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LG Köln: Kein fliegender Gerichtsstand nach § 32 ZPO für Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus strafbewehrter Unterlassungserklärung wegen Urheberrechtsverletzung im Internet

LG Köln
Urteil vom 23.02.2023
14 O 287/22


Das LG Köln hat entschieden, dass der Grundsatz des fliegenden Gerichtsstand nach § 32 ZPO nicht für Ansprüche auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einer strafbewehrtem Unterlassungserklärung wegen Urheberrechtsverletzungen im Internet gilt.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Das Landgericht Köln ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt örtlich zuständig. Die Zuständigkeit folgt insbesondere weder aus § 32 ZPO noch aus § 29 ZPO.

1. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall. Die Klägerin macht ausdrücklich und ausschließlich einen Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafen nach § 339 S. 2 BGB und auf Grundlage der Vereinbarung vom 29.10.2020 (Anlage K2) geltend. Damit ist keine unerlaubte Handlung im Sinne des § 32 ZPO verbunden. Die Klägerin hat auch keine Ansprüche nach § 97 Abs. 2 UrhG hilfsweise geltend gemacht oder in sonstiger Art und Weise in den Streit eingeführt. Dies folgt schon daraus, dass die Klägerin keine Wahl hinsichtlich der dreifachen Schadensberechnung getroffen hat, insbesondere keinen lizenzanalogen Schadensersatz gefordert hat.

Stattdessen argumentiert die Klägerin, dass auch Ansprüche auf Vertragsstrafen wie andere gesetzliche Ansprüche nach Urheberrechtsverletzungen zu behandeln sei. Dies folge aus § 104 UrhG. Es soll sich auch hierbei um eine Urheberrechtsstreitsache handeln, weil der vorgerichtlich bereits erledigte Unterlassungsanspruch auf die hiesige Streitigkeit ausstrahle. Demnach sei § 32 ZPO anwendbar. Dieser Ansicht schließt sich die Kammer nicht an.

Nach § 104 UrhG ist für alle Rechtsstreitigkeiten, durch die ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird (Urheberrechtsstreitsachen), der ordentliche Rechtsweg gegeben. Im Übrigen enthält § 104a UrhG nur eine besondere Gerichtsstandsregelung für den Fall, dass eine nicht gewerblich handelnde natürliche Person in Anspruch genommen wird – was hier unstreitig nicht einschlägig ist. § 105 UrhG enthält eine Konzentrationsermächtigung, wovon jedenfalls in NRW Gebrauch gemacht worden ist, jedoch nur mit Wirkung für das Land NRW.

Aus den §§ 104 ff. UrhG kann die Klägerin also – auch unter Beachtung, dass es sich um eine Urheberrechtsstreitsache im Sinne von § 104 UrhG handeln dürfte (so etwa LG Oldenburg, ZUM-RD 2011, 315; Fromm/Nordemann, 12. Aufl. 2018, UrhG § 104 Rn. 1 m.w.N.) – keine von den §§ 12 ff. ZPO abweichende Regelung der örtlichen Zuständigkeit folgern. Jedenfalls folgt hieraus kein allgemeiner fliegender Gerichtsstand, wie er bei urheberrechtlich-deliktischen Ansprüchen ebenfalls nur aus der allgemeinen Regelung des § 32 ZPO folgt.

Nichts anderes kann die Klägerin aus dem Hinweisbeschluss des BGH vom 19.10.2016 (Az. I ZR 93/15, WRP 2017, 179) folgern. Dort ging es um die ausschließliche (sachliche) Zuständigkeit der Landgerichte nach § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG aF, die auch auf Ansprüche auf Grund von Vertragsstrafeversprechen und Unterlassungsverträgen, die ihren Ursprung in einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit haben, erstreckt worden ist. Insoweit besteht aber schon ein erheblicher Unterschied der Vorschriften im UWG zu den §§ 104 ff. UrhG, weil im Urheberrecht keine ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Landgerichte existiert, sondern der Gesetzgeber bewusst die (streitwertabhängige) Zuständigkeit sowohl der Amtsgerichte, als auch der Landgerichte zugelassen hat. Die Ausführungen des BGH haben demnach keine Auswirkung auf die örtliche Zuständigkeit in Urheberrechtsstreitsachen.

Auch führt ein etwaig vorangegangener Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG nicht dazu, dass die Vertragsstrafe zu einer unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO würde. Dabei ist ganz allgemein zu beachten, dass ein Vertragsstrafenanspruch eine andere rechtliche Qualität hat als ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch aus deliktischen Vorschriften. Denn während beim Letzteren ein gesetzliches Schuldverhältnis besteht, beruht der Vertragsstrafenanspruch auf einem Vertragsschluss und mithin einem gewillkürten Schuldverhältnis der Parteien. Es ist angesichts des eindeutigen und unmissverständlichen Wortlauts von § 32 ZPO ausgeschlossen, dass diese Norm auf den vertraglichen Bereich Anwendung findet. Dies würde eine Auslegung contra legem darstellen. Vielmehr hätten es die Parteien in der Hand gehabt, individualvertraglich einen Gerichtsstand zu bestimmen. Dies ist hier nicht geschehen.

