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BGH: Terrorist muss unverpixelte Bildveröffentlichung in der Bild-Zeitung dulden

BGH
Urteil vom 07.06.2011
VI ZR 108/10


Der BGH hat entschieden, dass ein Terrorist die unverpixelte Bildveröffentlichung in der Bild-Zeitung dulden muss.

Aus der Pressemitteilung des BGH:
"Im Streitfall handelte es sich bei der aktuellen Berichterstattung über die Urteilsverkündung um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des § 23 Abs. 1 KUG, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestand. Demgegenüber musste der Persönlichkeitsschutz des Klägers zurücktreten. Dem Umstand, dass der Kläger nur im Vertrauen auf die sitzungspolizeiliche Anordnung die Fotoaufnahmen ermöglicht haben will, kommt nicht das vom Berufungsgericht angenommene Gewicht zu. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass nach dem Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG ungepixelte Bildaufnahmen auch ohne Einwilligung des Klägers zulässig gewesen wären und er letztlich durch sein Verhalten allenfalls Bildaufnahmen hätte vereiteln können, die wegen des erheblichen Informationsinteresses der Öffentlichkeit grundsätzlich zulässig waren. Das Persönlichkeitsrecht ist auch im Rahmen der Sitzungspolizei nicht in weiterem Umfang zu schützen als dies nach §§ 22, 23 KUG der Fall ist."

Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:

Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle

Nr. 99/2011



Bildveröffentlichung und sitzungspolizeiliche Verfügung
Die Beklagte ist Herausgeberin der "Bild"-Zeitung. Der Kläger wurde durch ein inzwischen rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Juli 2008 zusammen mit zwei Mitangeklagten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Beteiligung an einem Mord zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt (Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Juli 2008; BGH, Beschluss vom 22. September 2009 - 3 StR 203/09, Pressemitteilung Nr. 203/2009). Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, weil in der Ausgabe der Bild-Zeitung vom 16. Juli 2008 im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung unter der Überschrift "Irak-Terroristen müssen für Attentatsplan ins Gefängnis!" ein Foto des Klägers veröffentlicht wurde, auf dem sein Gesicht zu erkennen ist.

Das Strafverfahren hatte einen geplanten Anschlag der Terrorgruppe "Ansar al-Islam" auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Allawi zum Gegenstand. Während der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart waren Fernseh- und Bildaufnahmen nach der sitzungspolizeilichen Anordnung der Vorsitzenden nach § 176 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) am Tag der Urteilsverkündung nur mit der Maßgabe zulässig, dass bei Abbildungen der Angeklagten deren Gesichter durch geeignete Maßnahmen (pixeln) unkenntlich gemacht werden.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, das Foto ungepixelt oder sein Antlitz in anderer Weise unkenntlich gemacht zu verbreiten. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Auf die Revision der Beklagten hat der u. a. für das Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der ihn identifizierenden Bildberichterstattung zusteht.

Die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung ist grundsätzlich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren - hier nicht vorliegenden - Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Im Streitfall handelte es sich bei der aktuellen Berichterstattung über die Urteilsverkündung um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des § 23 Abs. 1 KUG, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestand. Demgegenüber musste der Persönlichkeitsschutz des Klägers zurücktreten. Dem Umstand, dass der Kläger nur im Vertrauen auf die sitzungspolizeiliche Anordnung die Fotoaufnahmen ermöglicht haben will, kommt nicht das vom Berufungsgericht angenommene Gewicht zu. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass nach dem Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG ungepixelte Bildaufnahmen auch ohne Einwilligung des Klägers zulässig gewesen wären und er letztlich durch sein Verhalten allenfalls Bildaufnahmen hätte vereiteln können, die wegen des erheblichen Informationsinteresses der Öffentlichkeit grundsätzlich zulässig waren. Das Persönlichkeitsrecht ist auch im Rahmen der Sitzungspolizei nicht in weiterem Umfang zu schützen als dies nach §§ 22, 23 KUG der Fall ist.

Urteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10

Landgericht Berlin - Urteil vom 26. Februar 2009 – 27 O 982/08

Kammergericht - Urteil vom 6. April 2010 – 9 U 45/09

(veröffentlicht in AfP 2010, 385 und in NJW-RR 2010, 1417)

Karlsruhe, den 7. Juni 2011

* § 176 GVG

Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden.

**Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie

§ 22
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. ………..

§ 23
(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:

1.Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;

…………………

(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.

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