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LG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Werbung für Hustensaft mit "antiviral" wenn Wirkweise des Arzneimittels für den Menschen nur in in-vitro-Untersuchungen bestätigt wurde

LG Frankfurt
Urteil vom 17.08.2018
3-10 O 22/18

Das LG Frankfurt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Werbung vorliegt, wenn Hustensaft mit "antiviral" beworben wird und die Wirkweise des Arzneimittels für den Menschen nur in in-vitro-Untersuchungen bestätigt wurden.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Beklagte hat mit angegriffenen Werbungen gegen die Werberegelung des § 3a Satz 2 HWG verstoßen.

Bei der Vorschrift des § 3a Satz 1 HWG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung, deren Verletzung die Interessen der davon betroffenen Marktteilnehmer spürbar beeinflusst (vgl. BGH, Urt. v. 25.6.2015 - I ZR 11/14, GRUR-RS 2016, 00549 - Chlorhexidin, mwN; OLG Köln, GRUR-RR 2017, 341 Rn. 46). Entsprechendes hat für § 3a Satz 2 HWG zu gelten, der die gleiche Zielrichtung hat und sich auf Satz 1 bezieht (vgl. auch Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler, UWG, 36. Aufl., 2018, § 3a, Rn. 1.222).

Gem. § 3a Satz 1 HWG ist unzulässig eine Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Gem. § 3a Satz 2 HWG findet Satz 1 auch Anwendung, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.

Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände des vorliegenden Falles geht die Kammer davon aus, dass die Beklagte mit ihren angegriffenen Werbungen in Bezug auf die Bewerbung mit "antiviral" ein Anwendungsgebiet im Sinne des § 3a Satz 2 HWG bewirbt, für welches es nicht zugelassen ist.

Den Ausführungen der Beklagten kann insoweit zugestimmt werden, dass sich ihre Werbung für das gegenständliche Arzneimittel im Rahmen der Angaben zu den pharmakodynamischen Eigenschaften unter Ziffer 5.1 der Fachinformation hält. Dort ist eine antivirale Eigenschaft bei in vitro-Untersuchungen festgehalten. Bei den angegriffenen Werbungen weist die Beklagte auch darauf hin, dass die antivirale Eigenschaft im Labor festgestellt worden ist.

Nach der Rechtsprechung ist grundsätzlich auch davon auszugehen, dass die werbliche Verwendung von Angaben zu den pharmakodynamischen Eigenschaften bzw. zur Wirkweise eines Arzneimittels, die im Einklang mit der jeweils aktuellen Fachinformation stehen, grundsätzlich zulässig ist (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 [BGH 06.02.2013 - I ZR 62/11] - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil, Rn. 34-36; OLG Hamburg, Urteil v. 23.11.2017 - 3 U 28/17, BeckRS 2017, 148095 Rn. 42).

Nach Auffassung der Kammer kann dies jedoch nur dann gelten, wenn die pharmakodynamischen Eigenschaften bzw. die Wirkweise eines Arzneimittels für den Menschen auch tatsächlich klinisch relevant sind, d.h. die pharmakodynamischen Eigenschaften bzw. die Wirkweise des Arzneimittels müssen auch nachgewiesenermaßen für den Menschen gelten. Zulässig sind nämlich nur Angaben. die dem gesicherten Erkenntnisstand entsprechen. Unzulässig ist daher die Bewerbung einer Wirkung auf Basis reiner in-vitro-Untersuchungen (vgl. Bülow/Ring/Artz/Brixius-Brixius, HWG, 5. Aufl., 2016, Rn. 38; LG Hamburg, Urteil v. 02.09.2005 - 327 O 30/05, BeckRS 2015, 11112). So liegt der Fall hier. Unstreitig liegen für die hier beworbenen antiviralen Eigenschaften ausschließlich in-vitro-Untersuchungen vor. Eine klinische Relevanz für den Menschen ist unstreitig gerade nicht festgestellt und nachgewiesen.

Anderes kann gelten, wenn insbesondere in-Vitro-Untersuchungen dem Erkenntnisstand genügen (vgl. Bülow/Ring/Artz/Brixius-Brixius a.a.O.). Dafür ist hier jedoch nichts ersichtlich. Es ist nicht erkennbar, warum eine klinische Überprüfung der antiviralen Eigenschaften beim Menschen nicht möglich sein sollte.

Damit liegt auch keine zulässige Werbung mit Wirkaussagen (vgl. dazu Bülow/Ring/Artz/Brixius-Brixius a.a.O. Rn. 34) mehr vor. Die Wirkaussagen sind nämlich für den Menschen nicht bestätigt. Damit wird das gegenständliche Arzneimittel für ein Anwendungsgebiet beworben, für welches es nicht zugelassen ist. Es ist von einem Verstoß gegen § 3a Satz 2 HWG auszugehen.

Durch den Verstoß gegen die Werberegelung des § 3a Satz 2 HWG sind auch die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern und Mitbewerbern spürbar beeinträchtigt. Dies liegt bei dem vorliegenden Verstoß auf der Hand und braucht keine nähere Vertiefung.

Da die Beklagte keine Unterlassungserklärung abgegeben hat, besteht Wiederholungsgefahr."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Stuttgart: Verstoß gegen § 3a HWG bei Bewerbung eines Arzneimittels für Anwendungsgebiet das nicht von Zulassung erfasst ist - ASS plus C

OLG Stuttgart
Urteil vom 08.06.2017
2 U 127/16


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 3a HWG vorliegt, wenn ein Arzneimittels mit einem Anwendungsgebiet beworben wird, welches nicht von der Zulassung erfasst ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die beanstandete Werbung verstößt gegen § 3a HWG.
a)

Nach dieser Bestimmung ist eine Werbung für Arzneimittel unzulässig, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten (§ 3a Satz 1 HWG). Die Bestimmung verbietet es, für ein zulassungspflichtiges Arzneimittel ein nicht von der Zulassung erfasstes Anwendungsgebiet explizit zu nennen (Fritzsche in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl. (2014), § 3a HWG Rn. 2). Die Regelung wird durch § 3a Satz 2 HWG ergänzt, wonach es unzulässig ist, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.
b)

Mit der Werbebotschaft, dass das enthaltene Vitamin C das Immunsystem unterstütze, weist die Beklagte auf ein Anwendungsgebiet hin, für welches das Medikament nicht zugelassen ist.

Maßgeblich für den Umfang der Zulassung ist der nach § 25 Arzneimittelgesetz (AMG) erteilte Zulassungsbescheid der zuständigen Behörde (BGH, Urteil vom 11. September 2008 – I ZR 58/06, juris Rn. 20). Das zugelassene Anwendungsgebiet bezieht sich im vorliegenden Fall alleine auf „leichte bis mäßig starke Schmerzen (wie Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Regelschmerzen, schmerzhafte Beschwerden, die im Rahmen von Erkältungskrankheiten auftreten)“ sowie auf Fieber. Das Arzneimittel ist unstreitig nicht zur „Unterstützung des Immunsystems“ zugelassen.
c)

Die „Unterstützung des Immunsystems“ ist als eigenständiges Anwendungsgebiet anzusehen.

Der Begriff des „Anwendungsgebietes“ ist gleichbedeutend mit dem in der medizinischen Wissenschaft gebräuchlichen Begriff der Indikation und bezeichnet die dem Arzneimittel gegebene Zweckbestimmung, insbesondere die körperlichen und seelischen Zustände, die durch das betreffende Arzneimittel beeinflusst werden sollen (OLG Stuttgart, Urteil vom 16. März 2006 – 2 U 226/05, juris Rn. 21; OLG Koblenz, Urteil vom 27. Januar 2016 – 9 U 895/15, juris Rn. 45). Die „Unterstützung des Immunsystems“ stellt einen therapeutischen Anwendungsbereich dar, denn eine Immunschwäche ist medizinisch diagnostizierbar.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Europäische Kommission für den Bereich der Lebensmittel nach Empfehlung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Angabe „Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“ zugelassen hat (ABl. L Nr. 136 vom 25.02.2012, S. 33). Auf die Beantwortung der Frage, ob das Arzneimittel tatsächlich in dem Anwendungsgebiet außerhalb der Zulassung wirksam ist oder nicht, kommt es bei der Beurteilung eines Verstoßes gegen § 3a HWG nicht an. Selbst eine langjährig nachgewiesene Wirksamkeit ändert nichts an dem Verbot einer entsprechenden Werbung. Die Verbotsvorschrift des § 3a HWG knüpft alleine an das formale Kriterium an, ob der Anwendungsbereich von der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfasst wird (OLG Stuttgart, Urteil vom 16. März 2006 – 2 U 226/05, juris Rn. 20).
d)
Entgegen der Auffassung der Beklagten weist sie in ihrer Werbung nicht lediglich auf eine zusätzliche Wirkung hin."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Werbeverbot in § 3a HWG gilt nicht für Arzneimittel das gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG in Apotheke hergestellt wird

BGH
Urteil vom 09.02.2017
I ZR 130/13
Weihrauch-Extrakt-Kapseln II
HWG § 3a; AMG §§ 2, 21 Abs. 2 Nr. 1


Leitsatz des BGH:

Das Werbeverbot des § 3a HWG gilt nicht für ein Arzneimittel, das gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt wird.

BGH, Urteil vom 9. Februar 2017 - I ZR 130/13 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: