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EuGH: Verbandsklagebefugnis für Verbraucherschutzverbände bei DSGVO-Verstößen mit DSGVO zu vereinbaren und unionsrechtskonform

EuGH
Urteil vom 28.04.2022
C-319/20
Meta Platforms Ireland Limited, vormals Facebook Ireland Limited
gegen
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.


Der EuGH hat entschieden, dass eine Verbandsklagebefugnis für Verbraucherschutzverbände bei DSGVO-Verstößen mit der DSGVO zu vereinbaren und somit unionsrechtskonform ist.

Tenor der Entscheidung:
Art. 80 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Verbraucherschutzverbände können gegen Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten Verbandsklagen erheben

Solche Klagen können unabhängig von der konkreten Verletzung des Rechts einer betroffenenPerson auf den Schutz ihrer Daten und ohne entsprechenden Auftrag erhoben werden Meta Platforms Ireland, vormals Facebook Ireland, ist die für die Verarbeitung personenbezogener Daten von Nutzern des sozialen Netzwerks Facebook in der Union Verantwortliche.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (Deutschland, im Folgenden: Bundesverband) erhob gegen Meta Platforms Ireland eine Unterlassungsklage, weil diese ihren Nutzern kostenlose Spiele von Drittanbietern zugänglich gemacht habe und dabei gegen die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten, zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs und zum Schutz der Verbraucher verstoßen habe.

Der Bundesgerichtshof (Deutschland) hält die Klage des Bundesverbands für begründet, hegt aber Zweifel an ihrer Zulässigkeit.
Er stellt sich nämlich die Frage, ob einem Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen wie dem Bundesverband seit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) noch die Befugnis zustehe, wegen Verstößen gegen diese Verordnung unabhängig von der konkreten Verletzung von Rechten einzelner betroffener Personen und ohne deren Auftrag im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen. Außerdem merkt er an, dass aus der DSGVO abgeleitet werden könne, dass die Prüfung ihrer Einhaltung in erster Linie den Aufsichtsbehörden obliege.

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die DSGVO einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.

Vorab weist der Gerichtshof darauf hin, dass mit der DSGVO eine grundsätzlich vollständige Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften zum Schutz personenbezogener Daten vorgenommen worden ist. Allerdings eröffnen einige Bestimmungen der DSGVO den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, zusätzliche nationale Vorschriften, die ihnen einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung dieser Bestimmungen lassen, vorzusehen, sofern diese Vorschriften nicht gegen den Inhalt und die Ziele dieser Verordnung verstoßen. Insoweit haben die Mitgliedstaaten insbesondere die Möglichkeit, ein Verfahren einer Verbandsklage gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten vorzusehen, wobei dies jedoch an eine Reihe von Anforderungen geknüpft ist.

Zunächst einmal fällt ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen wie der Bundesverband unter den Begriff einer im Sinne der DSGVO klagebefugten Einrichtung, da er ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgt, das darin besteht, die Rechte der Verbraucher zu gewährleisten. Der Verstoß gegen Vorschriften über den Verbraucherschutz oder über unlautere Geschäftspraktiken kann nämlich mit einem Verstoß gegen eine Vorschrift über den Schutz personenbezogener Daten einhergehen.

Ferner kann eine solche Einrichtung eine Verbandsklage unabhängig von einem ihr erteilten Auftrag nur dann erheben, wenn „ihres Erachtens“ die Rechte einer betroffenen Person gemäß der DSGVO infolge einer Verarbeitung der personenbezogenen Daten dieser Person verletzt worden sind, ohne dass von ihr verlangt würde, dass sie die Person, die von der Datenverarbeitung
konkret betroffen ist, im Voraus individuell ermittelt und das Vorliegen einer konkreten Verletzung der Rechte aus den Datenschutzvorschriften behauptet.

Eine solche Auslegung steht im Einklang mit dem Ziel der DSGVO, das insbesondere darin besteht, ein hohes Niveau des Schutzes personenbezogener Daten zu gewährleisten.

Schließlich steht die DSGVO nicht nationalen Bestimmungen entgegen, nach denen im Wege von Verbandsklagen gegen Verletzungen der in dieser Verordnung vorgesehenen Rechte gegebenenfalls über Vorschriften zum Schutz der Verbraucher oder zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken vorgegangen werden kann.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


AG Frankfurt: 500 EURO Lizenzschadensersatz für Urheberrechtsverletzung durch Filesharing eines relativ aktuellen Computerspiels

AG Frankfurt
Urteil vom 18.02.2022
29 C 2625/21 (44)


Das AG Frankfurt hat dem Rechteinhaber im vorliegenden Fall 500 EURO Lizenzschadensersatz für die Urheberrechtsverletzung durch Filesharing eines relativ aktuellen Computerspiels zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von EUR 500,00 als lizenzanaloger Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 Urheberrechtsgesetz (UrhG) zu (Klageantrag zu 2)).

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Aufgrund des auf einer Veröffentlichung des Computerspiels angebrachten Copyright-Vermerks (Seite 2 der Replik, Bl. 43 d.A.) greift die Vermutung des § 10 Abs. 1 UrhG. Hiernach wird bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber des Werkes angesehen, wer auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen Werkes oder auf dem Original eines Werkes in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist. Aus dem von der Klägerseite vorgelegten screenshot ergibt sich, dass die Klägerin unter ihrem vormaligen Firmennamen (C GmbH) in einer Veröffentlichung im Internet als Rechteinhaber vermerkt ist. Der Beklagte hat keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die die Vermutungswirkung des § 10 Abs. 1 UrhG widerlegen.

Der Beklagte ist auch passivlegitimiert. Denn er hat als Täter durch insgesamt vier Verlet-zungshandlungen das Schutzrecht der Klägerin an dem Computerspiel verletzt und handelte hierbei auch schuldhaft. Zwar behauptet der Beklagte, er habe über seinen Inter-netanschluss zu keiner Zeit das Computerspiel „…“ oder Teile davon heruntergeladen oder zum Herunterladen bereitgehalten. Gegen den Beklagten spricht jedoch als Anschlussinhaber eine tatsächliche Vermutung für seine Täterschaft (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – AZ: I ZR 75/14 – „Tauschbörse III“; BGH, Urteil vom 12.05.2010 – AZ: I ZR 121/08, NJW 2010, 2061 - „Sommer unseres Lebens“ beide zitiert nach juris). Der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast ist der Beklagte nicht ausreichend nachgekommen.

Zunächst sind die Voraussetzungen für das Eingreifen der tatsächlichen Vermutung erfüllt, da mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass die ermittelten IP-Adressen zu den fraglichen Verletzungszeitpunkten dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet waren. Die Klägerin hat das Ergebnis der Ermittlungen sowohl im Hinblick auf die durch die von der Firma B GmbH durchgeführten Ermittlungen als auch im Hinblick auf die infolge des Auskunftsverfahrens vor dem Landgericht München mitgeteilte Auskunft des Internetproviders schlüssig dargelegt. Nach Angaben der Klägerin hat die B GmbH an den Tagen 15.11.2016 (zwei Mal) und 16.11.2016 (zwei Mal) protokolliert, dass eine Datei mit einem bestimmten Hashwert zu vier konkreten Zeitpunkten über die jeweiligen IP Adressen 95.116.125.100 und 95.111.127.98 über ein Filesharingnetzwerk angeboten wurden. Ferner war zu berücksichtigen, dass die Ermittlungssoftware innerhalb von wenigen Tagen gleich vier Mal protokolliert hat, dass dieselbe Datei von einem Internetanschluss, dem zu den fraglichen Zeitpunkten jeweils zwei Mal dieselbe IP-Adressen zugeordnet waren, zum Download angeboten wurden. Dass es kurz nacheinander mehrfach zu Fehlern bei der Erfassung der Daten gekommen sein könnte, ist zwar theoretisch möglich, aber im Ergebnis so fernliegend, dass Zweifel an der Richtigkeit der Datenermittlung schweigen (Vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.05.2012 – AZ: I-6 U 239/11, 6 U 239/11, zitiert nach juris).

Dies gilt entsprechend auch auf der zweiten Ebene, der Beauskunftung durch den Internetprovider. Die ermittelten IP-Adressen wurden vier Mal dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet. Hierbei war auch zu beachten, dass die im Rahmen der Auskunftsverfahren vor dem Landgericht München angegebenen Zeitpunkte (Anlage K2, dort Anlage ASt 1 zum Beschluss vom 22.11.2016, AZ: 21 O 19508/16, Bl. 50 d.A.) mit den Angaben des Internetproviders übereinstimmen (Anlage K 4, Bl. 50 d.A). Die Tatsache, dass nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass bei der Übermittlung der Tabellen mit den Daten, Verletzungszeitpunkten und IP-Adressen seitens des Klägers an den Internet-provider und dessen Angaben ein Übertragungsfehler aufgetreten sein könnte, führt zu keinem anderen Ergebnis (Vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11.06.2015 – AZ: I ZR 19/14 – „Tauschbörse I“, Rn. 37 ff., zitiert nach juris). Ein zweifelsfreier Nachweis der vollständigen Fehlerfreiheit des Auskunftsverfahrens ist nicht erforderlich (BGH, a.a.O.). Für eine den Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO genügende richterliche Überzeugung bedarf es keiner absoluten oder unumstößlichen Gewissheit im Sinne des wissenschaftlichen Nachweises, sondern nur eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, a.a.O.).

Steht fest, dass von einer IP-Adresse ein geschütztes Werk öffentlich zugänglich gemacht worden ist, spricht gegen den Anschlussinhaber nach der Rechtsprechung des BGH eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten (BGH, Urteil vom 06.10.2016 – AZ: I ZR 154/15 (Afterlife), Tz. 14 m.w.N., zitiert nach juris). Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast (BGH, a.a.O.). Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1und Abs. 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH, a.a.O.). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht (BGH, a.a.O).

Der Beklagte ist hier seiner sekundären Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen. Denn er hat lediglich vorgetragen, dass seine mit ihm in einem Haushalt lebenden Familienmitglieder ebenfalls Zugriff auf den Internetanschluss hatten. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, welche Verhaltensregeln im Internet er seinen beiden zu den Verletzungszeitpunkten minderjährigen Kindern aufgegeben hat. Er hat auch nicht vorgetragen, ob er im Nachgang zu dem Abmahnschreiben der Klägerin in seiner Familie Nachforschungen angestellt hat und zu welchen Ergebnissen er hierbei gelangt ist. Das Gericht hatte den Beklagten darauf hingewiesen, dass sein Vortrag nicht ausreichend war und Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme eingeräumt (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2021, Bl. 78 R d.A.).

Der Höhe nach hat der Beklagte Schadensersatz in Höhe von EUR 500,00 zu leisten. Rechtsfolge der Urheberrechtsverletzung ist die Leistung von Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie nach § 97 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 UrhG. Der Klägerin steht ein Anspruch in Höhe der Vergütung zu, die ihr bei ordnungsgemäßer Nutzungsrechtseinräumung gewährt worden wäre. Es wird der Abschluss eines Lizenzvertrags zu angemessenen Bedingungen fingiert. Angemessen ist eine Lizenzgebühr, welche verständige Vertragspartner in Ansehung der tatsächlichen und bezweckten Nutzung und unter der Berücksichtigung der Branchenübung verständigerweise vereinbart hätten (Wandtke/Bullinger/v.Wolf, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage 2014, § 97 Rn. 74; BeckOK UrhG/Reber, Stand: 01.07.2014, § 97 Rn. 119). Das Gericht schätzt nach § 287 ZPO vorliegend die angemessenen Lizenzgebühren auf EUR 500,00. Hierbei waren in erster Linie die Verbreitung des Computerspiels, die Häufigkeit der Verletzungshandlungen, die zeitliche Nähe zur Erstveröffentlichung sowie der Umsatz der Klägerin auf legalen Vertriebswegen zu berücksichtigen. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin wurde das Computerspiel „…“ am ......2016 erstveröffentlicht, so dass die Verletzungshandlungen im November 2016 ein relativ aktuelles Werk betreffen. Ferner handelt es sich nach dem ebenfalls unstreitig gebliebenen Vortrag der Klägerin um ein populäres Spiel, welches Kultstatus erlangt hat. Der Verkaufspreis betrug zum Verletzungszeitpunkt durchschnittlich EUR 19,99.

Der Anspruch auf Schadensersatz ist nicht verjährt. Der Beklagte ist nicht berechtigt, gemäß § 214 Abs. 1 BGB die Zahlung zu verweigern. Denn die regelmäßige Verjährungsfrist begann erst mit Schluss des Jahres 2017 zu laufen. Nach § 119 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Anspruch ist vorliegend erst mit der Abmahnung vom 03.04.2017 entstanden, so dass Verjährungsbeginn der 31.12.2017 war. Der Zugang des Mahnbescheids am 21.10.2020 hat damit die Verjährung rechtzeitig gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB.

II.

Schließlich kann die Klägerin für die im Rahmen der vorgerichtlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten angefallenen Kosten nach § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. i.V.m. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB in Höhe von EUR 169,50 ersetzt verlangen.

Der Höhe nach ist eine 1,3 Gebühr nach RVG VV Nr 2300 zuzüglich Auslagenpauschale in Höhe von EUR 20,00 nach RVG VV Nr. 7002 gerechtfertigt. Als Gegenstandswert war insoweit EUR 1.500,00 zugrunde zu legen (EUR 1.000,00 für den Unterlassungsanspruch und EUR 500,00 Schadensersatz), so dass die Gebühr insgesamt EUR 169,50 beträgt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Brandenburg: Keine Vertragsstrafe aus Unterlassungserklärung wenn sich Rechtslage geändert hat - keine Kündigung erforderlich da Einwand der unzulässigen Rechtsausübung

OLG Brandenburg
Urteil vom 16.02.2022
7 U 214/20

Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung besteht, wenn sich die Rechtslage geändert hat. Eine gesonderte Kündigung ist nicht erforderlich. Dem Einspruch steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagte kann der Vertragsstrafenforderung den Einwand veränderter Umstände entgegenhalten.

Keiner näheren Erörterung bedarf, dass zwischen den Parteien ein Unterlassungsvertrag auch durch die jahrelang verzögerte Annahme des unbefristet erklärten Vertragsangebots zustandekommen ist (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 1477, Rdnr. 20).

Die Beklagte hat gegen die von ihr übernommene Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Sie hat eine nicht nur kerngleiche, sondern identische Klausel verwendet, soweit es die Höhe des Pauschalbetrages von 40 Euro betrifft. Das wird durch Ergänzungen der Klausel nicht in Frage gestellt. Dass die Beklagte nun, anders als zur Zeit der Unterwerfungserklärung, dem Kunden den Nachweis geringeren Schadens zugesteht, betrifft ein anderes Klauselverbot, nämlich dasjenige nach § 309 Nr. 5 Buchst. b BGB, während die Höhe der Pauschale von § 309 Nr. 5 Buchst. a BGB geregelt wird. Der nun verwendete Zusatz, der geforderte Betrag entspreche dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden, reichert die Klausel, die die Beklagte zur Zeit der Unterwerfungserklärung ohne diesen Zusatz verwendete, um nichts an: Es handelt sich zum einen um eine Wiedergabe des Gesetzeswortlauts und geht zum anderen nicht über eine bloße Behauptung hinaus.

Der Kläger braucht nicht darzulegen, der unverändert geforderte Pauschalbetrag von 40 Euro übersteige den zum Schadensersatz erforderlichen Betrag. Die Fragen, ob dieser Betrag zur Zeit der Unterwerfungserklärung zu hoch war und deshalb durch AGB nicht vereinbart werden durfte (§ 309 Nr. 5 Buchst. a BGB), haben die Parteien durch ihre Unterlassungsvereinbarung dem Streit enthoben. Der geschlossene Vertrag betrifft die tatsächlichen Voraussetzungen und die rechtliche Beurteilung. Die Verwendung einer AGB-Klausel, mit der 40 Euro als Schadenpauschale vereinbart werden, ist zwischen den Parteien auf Grund des Vertrages jedenfalls verboten. Ob ein allein auf dem Gesetz beruhender Anspruch bestand, bleibt dafür ohne Belang. Die Beklagte hätte sich selbst bei erheblichen Zweifeln vertraglich zur Unterlassung verpflichten können – nicht um die rechtliche Beurteilung zuzugestehen, sondern um eine langwierige, kostenträchtige und in ihrem Ergebnis unabsehbare gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden.

Das Unterlassungsgebot und die Entbehrlichkeit eines tatsächlichen und rechtlichen Nachweises eines gesetzlichen Klauselverbots haben die Parteien unbefristet und auch im übrigen bedingungslos vereinbart. Sie haben insbesondere nicht vereinbart, das Verbot solle nicht mehr gelten, sobald nachweisbare Kosten der Schadenbehebung eine bestimmte Höhe erreicht haben oder sobald der Nennbetrag von 40 Euro einen gewissen Kaufkraftverlust erlitten hat. Der geschlossene Vertrag hat den Kläger für alle Zeit jeglichen Nachweises enthoben.

Dennoch ist die Beklagte nicht unter allen Umständen für alle Zeit an die Unterlassungsvereinbarung und an die damit verbundene Vertragsstrafe gebunden. Es kann nicht unbeachtet bleiben, dass die Parteien Grund und Anlass ihrer Vereinbarung übereinstimmend in einem etwaigen Verstoß der Beklagten gegen ein gesetzliches Klauselverbot gesehen haben.

Entfällt die Rechtswidrigkeit der Handlung nach Abschluss des Unterlassungsvertrages, so dass ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch nicht mehr besteht, so bedarf es einer Kündigung des Vertrages entgegen der Ansicht des Klägers nicht. Vielmehr wird es dem sogenannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder – eher – der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) zugeschrieben, dass der Gläubiger nun die Unterlassung von dem Schuldner nicht mehr verlangen darf (MüKo-UWG-Ottofülling, 2. Aufl. 2014, § 12 Rdnr. 233; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Brüning, UWG, 5. Aufl. 2021, § 13 Rdnr. 164). Es besteht ein Kündigungsrecht wegen nachträglichen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 III BGB) oder wegen eines wichtigen Grundes (§ 314 I BGB; Ottofülling, Rdnr. 301; Brüning, Rdnr. 162 f.), aber auch wenn der Schuldner es nicht ausübt, darf die Unterlassungsverpflichtung, die zu erklären er heute keinen Anlass mehr hätte, ihm gegenüber nicht mehr durchgesetzt werden; es handelt sich um eine Einwendung, die vorheriger Erklärung nicht bedarf (Ottofülling, Rdnr. 308; Brüning, Rdnr. 164).

Die Einwendung richtet sich auf eine Veränderung der Verhältnisse, unter denen die Parteien die Unterlassungsvereinbarung geschlossen haben. Die Einwendung ermöglicht es der Beklagten nicht, erst jetzt geltendzumachen, sie habe die Unterlassungsverpflichtung damals nicht eingehen müssen oder eingehen wollen. Ihr wird allein der Einwand zugestanden, sie hätte heute keinen Anlass zum Vertragsschluss, wenn sie gleiche Entscheidungskriterien und gleiche Beurteilungsmaßstäbe wie damals verwendete. Anders gewendet: Die Einwendung muss eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse darlegen, nicht eine geänderte Beurteilung wesentlich gleicher Verhältnisse. Diese aus der Beurteilung von Abänderungsverlangen geläufigen Entscheidungsmaßstäbe (§ 323 a ZPO) schneiden der Beklagten die Möglichkeit ab, sich bloß anders zu besinnen und einzuwenden, heute würde sie sich auf die damals vereinbarte Unterlassung nicht mehr einlassen. Vielmehr muss sie darlegen, sie hätte sich schon damals nicht unterworfen, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sich schon so dargestellt hätten wie heute.

Es reichte also nicht aus darzulegen, die Kosten des Schadensersatzes seien zur Zeit der Vertragsstrafenforderung mit 40 Euro zutreffend oder jedenfalls nicht zu hoch bemessen. Wenn sie schon zur Zeit der Unterwerfungserklärung mit 40 Euro nicht zu hoch bemessen waren, würde die Einwendung der Beklagten im Ergebnis ermöglichen, ihren damals gefassten Entschluss zu korrigieren, sich trotz eines eventuell zutreffend bemessenen Pauschalbetrages zur Unterlassung zu verpflichten und das Angebot zum Abschluss des Unterlassungsvertrages abzugeben. Diese Korrektur ist ihr durch die Bindung an den Vertrag verwehrt. Sie muss eine wesentliche Veränderung der Schadenhöhe darlegen, und auch dieser Darlegungsanforderung ist sie nachgekommen.

Dass die Kosten der Schadenbehebung zur Zeit der Vertragsstrafenforderung mit 40 Euro nicht zu hoch bemessen ist, hat die Beklagte ausreichend dargelegt. Maßgeblich sind dafür die Verhältnisse des Jahres 2018, weil die Vertragsstrafe erst für die ab dem Abschluss des Vertrages in jenem Jahr begangenen Verstöße gefordert werden kann (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 1477, Rdnr. 20; NJW 2018, 155, Rdnr. 17).

Es kann nicht beanstandet werden, dass die Beklagte auch Personalkosten zum Aufwand der Schadenbehebung gerechnet hat.

Der Kläger verweist auf die Ansicht, Kosten der Schadensermittlung und außergerichtlichen Durchsetzung des Schadensersatzes dürfe der Geschädigte grundsätzlich nicht ersetzt verlangen (stRspr, zuletzt: BGH, NJOZ 2020, 300, Rdnr. 19). Darum geht es hier aber nicht. Es gehört nicht zur Schadensermittlung, sondern zur Beseitigung des Schadens, den neuen Schlüsselchip so herzurichten, dass er bestimmungsgemäß verwendet werden kann. Ein Unternehmer, der die ansonsten gewinnbringend eingesetzten Kapazitäten seines Betriebs dazu benutzt, einen ihm zugefügten Schaden selbst zu beheben, kann beanspruchen, ihm die Kosten einer Fremdreparatur zu ersetzen. Dies gilt selbst dann, wenn das vorhandene Personal die Reparatur ohne gesonderte Vergütung vornimmt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Betrieb nicht ausgelastet ist und deshalb ansonsten ungenutzte Kapazitäten für die notwendige Reparatur genutzt werden können (vgl. BGH, NJW 2014, 1376, Rdnr. 11).

Wenn jeder der von der Beklagten beschriebenen Arbeitsschritte (Anlage B 1 = Bl. 86) mit fünf Minuten veranschlagt werden kann (§ 287 I ZPO), dann belaufen sich die Personalkosten der Beklagten auf 23 Euro. Gemeinsam mit den von dem Kläger zugestandenen Materialkosten von 17 Euro ergeben sich 40 Euro; der so bezifferte Pauschalbetrag ist nicht zu hoch.

Dass dieser Betrag 2018 wesentlich höher lag als 2010, hat die Beklagte erstmals in der Berufungserwiderung vorgetragen (S. 3, 4 = Bl. 212, 212R). Dieser neue Vortrag ist zuzulassen, weil der Kläger ihn nicht bestritten hat. Er wäre auch nach § 531 II 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil der Gesichtspunkt einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse bislang in der Erörterung der Parteien und in der Begründung des angefochtenen Urteils keine Rolle gespielt hat. Da der zum Schadensersatz 2018 erforderliche Betrag bei 40 Euro lag, reicht es aus, anhand des unbestrittenen Vortrages der Beklagten einen Kaufkraftverlust von elf Prozent und gestiegene Personalkosten anzunehmen, um zu dem Schluss zu gelangen, acht Jahre zuvor, zur Zeit der Unterwerfungserklärung, hätten die erforderlichen Kosten wesentlich unter diesem Betrag gelegen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist kein im Verhältnis zum Unterlassungsanspruch unselbständiger Nebenanspruch

BGH
Urteil vom 27.01.2022
I ZR 7/21
UWG § 12 Abs. 1 Satz 2 aF; BGB § 362 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kein im Verhältnis zum Unterlassungsanspruch unselbständiger Nebenanspruch ist.

Leitsatz des BGH:
Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist kein im Verhältnis zum Unterlassungsanspruch unselbständiger Nebenanspruch, der als solcher das Schicksal des Hauptanspruchs teilt. Der Anspruch ist nur insofern unselbständig, als er dann nicht entsteht, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnung kein
Unterlassungsanspruch (mehr) besteht und die Abmahnung daher unberechtigt ist. Der beim Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs entstandene Erstattungsanspruch besteht dagegen alsdann unabhängig davon fort, ob der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch fortbesteht (Fortführung BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 - I ZR 17/18, GRUR 2021, 752 Rn. 34 = WRP 2021, 746 - Berechtigte Gegenabmahnung).

