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LG Gießen: Abtretungsverbot in AGB im Regelfall wirksam sofern sich aus einer Interessenabwägung nicht eine unangemessene Benachteiligung ergibt

LG Gießen
Urteil vom 01.30.2023
1 S 148/21


Das LG Gießen hat entschieden, dass ein Abtretungsverbot in AGB im Regelfall wirksam ist, sofern sich aus einer Interessenabwägung nicht eine unangemessene Benachteiligung ergibt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Zunächst ist der Kläger aktivlegitimiert. Die Abtretung ist infolge der Unwirksamkeit der Klausel unter Ziffer I.4. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wirksam.

Grundsätzlich ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Regelung, mit der der Verwender die Abtretung von gegen ihn gerichteten Forderungen ausschließt, wirksam. Ein Abtretungsausschluss führt nicht notwendig zu einer unangemessenen Benachteiligung des Gläubigers, andererseits schützt er die berechtigten Interessen des Schuldners an der Klarheit und Übersichtlichkeit der Vertragsabwicklung. Grundsätzlich darf er deshalb mit einem Verbot oder zumindest einer Beschränkung der Abtretungsmöglichkeit die Vertragsabwicklung übersichtlicher gestalten und verhindern, dass ihm hierbei eine im Voraus nicht übersehbare Vielzahl von Gläubigern entgegentritt (vgl. BGH, Urt. v. 17.04.2012 – X ZR 76/11 = BGH NJW 2012, 2107 (2108), Rz. 9, beck-online). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher ein Ausschluss der Abtretung durch allgemeine Geschäftsbedingungen wiederholt anerkannt worden, insbesondere, wenn er die Hauptleistungspflichten des Verwenders betrifft. Indessen ist eine solche Klausel gleichwohl unwirksam, wenn ein schützenswertes Interesse des Verwenders an einem Abtretungsausschluss nicht besteht oder die berechtigten Belange des Kunden an der Abtretbarkeit vertraglicher Forderungen das entgegenstehende Interesse des Verwenders überwiegen (vgl. BGH, Urt. v. 17.04.2012 – X ZR 76/11 = NJW 2012, 2107 (2108), Rz. 9, beck-online). Für das Abwägen dieser einander gegenüberstehenden Interessen sind ein generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine typisierende Betrachtungsweise zu Grunde zu legen (ebd., Rn. 10).

Mit Blick auf die vorliegende Konstellation, führt die Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass die Klausel unwirksam ist i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, nachdem sich hier die Beklagte einerseits auch darauf beruft, dass auch Nebenpflichten aus dem Werkvertrag von dem Abtretungsverbot, bzw. der Einschränkung der Abtretbarkeit durch den Zustimmungsvorbehalt erfasst sein sollen. Zudem ist es im Zuge von Reparaturaufträgen nach vorangegangener Erstellung eines Haftpflichtgutachtens eher der Regelfall, dass Ansprüche an einen Versicherer abgetreten werden, wenn diese gegenüber dem Geschädigten in die Regulierung eintritt. Insoweit liegt dann gerade kein Fall vor, in dem eine unüberschaubare Anzahl von Gläubigern dem Werkunternehmer gegenübertritt, sondern ein eng umgrenzter bzw. bestimmbarer Personenkreis. Auch dürfte der Werkunternehmer durch § 407 Abs. 1 BGB vor allem mit Blick auf die Erfüllungswirkung hinreichend geschützt sein bei der Erbringung seiner Werkleistung. Zudem ist im Wege der Interessenabwägung auch das Konstrukt des Vertrages zulasten Dritter sinngemäß heranzuziehen, wonach ein wirksames Abtretungsverbot, bzw. eine Abtretungsbeschränkung durch einen Zustimmungsvorbehalt ausschließen würde, dass der Schädiger oder dessen Versicherer zu hohe Werkunternehmerkosten nicht mehr geltend machen kann, obwohl er im Verhältnis zum Geschädigten zur Leistung verpflichtet ist und der Geschädigte selbst an der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Werkunternehmer nach Ausgleich seines Schadens durch den Schädiger oder den hinter diesem stehenden Versicherer kein (wirtschaftliches) Interesse mehr hat. Das wiederum hätte zur Folge, dass der Geschädigte zum Nachteil des Schädigers mit dem Werkunternehmer eine allein den Schädiger oder dessen Versicherer belastende AGB-Klausel vereinbart, ohne einen eigenen Nachteil zu erleiden. Der Werkunternehmer dürfte in diesem Fall pauschal aus dem Haftpflichtgutachten ersichtlichen Betrag abrechnen, ohne dass diese Kosten tatsächlich einem erforderlichen Reparaturaufwand entsprächen, wenn der Geschädigte auf die Richtigkeit des Privatgutachtens vertrauen dürfte. Im Ergebnis führt dies daher zu einer unangemessenen Benachteiligung des Klägers, sodass die Klausel unter Ziffer I.4. nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist und eine Abtretung möglich ist. Die vom Bundesgerichtshof entschiedenen Konstellationen, in denen ein Abtretungsverbot jeweils wirksam vereinbart worden ist, betrafen letztlich die Klarheit und Übersichtlichkeit der Vertragsabwicklung, welche hier aus Sicht der Beklagten aus den vorstehenden Gründen nicht betroffen war.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Formularmäßige Abtretung von Schadensersatzansprüchen des Käufers im Dieselskandal an Finanzierungsbank auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unwirksam

BGH
Urteil vom 03.07.2023
VIa ZR 155/23


Der BGH hat entschieden, dass die formularmäßige Abtretung von Schadensersatzansprüchen des Käufers im Dieselskandal an die Finanzierungsbank auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unwirksam ist.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof entscheidet erneut in einem Dieselverfahren über die Unwirksamkeit der
formularmäßigen Abtretung von Ansprüchen des Käufers an die Finanzierungsbank (hier: Unwirksamkeit
der Abtretungsklausel auch gegenüber Unternehmern)

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) hat entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Finanzierungsbank enthaltene Klausel über die Sicherungsabtretung von Ansprüchen des Käufers und Darlehensnehmers gegen den Hersteller eines Dieselfahrzeugs Ansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung erfasst und auch dann unwirksam ist, wenn der Käufer nicht Verbraucher, sondern Unternehmer ist.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in zwei Kraftfahrzeugen auf Schadensersatz in Anspruch.

Am 20. August 2018 und am 11. März 2019 kaufte der Kläger unter seiner Firma von der Beklagten jeweils einen Neuwagen. Die Fahrzeuge sind mit Dieselmotoren der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse: EURO 6) ausgestattet. Den Kaufpreis finanzierte der Kläger in beiden Fällen mittels eines Darlehens bei einer Bank. Den Darlehensverträgen lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank für Unternehmer zugrunde. Dort hieß es unter anderem:

"II. Sicherheiten

Der Darlehensnehmer räumt der Bank zur Sicherung aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche der Bank aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung, gleich aus welchem Rechtsgrund, Sicherheiten gemäß nachstehenden Ziffern 1 und 2 ein. […]

[…]

2. Abtretung von sonstigen Ansprüchen

Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende - gegenwärtige und zukünftige - Ansprüche an die Bank ab, die diese Abtretung annimmt:

- […]

- […]

- gegen den Verkäufer für den Fall einer Rückgängigmachung des finanzierten Vertrages oder Herabsetzung der Vergütung.

- gegen die […] [Beklagte], […], gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die […] [Beklagte] oder einen Vertreter der […] [Beklagten]. Der Darlehensnehmer hat der Bank auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen.

[…]

5. Rückgabe der Sicherheiten

Die Bank verpflichtet sich, nach Wegfall des Sicherungszweckes (alle Zahlungen unanfechtbar erfolgt) sämtliche Sicherungsrechte (Abschnitt II. Ziff. 1, 2) zurückzuübertragen […] Bestehen mehrere Sicherheiten, hat die Bank auf Verlangen des Darlehensnehmers schon vorher nach ihrer Wahl einzelne Sicherheiten oder Teile davon freizugeben, falls deren realisierbarer Wert 120% der gesicherten Ansprüche der Bank überschreitet. […]"

Der Kläger hat die Beklagte in erster Instanz in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts vom Kaufvertrag und in zweiter Linie unter dem Gesichtspunkt einer deliktischen Schädigung wegen des Inverkehrbringens der Fahrzeuge auf Zahlung an sich, Freistellung von seinen Darlehensverbindlichkeiten, Feststellung des Annahmeverzugs und Erstattung vorgerichtlich verauslagter Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers, der zu dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht erschienen ist, durch Versäumnisurteil zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger Einspruch eingelegt und den Rechtsstreit nach Veräußerung der Fahrzeuge an einen Dritten mit Ausnahme seiner Anträge auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Mit seiner vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter, soweit er sie auf seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen der Fahrzeuge stützt. Die Beklagte hat sich im Verlauf des Revisionsverfahrens der Teilerledigungserklärung des Klägers angeschlossen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts zu den noch rechtshängigen Anträgen auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen zulasten des Klägers begangener unerlaubter Handlungen aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hat zwar rechtsfehlerfrei erkannt, bei den Sicherungsabtretungen von Ansprüchen gegen die Beklagte "gleich aus welchem Rechtsgrund" handele es sich um vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Bestandteil der Darlehensverträge geworden seien. Weiter im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die Klauseln als nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfähig erachtet. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Gegenstand der Inhaltskontrolle solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Die Klauseln, die der Bundesgerichtshof ohne Bindung an die Auslegung des Berufungsgerichts selbst auslegen kann, sind so zu verstehen, mit Ausnahme von Gewährleistungsansprüchen aus Kaufvertrag erfassten sie sämtliche mit dem Erwerb des Fahrzeugs in Zusammenhang stehende Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte. Einbezogen sind auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung und Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz, die dem Kläger und Darlehensnehmer bei der Verwendung der gekauften Fahrzeuge entstehen. Die Klauseln erfassen damit in Abweichung von der gesetzlichen Regelung auch Rentenansprüche aus § 843 BGB bzw. aus § 9 ProdHaftG, § 843 Abs. 2 bis 4 BGB im Falle einer aus der Verwendung der Fahrzeuge entstehenden Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung. Solche Ansprüche sind nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO bis zu einer anderslautenden Entscheidung durch das Vollstreckungsgericht nicht pfändbar und damit nach § 400 BGB nicht abtretbar.