Im konkreten Fall ist noch zu beachten, dass hier nicht der sonst häufige Fall anzutreffen ist, dass nach einer urheberrechtlichen Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wurde. Vielmehr ist die Vertragsstrafe bereits im Lizenzvertrag enthalten. Es hätte also noch vielmehr nahe gelegen, einen Gerichtsstand zu vereinbaren. Gleichzeitig fehlt es hier noch mehr an der Verknüpfung der ggf. vorausgehenden oder parallel bestehenden urheberrechtlich-deliktischen Ansprüche mit dem Vertragsstrafeversprechen.

2. Im Übrigen folgt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln auch nicht aus § 29 ZPO. Nach § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Unabhängig davon, ob § 29 Abs. 2 ZPO anwendbar wäre, mangelt es im hier gegenständlichen Lizenzvertrag mit Vertragsstrafeversprechen auch an einer Vereinbarung des Erfüllungsortes. Der Erfüllungsort der hier streitigen Verpflichtung der Unterlassung der Nutzung von Lichtbildern auf anderen als der von der Beklagten angegebenen Internetseiten ist nach § 269 BGB zu bestimmen. Dies führt zum Sitz der Schuldnerin.

Nach § 269 Abs. 1 BGB ist primär festzustellen, ob die Vertragsparteien einen Leistungsort bestimmt haben oder ob sich ein solcher aus den Umständen – insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses – ergibt. Hilfsweise hat die Leistung am Wohnsitz des Schuldners zu erfolgen.

Eine ausdrückliche Vereinbarung eines Leistungsortes für die Unterlassungspflicht findet sich in der Vereinbarung – wie schon festgestellt – nicht. Auch aus den Umständen ergibt sich nicht, dass sich die Unterlassungspflicht auf einen bestimmten Ort konkretisiert hätte. Mit der streitgegenständlichen Erklärung hat sich die Beklagte verpflichtet, es zu unterlassen, die lizenzierten Produktfotos der Klägerin auf anderen als der im Vertrag bezeichneten Webseite zu nutzen. Räumlich besteht die sich insbesondere auf das Internet beziehende Unterlassungspflicht jedenfalls für den deutschsprachigen Raum. Angesichts dieser Verpflichtung sind verschiedenste Handlungen unterschiedlicher Personen an verschiedensten Orten denkbar. Nach der Art der Unterlassungspflicht steht also nicht von vornherein fest, dass die Zuwiderhandlung nur an einem ganz bestimmten Ort stattfinden kann. Hat der Schuldner aber – wie hier – die Handlung überall zu unterlassen, führt dies nicht dazu, dass er überall auf Unterlassung gerichtlich in Anspruch genommen werden kann; vielmehr kann er nur an seinem Wohnsitz verklagt werden (vgl. schon LG Köln, Urt. vom 26.06.2013, 28 O 80/12, ZUM-RD 2014, 114 m.w.N.).

Es kann offenbleiben, ob der Erfüllungsort des Anspruchs auf Zahlung der Vertragsstrafe eigenständig – also unabhängig vom Erfüllungsort der Unterlassungspflicht – nach § 269 BGB zu bestimmen ist oder ob es sich beim Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe um eine Nebenpflicht handelt, sodass der Erfüllungsort der Hauptverpflichtung (Unterlassung) maßgebend ist. Denn bei eigenständiger Bestimmung des Erfüllungsortes der Zahlungspflicht aus einer verwirkten Vertragsstrafe ergibt sich nach §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB ebenfalls ohne Weiteres der (Wohn-)Sitz des Schuldners als Leistungsort (LG Köln, Urt. vom 26.06.2013, 28 O 80/12, ZUM-RD 2014, 114 m.w.N.).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH-Rechtsprechungsänderung: Für Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Urheberrechtsverletzung genügt Aufrufbarkeit der Internetseite in Deutschland - Seite muss sich nicht bestimmungsgemäß an Nu

BGH
Urteil vom 21.04.2016
I ZR 43/14
An Evening with Marlene Dietrich
UrhG § 78 Abs. 1 Nr. 1, § 125 Abs. 5; TRIPS Art. 3 Abs. 1 Satz 2; WPPT Art. 4
Abs. 1; Rom-Abk Art. 2, 4, 7, 19; ZPO § 32


Der BGH hat entschieden, dass für die Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Urheberrechtsverletzungen und anderen Rechtsverletzungen im Internet die Aufrufbarkeit der Internetseite in Deutschland genügt. Die Internetseite muss sich nicht bestimmungsgemäß an Nutzer in Deutschland richten. Die gegenteilige Rechtsprechung hat der BGH ausdrücklich aufgegeben.