BGH, Urteil vom 27. Januar 2022 - I ZR 7/21 - LG Berlin - Kammergericht

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Per E-Mail als PDF-Anhang verschickte Abmahnung ist erst zugegangen wenn Empfänger Dateianhang tatsächlich geöffnet hat

OLG Hamm
Beschluss vom 09.30.2022
4 W 119/20


Das OLG Hamm hat entschieden, dass eine per E-Mail als PDF-Anhang verschickte Abmahnung erst zugegangen ist, wenn der Empfänger den Dateianhang tatsächlich geöffnet hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Parteien sind Internetversandhändler.

Am 19.03.2020 versandte der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers eine E-Mail an den Verfügungsbeklagten mit der Betreffzeile „Unser Zeichen: A ./. B 67/20-EU“. Die E-Mail enthielt folgenden Text:

„Sehr geehrter Herr B,

bitte beachten Sie anliegende Dokumente, die wir Ihnen situationsbedingt zur Entlastung der angespannten Infrastruktur im Versandwesen nur auf elektronischem Wege zur Verfügung stellen.

MfG

C“
Unterhalb dieses Textes befanden sich die Kontaktdaten des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers. Als Dateianhänge waren der E-Mail zwei PDF-Dateien beigefügt: Eine PDF-Datei mit dem Dateinamen „2020000067EU12984.pdf“ enthielt ein auf den 19.03.2020 datiertes anwaltliches Abmahnschreiben wegen der im vorliegenden Verfahren verfahrensgegenständlichen lauterkeitsrechtlichen Vorwürfe, eine PDF-Datei mit dem Dateinamen „Unterlassungs.pdf“ enthielt den Entwurf für eine strafbewehrte Unterlassungserklärung.

Am 01.04.2020 versandte der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers eine weitere E-Mail mit der Betreffzeile „Unser Zeichen: A ./. B 67/20-EU“ an den Verfügungsbeklagten. Diese E-Mail enthielt folgenden Text:

„Sehr geehrter Herr B,

zur Erfüllung diesseitiger Ansprüche setzen wir eine Nachfrist bis zum 03.04.20.

MfG

C"

Auf Antrag des Verfügungsklägers erließ das Landgericht am 07.04.2020 im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung gegen den Verfügungsbeklagten mit einer Kostenentscheidung zum Nachteil des Verfügungsbeklagten. Nach der Zustellung dieser einstweiligen Verfügung an den Verfügungsbeklagten am 16.04.2020 gab dieser unter dem 08.05.2020 eine Abschlusserklärung ab, wobei er sich die Erhebung eines Kostenwiderspruches vorbehielt. Von diesem Vorbehalt hat der Verfügungsbeklagte auch Gebrauch gemacht und mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.05.2020 einen auf die getroffene Kostenentscheidung beschränkten Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung erhoben. Der Verfügungsbeklagte hat behauptet, er habe von den beiden E-Mails des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers keine Kenntnis erlangt. Er könne nicht ausschließen, dass die beiden E-Mails im sogenannten „Spam-Ordner“ seines E-Mail-Postfaches eingegangen seien, könne dies allerdings nicht mehr überprüfen, weil E-Mails in diesem „Spam-Ordner“ bereits nach jeweils zehn Tagen wieder gelöscht würden.

Mit dem angefochtenen, am 04.11.2020 verkündeten Urteil hat die 15. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt bestätigt und dem Verfügungsbeklagten auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Verfügungsbeklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde.

B. Die – nach § 99 Abs. 2 Satz 1 ZPO (analog) statthafte und auch im Übrigen zulässige – sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten ist begründet.

Die Kosten des Rechtsstreits sind in entsprechender Anwendung des § 93 ZPO dem Verfügungskläger aufzuerlegen. Der Verfügungsbeklagte hat dem Verfügungskläger durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Anbringung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben. Dem Verfügungsbeklagten kann in diesem Zusammenhang insbesondere nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe auf die Abmahnung des Verfügungsklägers nicht reagiert. Denn das anwaltliche Abmahnschreiben vom 19.03.2020 ist dem Verfügungsbeklagten nicht zugegangen: Wird – wie im vorliegenden Falle – ein Abmahnschreiben lediglich als Dateianhang zu einer E-Mail versandt, ist es nur und erst dann zugegangen, wenn der E-Mail-Empfänger den Dateianhang auch tatsächlich geöffnet hat (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. [2022], § 13 Rdnr. 47). Denn im Hinblick darauf, dass wegen des Virenrisikos allgemein davor gewarnt wird, Anhänge von E-Mails unbekannter Absender zu öffnen, kann von dem Empfänger in einem solchen Fall nicht verlangt werden, den Dateianhang zu öffnen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O.). Es kann mithin im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die in Rede stehenden E-Mails überhaupt im E-Mail-Postfach des Verfügungsbeklagten (dort möglicherweise im „Spam-Ordner“) eingegangen sind. Der Verfügungsbeklagte hat durch Vorlage seiner eidesstattlichen Versicherung vom 08.05.2020 jedenfalls glaubhaft gemacht, dass er von den beiden E-Mails des – ihm zuvor nicht bekannten – Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers keine Kenntnis erlangt und dementsprechend auch den Dateianhang mit dem Abmahnschreiben nicht geöffnet hat.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH-Generalanwalt: Verbandsklagebefugnis für Verbraucherschutzverbände bei DSGVO-Verstößen unionsrechtskonform

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 02.12.2021
C-319/20
Facebook Ireland


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass eine Verbandsklagebefugnis für Verbraucherschutzverbände bei DSGVO-Verstößen unionsrechtskonform ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Nach Ansicht von Generalanwalt Richard de la Tour können die Mitgliedstaaten Verbraucherschutzverbänden erlauben, gegen Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten Verbandsklagen zu erheben

Diese Klagen müssen auf die Verletzung von Rechten gestützt sein, die den betroffenen Personen unmittelbar aus der Datenschutz-Grundverordnung erwachsen.

In Deutschland wirft der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (im Folgenden: Bundesverband) Facebook Ireland vor, bei der Bereitstellung kostenloser Spiele von Drittanbietern im „App-Zentrum“ der Plattform gegen Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten, zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und über den Verbraucherschutz verstoßen zu haben. In diesem Zusammenhang erhob der Bundesverband vor den deutschen Gerichten Unterlassungsklage gegen Facebook Ireland.

Der Bundesgerichtshof (Deutschland) führt aus, dass Facebook Ireland den Nutzern die erforderlichen Informationen über den Zweck der Datenverarbeitung und den Empfänger personenbezogener Daten nicht (in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache) übermittelt habe. Somit habe Facebook Ireland
gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoßen.

Der Bundesgerichtshof hat jedoch Zweifel daran, ob die Klage des Bundesverbands zulässig ist. Er stellt sich nämlich die Frage, ob einem Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen wie dem Bundesverband seit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung noch die Befugnis zustehe, wegen Verstößen gegen diese Verordnung unabhängig von der konkreten Verletzung von Rechten einzelner betroffener Personen und ohne deren Auftrag im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.

Aus dem Umstand, dass die Datenschutz-Grundverordnung den Aufsichtsbehörden umfangreiche Überwachungs-, Untersuchungs- und Abhilfebefugnisse einräume, könnte abgeleitet werden, dass es grundsätzlich Sache dieser Behörden sei, die Bestimmungen dieser Verordnung durchzusetzen.

Daher hat der Bundesgerichtshof den Gerichtshof um Auslegung der Datenschutz-Grundverordnung ersucht.

In seinen heutigen Schlussanträgen schlägt Generalanwalt Jean Richard de la Tour dem Gerichtshof vor, die Datenschutz-Grundverordnung dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die es Verbänden zur Wahrung von Verbraucherinteressen erlaubt, unter den Gesichtspunkten des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, des Verstoßes gegen ein Verbraucherschutzgesetz oder des Verbots der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten Klage zu erheben, wenn
die betreffende Verbandsklage auf die Wahrung von Rechten gerichtet ist, die den Personen, die von der beanstandeten Verarbeitung betroffen sind, unmittelbar aus dieser Verordnung erwachsen.

Der Generalanwalt weist darauf hin, dass sich der Gerichtshof in seinem Urteil Fashion ID3 im Hinblick auf die Richtlinie 95/464
, der Vorgängervorschrift der Datenschutz-Grundverordnung, zu einer ähnlichen Frage geäußert habe. Der Gerichtshof habe für Recht erkannt, dass diese Richtlinie einer nationalen Regelung, die es Verbänden zur Wahrung von Verbraucherinteressen erlaubt, gegen den mutmaßlichen Verletzer von Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten Klage zu erheben, nicht entgegensteht.

Nach Auffassung des Generalanwalts können weder die Ersetzung der Richtlinie 95/46 durch eine Verordnung noch der Umstand, dass die Datenschutz-Grundverordnung nunmehr der Vertretung von betroffenen Personen bei Klagen einen Artikel widmet, die Feststellung des Gerichtshofs in diesem Urteil in Frage stellen.

So sei es den Mitgliedstaaten immer noch gestattet, bestimmten Einrichtungen die Möglichkeit einzuräumen, ohne Auftrag der betroffenen Personen und ohne dass vorgebracht werden müsste, dass konkrete Fälle im Hinblick auf individuell bezeichnete
Personen vorlägen, Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher zu erheben, wenn ein Verstoß gegen Bestimmungen dieser Verordnung geltend gemacht werde, mit denen den betroffenen Personen subjektive Rechte verliehen werden sollten.

Dies sei bei der Unterlassungsklage des Bundesverbands gegen Facebook Ireland der Fall. Der Generalanwalt führt ferner aus, dass die Datenschutz-Grundverordnung nationalen Bestimmungen nicht entgegenstehe, die einen Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen die Befugnis verliehen, über Vorschriften zum Schutz der Verbraucher oder zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken eine Unterlassungsklage zur Wahrung der durch diese Verordnung verliehenen Rechte zu erheben.

Solche Vorschriften können nämlich ähnliche Bestimmungen wie die der Datenschutz-Grundverordnung enthalten, insbesondere in Bezug auf die Information der betroffenen Personen über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten. Folglich könne ein Verstoß gegen eine Vorschrift zum Schutz personenbezogener Daten gleichzeitig zu einem Verstoß gegen Vorschriften über den Verbraucherschutz oder unlautere Geschäftspraktiken führen. Nach Auffassung des Generalanwalts kommt die Wahrung der Kollektivinteressen der Verbraucher durch Verbände dem Ziel der Datenschutz-Grundverordnung, ein hohes Schutzniveau für personenbezogene Daten zu schaffen, besonders entgegen.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:

BfJ: Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG - Stand 17.11.2021 - Liste der zur Abmahnung befugten Wirtschaftsverbände

Das Bundesamt für Justiz (BfJ) hat die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG mit Stand vom 17.11.2021 veröffentlicht. Die Eintragung ist erforderlich, damit Wirtschaftsverbände zur Abmahnung und Verfolgung von Wettbewerbsverstößen berechtigt sind.

EuGH-Generalanwalt: Deckelung von Abmahnkosten in § 97a Abs. 3 UrhG mit Art. 14 der EU-Richtlinie 2004/48/EG vereinbar sofern Billigkeitskontrolle im Einzelfall vorgenommen wird

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 11.11.2021
C‑559/20
Koch Media GmbH gegen FU


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträge zu dem Ergebnis, dass die Deckelung von Abmahnkosten in § 97a Abs. 3 UrhG mit Art. 14 der EU-Richtlinie 2004/48/EG vereinbar ist, sofern eine Billigkeitskontrolle im Einzelfall vorgenommen wird.

Aus den Schlussanträgen:

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Landgericht Saarbrücken (Deutschland) wie folgt zu antworten:

1. Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass er die Anwaltskosten (Gebühren) erfasst, die einem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums dadurch entstehen, dass er außergerichtlich im Wege der Abmahnung einen Anspruch auf Unterlassung der Verletzung dieser Rechte gegen einen Verletzer geltend macht, bevor er eine gerichtliche Klage mit demselben Gegenstand erhebt.