Das Berufungsgericht hat aber unzutreffend angenommen, die Abtretungsklauseln seien wirksam, so dass der Kläger nicht aktivlegitimiert sei. Das Berufungsgericht hat dabei übersehen, dass die Klauseln einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, §§ 134, 400 BGB, § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ohne Wertungsmöglichkeit nicht standhalten. Sie weichen zulasten des Klägers von zwingenden Vorschriften ab. Unerheblich ist, ob der Kläger als Unternehmer oder als Verbraucher gehandelt hat. Die § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 400 BGB sind zwingendes Recht. § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist auch auf Renten anwendbar, die Selbständigen gezahlt werden. Insoweit ist der persönliche Schutzbereich weiter als sonst bei Regeln über die Pfändung von Arbeitseinkommen.

Die wegen ihrer Abweichung von § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 400 BGB ohne Wertungsmöglichkeit unwirksamen formularmäßigen Sicherungsabtretungen sämtlicher Ansprüche gegen die Beklagte mit Ausnahme solcher aus kaufrechtlicher Gewährleistung können nicht mit der Maßgabe aufrechterhalten werden, dass andere Ansprüche als solche auf Zahlung von Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind, wirksam abgetreten sind. Ein solches Verständnis liefe auf eine geltungserhaltende Reduktion hinaus, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzulässig ist. Die Klauseln können auch nicht in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil zerlegt werden.

Das Berufungsgericht wird nach Zurückverweisung nunmehr in der Sache zu klären haben, ob die Beklagte dem Kläger aus unerlaubter Handlung haftet.

Die maßgeblichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs lauten:

§ 134 Gesetzliches Verbot

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 307 Inhaltskontrolle

(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) 1Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. 2Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 400 Ausschluss bei unpfändbaren Forderungen

Eine Forderung kann nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist.

§ 843 Geldrente oder Kapitalabfindung

(1) Wird infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder gemindert oder tritt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein, so ist dem Verletzten durch Entrichtung einer Geldrente Schadensersatz zu leisten.

(2) 1Auf die Rente finden die Vorschriften des § 760 Anwendung. 2Ob, in welcher Art und für welchen Betrag der Ersatzpflichtige Sicherheit zu leisten hat, bestimmt sich nach den Umständen.

(3) Statt der Rente kann der Verletzte eine Abfindung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

(4) Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein anderer dem Verletzten Unterhalt zu gewähren hat.

Die maßgebliche Vorschrift des Produkthaftungsgesetzes lautet:

§ 9 Schadensersatz durch Geldrente

(1) Der Schadensersatz wegen Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit und wegen vermehrter Bedürfnisse des Verletzten sowie der nach § 7 Abs. 2 einem Dritten zu gewährende Schadensersatz ist für die Zukunft durch eine Geldrente zu leisten.

(2) § 843 Abs. 2 bis 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist entsprechend anzuwenden.

Die maßgebliche Vorschrift der Zivilprozessordnung lautet:

§ 850b Bedingt pfändbare Bezüge

(1) Unpfändbar sind ferner

1. Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind;

[…]

(2) Diese Bezüge können nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht.

(3) Das Vollstreckungsgericht soll vor seiner Entscheidung die Beteiligten hören.

Vorinstanzen:

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 18. Oktober 2021 – 18 O 58/21

Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 1. Februar 2023 – 23 U 4323/21



BGH: Formularmäßige Abtretung von Schadensersatzansprüchen des Käufers im Dieselskandal an Finanzierungsbank unwirksam

BGH
Urteil vom 24. April 2023
VIa ZR 1517/22


Der BGH hat entschieden, dass die formularmäßige Abtretung von Schadensersatzansprüchen des Käufers im Dieselskandal an die Finanzierungsbank unwirksam ist.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof entscheidet über die Unwirksamkeit der formularmäßigen Abtretung von Ansprüchen
des Käufers an die Finanzierungsbank in einem Dieselverfahren

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) hat entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Finanzierungsbank enthaltene Klausel über die Sicherungsabtretung von Ansprüchen des Käufers und Darlehensnehmers gegen den Verkäufer und Hersteller eines Dieselfahrzeugs Ansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung erfasst und unwirksam ist.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

Im März 2019 erwarb der Kläger von der Beklagten als Verkäuferin einen Mercedes GLC 250 für 55.335,89 € als Neuwagen. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse EURO 6) ausgestattet Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von 9.140 € an die Beklagte. Den Kaufpreis finanzierte er im Übrigen in Höhe von 46.195,89 € teilweise noch valutierend bei einer Bank (künftig Darlehensgeberin). Dem Darlehensvertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Darlehensgeberin zugrunde. Dort hieß es unter anderem:

"II. Sicherheiten

Der Darlehensnehmer räumt dem Darlehensgeber zur Sicherung aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche des Darlehensgebers aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung, gleich aus welchem Rechtsgrund, Sicherheiten gemäß nachstehenden Ziffern 1-3 ein. […]

[…]

3. Abtretung von sonstigen Ansprüchen

Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende – gegenwärtige und zukünftige – Ansprüche an den Darlehensgeber ab, […] [der] diese Abtretung annimmt:

[…]

- gegen die [Beklagte] […], gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die […] [Beklagte] oder einen Vertreter der […] [Beklagten]. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen.

[…]

6. Rückgabe der Sicherheiten

Der Darlehensgeber verpflichtet sich, nach Wegfall des Sicherungszweckes (alle Zahlungen unanfechtbar erfolgt) sämtliche Sicherungsrechte (Abschnitt II. Ziff. […] 3) zurückzuübertragen […] Bestehen mehrere Sicherheiten, hat der Darlehensgeber auf Verlangen des Darlehensnehmers schon vorher nach […] [seiner] Wahl einzelne Sicherheiten oder Teile davon freizugeben, falls deren realisierbarer Wert 120% der gesicherten Ansprüche des Darlehensgebers überschreitet […]"

Der Kläger hat die Beklagte in den Vorinstanzen unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts vom Kaufvertrag und unter dem Gesichtspunkt einer deliktischen Schädigung wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs auf Zahlung nebst Verzugszinsen an sich sowie auf Freistellung von restlichen Darlehensraten, Zug um Zug gegen Übergabe und Übertragung des Anwartschaftsrechts auf Rückübereignung des Fahrzeugs, in Anspruch genommen. Weiter hat er auf Feststellung des Annahmeverzugs und die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten angetragen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger seine zweitinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgt, soweit er sie auf eine unerlaubte Handlung der Beklagten durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hat zwar rechtsfehlerfrei erkannt, bei der Sicherungsabtretung von Ansprüchen gegen die Beklagte "gleich aus welchem Rechtsgrund" handele es sich um eine vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingung, die Bestandteil des Darlehensvertrags geworden ist. Es hat aber unzutreffend angenommen, die Abtretungsklausel sei wirksam, so dass der Kläger nicht aktivlegitimiert sei.

Die Abtretungsklausel ist so zu verstehen, mit Ausnahme von Gewährleistungsansprüchen aus Kaufvertrag erfasse sie jedenfalls sämtliche mit dem Erwerb des Fahrzeugs in Zusammenhang stehenden Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte. Damit sind auch solche Forderungen erfasst, die dem Darlehensnehmer als Verbraucher im Rahmen des von § 355 Abs. 3 Satz 1, § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB geregelten Rückabwicklungsverhältnisses nach Widerruf der auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung gegen die Beklagte erwachsen.

So verstanden hält die Abtretungsklausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, §§ 134, 361 Abs. 2 Satz 1, § 355 Abs. 3 Satz 1, § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB ohne Wertungsmöglichkeit nicht stand, weil sie zulasten des Klägers als Verbraucher und Vertragspartner zweier verbundener Verträge von zu seinen Gunsten zwingenden Vorschriften abweicht.

Nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB in der auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Darlehensgeberin geltenden Fassung findet in Fällen, in denen wie hier der Kaufvertrag über das Fahrzeug und der Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag verbundene Verträge im Sinne des § 358 Abs. 3 BGB darstellen, im Falle des Widerrufs unter anderem § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB Anwendung, demzufolge die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren sind. Dabei tritt nach § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB der Darlehensgeber im Verhältnis zum Verbraucher (hier dem Darlehensnehmer und Käufer) hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag (hier des Verkäufers) ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer (hier dem Verkäufer) bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist. § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB ordnet unter der Voraussetzung, dass das Darlehen bereits an den Unternehmer (hier den Verkäufer) geflossen ist, eine gesetzliche Schuldübernahme bzw. einen gesetzlichen Schuldnerwechsel und einen Anspruchsübergang an. Infolge dieser gesetzlichen Schuldübernahme ist der Darlehensgeber aufgrund der (halb-)zwingenden Vorgabe des § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB zugunsten des Verbrauchers (hier des Darlehensnehmers und Käufers) mit dem Wirksamwerden des Widerrufs verpflichtet, eine aus eigenen Mitteln des Darlehensnehmers und Käufers an den Unternehmer (hier den Verkäufer) geleistete Anzahlung an den Darlehensnehmer zu erstatten.

Die von der Darlehensgeberin in den Darlehensvertrag eingeführte Abtretungsklausel weicht von diesen zugunsten des Klägers zwingenden gesetzlichen Vorgaben ab. Sie führt in Fällen, in denen die Beklagte als Verkäuferin den Kaufpreis vereinnahmt hat, das Widerrufsrecht aber noch fortbesteht und vom Käufer und Darlehensnehmer später ausgeübt wird, dazu, dass der Käufer und Darlehensnehmer entgegen § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB eine von ihm aus eigenen Mitteln erbrachte Anzahlung auch dann nicht einredefrei herausverlangen oder mit einem Anspruch auf Rückgewähr der Anzahlung auch dann nicht gegen einen Anspruch des Darlehensgebers auf Wertersatz aufrechnen kann, wenn er seiner gesetzlichen Vorleistungspflicht auf Rückgabe des Fahrzeugs genügt hat. Denn auch in diesem Fall dient die zunächst gegen die Beklagte begründete und im Wege des Schuldnerwechsels gegen die Darlehensgeberin fortbestehende Forderung auf Rückgewähr der Anzahlung, wenn sie nicht schon wegen einer Vereinigung von Schuldner und Gläubiger der Forderung erlischt, nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Darlehensgeberin der Sicherung aller Ansprüche der Darlehensgeberin und damit im Falle des Widerrufs auch der Sicherung eines vom Verkäufer auf die Darlehensgeberin übergeleiteten Anspruchs auf Wertersatz. Der aufgrund der Sicherungsabtretung nicht aktivlegitimierte Käufer und Darlehensnehmer müsste daher auch dann, wenn er seiner Vorleistungspflicht im Hinblick auf das Fahrzeug genügt hätte, mit der Leistung von Wertersatz wegen der Nutzung des Fahrzeugs in Vorleistung treten, ohne sich nach dem Fälligwerden seiner Forderungen aus dem Rückgewährschuldverhältnis von dieser Leistungspflicht durch eine Aufrechnung mit seinem Anspruch auf Rückgewähr der Anzahlung befreien zu können. Darin läge mit der Folge der Unwirksamkeit der Klausel eine Verschlechterung der Position des Käufers und Darlehensnehmers gegenüber den gesetzlichen Vorgaben zur Rückabwicklung verbundener Verträge nach Widerruf.

Die wegen ihrer Abweichung von der zugunsten des Klägers als Käufer und Darlehensnehmer zwingenden gesetzlichen Vorgabe ohne Wertungsmöglichkeit unwirksame formularmäßige Sicherungsabtretung sämtlicher Ansprüche gegen die Beklagte mit Ausnahme solcher aus kaufrechtlicher Gewährleistung kann nicht mit der Maßgabe aufrechterhalten werden, dass andere Ansprüche als solche aus einem Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf und damit solche aus einer unerlaubten Handlung der Beklagten wirksam abgetreten sind. Ein solches Verständnis liefe auf eine geltungserhaltende Reduktion hinaus, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzulässig ist. Darauf, dass der Kläger hier seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen hat, sondern aus unerlaubter Handlung gegen die Beklagte vorgeht, kommt es nicht an. Die Klausel ist zu weit gefasst. Damit ist sie insgesamt unwirksam und der Kläger ohne Rücksicht auf einen Widerruf möglicher Inhaber von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung gegen die Beklagte.

Das Berufungsgericht wird nach Zurückverweisung nunmehr in der Sache zu klären haben, ob die Beklagte dem Kläger aus unerlaubter Handlung haftet.

Die maßgeblichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs lauten:

§ 134 Gesetzliches Verbot

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 307 Inhaltskontrolle

(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) 1Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. 2Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 355 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen

[…]

(3) 1Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. […]

§ 358 Mit dem widerrufenen Vertrag verbundener Vertrag (Fassung vom 11. März 2016)

[…]

(4) 1Auf die Rückabwicklung des verbundenen Vertrags sind unabhängig von der Vertriebsform § 355 Absatz 3 und, je nach Art des verbundenen Vertrags, die §§ 357 bis 357b entsprechend anzuwenden. […] 5Der Darlehensgeber tritt im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist.

§ 361 Weitere Ansprüche, abweichende Vereinbarungen und Beweislast

[…]

(2) 1Von den Vorschriften dieses Untertitels darf, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden. […]

Vorinstanzen:

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 8. April 2021 – 24 O 283/20
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 28. September 2022 – 23 U 2239/21


LG Essen: Versendung eines USB-Sticks mit persönlichen Daten per einfachem Brief mit DSGVO vereinbar - Anspruch aus Art. 82 DSGVO kann abgetreten werden

LG Essen
Urteil vom 23.09.2021
6 O 190/21


Das LG Essen hat entschieden, dass die Versendung eines USB-Sticks mit persönlichen Daten per einfachem Brief mit den Vorgaben der DSGVO vereinbar ist. Zudem hat das Gericht entschieden, dass ein Anspruch aus Art. 82 DSGVO abgetreten werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte immaterielle Schadensersatzanspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

a) Ein Anspruch des Klägers ergibt sich zunächst nicht aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO.

Danach hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen i.S.d. DSGVO. Zwar ist der Kläger auch hinsichtlich der Ansprüche seiner Ehefrau aktivlegitimiert. Es liegt auch - zumindest hinsichtlich der fehlenden Mitteilung an die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW - ein Verstoß gegen die DSGVO vor. Der Kläger hat jedoch nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass ihm ein erheblicher Schaden entstanden ist. Im Einzelnen:

aa) Der Kläger ist zunächst aktivlegitimiert. Für seinen eigenen Anspruch ist dies unproblematisch der Fall. Die Aktivlegitimation besteht darüber hinaus - entgegender Ansicht der Beklagten - auch hinsichtlich des Anspruchs seiner Ehefrau.

Aufgrund des Abtretungsvertrags vom 06.06.2021 (Anlage K 5, Bl. 20 d. A.) ist der Kläger Forderungsinhaber geworden, § 398 BGB.

Grundsätzlich ist jede Forderung abtretbar (vgl. Grüneberg in: Palandt, 80. Aufl. 2021, § 398 BGB Rn. 8); insbesondere auch Schmerzensgeldansprüche (vgl. Grüneberg in: Palandt, 80. Aufl. 2021, § 253 BGB Rn. 22). Ein Abtretungsverbot nach §§ 399, 400 BGB besteht nicht. Die vermeintliche Forderung der Ehefrau des Klägers gegen die Beklagte unterliegt weder der Pfändung (§ 400 BGB) noch wurde die Abtretung durch Vereinbarung ausgeschlossen oder erfordert die Abtretung eine Inhaltsänderung der Leistung (§ 399 BGB).

Die Abtretung ist zudem wirksam, insbesondere ist sie hinreichend bestimmt. Dabei genügt es, wenn im Zeitpunkt des Entstehens der Forderung bestimmbar ist, ob sie von der Abtretung erfasst wird (vgl. Grüneberg in: Palandt, 80. Aufl. 2021, § 398 BGB Rn. 14). Das ist hier der Fall. In dem Abtretungsvertrag ist unter Ziffer 1 das Rechtsverhältnis, aus dem sich etwaige Ansprüche ergeben können, hinreichend bestimmt bezeichnet. Dort heißt es, dass dem Zedenten aus einer datenschutzrechtlichen Verletzung Schadensersatzansprüche gegen die [xxx] - die hiesige Beklagte - in einer noch durch ein Gericht festzulegenden Höhe zustehen. Zudem wird der Grund des Schadensersatzanspruchs noch näher beschrieben; nämlich der Verlust eines USB-Sticks mit umfangreichen persönlichen und sensiblen Daten.

bb) Der Beklagten ist ein Verstoß gegen Art. 33 DSGVO vorzuwerfen - unterstellt, der USB-Stick ist tatsächlich verloren gegangen.

Gemäß Art. 33 Abs. 1 DSGVO meldet der Verantwortliche im Falle einer Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten unverzüglich und möglichst binnen 72 Stunden, nachdem ihm die Verletzung bekannt wurde, diese der zuständigen Aufsichtsbehörde, es sei denn, dass die Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten voraussichtlich nicht zu einem Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen führt. Die erforderlichen zu meldenden Informationen ergeben sich aus Art. 33 Abs. 3 DSGVO. Eine solche Meldung ist indes - unstreitig - nicht erfolgt. Unerheblich ist dabei, dass der Kläger und seine Ehefrau als Betroffene bereits Kenntnis von dem vermeintlichen Datenverlust hatten, da sie ihn selbst gemeldet haben.

Denn die Meldepflicht dient zum einen der Minimierung der negativen Auswirkungen von Datenschutzverletzungen durch Publizität gegenüber der Aufsichtsbehörde (und dem Betroffenen). Gleichzeitig gewährt die Vorschrift so vorbeugenden Schutz der informationellen Selbstbestimmung des Betroffenen, indem sie Anreize zur Vermeidung zukünftiger Verletzungen beim Verantwortlichen setzt. Die Vorschrift dient also nicht nur dem Schutz des Betroffenen. Die Meldung gegenüber der Aufsichtsbehörde ermöglicht es dieser, über Maßnahmen zur Eindämmung und Ahndung der Rechtsverletzung zu entscheiden (vgl. BeckOK DatenschutzR/Brink, 37. Ed. 1.11.2019 Rn. 10, DS-GVO Art. 33 Rn. 10). Insofern genügt bereits ein solch formeller Verstoß gegen die DSGVO zur Begründung eines Schadensersatzanspruches dem Grunde nach (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 37. Ed. 1.8.2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 14).

Zudem liegt ein Verstoß gegen Art. 34 Abs. 2 DSGVO vor. Zwar ist der Beklagten insofern zuzustimmen, als sie selbst erst durch den Kläger bzw. seine Ehefrau von dem vermeintlichen Datenverlust informiert wurde. Die Informationspflichten des Art. 34 DSGVO sehen über die reine Information über den Datenverlust selbst hinaus jedoch vor, dass die in Art. 33 Abs. 3 lit. b- d DSGVO genannten Informationen und Maßnahmen auch dem Betroffenen - hier dem Kläger und seiner Ehefrau - mitgeteilt werden. Dies ist jedoch - unstreitig - nicht erfolgt.

cc) Dagegen liegt kein Verstoß gegen Art. 24, 25 Abs. 1, 32 DSGVO vor.

Danach hat der Verantwortliche i.S.d. DSGVO unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten, der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit
und Schwere der Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen und umzusetzen, um sicherzustellen, dass die Verarbeitung gemäß der DSGVO erfolgt und die Rechte der betroffenen Personen geschützt werden. In Art. 25 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 DSGVO werden dafür exemplarisch die Pseudonymisierung und Verschlüsselung personenbezogener Daten genannt. Ein Verstoß der Beklagten liegt indes nicht vor.

Die Kammer konnte kein Fehlverhalten im Haus der Beklagten feststellen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der vermeintliche Verlust der Daten jedenfalls nicht im Haus der Beklagten erfolgt ist. Dies wird auch von Klägerseite nicht behauptet. Vielmehr soll der USB-Stick auf dem Postversand verloren gegangen sein.

Die Kammer sieht zudem keinen Grund, weshalb die Beklagte den USB-Stick nicht per einfachem Brief an den Kläger und seine Ehefrau hätte versenden dürfen. Zwar waren auf dem USB-Stick Dokumente mit sensiblen persönlichen und wirtschaftlichen Informationen enthalten. Dies ist jedoch kein Grund, nicht den Service der Deutschen Post nutzen zu dürfen. Von verschiedensten Stellen werden ausgedruckte Dokumente mit sensiblen Informationen, z.B. Steuerbescheide, Schreiben von Anwälten und Steuerberatern o.Ä., mit einfacher Post versandt. Hiergegen ist ebenfalls nichts einzuwenden; eine irgendwie geartete Pflichtverletzung der handelnden Stellen ist nicht ersichtlich. Weshalb zwischen ausgedruckten Dokumenten, die naturgemäß unverschlüsselt übersandt werden, und digitalen Dokumenten auf einem unverschlüsselten USB-Stick im Zuge der postalischen Übermittlung unterschieden werden soll, erschließt sich der Kammer nicht.

Die Beklagte war zudem nicht gehalten, den USB-Stick in einem gepolsterten Umschlag zu versenden. Bei dem USB-Stick handelt es sich weder um einen leicht zu beschädigenden Gegenstand, der vor äußeren Einwirkungen geschützt werden müsste, noch musste die Beklagte davon auszugehen, dass ein USB-Stick als relativ leichter Gegenstand ohne scharfe Kanten den Briefumschlag von innen heraus zerstören könnte.

Ferner bestand keine Verpflichtung der Beklagten, den USB-Stick dem Kläger oder seiner Verlobten persönlich zu übergeben. Unstreitig wurde dies nicht durch den Kläger oder seine Ehefrau gefordert. Zudem bestand für die Beklagte - wie bereits ausgeführt - keine Veranlassung, an dem zuverlässigen Versand durch die Deutsche Post zu zweifeln.

dd) Der Kläger hat jedoch ohnehin nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass ihm und seiner Ehefrau ein konkreter immaterieller Schaden entstanden ist.

Für den - hier geltend gemachten - immateriellen Schadensersatz gelten dabei die im Rahmen von § 253 BGB entwickelten Grundsätze; die Ermittlung obliegt dem Gericht nach § 287 ZPO (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 32. Ed. 1.2.2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 31). Es können für die Bemessung die Kriterien des Art. 83 Abs. 2 DSGVO herangezogen werden, bspw. die Art, Schwere und Dauer des Verstoßes unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs oder des Zwecks der betreffenden Verarbeitung sowie die betroffenen Kategorien personenbezogener Daten. Zu berücksichtigen ist auch, dass die beabsichtigte abschreckende Wirkung nur durch für den Anspruchsverpflichtenden empfindliche Schmerzensgelder erreicht wird, insbesondere wenn eine Kommerzialisierung fehlt. Ein genereller Ausschluss von Bagatellfällen ist damit nicht zu vereinbaren (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 32. Ed. 1.2.2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 31) (vgl. LG Köln, Urteil vom 07.10.2020 - 28 O 71/20). Die Pflicht zur Erstattung immaterieller Schäden ist daher nicht nur auf schwere Schäden beschränkt (vgl. LG Landshut, Urteil vom 06.11.2020 - 51 O 513/20).

Allein die - etwaige - Verletzung des Datenschutzrechts als solche begründet allerdings nicht bereits für sich gesehen einen Schadensersatzanspruch für betroffene Personen. Die Verletzungshandlung muss in jedem Fall auch zu einer konkreten, nicht nur unbedeutenden oder empfundenen Verletzung von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Personen geführt haben (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 04.09.2020 - 324 S 9/19). Es ist zwar eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht (mehr) erforderlich. Andererseits ist auch weiterhin nicht für einen Bagatellverstoß ohne ernsthafte Beeinträchtigung bzw. für jede bloß individuelle empfundene Unannehmlichkeit ein Schmerzensgeld zu gewähren; vielmehr muss dem Betroffenen ein spürbarer Nachteil entstanden sein und es muss um eine objektiv nachvollziehbare, mit gewissem Gewicht erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen (vgl. LG Landshut, Urteil vom 06.11.2020 - 51 O 513/20).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann die Kammer anhand des klägerischen Vortrags spürbare Beeinträchtigung von persönlichen Belangen des Klägers und seiner Ehefrau in keiner Weise feststellen.

Der Kläger hat lediglich vorgetragen, dass er und seine Ehefrau infolge des vermeintlichen Verlustes des USB-Sticks einen Kontrollverlust erlitten hätten. Weiter wird dies indes nicht ausgeführt. Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass der Verlust eines USB-Sticks, auf dem sich ungesicherte persönliche und wirtschaftliche Informationen befinden, durchaus zu einem „unguten Gefühl“ führen kann. Der Kläger hat jedoch in keiner Weise vorgetragen, inwiefern sich für ihn bzw. seine Ehefrau eine ernsthafte Beeinträchtigung ergeben hat. Negative Auswirkungen des Verlustes haben sich nicht gezeigt -zumindest wurden sie weder vorgetragen noch ergeben sie sich aus den sonstigen Umständen des Falles. Es ist zudem völlig unklar, was mit dem USB-Stick passiert ist - unterstellt, er ist tatsächlich abhandengekommen. Negative Auswirkungen des behaupteten Verlustes - etwa in Form eines Identitätsdiebstahls oder ähnliches - müssten der Kläger und seine Ehefrau allenfalls befürchten, wenn der USB-Stick in die Hände eines Dritten gelangt ist. Ob das der Fall ist, ist völlig unklar. Genauso gut ist es möglich, dass der USB-Stick bei der Verarbeitung der Briefe im Bereich der Deutschen Post zerstört oder beschädigt wurde. Im klägerischen Schriftsatz vom 15.09.2021 ist die Rede von einer walzen- und rollenbetriebenen Sortieranlage der Deutschen Post. Insofern ist es durchaus wahrscheinlich, dass ein USB-Stick in dieser Sortieranlage beschädigt werden kann. In diesem Fall wäre es somit ausgeschlossen, dass ein unbefugter Dritter überhaupt an die Daten des Klägers und seiner Ehefrau gelangen könnte.

Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.01.2021 (1 BvR 2853/19), in der es um die‚ Ablehnung eines immateriellen Schadensersatzanspruchs wegen fehlender Erheblichkeit ging, was „weder unmittelbar in der DSGVO angelegt [sei], noch von der Literatur befürwortet oder vom Gerichtshof der Europäischen Union verwendet [werde]. Denn im vorliegenden Fall wurde nicht einmal eine spürbare Beeinträchtigung des Klägers und seiner Ehefrau vorgetragen. Über die Frage der Erheblichkeit musste die Kammer daher nicht entscheiden.

Im Übrigen hält die Kammer das Vorgehen des Klägers, außergerichtlich zunächst einen niedrigeren Schmerzensgeldbetrag zu fordern, unter Androhung, den Betrag zu erhöhen, falls ein gerichtliches Verfahren erforderlich werde, für äußerst befremdlich. Generell ist der vom Kläger geforderte Betrag deutlich übersetzt, wie insbesondere ein Vergleich mit Schmerzensgeldansprüchen wegen Körperverletzungen verdeutlicht, was insgesamt ein überbordendes Gewinnstreben des Klägers aufzeigt, hingegen nicht, dass er sich durch die behaupteten Vorgänge in irgendeiner Art und Weise persönlich beeinträchtigt sieht.

b) Ein Anspruch des Klägers folgt ferner nicht aus Schadensersatzgesichtspunkten. Sowohl vorvertragliche Schadensersatzansprüche (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB) als auch deliktische Schadensersatzansprüche wegen einer möglichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG) erfordern den Eintritt eines immateriellen Schadens, den der Kläger nicht schlüssig dargelegt hat. Insofern wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen, die hier sinngemäß gelten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Berlin: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 3a UWG i.V.m. Art. 15 Fluggastrechte-VO wenn Airline bei Abtretung von Entschädigungsansprüchen an Dritte eine Abtretungsgebühr verlangt

LG Berlin
Urteil vom 31.08.2021
103 O 7/20


Das LG Berlin hat entschieden, dass eine Klausel in den AGB einer Airline, wonach bei einer Abtretung von Entschädigungsansprüchen an Dritte eine Abtretungsgebühr anfällt, den Kunden unangemessen benachteiligt und unwirksam ist. Es liegt ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 3 a UWG i.V.m. Art. 15 Fluggastrechte-VO vor. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


LG Augsburg: Schadensersatzklagen im Dieselskandal des Legal-Tech-Anbieters myRight abgewiesen - Abtretungen wegen Verstoßes gegen Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig

LG Augsburg
Urteil vom 27.10.2020
011 O 3715/18


Auch das LG Augsburg hat entschieden, dass Schadensersatzklagen im Dieselskandal des Legal-Tech-Anbieters myRight mangels Aktivlegitimation abzuweisen sind. Die Abtretungen sind wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Die Klage ist zulässig; insbesondere kann dahinstehen, ob die vom Gericht mit Verfügung vom 08.07.2019 angesprochenen Bedenken an seiner Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO hinsichtlich der Klageanträge 1, 3, 5-10, 15, 17-18, 20, 23, 25-26 und 28-30 (Bl. 436/437 d.A.) sich als durchgreifend erweisen, da die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Augsburg nach entsprechendem Rügeverzicht der Beklagten (Bl. 451 d.A.) jedenfalls nach § 39 ZPO begründet ist.

2. Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet. Der Klägerin fehlt es an der erforderlichen Aktivlegitimation für die gegen die Beklagte geltend gemachten vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüche.

Dabei kann dahinstehen, ob die o.g. 30 Fahrzeugerwerber tatsächlich ihre entsprechenden Ansprüche an die Klägerin abgetreten und insbesondere die von ihr vorgelegten Abtretungserklärungen unterschrieben haben oder nicht, da diese Abtretungen sich jedenfalls gemäß § 134 BGB in Verbindung mit den §§ 3,4 RDG als nichtig erweisen.

Die diesbezügliche Tätigkeit der Klägerin als registrierter Inkassodienstleisterin hält sich nämlich nicht mehr im Rahmen der ihr nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG erteilten Inkassodienstleistungsbefugnis. Zwar darf dieser Begriff nach dem LexFox-Urteil des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung der Inkasso-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu eng ausgelegt werden, sondern innerhalb des mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgten Zwecks des Schutzes der Rechtssuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen ist eine eher großzügige Betrachtung geboten (BGH VIII ZR 285/18, Urteil vom 27.11.2019, Rn. 141). Daraus folgt jedoch nicht automatisch die Zulässigkeit des seitens der Klägerin vorliegend praktizierten Geschäftsmodells. Vielmehr hält der Bundesgerichtshof eine am Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes orientierte Würdigung der Umstände des Einzelfalles einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen stets für erforderlich, wobei die Wertentscheidungen des Grundgesetzes in Gestalt der Grundrechte der Beteiligten sowie der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen sind und den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung zu tragen ist (BGH, a.a.O., Rn. 110). Im Zuge einer solchen Abwägung ist das Gericht vorliegend indes zu der Überzeugung gelangt, dass eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin vorliegt.

Nach § 2 Abs. 2 S. 1 RDG ist eine Inkassodienstleistung die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird. Ist eine Person - wie vorliegend die Klägerin - gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG bei der zuständigen Behörde für den Bereich der Inkassodienstleistungen registriert, darf sie aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in diesem Bereich erbringen, so dass ihre Inkassotätigkeit keine bloße Nebenleistung im Sinne des § 5 RDG darstellt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 107). Den somit allein durch die §§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 RDG bestimmten Rahmen hat die Klägerin indes vorliegend überschritten.

Als registrierter Inkassodienstleisterin ist der Klägerin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Anschluss an die Inkasso-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Zuge der Einziehung der an sie abgetretenen Forderungen zwar auch eine umfassende rechtliche Forderungsprüfung und substantielle Beratung ihrer Kunden über den Bestand der Forderung gestattet (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 116 ff.). Dementsprechend sieht der Bundesgerichtshof auch keine Überschreitung der Befugnis nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG darin, dass ein Inkassodienstleister bei Erfolglosigkeit seiner außergerichtlichen Bemühungen um die Durchsetzung der treuhänderisch an ihn abgetretenen Forderungen im Zuge des Interesses seiner Kunden an einer möglichst einfachen und raschen Durchsetzung ihrer Ansprüche die Möglichkeit hat, diese unter Beauftragung eines Rechtsanwalts in einem streitigen gerichtlichen Verfahren als eigene Rechte einzuklagen (BGH, a.a.O., Rn. 225 f.).

Vor diesem Hintergrund erscheint das unter Ziffer 1.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Abgasskandal erläuterte Vorgehen der Klägerin, die Durchsetzung der Entschädigungsansprüche, soweit zweckdienlich, im außergerichtlichen Verfahren zu betreiben und im Fall des Nichtausreichens der außergerichtlichen Bemühungen in Zusammenarbeit mit der … oder anderen Rechtsanwälten deren gerichtliche Durchsetzung zu versuchen, auf den ersten Blick vielleicht als unproblematisch. Tatsächlich ist es aber nicht mehr durch § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG gedeckt, da die Tätigkeit der Klägerin entgegen der in Ziffer 1.3 gewählten Formulierung von vorneherein auf eine gerichtliche Rechtsdurchsetzung in Form einer Sammelklage abzielte. So bot sie den Betroffenen des Abgasskandals auf der Intemetseite … ausdrücklich an, mit einer Sammelklage dafür zu sorgen, dass ihr Fall rechtzeitig vor Gericht kommt (Anlage B1). Auch in ihrer Pressemitteilung vom 15.06.2018 pries die Klägerin die „Sammelklage, die … anbietet,“ als die „für Menschen ohne Rechtsschutzversicherung optimale Lösung, um VW-Schadensersatz einzuklagen“, an (Anlage B39). Die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen erwähnten außergerichtlichen Bemühungen hat die Klägerin indes vorliegend niemals entfaltet; vielmehr verneinte ihr Prozessbevollmächtigter auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 01.09.2020 selbst die Existenz außergerichtlicher Mahnschreiben (Bl. 677 d.A.).

Damit unterfällt die ausschließlich auf ein gerichtliches Vorgehen gerichtete Tätigkeit der Klägerin bereits vom Wortlaut her nicht dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen, das laut § 1 Abs. 1 S. 1 RDG die Befugnis regelt, in der Bundesrepublik Deutschland außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Auch die Erweiterung der Inkassotätigkeit durch § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO auf gerichtliche Maßnahmen in Bezug auf das Mahnverfahren und die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen erweist sich nicht als einschlägig. Vielmehr zeigt die letztgenannte Regelung, dass der Gesetzgeber das gerichtliche Handeln von Inkassodienstleistern als Ausnahme gesehen hat, wenngleich er mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz die Entwicklung neuer Berufsbilder erlauben wollte (BT-Drucks. 16/3655 S. 30). Dabei hatte er vor allem die Bereiche, in denen die anwaltliche Versorgung die Nachfrage der Rechtssuchenden nicht decken kann, insbesondere weil die Tätigkeit nicht ausschließlich juristischer Natur ist, im Blick (BT-Drucks. 16/3655 S. 40). Der Gesetzgeber beabsichtigte aus Gründen des Verbraucherschutzes jedoch gerade keinen allgemeinen Rechtsleistungsberuf unterhalb der Rechtsanwaltschaft einführen, da es ansonsten zu einem Nebeneinander zweier auf die gleiche Tätigkeit ausgerichteten Rechtsberatungsberufe mit völlig unterschiedlicher Qualifikation kommen würde (BT-Drucks. 16/3655 S. 31).

Genau darauf liefe die Anerkennung des Geschäftsmodells der Klägerin indes hinaus, die sich nicht auf die unproblematisch zulässige rechtliche Prüfung der Forderung und substantielle Beratung ihrer Kunden über deren Bestand beschränkte, sondern vielmehr die strategische Entscheidung darüber traf, welche der Ansprüche aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte sie in Einzelverfahren, in Verfahren mit Anspruchsbündelung in geringerem Umfang - wie hier - und in Verfahren mit mehreren 1.000 gebündelten Ansprüchen geltend macht (Bl. 609/610 d.A.). Diese auch in ihrem Internetauftritt besonders hervorgehobene Tätigkeit der Klägerin stellt sich angesichts der Vielzahl der Fallgestaltungen im Abgasskandal und der Komplexität der damit verbundenen durchaus streitigen Rechtsfragen indes als über den Bereich der einzelnen Forderungseinziehung weit hinausgehende Rechtsberatung dar. Gerade bei den Sammelklagen, in denen sich die überwiegende Mehrzahl der 45.000 Kunden der Klägerin befindet (Bl. 677 d.A.), stellt sich der Aufgabenbereich der Klägerin vielmehr als vollkommen identisch mit dem eines Rechtsanwaltes dar.

Vor diesem Hintergrund erscheint es indes nicht gerechtfertigt, sich hier mit der geringeren Sachkunde der Klägerin als Inkassodienstleisterin zufrieden zu geben. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Grund für die deutlich geringeren Anforderungen an die Sachkunde des registrierten Inkassodienstleisters darin gesehen, dass dessen Tätigkeit allein auf die außergerichtliche Forderungseinziehung beschränkt ist, bei der die Gefahr einer rechtlichen Fehlberatung in deutlich geringerem Maße als bei einer über den Bereich der bloßen Forderungseinziehung hinausgehenden Rechtsberatung besteht (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 219), die hier in der strategischen Auswahl und Bündelung der 30 streitgegenständlichen Forderungen zur ausschließlich gerichtlichen Geltendmachung in Form der vorliegenden Sammelklage zu sehen ist.

Die darin liegende Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin kann auch durch die Hinzuziehung der Klägervertreter nicht beseitigt werden. So kam es bereits für den Erlaubnisvorbehalt nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht darauf an, ob der Vertragspartner des Rechtssuchenden sich zur Erfüllung seiner Beratungspflichten eines zugelassenen Rechtsberaters als Erfüllungsgehilfen bedient (BGH III ZR 260/07, Urteil vom 03.07.2008). Nichts anderes kann jedoch unter Berücksichtigung des in § 1 Abs. 1 S. 2 RDG normierten Schutzzweckes des Rechtsdienstleistungsgesetzes, die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen, gelten. Vielmehr bekommt der einzelne Kunde von der Klägerin infolge der geringeren Anforderungen an ihre Sachkunde, die im Bereich der Inkassodienstleistungen nach § 4 Abs. 1 RDV in einem Lehrgang mit 120 Zeitstunden vermittelt wird, eine weniger qualifizierte Rechtsdienstleistung als von einem Rechtsanwalt mit Jurastudium und Referendariat von jeweils mehreren Jahren, während die eingeschalteten Prozessbevollmächtigten auch nicht ihm selbst, sondern allein dem Interesse ihrer Mandantin verpflichtet sind. Aus dieser Konstellation ergibt sich somit eine Gefährdung der von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG erfassten schuldrechtlichen Forderungen der rechtssuchenden Kunden, die auch unter Berücksichtigung des Grundrechtes der Klägerin als Inkassodienstleisterin auf Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt ist.

Anders als im LexFox-Fall, wo die außergerichtlichen Schreiben mit der Rüge nach § 556 g Abs. 2 BGB erst zur Entstehung des Anspruchs auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete führten, hat die Klägerin nämlich vorliegend überhaupt keine vorgerichtlichen Bemühungen zur Forderungseinziehung entfaltet und sich damit gar nicht erst im Bereich der Inkassodienstleistung bewegt. Der diesbezüglich seitens der Klägerin erhobene Einwand, die Begriffe „außergerichtlich“ und „vorgerichtlich“ könnten nicht gleichgesetzt werden, erweist sich insofern als unzutreffend. Zum einen hat der Bundesgerichtshof im LexFox-Urteil eindeutig diese Gleichsetzung vorgenommen, indem er formulierte, dass eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis nicht darin zu sehen ist, dass - wenn außergerichtliche Bemühungen nicht zum Erfolg führen - die Möglichkeit besteht, treuhänderisch abgetretene Ansprüche unter Beauftragung eines Rechtsanwalts in streitigen gerichtlichen Verfahren als eigene Rechte einzuklagen (BGH VIII ZR 285/18, Urteil vom 27.11.2019, Rn. 225). Zum anderen hat auch die Klägerin selbst den Begriff „außergerichtlich“ in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Abgasskandal unter Ziffer 1.3 im Sinne von „vorgerichtlich“ verwandt, indem sie formulierte: „Sollten die außergerichtlichen Bemühungen nicht ausreichen (…), werden wir versuchen, die Ansprüche gerichtlich durchzusetzen.“

Hier hat die Klägerin sich indes von vorneherein ausschließlich auf die gerichtliche Geltendmachung der 30 streitgegenständlichen Forderungen in Form der vorliegenden Sammelklage beschränkt, bei deren strategischer Auswahl und Bündelung sie eine über den Bereich der einzelnen Forderungseinziehung weit hinausgehende Rechtsberatung vornahm, die eigentlich für das Berufsbild des Rechtsanwaltes prägend ist. Da ein Rechtsanwalt insoweit aber im identischen Aufgabenbereich den Berufspflichten nach den §§ 43 ff. BRAO unterliegt, würde es einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG darstellen, wenn die Klägerin trotz geringerer Sachkunde im identischen Aufgabenbereich die gleiche Tätigkeit ausüben könnte, ohne beispielsweise an die Verbote der Erfolgsprovision und der Prozessfinanzierung gebunden zu sein.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof im LexFox-Urteil eine Überschreitung der Inkassobefugnis weder in der Vereinbarung eines Erfolgshonorars noch in der Prozesskostenübernahme durch den Inkassodienstleister gesehen hat (BGH, a.a.O., Rn. 170 ff.). Eine Interessenkollision im Sinne des § 4 RDG schloss er nämlich unter Hinweis darauf aus, dass die Vereinbarung des Erfolgshonorars bei der von ihm zu beurteilenden Forderungseinziehung ein beträchtliches eigenes Interesse der Klägerin an einer möglichst erfolgreichen Durchsetzung der Ansprüche bewirkte (BGH, a.a.O., Rn. 196). Diese Erwägung kann indes aufgrund zweier erheblicher Unterschiede im Sachverhalt nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden: Zum einen handelt es sich hier nicht um eine Einzel-, sondern um eine Sammelklage, und zum anderen ist keine Zustimmung der Zedenten zu einem abzuschließenden Vergleich erforderlich, sondern nur dessen Widerruf möglich. So hat die Klägerin nach Ziffer 6.1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Abgasskandal die Möglichkeit, einen Vergleich mit einer Widerrufsfrist von zwei Wochen abzuschließen, „wenn die Vergleichssumme nach gewissenhafter Beurteilung eines sorgfältig handelnden Kaufmanns als ausreichend erscheint.“; nach unverzüglicher Benachrichtigung davon kann der Kunde den Vergleichsabschluss dann zwar widerrufen, doch schuldet er der zur Kündigung des Vertrages berechtigten Klägerin in dem Fall die bei Bestand des Vergleiches angefallene Vergütung.

Vor dem Hintergrund dieser Regelung ergibt sich vorliegend eine strukturelle Kollision der Interessen der Klägerin mit denen ihrer Kunden, die eine ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung derart gefährdet, dass eine auch vom Bundesgerichtshof für möglich gehaltene analoge Anwendung des § 4 RDG (BGH, a.a.O., Rn. 213) geboten erscheint (LG Ingolstadt 41 O 1745/18, Urteil vom 07.08.2020, S. 253 ff.). So steht dem Interesse des einzelnen Kunden an der optimalen Durchsetzung seiner Rechte das Eigeninteresse der Klägerin an einem für sie möglichst guten Kosten-Nutzen-Verhältnis des Verfahrens entgegen, das sie am besten durch einen schnellen Vergleichsschluss erreichen kann. Wegen der Erforderlichkeit zur detaillierten Auseinandersetzung des Gerichts mit jedem einzelnen der 30 streitgegenständlichen Ansprüche müsste die Klägerin ansonsten nämlich mit einer überdurchschnittlich langen Verhandlungsdauer mit einer Vielzahl von Sitzungstagen rechnen, die ihre Tätigkeit angesichts der mit ihren Prozessbevollmächtigten vereinbarten Vergütung auf der Basis von Stundensätzen zunehmend als immer weniger lukrativ erscheinen lässt. Dies gilt umso mehr, als sich mit fortschreitender Verfahrensdauer die letztlich maximal zu erreichende Vergütung aufgrund der im Rahmen des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigenden Nutzungsentschädigung immer weiter verringert.

Demgegenüber hat die Klägerin hier ohnehin schon von daher kein eigenes Interesse an einer möglichst erfolgreichen Durchsetzung der Ansprüche, als sie - anders als LexFox-Fall - ihre Erfolgsprovision nicht nur im Fall des Zustandekommens des Vergleichs, sondern selbst im Fall dessen Widerrufs durch den Kunden in voller Höhe erhält. Insoweit stellt auch die nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschuldete Bindung an die „gewissenhafte Beurteilung eines sorgfältig handelnden Kaufmanns“ letztlich kein Korrektiv dar, da zum Zeitpunkt der Abtretung noch vollkommen unklar ist, ob man für jeden einzelnen Kunden einen Vergleichsbetrag auswirft oder eine Pauschalsumme, die dann aufgeteilt wird (Bl. 677 d.A.), obwohl die Beurteilungsüberlegungen sich in beiden Fällen als vollkommen unterschiedlich darstellen und daher für die Zedenten weder vorhersehbar noch nachprüfbar sein dürften. Vielmehr kann der jeweilige Kunde der Klägerin hier anders als im LexFox-Fall nicht einfach frei über die Erteilung seiner Zustimmung zum Vergleich entscheiden, sondern ist dadurch einem erheblichen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt, dass er im Fall dessen Widerrufs die geschuldete Vergütung in Höhe von 35 % der Vergleichssumme zahlen muss, ohne hierfür letztlich einen Gegenwert zu erhalten. Gerade für die nicht rechtsschutzversicherten Zedenten, die laut Internetausdruck und Pressemitteilung gezielt für die Sammelklage angeworben wurden (Anlagen B1 und B39), besteht damit kein kostenneutraler Ausweg, sondern sie sind faktisch gezwungen, sich einer von der Klägerin im Eigeninteresse geringer Verfahrenskosten getroffenen Vergleichsentscheidung zu beugen, was dem mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgten Zweck des Schutzes der Rechtssuchenden klar widerspricht.

An dieser Bewertung ändert auch die zwischenzeitliche Beteuerung der Klägerin nichts, sich angesichts der Unwirksamkeit von Ziffer 6.1 Satz 4 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 7 BGB gegenüber den Zedenten nicht auf diese Regelung berufen zu wollen (Bl. 614 d.A.). Zum einen mutet es schon seltsam an, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin im Abgasskandal, insbesondere auch die Regelungen über den Vergleichsschluss, auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 01.09.2020 immer noch im wesentlichen gleich geblieben sind (Bl. 677 d.A.), obwohl die identische Problematik bereits am 29.05.2020 vor dem Landgericht Ingolstadt thematisiert wurde (LG Ingolstadt 41 O 1745/18, Urteil vom 07.08.2020, S. 10 u. 236). Zum anderen ist davon auszugehen, dass gerade der Kunde, der sich des vermeintlich kostenlosen Angebotes der Klägerin als Inkassodienstleisterin bedient, keinerlei Kenntnis von der Unwirksamkeit dieser Bestimmung haben und deswegen durch die für ihn negative Kostenfolge vom Widerruf des Vergleichs abgeschreckt werden dürfte, zumal völlig unklar bleibt, was in diesem Fall mit dem anhängigen Prozessverhältnis passieren würde (LG Ingolstadt, a.a.O., S. 256).

Angesichts dieser Unklarheit erscheint auch eine geltungserhaltende Reduktion in Form eines Entfalls der Vergütungspflicht bei Widerruf des Vergleichs weder möglich noch geboten (vgl. hierzu ausführlich LG Ingolstadt, a.a.O., S. 260 ff.). Vielmehr hätte es der Klägerin freigestanden, im Rahmen ihrer Berufsausübung den gesetzlichen Vorschriften entsprechende wirksame vertragliche Regelungen zur fiduziarischen Abtretung und Geltendmachung fremder Forderungen im eigenen Namen zu treffen (LG Ingolstadt, a.a.O., S. 259). So aber hat sie den durch die §§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 RDG bestimmten Rahmen nicht nur eindeutig überschritten, sondern angesichts der in Ziffer 6.1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen vollen Vergütungsverpflichtung im Fall des Vergleichswiderrufs auch erheblich, so dass die streitgegenständlichen Abtretungen sich jedenfalls gemäß § 134 BGB in Verbindung mit den §§ 3, 4 RDG als nichtig erweisen.

Schließlich erscheint die Zulassung einer entsprechenden Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin im vorliegenden Fall auch aus Gründen des Verbraucherschutzes nicht erforderlich. Dem Vertrauen der Zedenten auf deren Registrierung als Inkassodienstleisterin wird nämlich bereits durch die für sie bestehende Möglichkeit Rechnung getragen, bei der Klägerin Regress zu nehmen, die nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 RDG über eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 250.000 € für jeden Versicherungsfall verfügen muss (BGH, a.a.O., Rn. 93). Davon abgesehen hat der Gesetzgeber bereits die kostenfreie Möglichkeit der Musterfeststellungsklage geschaffen, so dass hier keinerlei Veranlassung für das Gericht besteht, die vorliegende Sammelklagetätigkeit der Klägerin über den Wortlaut und Regelungsgehalt des Rechtsdienstleistungsgesetzes hinaus unter Missachtung des Gleichheitssatzes zuzulassen. In diesem Bereich wäre vielmehr der Gesetzgeber gefordert, der sich ausweislich der Drucksache 19/22807 des Deutschen Bundestages vom 24.09.2020 bereits mit der entsprechenden Thematik beschäftigt.

Mangels Aktivlegitimation der Klägerin war ihre Klage daher voll umfänglich abzuweisen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Indiz für Abmahnungsmissbrauch wenn Rechtsanwälte Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzung in eigener Regie und faktisch auf eigenes Risiko aussprechen

BGH
Urteil vom 28.05.2020
I ZR 129/19


Der BGH hat entschieden, dass ein Indiz für Abmahnungsmissbrauch vorliegt, wenn Rechtsanwälte Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen in eigener Regie und faktisch auf eigenes Risiko aussprechen

Aus den Entscheidungsgründen:

ee) Jedenfalls überwiegen im Rahmen der Gesamtbetrachtung bei zutreffender Gewichtung die vom Berufungsgericht festgestellten Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch das schützenswerte Interesse des Zedenten, Urheberrechtsverletzungen zu unterbinden.

(1) Zu den vom Berufungsgericht festgestellten Umständen kommt maßgeblich hinzu, dass der Zedent seine Ansprüche kurz nach der Abmahnung an die Klägerin abgetreten hat. Hinsichtlich der zuletzt allein noch streitigen anwaltlichen Abmahnkosten macht die Klägerin somit ihre eigenen Vergütungsansprüche - auf eigenes Risiko - gerichtlich geltend. Dieser Umstand spricht zusammen mit der größeren Anzahl gleichlautender Abmahnungen vom selben Tag sowie dem vergleichbaren Vorgehen der Klägerin in Parallelfällen dafür, dass die Klägerin das Abmahngeschäft "in eigener Regie" und in erster Linie betreibt, um Gebühreneinnahmen durch die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen zu generieren. In diesem Zusammenhang kommt auch dem Umstand erhebliches Gewicht zu, dass die Partner der Klägerin Mitgesellschafter und Geschäftsführer der G. GmbH sind, die die Rechtsverletzungen ermittelt und ihrerseits je erfolgreicher Ermittlung Kosten in Höhe von 100 € in Rechnung stellt. Dabei ist auf die zulässige Verfahrensrüge der Beklagten gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Januar 2016 - I ZR 202/14, GRUR 2016, 939 Rn. 31 = WRP 2016, 999 - wetter.de) auch der vom Berufungsgericht übergangene Vortrag zu berücksichtigen, wonach der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausweislich des Sitzungsprotokolls der mündlichen Verhandlung in den Parallelverfahren vor dem Landgericht Hamburg eingeräumt hat, dass die G. GmbH auf Grundlage eines Gesamtauftrags des Zedenten automatisch nach Rechtsverletzungen im Inland sucht, die Klägerin das wirtschaftliche Risiko der Prozessführung trägt und sie mit den Aufträgen des Zedenten letztlich Gebühren generieren kann. Diese Umstände sprechen klar und deutlich dafür, dass die überwiegende Motivation für die Abmahnungen nicht darin lag, weitere Urheberrechtsverletzungen zu verhindern, sondern Gebühreneinnahmen zu erzielen.

(2) Daneben ist im Streitfall die singuläre Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen in Deutschland ein weiteres Indiz für ein Vorgehen, das überwiegend von der Erzielung von Vergütungsansprüchen für die Klägerin motiviert ist. Die Verfolgung von Rechtsverletzungen nur auf dem deutschen Markt spricht unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls gegen ein überwiegendes, eine rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung ausschließendes Interesse des Zedenten an der Verteidigung seines Urheberrechts gegen rechtsverletzende Verwertungen.


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LG Ingolstadt: Schadensersatzklage des Legal-Tech-Anbieters Financialright Gmbh - myRight gegen VW und Audi wegen Verstoßes gegen Rechtsdienstleistungsgesetz abgewiesen

LG Ingolstadt
Urteil von 07.08.2020
41 O 1745/18


LG Ingolstadt hat die Schadensersatzklage des Legal-Tech-Anbieters Financialright Gmbh - myRight gegen VW bzw. Audi wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz abgewiesen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

In Sachen Financialright GmbH gegen Audi AG/Volkswagen AG

Die Klägerin hatte als Inkassodienstleisterin aus abgetretenem Recht Ansprüche von über 2.800 Fahrzeugkäufern gegenüber der Audi AG und der Volkswagen AG in Höhe von insgesamt über 77 Millionen Euro geltend gemacht. Es handelt sich um eines der umfangreichsten Verfahren im Rahmen der sogenannten Dieselklagewelle.

Mit Urteil vom 07.08.2020 hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Ingolstadt die Klage nun abgewiesen.
Im Wesentlichen ging die Kammer davon aus, dass zwar im Lichte der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der sog. "Lexfox-Entscheidung" vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18 – die klageweise Geltendmachung von abgetretenen Ansprüchen durch Rechtsdienstleister wie der Klägerin grundsätzlich zulässig sei. Abweichend zu dieser Entscheidung seien aber im vorliegenden Fall bereits die einzelnen Abtretungsvereinbarungen nichtig, da sie aufgrund einer die Käufer benachteiligenden Regelung nicht mehr von der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz gedeckt seien. Dies beruhe vor allem auf der vertraglichen Regelung der Klägerin, nach der im Falle eines Vergleichswiderrufs eines Käufers dessen gesamte Rechtsverfolgung für diesen nicht mehr kostenfrei sei. Hieraus resultiere sowohl ein unzulässiger wirtschaftlicher Druck für den jeweiligen Käufer als auch ein Interessenskonflikt zwischen dem Käufer und der Klägerin. Hierin liege eine unzumutbare Benachteiligung des Käufers, die zur Nichtigkeit der Abtretungsvereinbarung führe. Ohne wirksame Abtretung könne die Klägerin aber die Ansprüche der Käufer nicht selbst geltend machen, so dass die Klage abzuweisen gewesen sei.


BGH: Unzulässige Klausel zur Abtretung von Schadensersatzanspruch erfüllungshalber an Sachverständigen in Vertrag über Erstellung eines Kfz-Schadensgutachtens

BGH
Urteil vom 18.02.2020
VI ZR 135/19
BGB § 307 Abs. 1


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit einer unzulässige Klausel in einem Vertrag über die Erstellung eines Kfz-Schadensgutachtens befasst, die eine Abtretung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten erfüllungshalber an den Sachverständigen vorsah und den Zusatz

"Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich [geschädigter Auftraggeber] geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen die Anspruchsgegner durchzusetzen"

enthielt. Diese Regelung verstößt - so der BGH - gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Leitsatz des BGH:

Die in einem Vertrag über die Erstellung eines Kfz-Schadensgutachtens enthaltene formularmäßige Klausel, nach der der geschädigte Auftraggeber dem Sachverständigen in Bezug auf dessen Honoraranspruch "erfüllungshalber" seinen auf Ersatz der Sachverständigenkosten gerichteten Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger abtritt, ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn die Klausel zugleich die Regelung enthält
"Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich [geschädigter Auftraggeber] geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen die Anspruchsgegner durchzusetzen."

BGH, Urteil vom 18. Februar 2020 - VI ZR 135/19 - LG Hannover - AG Hannover

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BGH: Verstoß gegen Transparenzgebot durch widersprüchliche und unklare Abtretungs-Klausel - AGB-Klausel nichtig

BGH
Urteil vom 17.07.2018
VI ZR 274/17
BGB §§ 305c, 307


Der BGH hat entschieden, dass ein Verstoß gegen Transparenzgebot vorliegt, wenn eine Abtretungs-Klausel widersprüchlich und unklar ist. Entsprechende Klauseln in AGB und Formularverträgen sind nichtig.

Leitsatz des BGH:

Eine in einem Vertrag über die Erstellung eines Kfz-Schadensgutachtens enthaltene formularmäßige Klausel, nach der der geschädigte Auftraggeber dem Sachverständigen in Bezug auf dessen Honoraranspruch "zur Sicherung" und "erfüllungshalber" seinen auf Ersatz der Sachverständigenkosten gerichteten Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger abtritt, ist (jedenfalls dann) wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn die Klausel zugleich die Regelung vorsieht:

"Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des Sachverständigen aus diesem Vertrag gegen mich [geschädigter Auftraggeber] nicht berührt. Diese können nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung bei der gegnerischen Versicherung oder dem Schädiger zu jeder Zeit gegen mich geltend gemacht werden. Im Gegenzug verzichtet der Sachverständige dann jedoch Zug um Zug gegen Erfüllung auf die Rechte aus der Abtretung gegenüber den Anspruchsgegnern."

und auf demselben Formular eine Weiterabtretung des Schadensersatzanspruchs vom Sachverständigen an einen Dritten (hier: zu Inkassodienstleistungen berechtigte Verrechnungsstelle) vorgesehen ist.


BGH, Urteil vom 17. Juli 2018 - VI ZR 274/17 - LG Coburg - AG Coburg

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LG Nürnberg-Fürth: Abtretungsverbot in AGB einer Fluggesellschaft unwirksam - Schadensersatzansprüche können von Kunden an Claim-Handling-Companies abgetreten werden

LG Nürnberg-Fürth
Urteil vom 09.06.2017- 8 C 1869/17
Urteil vom 14.11,2017 - 22 C 9173/16
Urteil vom 11.01.2018 - 17 C 5050/17
Hinweisbeschluss vom 30.07.2018 - 5 S 8340/17


Das LG Nürnberg-Fürth hat mehrfach entschiden, dass ein Abtretungsverbot in den AGB einer Fluglinie unwirksam ist und Schadensersatzansprüche können von Kunden an Claim-Handling-Companies abgetreten werden. Dabei ging es um Ansprüche wegen verspäteter Flüge Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung gegenüber der Fluggesellschaft.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Landgericht Nürnberg-Fürth hält Abtretungsverbot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Fluglinie für unwirksam

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat in einem Hinweisbeschluss vom 30. Juli 2018 die bereits zuvor vom Amtsgericht Nürnberg in drei Entscheidungen vertretene Rechtsauffassung, wonach das in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Fluglinie enthaltene Abtretungsverbot unwirksam ist, bestätigt.

Das Amtsgericht Nürnberg hatte sich in drei Fällen mit Klagen von Firmen - sogenannten „Claim-Handling-Companies“ - zu beschäftigen, die für Fluggäste wegen verspäteter Flüge Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung gegenüber einer Fluggesellschaft geltend machten. Die Fluggäste hatten ihre Ansprüche auf Ausgleichszahlung zuvor an die Firmen abgetreten.

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fluglinie ist unter anderem folgender Passus enthalten: „ … Die Abtretung von Ausgleichs-, Schadensersatz- und Rückerstattungsansprüchen gegen uns ist ausschließlich an natürliche Personen zulässig, die in ihrer Flugbuchung als weitere Fluggäste mit aufgeführt sind … . Im Übrigen ist die Abtretung von Ausgleichs-, Schadensersatz- und Rückerstattungsansprüchen gegen uns an Dritte ausgeschlossen. …“

Die von den Fluggästen jeweils mit der Durchsetzung der Ansprüche beauftragten Firmen sind der Auffassung, das Abtretungsverbot in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fluggesellschaft sei unwirksam. Es verstoße gegen § 307 Abs. 1 BGB, da es eine mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbare, unangemessene Benachteiligung des Fluggastes darstelle.

Die Fluglinie ist hingegen der Auffassung, dass die Klausel wirksam sei. Sie habe eine Vielzahl von Fällen abzuwickeln und deshalb ein berechtigtes Interesse daran, die Abtretung auf natürliche Personen zu beschränken. Im Sinne einer übersichtlichen Vertragsabwicklung sei das Abtretungsverbot notwendig, um zu verhindern, dass sich die Fluglinie mit einer Vielzahl von wechselnden Gläubigern auseinandersetzen müsse. Es gehe der Airline vor allen Dingen darum, den unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand zu minimieren und eine ordnungsgemäße Vertragsabwicklung zu gewährleisten.

Das Amtsgericht Nürnberg hat in mehreren Entscheidungen das Abtretungsverbot in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fluggesellschaft für unwirksam erachtet, da die Klausel den Grundsätzen von Treu und Glauben widerspreche und eine unangemessene Benachteiligung der Fluggäste darstelle.

