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LG München: Online-Bewertungsportal kann im B2B-Bereich gegenüber Kaufleuten US-Recht und Ort in den USA als Gerichtsstand vereinbaren

LG München I
Urteil 11.08.2017
33 O 8184/16


Das LG München hat entschieden, dass ein Online-Bewertungsportal mit Sitz in den USA im B2B-Bereich gegenüber Kaufleuten die Geltung von US-Recht und einen Ort in den USA als Gerichtsstand wirksam vereinbaren kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

4. Prozessuale Wirkungen kann eine - wie hier nach materiellem Recht wirksam zustande gekommene - Vereinbarung über die Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts nur haben, wenn und soweit sie das Prozessrecht zulässt. Diese prozessrechtliche Zulässigkeit beurteilt sich ausschließlich nach der lex fori, also, wenn ein deutsches Gericht angerufen ist, nach deutschem Prozessrecht, auch wenn die Vereinbarung - wie im vorliegenden Fall - einem anderen Schuldstatut unterliegt (vgl. BeckOK/Toussaint, ZPO, 24. Edition, Stand: 01.03.2017, § 38 Rdnr. 12). Das deutsche Prozessrecht regelt die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen in §§ 38, 40 ZPO. Danach ist die streitgegenständliche internationale Gerichtsstandsvereinbarung auch in prozessualer Hinsicht zulässig:

a) Nach § 38 Abs. 1 ZPO wird ein an sich unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien zuständig, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind. § 38 Abs. 2 ZPO stellt nach überwiegend vertretener Auffassung, der sich die Kammer anschließt, keine abschließende Sonderregelung für die internationale Zuständigkeitsvereinbarung dar, d.h. der unbeschränkt prorogationsfähige Personenkreis kann auch gemäß § 38 Abs. 1 ZPO internationale Zuständigkeitsvereinbarungen treffen, denn eine Begrenzung auf den inländischen Geschäftsverkehr bzw. die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 2 S. 2 ZPO lässt sich § 38 Abs. 1 ZPO nicht entnehmen (vgl. OLG München, Urteil vom 23.03.2000, Az.: 1 U 5958/99 = BeckRS 2000, 16909 m.w.N; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 14. Auflage, § 38 Rdnr. 13; BeckOKIToussaint, ZPO, 24. Edition, Stand: 01.03.2017, § 38 Rdnr. 21; zum Meinungsstand siehe auch Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 38 Rdnr. 25).

Die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 ZPO sind vorliegend erfüllt: Beide Parteien sind Kaufleute, die Klägerin jedenfalls kraft Eintragung im Sinne von § 5 HGB und die Beklagte als Limited Liability Company, einer Handelsgesellschaft nach US-amerikanischem Recht, nach § 6 Abs. 1 HGB (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Kindler, HGB, 3. Auflage, Vor § 1 Rdnr. 121; MüKo/Kindler, BGB, 6. Auflage, IntGesR Rdnr. 203 ff.). Die Kaufmannseigenschaft einer ausländischen Partei ist nach der lex fori und vorliegend mithin nach den Bestimmungen der §§ 1-7 HGB zu bestimmen (vgl. OLG München, Urteil vom 23.03.2000, Az.: 1 U 5958/99 = BeckRS 2000, 16909 m.w.N.; Musielak/Voit//Heinrich, ZPO, 14. Auflage, § 38 Rdnr. 13; BeckOK/Toussa//?/, ZPO, 24. Edition, Stand: 01.03.2017, § 38 Rdnr. 25). Die Gerichtsstandsvereinbarung ist auch materiell wirksam zustande gekommen (siehe dazu oben A.II.1. bis 3.).

b) Gemäß § 40 Abs. 1 ZPO hat eine Gerichtsstandsvereinbarung keine rechtliche Wirkung, wenn sie sich nicht auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis und die aus ihm entspringenden Rechtsstreitigkeiten bezieht, und ist eine Vereinbarung nach § 40 Abs. 2 ZPO insbesondere dann unzulässig, wenn für die Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist.

aa) Die streitgegenständliche Gerichtsstandsvereinbarung bezieht sich auf "alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit der Nutzung dieser Website" bzw. auf "alle Ansprüche […] aus oder im Zusammenhang mit dieser Website gegen "..." und damit auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis im Sinne von § 40 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 40 Rdnr. 3 und 4 insbesondere zum sog. Rahmenvertrag) und erfasst deshalb auch Klagen wegen behaupteter Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts bzw. des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie wegen behaupteter lauterkeitsrechtlicher Verstöße durch das Abrufbarhalten von Hotelbewertungen Dritter auf der Webseite der Beklagten.


bb) Zwar ist für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund des UWG geltend gemacht wird, in § 13 Abs. 1 UWG die ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Landgerichte geregelt und wird die vorliegende Klage auch auf eine Verletzung lauterkeitsrechtlicher Vorschriften gestützt. Allerdings ist, soweit Ausschließlichkeit nur in einer bestimmten Richtung - hier: sachlich - besteht, die Prorogation im Übrigen - und insbesondere auch international - zulässig (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 40 Rdnr. 7; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 14. Auflage, § 40 Rdnr. 5).


c) Schließlich steht die in der Vereinbarung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit eines fremden Staates liegende Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands unter der (stillschweigenden) Bedingung, dass das forum prorogatum zur Justizgewährung (Entscheidung in der Sache) bereit und in der Lage ist. Nicht ausreichend für die Beseitigung des Derogationseffekts ist aber, dass sich die Durchführung des Gerichtsverfahrens am forum prorogatum weniger bequem bzw. vorteilhaft darstellt, als es den Parteien bei Vertragsschluss erschienen ist (vgl. Zöller/Ge/mer, ZPO, 31. Auflage, IZPR Rdnr. 26a). Anhaltspunkte dafür, dass sich berechtigte Ansprüche an den Gerichten in Massachusetts, USA nicht innerhalb einer angemessenen Zeit und in angemessener Art und Weise durchsetzen lassen würden, hat die für diesen Einwand darlegungs- und beweis belastete Klägerin nicht vorzubringen vermocht.


d) Die in Rede stehende internationale Gerichtsstandsklausel ist auch nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB), gegen den inländischen ordre public (Art. 6 EGBGB), wegen Missbräuchlichkeit, Rechtsmissbrauchs oder inhaltlicher Unangemessenheit (§ 307 BGB) unwirksam (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 38 Rdnr. 30). Insoweit wird auf die Ausführungen unter A.II.3) Bezug genommen.

Die Parteien haben daher die ausschließliche (örtliche) Zuständigkeit der Gerichte in Massachusetts, USA wirksam prorogiert. Diese Vereinbarung ist dahingehend auszulegen, dass zugleich eine Derogation der internationalen Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland vorliegt (vgl. MüKo/Patzina, ZPO, 5. Auflage, § 38 Rdnr. 29; Zöller/Geimer, ZPO, 31. Auflage, IZPR Rdnr. 37), mit der Folge, dass das angerufene Gericht international unzuständig und die Klage daher schon als unzulässig abzuweisen ist (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 31. Auflage, IZPR Rdnr. 95).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


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