2. Art. 14 der Richtlinie 2004/48 ist dahin auszulegen, dass er mit einer nationalen Regelung, die den Gegenstandswert zur Berechnung der vom Verletzer zu erstattenden Anwaltskosten für eine Abmahnung auf 1 000 Euro beschränkt, wenn die Rechtsverletzung durch eine natürliche Person außerhalb ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit begangen worden ist, nicht unvereinbar ist, sofern die nationale Regelung es dem Gericht gestattet, sich in bestimmten Fällen aus Billigkeitsgründen über diese Beschränkung hinwegzusetzen.

3. Bei der Feststellung, ob die vom Verletzer zu erstattenden Anwaltskosten zumutbar und angemessen sind, muss das Gericht sämtliche vorliegenden Umstände berücksichtigen. Dazu zählen u. a. die Aktualität des geschützten Werks, die Dauer der Veröffentlichung, oder der Umstand, dass die Verletzung in einem öffentlichen Zugänglichmachen des geschützten Werks durch ein Anbieten zum kostenlosen Download für alle Teilnehmer in einer frei zugänglichen Tauschbörse ohne Digital Rights Management besteht.

Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:


LG Köln: Haftung für Filesharing durch Dritte - Anschlussinhaber mit Freifunk-Router muss substantiiert darlegen dass Dritte Zugriff von außen hatten

LG Köln
Urteil vom 23.09.2021
14 S 10/20


Das LG Köln hat entschieden, dass ein Anschlussinhaber mit einem Freifunk-Router substantiiert darlegen muss, dass Dritte Zugriff von außen hatten. Andernfalls haftet der Anschlussinhaber als Täter für Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing, auch wenn dieser keinen eigenen Computer hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2000,00 EUR gemäß § 97 Abs. 2 UrhG i.V.m. §§ 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, 15, 19 a UrhG sowie auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 859,80 EUR gemäß § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F..

a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Klägerin ist von der X Entertainment Inc. als Rechteinhaberin umfassend zur Geltendmachung sämtlicher Ansprüche im Zusammenhang mit Rechtsverletzungen unter anderem in sogenannten Internet-Tauschbörsen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ermächtigt. Dies greift die Beklagte mit der Berufung nicht an.

b) Die streitgegenständlichen Filme sind als Filmwerke gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 UrhG geschützt. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

c) Die Beklagte ist passivlegitimiert.

Nach dem Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass von dem Internetanschluss der Beklagten am 00.00.0000 und am 00.00.0000 jeweils zu den genannten zwei Tatzeitpunkten die beiden Filmwerke über eine Internettauschbörse zum Download angeboten wurden. Dies stellt ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne von § 19 a UrhG dar.

Die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen hat das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu Grunde zu legen, wenn sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten würden. Das Rechtsmittel der Berufung dient in erster Linie der Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils auf korrekte Anwendung des materiellen Rechts sowie auf Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen und Beseitigung etwaiger Fehler. Die vom Gesetzgeber bezweckte Konzentration der Tatsachenfeststellungen in 1. Instanz wird dadurch bewirkt, dass das Berufungsgericht grundsätzlich an die fehlerfrei gewonnenen Erkenntnisse der 1. Instanz gebunden wird (vergleiche etwa BGH, Beschluss vom 24. November 2009 – VII ZR 31/09). Konkrete Anhaltspunkte, die diese Bindung entfallen ließen, bestehen nicht. Ein konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (vergleiche etwa BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 – VI ZR 230/03).

Die Angriffe der Berufung zeigen derartige konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an den Feststellungen des Amtsgerichts nicht auf.

Zutreffend hat das Amtsgericht das Bestreiten der Beklagten als unerheblich angesehen; auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil nimmt die Kammer Bezug. Insbesondere ist im Hinblick auf die jeweils zweifache Erfassung des Internetanschlusses des Beklagten im Rahmen der Ermittlungen der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen ein Indizienbeweis geführt, aufgrund dessen an der Richtigkeit des von der Klägerin vorgetragenen Ermittlungsergebnisses keine vernünftigen Zweifel bestehen (§ 286 ZPO). Dass es kurz nacheinander mehrfach zu Fehlern bei der Erfassung und Zuordnung gekommen sein könnte, liegt so fern, dass Zweifel an der Richtigkeit der Anschlussidentifizierung schweigen, § 286 ZPO (vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.05.2012 – 6 U 239/11, juris Rn. 4 zu mehrfachen Erfassungen unter Zuordnung unterschiedlicher IP-Adressen). Dies gilt auch soweit vorliegend dieselbe IP-Adresse beauskunftet wurde, denn ausweislich des von der Klägerin als Anlage K4 vorgelegten Auskunftsantrags erfolgten zwischen den Erfassungen der IP-Adresse des Beklagten mehrere Ermittlungen zu gesondert erfassten IP-Adressen anderer Anschlussinhaber, welche unabhängig voneinander beauskunftet wurden (vergleiche dazu aus der Rechtsprechung der Kammer etwa das auch schon vom Amtsgericht in Bezug genommene Urteil vom 08.03.2018 – 14 S 28/17).

Vor diesem Hintergrund bestehen vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen der in einem automatisierten Verfahren erfolgenden Beauskunftung zu Fehlfunktionen der Software gekommen sei. Insbesondere hat die Beklagte auf den diesbezüglichen Hinweis des Amtsgerichts und auch in der Berufung dazu keinen weiteren Vortrag in den Rechtsstreit eingeführt.

d) Die Beklagte ist auch täterschaftlich dafür verantwortlich, dass die streitgegenständlichen Filmwerke zu den hier fraglichen Zeitpunkten am 00.00.0000 und 00.00.0000 öffentlich zugänglich gemacht worden sind.

Zwar trägt die Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf (Lizenz-) Schadensersatz sowie auf Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 15.11.2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 - Morpheus; Urteil vom 08.01.2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 - BearShare, Urteil vom 11.06.2015 – I 75/14 – Tauschbörse III; Urteil am 12.05.2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch; Urteil vom 06.10.2016 - I ZR 154/15 Afterlife).

Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss nutzen konnten (BGHZ 200, 76 Rn. 15 - BearShare; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 - Tauschbörse III). Diese tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers kommt auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss - wie bei einem Familienanschluss - regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird (BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 39 - Tauschbörse III; GRUR 2016, 1280 Rn. 34 - Everytime we touch; BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – I ZR 68/16 – Ego Shooter, Rn. 12, juris)

Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht. Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. - BearShare, mwN; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 und 42 - Tauschbörse III; GRUR 2016, 1280 Rn. 33 f. - Everytime we touch; BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 154/15, GRUR 2017, 386 Rn. 15 = WRP 2017, 448 – Afterlife; BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – I ZR 68/16 – Ego Shooter, Rn. 13, juris)

Dabei betrifft die sekundäre Darlegungslast die der Feststellung der Täterschaft vorgelagerte Frage, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Vermutung vorliegen, der Anschlussinhaber sei der Täter. Erst wenn der Anschlussinhaber dieser sekundären Darlegungslast genügt, trifft den Anspruchsteller die Last der dann erforderlichen Beweise; genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast dagegen nicht, so muss er zur Widerlegung der dann für den Anspruchsteller streitenden tatsächlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen (OLG München, Urteil vom 14.01.2016 – 29 U 2593/15 – Loud, juris Rn. 38; BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 – Tauschbörse III; Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch; BGH, Urteil vom 06.10.2016 - Afterlife, juris Rn. 15).

Nach diesen Grundsätzen ist von der Täterschaft der Beklagten auszugehen.

Zutreffend ist das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hat und deshalb nicht davon auszugehen ist, dass die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen von Seiten eines (unbekannten) Dritten begangen wurden.

aa) Dabei ist zunächst die Würdigung des Vortrags der Beklagten durch das Amtsgericht nicht zu beanstanden, die Beklagte habe zu den maßgeblichen Tatzeitpunkten keinen Rechner „besessen“, mit dem sie an einer Tauschbörse hätte teilnehmen können und sei auch mit der Nutzung dieser technischen Geräte nicht vertraut gewesen. Zu Recht hat das Amtsgericht diesen Vortrag nicht als erheblich gewertet. Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass das Vorbringen der Beklagten, keinen für die Teilnahme an Tauschbörsen geeigneten Rechner „besessen“ zu haben, sich jedenfalls vornehmlich auf eigene Rechner bezieht.

Die diesbezügliche Rüge der Beklagten in der Berufung steht dem nicht entgegen. Soweit der Berufungsbegründung zu entnehmen sein sollte, der Vortrag der Beklagten sei „eher“ dahingehend zu verstehen gewesen, dass in ihrem Haushalt überhaupt kein Computer vorhanden gewesen wäre, den sie hätte bedienen können, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Vielmehr hat die Beklagte ausdrücklich angegeben, dass weitere internetfähige Geräte in ihrem Haushalt vorhanden gewesen seien, insbesondere bei ihrem Ehemann und auch bei ihrem Sohn. Die Beklagte erläutert auch nicht, weshalb sie diese Geräte ihrer Familienangehörigen nicht hätte bedienen können, etwa weil sie keinen Zugriff darauf gehabt hätte.

Zutreffend verweist das Amtsgericht zudem auch darauf, dass Filesharing Software regelmäßig automatisiert sowohl den Download auf die eigene Festplatte als auch das Angebot zum Download von der eigenen Festplatte durch einen Dritten und einen anschließenden Upload ausführt. Dies ist der Kammer – und ersichtlich auch dem Amtsgericht – aus zahlreichen gleich gelagerten Fällen und dazu durchgeführten Beweisaufnahmen bekannt. Erhebliches Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung, das diesem Erfahrungssatz des Amtsgerichts entgegenstehen könnte, fehlt.

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für die Nutzung der Filesharing Software und die damit verbundene Rechtsverletzung kein Vorsatz erforderlich; einfache Fahrlässigkeit genügt, von der bei der Nutzung von Filesharing Software regelmäßig auszugehen ist, wie das Amtsgericht zum Verschulden zutreffend ausgeführt hat.

cc) Zutreffend hat das Amtsgericht das Vorbringen der Beklagten nicht zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast ausreichen lassen, als die Beklagte ihre Familienmitglieder nicht benannt hat. Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung anderer Auffassung ist (Seite 4 der Berufungsbegründung, Bl. 264 der Akte), steht dies nicht entgegen. Vielmehr umfasst die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers sehr wohl die Angabe des Namens auch ihres volljährigen Kindes, das nach dem Vorbringen der Beklagten als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommt (vergleiche BGH, Urteil vom 30.03.2017 – I ZR 19/16 – Loud). Verzichtet sie auf die Angabe, erfüllt sie ihre sekundäre Darlegungslast nicht und haftet selbst, wobei es sich um einen aus der gesetzlichen Wertung des § 138 Abs. 3 ZPO folgenden Nachteil handelt (vergleiche BGH, Urteil vom 30.03.2017 – I ZR 19/16 – Loud).

dd) Hinzu kommt, dass das Amtsgericht zutreffend das Vorbringen der Beklagten bereits in 1. Instanz berücksichtigt hat, dass diese davon ausgeht, dass ihre Familienmitglieder die Rechtsverletzungen nicht begangen haben. Dies wiederholt die Beklagte auch in der Berufungsbegründung und führt – erneut – aus, dass nach ihrer Auffassung nur Nutzer ihres – angeblichen – Freifunk-Knotens als Täter in Betracht kämen. Angesichts dessen scheiden die Familienmitglieder der Beklagten schon aus diesem Grunde als Täter aus.

ee) Unerheblich ist auch das Vorbringen der Beklagten in der Berufung zur Würdigung von § 8 TMG durch das Amtsgericht.

Das Amtsgericht hat vielmehr zutreffend die Voraussetzungen für die Haftungsprivilegierung nach § 8 TMG verneint. Im Ausgangspunkt zutreffend sieht auch die Beklagte es nach der Rechtsprechung des BGH als erforderlich an, dass der Anschlussinhaber die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit darlegen muss, dass ein Dritter die Tat begangen hat. Dies ist allerdings mit der bloßen Behauptung der Beklagten, sie habe einen Freifunk-Knoten eingerichtet, indem sie Freifunk-Firmware auf ihren (einzigen) Router aufgespielt habe, nicht gegeben.

Insbesondere kann sich die Beklagte dabei nicht auf die Grundsätze aus der Entscheidung des BGH vom 26.07.2018 – I ZR 64/17 – Dead Island – berufen. Denn nur wenn feststeht, dass Dritte über WLAN den Anschluss der Beklagten nutzen konnten (so auch die Beklagte auf Seite 5 der Berufungsbegründung, Bl. 265 der Akte), mag das Haftungsprivileg aus § 8 TMG eingreifen. Das Amtsgericht hat jedoch zutreffend angenommen, dass auch auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten gerade nicht feststeht, dass Dritte auf den Anschluss der Beklagten zugreifen konnten, sei es über WLAN, sei es über einen Freifunk-Knoten oder auf sonstige Weise, die ernsthaft als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kämen.

Auf diesbezüglich erforderliches Vorbringen der Beklagten hatte das Amtsgericht bereits in der Verfügung vom 19.08.2019 zutreffend hingewiesen. Erheblicher Vortrag der Beklagten ist dazu nicht erfolgt. Zwar hat die Beklagte behauptet, dass sie Freifunk Firmware auf ihrem Router installiert habe. Zu Recht ist jedoch das Amtsgericht davon ausgegangen, dass dies für sich allein genommen nicht ausreicht, sondern auch der tatsächliche Zugriff durch Dritte erforderlich gewesen wäre. Dazu fehlt es an Vortrag der Beklagten.

Dass ein tatsächlicher Zugriff durch Dritte bzw. zumindest die Erreichbarkeit des Freifunkknotens von beliebigen Personen im öffentlichen Raum erforderlich ist, ergibt sich auch aus der Kontrollüberlegung, dass andernfalls die bloße Installation der Freifunk Firmware bereits die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG begründen würde. Hiermit könnte also durch einseitige Entscheidung des Anschlussinhabers ein „Schutzschild“ gegen die Haftung für Rechtsverletzungen über seinen Internetanschluss geschaffen werden. Unter diesem Schutzschild könnte sowohl der Anschlussinhaber als auch jeder Nutzer seines Anschlusses, der sich mit Erlaubnis des Inhabers im Signalbereich seines Anschlusses befindet, nach Belieben Rechtsverletzungen begehen, insbesondere Filesharing betreiben. Es kann ersichtlich nicht Sinn und Zweck der Vorschriften des TMG sein, ein solches Verhalten zu privilegieren. Demnach ist neben der subjektiven Entscheidung des Anschlussinhabers, seinen Anschluss beliebigen Dritten als Diensteanbieter zur Verfügung zu stellen, auch eine objektive Nutzung des Anschlusses durch Dritte zu fordern. Dies wiederum ist nach den Regeln der ZPO festzustellen.

Deshalb hat das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beklagte noch nicht einmal vorgetragen hat, dass das – angebliche – Freifunk-Signal eine solche Stärke besessen hat, dass Dritte, die von außen auf den Router zugreifen, die streitgegenständlichen Verletzungen hätten vornehmen können. Konkreter Vortrag hierzu ist jedoch bereits grundlegende Voraussetzung für die Eröffnung des Anwendungsbereichs von § 8 TMG, worauf das Amtsgericht in der Verfügung vom 19.08.2019 zurecht hingewiesen hatte. Da die Beklagte den von ihr in der Berufungsbegründung vermissten richterlichen Hinweis gemäß § 139 ZPO somit erhalten hat, scheidet ein des Amtsgerichts gegen die gerichtliche Hinweispflicht schon aus diesem Grunde aus.

Selbst wenn man aber unterstellen wollte, dass das Amtsgericht auf dieses Detail der Signalstärke gesondert hätte hinweisen müssen, ist dies jedenfalls im Urteil des Amtsgerichts erfolgt. Die Beklagte hätte dann jedoch in der Berufung eine entsprechende Rüge erheben müssen, was voraussetzt, dass die Partei im Einzelnen vorträgt, welcher Hinweis zu erteilen gewesen wäre und wie sie auf den unterbliebenen richterlichen Hinweis hin reagiert hätte (§§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO; vergleiche etwa Musielak/Voit/Stadler, 18. Aufl. 2021 Rn. 4, ZPO § 139 Rn. 4).

Auch daran fehlt es indes. So ist die Beklagte zwar in ihrer Berufungsbegründung (Seite 6, Bl. 266 der Akte) darauf eingegangen, dass das Amtsgericht offenbar weiteren Vortrag zu dieser Frage erwartet habe. Die Beklagte hat jedoch nicht dargelegt, wie sie auf den unterbliebenen richterlichen Hinweis hin in ausreichender Weise reagiert hätte. Insbesondere genügt es nicht, wenn die Beklagte vorträgt, sie hätte „vermutlich den bereits angebotenen Zeugen, einen Freifunker, der den Knoten eingerichtet hatte, zu diesen Themen benennen können.“

Mit diesem offenbar wörtlichen Zitat (vgl. Mantz in MMR 2020, 636, 640) ist gerade nicht vorgetragen, dass – unterstellt, die sogenannte Freifunk Firmware wäre tatsächlich auf dem Router der Beklagten aktiv gewesen – das Signal eine ausreichende Stärke gehabt hätte, die es Dritten ermöglicht hätte, auf diese Weise über den Internetanschluss der Beklagten die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen zu begehen. Vielmehr hat die Beklagte damit allenfalls eine noch zu verifizierende Vermutung geäußert. Erforderlich sind jedoch Erklärungen über tatsächliche Umstände, die vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben sind, § 138 Abs. 1 ZPO; unbestätigte Vermutungen genügen diesen Anforderungen nicht.

Genauso wenig hat sie damit ein taugliches Beweisangebot gemacht, denn ob tatsächlich ein Zeuge für eine bestimmte Tatsache benannt wird, bleibt auch nach der Berufungsbegründung offen.

Damit hat die Beklagte ihre sekundäre Darlegungslast dazu, dass ein Dritter ernsthaft als Täter der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen in Betracht kommt, nicht erfüllt. Ohne die Erfüllung ihrer sekundären Darlegungslast greift jedoch die tatsächliche Vermutung ihrer Haftung als Anschlussinhaber ein (vergleiche etwa BGH, Urteil vom 30.03.2017 – I ZR 19/16 – Loud).

Infolgedessen bedurfte es auch nicht eines weiteren Hinweises durch das Berufungsgericht. Denn das Amtsgericht hat wie vorstehend dargestellt die erforderlichen Hinweise erteilt, die Beklagte ist darauf nicht ausreichend eingegangen.

e) Aus diesem Grunde ist auch nicht davon auszugehen, dass überhaupt die Haftungsprivilegierung aus § 8 TMG in der Fassung vom 26.02.2007, die zu den hier maßgeblichen Verletzungszeitpunkt im Jahr 2015 Gültigkeit hatte, eingreift. Denn solange eben nicht feststeht, dass die Beklagte über ihren – behaupteten – Freifunk-Knoten Dritten Zugang zum Internet gewährt (hat), scheidet eine Einordnung der Beklagten als ein Diensteanbieter in diesem Sinne aus.

f) Es kommt auch nicht darauf an, dass § 8 TMG im Jahr 2017 geändert worden ist und eine Haftungsprivilegierung auch für Unterlassungsansprüche gegen Diensteanbieter eingerichtet worden ist. Unterlassungsansprüche sind nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Vielmehr ist Gegenstand des Rechtsstreits lediglich ein Anspruch auf materiellen Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 UrhG sowie auf Erstattung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten gemäß § 97a UrhG.

4. Zu den Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 97 Abs. 2 UrhG kann im Übrigen und vor allem auch zur Höhe auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden, die sich die Kammer zustimmend zu eigen macht; diese werden mit der Berufung inhaltlich auch nicht angegriffen.

Gleiches gilt für den Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten gemäß § 97a UrhG.

Der Schriftsatz vom 19.07.2021 der Beklagten hat vorgelegen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Die Kammer weicht mit dieser Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab, noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung oder ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (543 Abs. 2 ZPO).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Frankfurt: Novembermann-Rechtsprechung des BGH gilt auch im Lauterkeitsrecht - Mehrere Abmahnungen als eine Angelegenheit nach § 15 Abs. 2 RVG

OLG Frankfurt
Beschluss vom 13.07.2021
6 W 43/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Novembermann-Rechtsprechung des BGH (siehe dazu (BGH: Novembermann - Im Wesentlichen gleichlautende Abmahnungen wegen rechtswidrigen Vertriebs von Vervielfältigungsstücken derselben Werke aus derselben Quelle als eine Angelegenheit gemäß § 15 Abs 2 RVG) auch im Lauterkeitsrecht anzuwenden ist, so dass mehrere Abmahnungen eine Angelegenheit nach § 15 Abs. 2 RVG sein können.

Aus den Entscheidungsgründen:

c) Der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Antragstellerin steht nicht deren Rechtsmissbräuchlichkeit nach § 8c UWG entgegen.

(1) Soweit die Antragstellerin die mit dem Verfügungsantrag geltend gemachten beiden Verletzungsfälle in verschiedenen Abmahnungen geltend gemacht hat, liegt hier kein Fall des § 8c Abs. 2 Nr. 6 UWG vor.

Ist es dem Anspruchsberechtigten möglich und zumutbar, mehrere Wettbewerbsverstöße mit einem Klageantrag (oder einem Verfügungsantrag oder einer Abmahnung) geltend zu machen, so kann es zwar einen Missbrauch darstellen, wenn er ohne sachlichen Grund eine Aufspaltung vornimmt und mehrere Abmahnungen ausspricht oder Klagen neben- oder nacheinander erhebt (BGH GRUR 2009, 1180 Rn 20 - 0,00 Grundgebühr; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen UWG, 39. Aufl. 2021, § 8c Rn 28; OLG Frankfurt am Main WRP 2018, 736 - zum Fall einer „versehentlichen“ Verfahrensspaltung).

Ein sachlicher Grund ist indes anzunehmen, wenn eine inhaltlich übereinstimmende Werbung in unterschiedlichen Medien oder mittels unterschiedlicher Maßnahmen erfolgt und der Kläger jeweils die konkrete Verletzungsform angreift (und somit unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen), sofern die rechtliche Beurteilung oder die Beweisbarkeit des jeweiligen Wettbewerbsverstoßes unterschiedlich sein kann (BGH GRUR 2019, 631 Rn 62 - Das beste Netz; OLG Frankfurt am Main WRP 2010, 158, 160). Dies gilt insbesondere bei Wettbewerbsverstößen wie im vorliegenden Fall, die zwar Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede aufweisen, etwa im Hinblick auf Art, Zeit, Ort und Gegenstand der Werbung (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen UWG, 39. Aufl. 2021, § 8c Rn. 29). Zwar sind die gelten gemachten Verstöße auf der Website und dem Flyer weitgehend identisch und ist es angesichts der Kenntnisnahme am 10.3.21 auch nicht erkennbar, warum aus Dringlichkeitsgründen die Abmahnungen am 30.3. und 31.3. nicht hätten zusammengefasst werden können. In der Gesamtschau ist dies jedoch für den Senat nicht ausreichend, um dem ungewöhnlichen Vorgehen der Antragstellerin das Verdikt der Rechtsmissbräuchlichkeit zu verleihen. Hierbei ist nämlich zu betrachten, dass der Antragstellerin die Verstöße beim Verfügungsantrag wieder zusammengeführt hat und keine kostentreibende Aufspaltung vorgenommen hat.

(2) Soweit die Antragstellerin mit den Abmahnungen Abmahnkostenersatz auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 375.000 € (30.3.21) sowie 350.000 € (31.3.21) fordert, bietet dies schon deshalb keinen Anlass zur Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nach § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG, weil die Antragsgegnerin selbst bei vergleichbaren Abmahnungen Streitwerte in ähnlicher Größenordnung angesetzt hat. Im Übrigen rechtfertigt das vorgetragenen Marktvolumen von Grippeimpfstoffen für über 60-Jährige diese Gegenstandswerte ohne Weiteres.