Leitsätze des BGH:

a) Ausübenden Künstlern kommt nach dem TRIPS-Abkommen und dem WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger ein über die in diesen Übereinkommen vorgesehenen Mindestrechte hinausgehender, allein nach dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats bestehender Rechtsschutz nicht zugute. Aus diesen Übereinkommen ergibt sich kein ausschließliches Recht des ausübenden Künstlers, eine audiovisuelle Festlegung seiner Darbietung öffentlich zugänglich zu machen.

b) Hat ein ausübender Künstler seine Zustimmung dazu erteilt, dass seine Darbietung einem Bildträger oder einem Bild- und Tonträger eingefügt wird, kann er sich nach Art. 19 des Rom-Abkommens zwar nicht mehr auf die in Art. 7 des Rom-Abkommens vorgesehenen Mindestrechte, wohl aber weiterhin auf den in Art. 4 des Rom-Abkommens geregelten Grundsatz der Inländerbehandlung berufen.

c) Die ausübenden Künstlern nach Art. 4 des Rom-Abkommens zu gewährende Inländerbehandlung ist gemäß Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens nicht auf die ausübenden Künstlern in Art. 7 des Rom-Abkommens ausdrücklich gewährleisteten Mindestrechte beschränkt. Vielmehr haben die vertragschließenden Staaten den ausübenden Künstlern daneben die in ihrer nationalen Gesetzgebung vorgesehenen Rechte zu gewähren.

d) Unter der Inländerbehandlung ist nach Art. 2 Abs. 1 des Rom-Abkommens auch die Behandlung zu verstehen, die der vertragschließende Staat, für dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird, auf Grund seiner nationalen Gesetzgebung nach Abschluss des Rom-Abkommens gewährt. Die nach Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens zu gewährende Inländerbehandlung umfasst daher das zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rom-Abkommens gesetzlich noch nicht geregelte und unbekannte ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, seine Darbietung öffentlich zugänglich
zu machen.

e) Der Erfolgsort einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 32 ZPO ist bei einer behaupteten Verletzung des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte durch ein öffentliches Zugänglichmachen des Schutzgegenstands über eine Internetseite im Inland belegen, wenn die geltend gemachten Rechte im Inland geschützt sind und die Internetseite (auch) im Inland öffentlich
zugänglich ist; es ist dagegen nicht erforderlich, dass der Internetauftritt bestimmungsgemäß (auch) im Inland abgerufen werden kann (Aufgabe von BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 14 - Vorschaubilder I).

BGH, Urteil vom 21. April 2016 - I ZR 43/14 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Schleswig: Ausnutzung des fliegenden Gerichtsstands durch Wahl eines abgelegenen Gerichts kann rechtsmissbräuchlich sein - Filesharing

OLG Schleswig
Beschluss vom 13.09.2013
2 AR 28/13


Das OLG Schleswig hat entschieden, dass die Ausnutzung des fliegenden Gerichtsstands durch Wahl eines abgelegenen Gerichts zu dem weder die Parteien noch die beteiligten Rechtsanwälte einen Bezug haben, rechtsmissbräuchlich sein kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Ausnutzung eines formal gegebenen (fliegenden) Gerichtsstandes ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn sie aus sachfremden Gründen erfolgt, insbesondere in der Absicht, den Gegner zu schädigen (KGR Berlin 2008, S. 470 ff.; LG Aurich, MMR 2013, S. 249 f.). Im vorliegenden Fall besteht dagegen keine ausreichende Grundlage für die Annahme des Amtsgerichts Norderstedt, die Klägerin habe dieses Gericht zu dem Zweck ausgewählt, dem Beklagten die Rechtsverteidigung zu erschweren und ihn zu schikanieren.
[...]
Diese Annahme liegt nahe, wenn im fliegenden Gerichtsstand ausgerechnet ein besonders entlegenes Gericht gewählt wird in der Hoffnung, der Gegner werde sich im gerichtlichen Verfahren nicht zur Wehr setzen, weil er die Kosten und den erheblichen persönlichen Aufwand einer Reise scheut. Diese Gefahr kann bei lnternetdelikten sogar noch verstärkt bestehen, wenn die in Anspruch genommene Person ein in geschäftlichen Dingen unerfahrener Verbraucher ist, was in Fällen der Urheberrechtsverletzungendurch Nutzung von Tauschbörsen häufig der Fall ist."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: