesondere nicht in ihrer Behauptung, zum Zeitpunkt des Termins in hiesiger Sache sei von einem Rotstich nichts mehr zu sehen gewesen. Die fragliche Farbbehandlung fand im November 2015, der Termin hingegen Anfang Juni 2017. Allein schon aufgrund des natürlichen Wachstums der Haare konnten diese beim Termin nicht mehr in dem Zustand Nach dem Vortrag der Klägerin hat sie ihre Haare seitdem auch mehrfach nachbehandeln lassen,

4.

Der Klägerin ist auch infolge der wie ausgeführt mangelhaften Farbbehandlung ihrer Haare und der in ihrem Eigentum stehenden Haarteile durch die Beklagte ein Schaden entstanden. Davon ist die Kammer nach Würdigung aller Umstände überzeugt; ihr steht es insoweit offen, auch das grundsätzliche Vorliegen eines Schadens gemäß § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO zu schätzen.

Die Falscheinfärbung der Haarteile hat ersichtlich einen Schaden verursacht, mindestens einen Materialschaden.

Darüber hinaus ist der Klägerin jedenfalls auch ein Schaden in Form von Verdienstausfall entstanden. Die Klägerin war als Model tätig. Dies hat die Beklagte zum einen nicht ausreichend bestritten, ergibt sich aber auch aus den von der Klägerin zur Akten gereichten Rechnungen Ihrer Kunden, an deren Echtheit die Kammer keinen Grund zu zweifeln hat. Das pauschale Bestreiten der Beklagten diesbezüglich erfolgt ersichtlich „ins Blaue hinein“ und ist daher unbeachtlich (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 138 Rn. 10a m. w. N.). Zudem hat die Klägerin mehrere Foto Werbekampagnen zur Akte gereicht, so von der Firma „B“ und „H“. Auch das dazu von der Beklagten gemachte pauschale Bestreiten geht ersichtlich ins Blaue hinein und ist deshalb unbeachtlich.

Ebenso ist die Kammer überzeugt, dass der Klägerin wegen der konkreten Beschaffenheit der Haare ein Schaden mindestens dadurch entstanden ist, dass sie weniger gebucht wird. Insofern hat die Kammer auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Bestätigung vom 09.12.2016 (Bl. 37 AH) um eine Gefälligkeitsbescheinigung handeln könnte. Auch dieses Bestreiten der Beklagten geschieht ersichtlich „ins Blaue“ hinein.

Dass die Beklagte weitgehend ins Blaue hinein bestreitet, schließt die Kammer auch aus ihrem gesamten Prozessverhalten. Dies bestand über weite Strecken darin, die Klägerin als Personen durch Polemik und Unterstellungen in Misskredit zu bringen und sie herabzuwürdigen. So wurde ihr Größenwahn, maßlose Selbstüberschätzung und Realitätsverlust sowie das Fehlen von Persönlichkeit und Souveränität unterstellt. Auch wurden ersichtlich verfahrensfremde Auszüge aus ihren Auftritten in so genannten Social Medias zitiert und diese als „peinlich“ und „Schwachsinn“ bezeichnet. Eine Beweiswürdigung kann die Kammer dieses Prozessverhalten der Beklagten berücksichtigen, da es zum Inhalt der mündlichen Verhandlung gehört (vgl. Greger, in: Zöller, a. a. O., § 286 Rn. 2 und 14 m. w. N.).

Darüber hinaus ist die Kammer der Überzeugung, dass der Schadensverlauf noch nicht abgeschlossen ist. Die Klägerin hatte vor der Behandlung durch die Klägerin eine deutlich über die Schultern reichende Haarlänge; dies ist auf allen von ihr zur Akte gereichten Lichtbildern zu sehen. Es ist allgemeinbekannt, dass Haare über einen längeren Zeitraum wachsen müssen, um diese Länge zu erreichen. Bekanntermaßen wachsen Haare im Monat etwa 1 cm, im Jahr etwa 15 cm pro Jahr. Daher ist auch dem Beweisantritt der Beklagten – wie gesagt einer Friseurmeisterin –, die genannte Haarlänge bis über die Schultern hätte die Klägerin auch bei Scheren ihres Kopfes nach 2-3 Monaten wieder gehabt, nicht nachzugehen.

Eine Beweisaufnahme war danach wegen § 287 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO und wegen § 291 ZPO entbehrlich.

5.
Ebenso hat die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz ihres entstandenen immateriellen Schadens. In die konkret vorgenommene Behandlung ihrer Haare – nämlich deren Färbung nach rot – hat die Klägerin nicht eingewilligt. Auch in deren Schädigung liegt eine Körperverletzung vor, die in den Anwendungsbereich des § 253 Abs. 2 BGB fällt (vgl. LG Mönchengladbach, Urt. v. 09.10.2009 – 5 S 59/09, NJW-RR 2010, 325; AG Köln, Urt. v. 08.08.2001 – 141 C 5/01, NJW-RR 2001, 1675)."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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