Die Gebührenforderung erweist sich allerdings in anderer Hinsicht als übersetzt. Nach der „Novembermann“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2019, 1044) - deren Grundsätze auch auf lauterkeitsrechtliche Konstellationen Anwendung finden sollen (Büscher GRUR 2021, 162) - können mehrere Abmahnungen eine Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG darstellen, wenn diese im wesentlichen gleiche Verletzungshandlungen betreffen. Nach Auffassung des Senats spricht einiges dafür, jedenfalls die an zwei aufeinanderfolgenden Tagen erstellten Abmahnungen als eine Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG anzusehen, mit der Folge, dass die Gegenstandswerte jeweils zu addieren sind und die jeweils Abgemahnten nur einen Anteil der so berechneten Kosten zu tragen hätten, der deutlich niedriger wäre als die jeweils auf Grundlage eines Wertes von 375.000 € bzw. 300.000 € errechnete 1,3-fache Gebühr.

Die Indizwirkung des § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG tritt jedoch erst dann ein, wenn diese Werte „offensichtlich“ überhöht sind. Die ursprüngliche Entwurfsfassung des neuen UWG sah vor, dass ein Missbrauch bereits dann indiziert wird, wenn „erheblich“ überhöhte Vertragsstrafen gefordert werden oder eine „erheblich“ über die Rechtsverletzung hinausgehende Unterlassungsverpflichtung vorgeschlagen wird. Da sich kaum objektivieren lässt, welche Zuvielforderung „erheblich“ ist, wäre eine gravierende Rechtsunsicherheit entstanden. Deshalb wurde der Begriff „erheblich“ durch den Begriff „offensichtlich“ ersetzt. Damit soll nach der Gesetzesbegründung verdeutlicht werden, dass es nur um eindeutige und ohne Weiteres erkennbare Fehler geht (Kochendörfer WRP 2020, 1513). An einer solchen Offensichtlichkeit fehlt es hier. Die Indizwirkung der überhöhten Abmahnkostenersatzforderung beruht nämlich darauf, dass der Abmahnende wider besseres Wissen zu hohe Gebühren fordert. Angesichts der Tatsache, dass die BGH-Entscheidung erst vom 6.6.2019 datiert, der Tatsache, dass noch keine höchstrichterliche Entscheidung zu vergleichbaren UWG-Fällen bekannt geworden ist, sowie der problematischen Abgrenzung bei der Frage, ob eine Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG vorliegt, kann die Indizwirkung hier nicht eintreten.

d) Die durch die Verstöße begründete Wiederholungsgefahr ist nicht durch die strafbewehrten Unterlassungserklärungen der Antragsgegnerin vom 9.4.2021 (Anlage AS 14, Bl. 112 ff.) sowie 12.4.2021 (Anlage AS 16 Bl. 121 ff.) in Wegfall geraten. Die Unterlassungserklärungen erfassen schon nicht den Verstoß gegen § 6 HWG.

(1) Beanstandet - wie hier - der Gläubiger das konkrete Verhalten des Schuldners unter zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig, muss bei der Unterwerfung zur Erreichung des Wegfalls der Wiederholungsgefahr sichergestellt sein, dass sie auch beide Varianten alternativ als kerngleiche Verletzungen erfasst. Das kann einmal dadurch zum Ausdruck kommen, dass sich der Schuldner hinsichtlich der konkreten Verletzungsform unterwirft und zum Ausdruck bringt, dass sich die Unterwerfung alternativ auf beide Varianten bezieht. Der Schuldner kann sich aber auch in einer abstrakten Form gesondert hinsichtlich beider Varianten unterwerfen (Köhler/Bornkamm-Feddersen UWG, 39. Aufl. 2021, § 13 Rn 142).

(2) Die Unterlassungserklärungen der Antragsgegnerin erfassen den Verstoß gegen § 6 HWG nicht.

Die Antragsgegnerin hat in ihren Unterlassungserklärungen die konkrete Verletzungsform aufgenommen, ohne näher zu erläutern, ob die Unterlassungserklärung sich auf § 6 HWG oder auf § 5 UWG bezieht, was beides Teil der Abmahnung durch die Antragstellerin gewesen ist. Aus dem Schreiben (S. 8) ergibt sich, dass die Antragsgegnerin sich mit beiden Angriffen auseinandergesetzt hat und diese beide zurückgewiesen hat. Weitere Auslegungshinweise lassen sich dem Schreiben nicht entnehmen. Diese Unsicherheit geht zu Lasten der Antragsgegnerin, die für den Wegfall der Wiederholungsgefahr darlegungs- und beweisbelastet ist.

Auf diese Problematik hatte die Antragstellerin bereits mit Schriftsatz vom 4.5.2021 hingewiesen.


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BGH: Hyundai-Grauimport - Keine markenrechtliche Erschöpfung bei Übergabe an Frachtführer im EWR wenn Ware an Tochtergesellschaft des Käufers außerhalb des EWR geliefert werden soll

BGH
Urteil vom 27.05.2021
I ZR 55/20
Hyundai-Grauimport
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a, Art. 13, Art. 101 Abs. 2, Art. 145; Verordnung (EU) Nr. 207/2009 in der Fassung der Verordnung (EU) 2015/2424 Art. 9 Abs. 2 Buchst. a, Art. 13, Art. 101 Abs. 2, Art. 151; RomII-VO Art. 8 Abs. 2; CMR Art. 1 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 6, § 19 Abs. 1 und 3, § 24 Abs. 1, § 125b Nr. 2


Der BGH hat entschieden, dass keine markenrechtliche Erschöpfung innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums bei Übergabe an einen Frachtführer im EWR vorliegt, wenn die Ware an die Tochtergesellschaft des Käufers außerhalb des EWR geliefert werden soll.

Leitsatz des BGH:

Durch die Übergabe der Ware an einen von der Tochtergesellschaft des Markeninhabers beauftragten Frachtführer im Europäischen Wirtschaftsraum tritt eine Erschöpfung des Markenrechts nicht ein, wenn die Ware nach dem Inhalt des mit einem in der Europäischen Union ansässigen Käufer geschlossenen Kaufvertrags an eine außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ansässige Tochtergesellschaft des Käufers geliefert werden soll (Fortführung von BGH, Urteil vom 27. April 2006 - I ZR 162/03, GRUR 2006, 863 = WRP 2006, 1233 - ex works).

BGH, Urteil vom 27. Mai 2021 - I ZR 55/20 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

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OLG Hamm: Sprechen zahlreiche Indizien für Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG trifft Abmahner sekundäre Darlegungslast zur Entkräftung der Indizien

OLG Hamm
Beschluss vom 09.03.2021
4 W 118/20


Das OLG Hamm hat entschieden, dass für den Fall, dass zahlreiche Indizien für Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG sprechen, den Abmahner eine sekundäre Darlegungslast zur Entkräftung der Indizien trifft.

Aus den Entscheidungsgründen:

Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht der Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO auferlegt, nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes war der Antrag der Antragstellerin als unzulässig im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG a.F. (bzw. § 8c UWG n.F.) zu beurteilen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses und des Nichtabhilfebeschlusses vom 25.11.2020 Bezug genommen. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass zahlreiche Indizien für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Verfügungsklägerin sprechen. Damit traf die Verfügungsbeklagte eine sekundäre Darlegungslast zur Entkräftung dieser Indizien, der sie auch mit der der sofortigen Beschwerde nicht nachgekommen ist. Lediglich ergänzend merkt der Senat insoweit an, dass weder der Verfügungsbeklagte noch etwa das Landgericht selbst gehalten war, weitere Ermittlungen anstellen oder Ausführungen zu den Einzelheiten der von der Verfügungsbeklagten geführten Verfahren zu machen. Dies hätte vielmehr der Verfügungsklägerin oblegen.


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LG Köln: Kein Anspruch auf Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 UrhG bei Bilderklau wenn Abmahnung keine Wiedergabe des gerügten Bilds bzw. Konkretisierung enthält

LG Köln
Urteil vom 20.05.2021
14 O 167/20


Das LG Köln hat entschieden, dass kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 UrhG bei Bilderklau im Internet besteht, wenn die Abmahnung entgegen § 97a Abs. 2 UrhG keine Wiedergabe des gerügten Bilds bzw. Konkretisierung enthält

Aus den Entscheidungsgründen:

"Dem Beklagten steht weder ein Anspruch auf (nicht im Wege der Widerklage geltend gemachten) Schadensersatz in Höhe von 2.415,92 € (22.015,92 € abzüglich 19.600,- €) noch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.564,26 € zu. Außerdem hat der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 1.564,26 € zzgl. Verzugszinsen seit dem 03.06.2020 aus § 97a Abs. 4 UrhG, §§ 286, 288 BGB.

a) Aus den obigen Erwägungen zur Widerklage ergibt sich spiegelbildlich, dass der Beklagte keinen über 1.113,05 € hinaus gehenden Schadensersatzanspruch gegen den Kläger hat. Der Klageantrag zu 1. ist folglich begründet. Dabei war der Klageantrag nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung dahingehend zu korrigieren, dass die Feststellung nur den tenorieren Betrag von 2.415,92 € betrifft.

b) Der Antrag zu 2. der Klage ist ebenfalls begründet, weil der Beklagte gegen den Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 UrhG hat, weil die Abmahnung nicht den Anforderungen aus § 97a Abs. 2 UrhG entspricht. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Abmahnung keine Ablichtung oder sonstige eindeutige Konkretisierung des streitgegenständlichen Lichtbilds enthielt und somit die Rechtsverletzung nicht genau bezeichnet war im Sinne von § 97a Abs. 2 Nr. 2 UrhG. Dies genügt bereits, um die Abmahnung unwirksam zu machen. Auf die anderen Einwände des Klägers gegen die Abmahnung kommt es nicht weiter an, sodass weitere Ausführungen entbehrlich sind.

c) Aus den vorstehenden Erwägungen ist auch der Antrag zu 3. der Klage dem Grunde nach begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 97a Abs. 4 UrhG. Mit Blick auf die Höhe hat der Kläger seine erforderlichen Aufwendungen spiegelbildlich zur Höhe der Abmahnkosten berechnet. Dabei hat er einen Gegenstandswert i.H.v. 29.576,18 € und eine 1,5 Geschäftsgebühr angesetzt und einen Betrag von 1.584,26 € berechnet. Mit Ausnahme der fehlerhaften Berechnung der Gebühr begegnet dies im Ergebnis angesichts der Berühmung von Ansprüchen des Beklagten keinen Bedenken. Der Gegenstandswert errechnet sich zwar aus der Höhe der in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche und zwar Schadensersatz in Höhe von 19.600,- €, dem Unterlassungsanspruch zu 6.000,- € sowie der eigenen Forderung in Höhe von 1.584,26 €, mithin 27.184,26 € (in der Abmahnung geltend gemachte Zinsen in Höhe von 2.415,92 € bleiben als Nebenforderung außer Betracht). Da mit dieser leicht überhöhten Angabe des Gegenstandswerts jedoch kein Gebührensprung verbunden ist, bleibt sie im Ergebnis ohne Folge. Der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr ist berechtigt. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nach Anmerkung zu Nr. 2400 VV RVG nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig ist. Eine höher festgesetzte Gebühr ist voll durch die Gerichte überprüfbar. In der Literatur wird vertreten, dass im Regelfall bei urheberrechtlichen Angelegenheiten von einem hohen Schwierigkeitsgrad auszugehen sei. Es handelt sich um eine Spezialmaterie, die eine umfassende Einarbeitung eines nicht darauf spezialisierten Anwalts erfordert (Fromm/Nordemann, UrhG § 97a Rn. 41). Ob jede urheberrechtliche Angelegenheit einen hohen Schwierigkeitsgrad hat, lässt die Kammer ausdrücklich offen. Im vorliegenden Fall der Abwehr einer sehr hohen Schadensersatzforderung in einem Fall mit beiderseitigem Auslandsbezug ist dieser hohe Schwierigkeitsgrad jedoch anzunehmen und der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr angemessen. Jedoch beläuft sich eine 1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300, 1008 VV RVG auf 1.294,50 € (nicht wie vom Klägerbevollmächtigten in seinem vorgerichtlichen Schreiben errechnet: 1564,26 €). Zuzüglich der Auslagen nach Nr. 7001 und 7002 VV RVG von 20,- € errechnen sich damit Nettogebühren von 1.314,50 €. Der Kläger forderte dabei in seinem Schreiben nur den Nettobetrag. Umsatzsteuer dürfte wegen § 3a Abs. 2 UStG auch nicht anfallen, sodass der Kläger nur den Nettobetrag ersetzt verlangen kann. Dass der Kläger Umsatzsteuer in Deutschland oder der Schweiz gezahlt hat und deshalb auch insoweit Ersatz verlangen kann, hat er nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.

d) Aus dem vorgenannten Betrag kann der Kläger Verzugszinsen gem. § 288 Abs. 1 BGB seit dem 03.06.2020 fordern, weil der Beklagte durch E-Mail seines Rechtsanwalts vom 02.06.2020 die Zahlung von Aufwendungsersatz eindeutig abgelehnt hat (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB).


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OLG Celle: Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG liegt nicht automatisch vor wenn Abmahnung entgegen § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG einen überhöhten Streitwert annimmt

OLG Celle
Beschluss vom 31.05.2021
13 U 23/21


Das OLG Celle hat entschieden, dass Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG nicht automatisch vorliegt, wenn der Abmahner in der Abmahnung entgegen § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG einen überhöhten Streitwert zur Berechnung der Abmahnkosten ansetzt. Vielmehr ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände erforderlich.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist nicht gemäß § 8c UWG wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig.

In dem neuen § 8c Absatz 2 UWG sollten die Fallgruppen der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen weiter konkretisiert und für die Praxis besser handhabbar gemacht werden (BT-Drucksache 19/22238, S. 17). Mit der Formulierung des Einleitungssatzes „ist im Zweifel anzunehmen“ wird klargestellt, dass eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände erforderlich ist. Die Erfüllung einer der genannten Konstellationen kommt lediglich eine Indizwirkung für einen Missbrauch zu. Der Abmahnende kann diese Indizien erschüttern (aaO).

Danach ist im Streitfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände nicht von einem Rechtsmissbrauch auszugehen. Zwar hält auch der Senat den bei der Abmahnung in Ansatz gebrachten Gegenstandswert von 82.500 € (11 Verstöße à 7.500 €) für übersetzt. Der Verfügungskläger hat jedoch nachvollziehbar dargetan, welche Überlegungen sein Prozessbevollmächtigter bei der Bemessung des Streitwerts angestellt hat (Bl. 7 f. d.A). Dabei ist der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers zutreffend davon ausgegangen, dass die einzelnen Werbeangaben jeweils gesonderte Unterlassungsansprüche begründen können und daher grundsätzlich eine Wertaddition vorgenommen werden kann. Zwar könnte es sich teilweise um kerngleiche Verstöße handeln, was bei der Bemessung des Gesamtwerts zu berücksichtigen wäre. Diese Frage ist jedoch nicht einfach zu beantworten, weil sich die Aussagen - soweit sie gleichgerichtet sind - auf unterschiedliche Bestandteile („Komponenten“) des Eiweiß-Produkts beziehen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass für die Bemessung der Gegenstandswerte von lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsansprüchen keine feststehenden Kriterien existieren und auch in der Rechtsprechung im Einzelfall ganz erhebliche Unterschiede zu verzeichnen sind, genügen die vorliegenden Umstände jedenfalls nicht für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - unstreitig - der Verfügungsbeklagte in einer Abmahnung des Verfügungsklägers für einen einzigen Health Claim bereits einen Wert von 20.000 € zugrunde gelegt hat (Bl. 7, 43 d.A).

Es ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, dass der Verfügungskläger ein weiteres Verfügungsverfahren gegen ein mit dem Verfügungsbeklagten wirtschaftlich verbundenes Unternehmen, die … Service GmbH, - ebenfalls wegen Werbeangaben für das Produkt „…“ - betreibt (vgl. Abmahnung vom 3. Februar 2021, Bl. 15 ff. d.A). Es handelt sich um einen anderen Internetauftritt eines anderen Unternehmens. Der Verfügungskläger hat zudem dargetan, dass er diesen Verstoß erst am 3. Februar 2021 - nach der Antwort des Verfügungsbeklagten auf dessen Abmahnung - festgestellt hat. Der Verfügungskläger war nicht gehalten, die Unterlassungsansprüche gegen ein anderes Unternehmen - im Wege einer subjektiven Antragserweiterung - noch in dem vorliegenden Verfahren geltend zu machen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein solches Vorgehen unter Berücksichtigung der Ladungsfristen die Gefahr von Verzögerungen mit sich gebracht hätte und sich in dem vorliegenden Verfahren der Streitwert entsprechend erhöht hätte (lediglich abgemildert durch die Gebührendegression).

2. Die Parteien sind auch Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG in Bezug auf die mit der streitgegenständlichen Werbung angebotenen Produkte.

Die Eigenschaft als Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erfordert ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Das ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGH GRUR 2019, 970 Rn. 23, mwN).

Hiervon ist im Streitfall auszugehen. Die Verfügungsbeklagte hat nicht in Abrede genommen, dass die Verfügungsklägerin gleichartige Nahrungsergänzungsmittel- Eiweißpulver bzw. L-Carnitin - anbietet. Die Angebote richten sich auch jeweils an die gleichen Endverbraucherkreise, nämlich Personen, die - insbesondere bei sportlicher Betätigung - den Muskelaufbau fördern und Trainingseffekte verstärken wollen. Dem steht es nicht entgegen, dass der Verfügungsbeklagte eine Internet-apotheke betreibt. Die angesprochenen Verbraucher wissen, dass Apotheken in großem Umfang nicht nur Arzneimittel, sondern auch eine Vielzahl anderer Produkte, insbesondere aus dem Bereich der Nahrungsergänzungsmittel anbieten. Verbraucher, die im Zusammenhang mit einer sportlichen Betätigung Nahrungsergänzungsmittel einnehmen wollen, werden daher auch das Angebot einer Internetapotheke in Betracht ziehen. Hierauf zielt die Werbung des Verfügungsbeklagten auch ersichtlich ab. Er spricht mit der Werbung gezielt Sportler an, die ihre Trainingsleistung fördern bzw. mit „eiweiß power“ ihre Muskeln regenerieren und aufbauen und Muskelkater reduzieren wollen. Die in dem Urteil des Senats vom9. Juli 2019 – 13 U 31/19 – an dem Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses geäußerten Zweifel stehen dieser Beurteilung nicht entgegen; dieses Verfahren betraf einen anderen Sachverhalt, bei dem das Produkt vom Beklagten nicht für den Sportbereich, sondern als „idealer Begleiter im Alltag und Unterstützer bei zu einseitiger, eiweißarmer Ernährung“ beworben wurde. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Verfügungskläger die Nahrungsergänzungsmittel ausschließlich an bestimmte „Kraftsportler“ verkauft, die einen Einkauf dieser Produkte in einer Internetapotheke nicht in Betracht ziehen würden.

3. Das Landgericht hat auch zu Recht sämtliche Werbeaussagen - auch die Angabe „zur Förderung der Trainingsleistung“ - als gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 10 HCVO (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) angesehen.

Gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO ist „gesundheitsbezogene Angabe“ jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmitteloder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.

Dies ist auch in Bezug auf die Angabe „zur Förderung der Trainingsleistung“ der Fall; diese suggeriert im maßgeblichen Kontext der konkreten Verletzungsform, dass das Mittel die positive gesundheitliche Wirkung von Sport-Training verstärkt. Zwar handelt es sich lediglich um eine nicht-spezifische gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 3 HCVO. Diese ist jedoch gemäß Art. 10 Abs. 3 HCVO unzulässig, weil ihr keine nach Art. 10 Abs. 1 HCVO zulässige spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist."


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KG Berlin: Kein Anlass zur Klage nach § 93 ZPO wenn wegen Wettbewerbsverstoßes Abgemahnter zunächst Vorlage einer Vollmacht verlangt und Unterlassungserklärung in Aussicht stellt

KG Berlin
Beschluss vom 30.11.2020
5 W 1120/20


Das KG Berlin hat entschieden, dass ein wegen eines Wettbewerbsverstoßes Abgemahnter keinen Anlass zur Klage gemäß § 93 ZPO gibt, wenn er zunächst die Vorlage einer Vollmacht verlangt und eine Unterlassungserklärung in Aussicht stellt

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn 2 Voraussetzungen (kumulativ) gegeben sind. Der Beklagte muss den Anspruch sofort anerkennen und er darf nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben haben.

a. Bei einem Anerkenntnis im Rahmen eines schriftlichen Vorverfahrens ist anerkannt, dass eine Verteidigungsanzeige noch unschädlich ist und ein Anerkenntnis des Beklagten noch innerhalb der Klageerwiderungsfrist als sofortiges anzusehen ist, wenn mit der Verteidigungsanzeige nicht bereits ein uneingeschränkter Klageabweisungsantrag angekündigt wird oder dem Anspruch in sonstiger Weise entgegengetreten wird (BGH, Urteil vom 31.03.2019 – IX ZB 54/18NJW 2019, 1525, Ls. und Rdnr. 7 nach juris; Herget in Zöller, a. a. O., § 93 Rdnr. 4).

b. aa. Zur Klageerhebung hat der Beklagte Veranlassung gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn gegenüber dem Kläger so war, dass dieser bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme hatte, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen. Auf die Frage der Schlüssigkeit und Begründetheit der Klage kommt es dabei nicht an (Herget, a. a. O., § 93 Rdnr. 3 m. w. N.; BGH, Beschluss vom 16.01.2020 – V ZB 93/18NJW 2020, 1442, Ls. 1 und Rdnrn. 14 ff. nach juris; OLG Bremen, Beschluss vom 29.05.2018 – 1 W 11/18 – Rdnrn. 9 ff. nach juris auch zum Streitstand betreffend die Frage, ob es auf ein Verschulden ankommt).

bb. Im Wettbewerbsrecht – und insbesondere bei Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs – ist grundsätzlich eine Abmahnung des Gläubigers erforderlich, um dem Schuldner den Einwand fehlender Klageveranlassung zu nehmen (Herget, a. a. O., § 93 Rdnr. 6.59; Jaspersen in Vorwerk/Wolf, BeckOK, ZPO, 38. Edition, Stand 01.09.2020, § 93 Rdnrn. 33, 50; Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 12 Rdnr. 1.8; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21.12.2006 – I ZB 17/06 – Zugang des Abmahnschreibens, MDR 2007, 1162, Rdnrn. 7 ff. nach juris). Die Abmahnung bedarf grundsätzlich keiner bestimmten Form (Jaspersen, a. a. O., § 93 Rdnr. 55; Bornkamm, a. a. O., § 12 Rdnr. 1.26). Das Abmahnerfordernis stellt insoweit eine Anforderung an das Verhalten des Gläubigers und späteren Klägers dar.

Davon zu unterscheiden ist das Verhalten des Schuldners und späteren Beklagten. Insoweit kommt es, wie bereits ausgeführt, darauf an, ob das Verhalten des Schuldners vor Prozessbeginn so war, dass der Kläger bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme hatte, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen. Insofern gilt, dass der Schuldner in der Regel dann Anlass zur Klage gibt, wenn er den Gläubiger auf – ordnungsgemäße – Aufforderung hin nicht klaglos stellt (Jaspersen, a. a. O., § 93 Rdnr. 34; Bornkamm, a. a. O., § 12 Rdnr. 1.53; OLG Bremen – 1 W 11/18 – a. a. O., Rdnr. 9 ff. nach juris).

cc. Umstritten ist die Frage der Anwendbarkeit des § 174 Satz 1 BGB, wonach ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam ist, wenn der Bevollmächtigte keine Vollmachtsurkunde vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist, auf Abmahnungen (vgl. zum Streitstand BGH, Urteil vom 19.05.2010 – I ZR 140/08 – Vollmachtsnachweis, GRUR 2010, 1120, Rdnr. 13 nach juris; Bornkamm, a. a. O., § 12 Rdnrn. 1.30 ff.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 174 Satz 1 BGB auf eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung nicht anwendbar, wenn die Abmahnung mit einem Angebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrages verbunden ist. Denn bereits in der Abmahnung kann ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrags liegen, wenn es von einem Rechtsbindungswillen getragen und hinreichend bestimmt ist. Auf die Abgabe eines Vertragsangebots ist § 174 BGB weder direkt noch analog anwendbar. Es besteht auch keine Veranlassung, die einheitliche Erklärung des Gläubigers in eine geschäftsähnliche Handlung (Abmahnung) und ein Vertragsangebot (Angebot auf Abschluss eines Unterwerfungsvertrags) aufzuspalten und auf erstere die Bestimmung des § 174 Satz 1 BGB anzuwenden. Nur bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist die ohne Vertretungsmacht abgegebene Erklärung des Vertreters nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Dem trägt § 174 Satz 1 BGB dadurch Rechnung, dass der Erklärungsempfänger die Ungewissheit über die Wirksamkeit eines von einem Vertreter ohne Vollmachtsvorlage vorgenommenen einseitigen Rechtsgeschäfts durch dessen Zurückweisung beseitigen kann. Eine vergleichbare Interessenlage besteht im Falle eines mit einer Abmahnung verbundenen Angebots auf Abschluss eines Unterwerfungsvertrags nicht. Die Abmahnung dient dazu, dem Schuldner die Möglichkeit einzuräumen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen. Der Zweck der Abmahnung wird erreicht, weil der Schuldner das Angebot zum Abschluss des Unterwerfungsvertrags annehmen kann, wenn er die Abmahnung in der Sache als berechtigt ansieht. In diesem Fall kommt der Unterwerfungsvertrag mit dem Gläubiger zustande, wenn der Vertreter über Vertretungsmacht verfügte. Fehlt die Vertretungsmacht, kann der Schuldner den Gläubiger gemäß § 177 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Erklärung über die Genehmigung auffordern. In Fällen, in denen der Schuldner Zweifel an der Vertretungsmacht des Vertreters hat, kann der Schuldner die Unterwerfungserklärung von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde abhängig machen (BGH – I ZR 140/08 – Vollmachtsnachweis, a. a. O., Rdnr. 15 nach juris).

Die Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Unterlassungs-Vertrages erfordert dabei ein hinreichend konkretes, nämlich vorformuliertes Vertragsangebot (BGH – I ZR 140/08 – Vollmachtsnachweis, a. a. O., Rdnr. 15 nach juris m. H. a. BGH, Urteil vom 17.09.2009 – I ZR 217/07 – Testfundstelle, GRUR 2010, 355, Rdnr. 18 nach juris; vgl. auch Hess in jurisPR-WettbR 11/2010 Anm. 2 unter C., D.).

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.05.2010 ist indes ergangen im Rahmen einer Klage auf Erstattung von Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG und der dort zu beantwortenden Frage, ob die in Rede stehende Abmahnung – aufgrund welcher der dortige Beklagte eine (von ihm neu gefasste) strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte – wirksam und berechtigt war (vgl. BGH – I ZR 140/08 – Vollmachtsnachweis, a. a. O., Rdnrn. 3, 10 nach juris). Für das vorliegende Verfahren und die hier zu beantwortende Frage, ob die hiesige Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung durch den Kläger gegeben hatte, lässt sich dem genannten Urteil des Bundesgerichtshofs unmittelbar nichts entnehmen. Allerdings erscheint dem Senat die Erwägung des Bundesgerichtshofs, in Fällen, in denen der Schuldner Zweifel an der Vertretungsmacht des Vertreters hat, könne der Schuldner die Unterwerfungserklärung von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde abhängig machen, richtig und für den vorliegenden Fall von Bedeutung. Denn im Rahmen der Prüfung des § 93 ZPO ist zwar im Hinblick auf das Verhalten des Gläubigers von Relevanz, ob die Abmahnung als rechtsgeschäftsähnliche Handlung mangels Vollmachtsnachweis zurückgewiesen werden kann oder nicht (und gegebenenfalls, ob sie sonst ordnungsgemäß war). Demgegenüber ist im Hinblick auf das Verhalten des Schuldners von Bedeutung, ob der Abgemahnte trotz Zurückweisung der Abmahnung nach § 174 Satz 1 BGB erkennen lässt, ob er bereit ist, bei Vorlage einer Vollmachtsurkunde eine Unterlassungserklärung abzugeben und damit die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Bereits wenn letzteres der Fall ist, hat der Schuldner nicht zur Klage Anlass geboten. Insoweit kommt es also darauf an, ob der Abgemahnte die Zurückweisung lediglich auf Zweifel hinsichtlich der Vertretungsmacht stützt, oder ob er die Abmahnung auch in der Sache bekämpft. Weist der Abgemahnte die Abmahnung lediglich aufgrund von Zweifeln hinsichtlich der Vertretungsmacht zurück, ist es dem Gläubiger regelmäßig zuzumuten, „nachzufassen“, nämlich seiner Obliegenheit nach § 174 BGB – etwa durch Vorlage einer Vollmachtsurkunde gegenüber dem Abgemahnten – nachzukommen. Macht er dies nicht und klagt er gleichwohl, fehlt es an einer Veranlassung zur Klageerhebung im Verhalten des Schuldners (so auch Höppner in jurisPR-ITR 1/2011 Anm. 4 unter C.; Hess in jurisPR-WettbR 11/2010 Anm. 2 unter C.). Zusammenfassend kann also gesagt werden: Weist ein wettbewerbsrechtlich Abgemahnter die Abmahnung nicht in der Sache zurück, sondern lediglich wegen – nicht erkennbar vorgeschobener – Bedenken hinsichtlich der Vertretungsmacht des die Abmahnung Aussprechenden, und lässt er erkennen, dass er bei Behebung dieser Bedenken bereit ist, eine die Wiederholungsgefahr auszuräumende Unterlassungserklärung abzugeben, gibt er regelmäßig nicht Anlass zur Erhebung der Klage im Sinne von § 93 ZPO.

III. Bei Anwendung der vorstehenden rechtlichen Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt hat das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg.

Die gemäß §§ 99 Abs. 2 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Alt. 1, Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet, weil dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz nach § 93 ZPO aufzuerlegen sind, nicht aber der Beklagten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

1. Rechtliches Gehör ist dem Kläger bereits vom Landgericht in dem von diesem durchgeführten Abhilfeverfahren (vgl. hierzu allerdings oben II 1. b.) unter Übersendung der Beschwerdeschrift gewährt worden. Auch der Senat hat – unabhängig davon, ob dies erforderlich war – nochmals rechtliches Gehör gewährt, indem er mit Verfügung vom 04.11.2020 den Parteien mitgeteilt hat, dass die Sache nunmehr beim Senat anhängig ist.

2.a. Die Beklagte hat die Klageforderung sofort im Sinne des § 93 ZPO anerkannt. Denn sie hat (sogar) noch innerhalb der ihr gesetzten Frist zur Erklärung der Verteidigungsbereitschaft die Anerkenntniserklärung gegenüber dem Landgericht abgegeben.

b. Die Beklagte hat durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Klage gegeben.

aa. Dahinstehen kann, ob die – im Rahmen einer Klage auf Erstattung von Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG ergangene – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH – I ZR 140/08 – Vollmachtsnachweis, a. a. O., Ls. 1 und Rdnrn. 14, 15 nach juris), wonach § 174 Satz 1 BGB auf die wettbewerbsrechtliche Abmahnung nicht anwendbar ist, wenn die Abmahnung mit einem Angebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrages verbunden ist, auf den vorliegenden Fall übertragbar ist. Vorliegend ist unklar, ob mit der Abmahnung des Klägers ein Angebot auf Abschluss eines Unterwerfungsvertrages verbunden war. Gegen die Annahme des letzteren Umstandes spricht die Formulierung in der Abmahnung vom 27.04.2020, wonach die Beklagte „eine geeignete“ Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben habe, sowie die entsprechende Formulierung im Schreiben vom 12.05.2020 des Klägers, dass eine letzte Nachfrist zur Abgabe „einer geeigneten“ Unterlassungserklärung gesetzt werde. Ferner spricht gegen diese Annahme, dass ein vom Kläger formulierter Unterlassungs-Vertragsentwurf nicht eingereicht worden ist und den beiden – einen solchen Vertragsentwurf nicht enthaltenden – Schreiben vom 27.04.2020 und 12.05.2020 auch nicht zu entnehmen ist, dass ihnen eine Anlage beigelegen hätte. Andererseits hat die Beklagte in ihrem vorprozessualen Erwiderungsschreiben vom 11.05.2020 erklärt, bei Nachweis der Vertretungsbefugnis wäre eine Unterlassungserklärung „wie vorgeschlagen“ vorstellbar und hat die Beklagte in der Beschwerdeschrift (dort S. 2 = Bl. 34 d. A.) erklärt, ihre nur im Hinblick auf die fehlende Vollmacht erfolgte Zurückweisung habe sich auf „die mit einer Unterlassungserklärung verbundene Abmahnung“ bezogen. Ob mit der Abmahnung des Klägers ein Angebot auf Abschluss eines Unterwerfungsvertrages verbunden war, brauchte indes nicht aufgeklärt zu werden.

bb. Auch wenn – was das Verhalten des Gläubigers und späteren Klägers betrifft – keine derartige Verbindung bestand und wenn die vorstehend zu aa., Satz 1, zitierte Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sein sollte, bleibt es dabei, dass – was das Verhalten der Schuldnerin und späteren Beklagten betrifft – bei schuldnerseitigen Zweifeln an der Vertretungsmacht des Vertreters die Unterwerfungserklärung von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde abhängig gemacht werden kann. Vorliegend aber konnte der Kläger aus der Erklärung der Beklagten entnehmen, dass sie bereit war, bei Vorlage einer Vollmachtsurkunde für denjenigen, der die Abmahnung ausgesprochen hatte, eine Unterlassungserklärung abzugeben und damit die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Dass die Beklagte vorprozessual zusätzlich die fehlende Unterschrift gerügt hatte, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn dies stellt lediglich eine Vorstufe des verlangten Nachweises der Vertretungsmacht dar. Die Beklagte hat insoweit lediglich verlangt, dass eine konkrete Person, die die Abmahnung ausgesprochen hat, durch Unterschriftsleistung individualisiert wird; für diese Person sollte sodann der Vollmachtsnachweis beigebracht werden. Vor diesem Hintergrund war das Verhalten der Beklagten vor Prozessbeginn nicht so, dass der Kläger bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme hatte, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen. Der Kläger hätte lediglich die bei Erklärung der Abmahnung handelnde Person benennen (und unterzeichnen lassen) müssen und für diese einen Vertretungsnachweis beibringen müssen. Dies war ihm zuzumuten. Umgekehrt war es der Beklagten nicht zuzumuten, gewissermaßen „blanko“ eine Unterwerfungserklärung abzugeben. Auch wenn die Verpflichtung zur Unterlassung eines Wettbewerbsverstoßes anerkannt wird, ist es einsehbar, dass der Verletzer eine strafbewehrte Verpflichtungserklärung nicht jedem Beliebigen in die Hand geben will (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 11.03.1982 – 3 W 17/82 – WRP 1982, 478, rechte Spalte).

Hiergegen kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass die Beklagte die von ihr verlangte Abmahnkostenpauschale in Höhe von 243,95 Euro bezahlt hat. Dies gilt bereits unabhängig davon, dass sie ausdrücklich erklärt hat, die Zahlung erfolge aus Kulanz und ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht. Selbst wenn man das Verhalten der Beklagten, nämlich einerseits die Abmahnung zurückzuweisen und andererseits die Abmahnkostenpauschale zu zahlen, als widersprüchlich ansehen will, könnte dieser Widerspruch nicht dazu führen, dass der Beklagten eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO zu versagen wäre. Diese Norm fragt danach, ob die Beklagte Anlass zur Klage geboten hat. In der von der Beklagten geleisteten Zahlung auf die Abmahnkosten kann (allenfalls eine Bereitschaft zum Einlenken, jedenfalls aber) kein derartiger Anlass gesehen werden. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der im Schreiben vom 11.05.2020 erklärten Bereitschaft zur Unterwerfung.

cc. Die Streitfrage, ob es für einen beklagtenseits gesetzten Anlass zur Klageerhebung auf ein Verschulden ankommt, kann vorliegend dahinstehen.

dd. Lediglich vorsorglich wird noch darauf hingewiesen, dass es auf die Frage eines „ordnungsgemäßen Briefkopfes“ der Abmahnung nicht ankommt und dass auch nicht entscheidend ist, dass eine Abmahnung keiner bestimmten Form bedarf. Denn maßgeblich für die Annahme fehlender Klageveranlassung auf Seiten der Beklagten ist vorliegend (bereits) das Verhalten der Beklagten, nämlich deren aus dem Schreiben vom 11.05.2020 zu erkennende Bereitschaft, eine Unterlassungserklärung abzugeben, wenn der Kläger – wie ihm zumutbar – für den die Abmahnung Aussprechenden eine Vollmacht vorlegt.


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