Diese Auffassung hat nunmehr das Landgericht Nürnberg-Fürth in einem Hinweisbeschluss vom 30. Juli 2018 bestätigt. Grundsätzlich sei es so, dass ein Abtretungsverbot oder zumindest eine Beschränkung der Abtretungsmöglichkeit die Vertragsabwicklung übersichtlicher gestalten und verhindern könne, dass nicht absehbar sei, welche Gläubiger die Ansprüche letzten Endes geltend machen würden. Auf der anderen Seite sei eine solche Klausel gleichwohl unwirksam, wenn der Kunde ein überwiegendes Interesse an der Abtretung zur Durchsetzung seiner Ansprüche habe.

Im konkreten Fall seien die Interessen der Fluglinie für einen Abtretungsausschluss nur von geringem Gewicht. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Bearbeitung der Anfragen von so genannten „Claim-Handling-Companies“ einen höheren Aufwand als die Bearbeitung der Anfragen von natürlichen Personen verursachen könnte. Es müssten in beiden Fällen jeweils die entsprechenden Daten durch das Verwaltungspersonal der Fluglinie überprüft werden. Entscheidend sei es, wie auch das Amtsgericht Nürnberg schon ausgeführt hatte, dass für den Kunden durch das Abtretungsverbot ein potenzielles Hindernis auf dem Weg zur Erlangung seiner Aus-gleichszahlung bereitet werde. Dieser müsse in seiner Entscheidung frei bleiben, ein in solchen Angelegenheiten erfahrenes Unternehmen kostenpflichtig zu beauftragen. Welche Abzüge von der Entschädigung er hierbei in Kauf nehme, sei allein seine freie Entscheidung.

Die Fluglinie hat nach dem Hinweis des Landgerichts Nürnberg-Fürth ihre Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts Nürnberg zurück genommen.

Entscheidungen des Amtsgerichts Nürnberg:
Urteil vom 9. Juni 2017, Az. 18 C 1869/17
Urteil vom 14. November 2017, Az. 22 C 9173/16
Urteil vom 11. Januar 2018, Az. 17 C 5050/17
Hinweisbeschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30. Juli 2018, Az. 5 S 8340/17


BGH: Einziehen im Wege des echten Factorings abgetretener Forderungen ist keine Inkassodienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes

BGH
Urteil vom 21.03.2018
VIII ZR 17/17
BGB §§ 134, 398; RDG § 2 Abs. 2 Satz 1, § 3; HGB § 354a Abs. 1 Satz 2, 3


Der BGH hat entschieden, dass das Einziehen im Wege des echten Factorings abgetretener Forderungen keine Inkassodienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes ist.

Leitsätze des BGH:

a) Die Einziehung im Wege des echten Factorings abgetretener Forderungen ist keine Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG, weil ein Factoring-Unternehmen, welches das Risiko des Forderungsausfalls vertrag-lich vollständig übernommen hat, keine fremden, sondern eigene Angelegenheiten besorgt, wenn es die ihm abgetretenen Forderungen auf eigene Rechnung einzieht.

b) Geht das Risiko des Forderungsausfalls nach den im Factoring-Vertrag getroffenen Vereinbarungen nicht vollständig auf das Factoring-Unternehmen über (unechtes Factoring), ist die Forderungseinziehung - sofern das Factoring-Unternehmen nach dem Vertragsinhalt weder zur Klärung von Rechts-fragen, wie Bestand und Durchsetzbarkeit der abgetretenen Forderungen, noch zum Inkasso verpflichtet ist - ebenfalls keine Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG, weil die Forderungsabtretung erfüllungs-halber zur Kreditsicherung und damit als Nebenleistung, nicht aber im Rah-men eines eigenständigen Geschäfts des Factoring-Unternehmens erfolgt.

c) Trotz der Abtretung einer - aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft hervorgegangenen - Geldforderung an einen neuen Gläubiger (hier: ein Factoring-Unternehmen) ist der Forderungsschuldner gemäß § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB befugt, mit befreiender Wirkung an seinen bisherigen Gläubiger (den Factoring-Kunden) zu leisten.

d) Unbeschadet des Wortlauts des § 354a Abs. 1 Satz 3 HGB, der bestimmt, dass abweichende Vereinbarungen unwirksam sind, ist eine nach der Forderungsabtretung getroffene Vereinbarung des Forderungsschuldners mit dem neuen Gläubiger, Zahlungen nur an diesen zu leisten, mit Rücksicht auf den Sinn und Zweck des § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB, der allein dem Schutz des Schuldners dient, gleichwohl wirksam (Anschluss an BGH, Urteil vom 13. November 2008 - VII ZR 188/07, BGHZ 178, 315 Rn. 26).

BGH, Urteil vom 21. März 2018 - VIII ZR 17/17 - OLG Brandenburg - LG Cottbus

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




OLG Hamm: Ausschluss der Abtretung von Mängelansprüchen in AGB gegenüber Verbrauchern unzulässig und wettbewerbswidrig

OLG Hamm
Urteil vom 25.09.2014
4 U 99/14


Das OLG Hamm hat entschieden, dass der Ausschluss der Abtretung von Mängelansprüchen in AGB gegenüber Verbrauchern unzulässig und wettbewerbswidrig ist.

Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

"Verbraucherschutz: OLG Hamm verbietet AGB-Klausel, die die Abtretung von Mängelansprüchen ausschließt

Die Klausel ʺDie Abtretung von Mängelansprüchen ist ausgeschlossenʺ in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Internetversandhändlers ist unzulässig, weil sie den privaten Käufer unangemessen benachteiligt. Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25.09.2014 im einstweiligen Rechtsschutz entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des
Landgerichts Paderborn abgeändert.

Die Parteien, der Kläger aus Wustermark und die beklagte Firma aus Ingolstadt, vertreiben verschiedene Waren über das Internet. Die Beklagte vertreibt u.a. gewerblich Elektro- und Elektronikgeräte, Kaffeemaschinen, Kühlschränke und Waschmaschinen. Sie verwendete hierbei Allgemeine Geschäftsbedingungen die unter anderem folgende Klauseln beinhalten: ʺDie Abtretung von Mängelansprüchen ist ausgeschlossen.ʺ Der Kläger hat diese Klausel bei Verbrauchergeschäften für unzulässig gehalten und von der Beklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verlangt, den Gebrauch der Klausel gegenüber Verbrauchern zu unterlassen.

Das Unterlassungsbegehren des Klägers war erfolgreich. Die infrage stehende AGB-Klausel verstoße, so der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern gegen die Regelung des § 307 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, weil sie den privaten Käufer unangemessen benachteilige. Das Abtretungsverbot behindere
den Weiterverkauf des Verbrauchers, weil es die Gewährleistung gegenüber dem gewerblichen Erstverkäufer erschwere. Es benachteilige neben dem Wiederkäufer auch den wiederverkaufenden privaten Erstkäufer.

Veräußere der Erstkäufer die Ware, ohne ihm zustehende Gewährleistungsansprüche gegen den Erstverkäufer abtreten zu können, werde er auch bei einer von Anfang an mangelbehafteten Sache mit einer Gewährleistung belastet, für die der gewerbliche Erstverkäufer verantwortlich sei. Das Interesse des Erstkäufers, in solchen Fällen nicht mit der Abwicklung einer möglichen Gewährleistung mit dem gewerblichen Erstverkäufer belastet zu werden, sei schützenswert. Das Interesse des gewerblichen Erstverkäufers durch ein Abtretungsverbot der Gefahr entgegenzuwirken, dass ihm völlig unbekannte Dritte als Gewährleistungsgläubiger aufgezwungen werden, überwiege im Verkehr mit Verbrauchern nicht gegenüber den Käuferinteressen. Die Gewährleistungshaftung werde in diesen Fällen nicht ausgedehnt, sondern lediglich verlagert. Im Internetversandhandel mit dem Verbraucher seien dem Versandhändler zudem seine Vertragspartner in der Regel nicht persönlich, sondern nur namentlich bekannt.

Rechtskräftiges Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25.09.2014 (4 U 99/14)




BGH: Rückabwicklung eines Kaufvertrages nach Untergang des Fahrzeugs - Kein Zurückbehaltungsrecht des Verkäufers wegen Abtretung eines ungeklärten Anspruchs des Käufers gegen Kaskoversicherung

BGH
Urteil vom 25.03.2015
VIII ZR 38/14


Die Pressemitteilung des BGH:

Zur Rückabwicklung eines Kaufvertrages nach Untergang des Fahrzeugs

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob der Verkäufer nach einem wirksamen Rücktritt des Käufers die Rückzahlung des Kaufpreises davon abhängig machen kann, dass ihm der Käufer einen noch ungeklärten Anspruch gegen seine Kaskoversicherung abtritt.

Der Kläger hatte von der Beklagten einen Neuwagen erworben. Wegen verschiedener Mängel, die die Beklagte nicht vollständig beseitigte, trat er am 22. August 2011 vom Vertrag zurück und verlangte von der Beklagten, ihm Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs den Kaufpreis (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) zurückzuzahlen. Die Beklagte weigerte sich. In der Nacht des 29. August 2012 brannte das Fahrzeug, das sich noch beim Kläger befand, aus unbekannter Ursache weitgehend aus. Der Kläger hatte für das Fahrzeug eine Kaskoversicherung abgeschlossen, aus der er allerdings bisher keine Leistungen erhalten hat. Er hat die Abtretung seiner Ansprüche aus der Versicherung an die Beklagte erklärt. Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist eine Abtretung ohne ausdrückliche Genehmigung durch den Versicherer jedoch nicht möglich. Der Versicherer hat diese Genehmigung ausdrücklich verweigert.

Die Vorinstanzen haben der auf Zahlung gerichteten Klage nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus der Kaskoversicherung stattgegeben. Die vom Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er den Wegfall des Zug-um-Zug-Vorbehalts begehrt, hatte Erfolg.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Beklagte den Kaufpreis aufgrund des wirksamen Rücktritts zurückzuzahlen hat. Ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 348, 320 BGB steht ihr nicht zu. Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Versicherungsanspruch ihr bisher nicht wirksam abgetreten worden ist. Denn der Kläger hat derzeit nichts erlangt, was er herausgeben könnte.

Erlangt im Sinne des hier anwendbaren § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB* ist etwas erst dann, wenn es sich im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage eintritt. Dies ist hier nicht der Fall, weil der Kläger weder eine Zahlung von der Versicherung erhalten noch diese ihre Eintrittspflicht anerkannt hat. Ein etwaiger, noch im Prüfungsstadium befindlicher und wegen der verweigerten Genehmigung der Kaskoversicherung derzeit nicht abtretbarer Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Versicherungsleistung stellt keine herausgabefähige Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB dar. Auf etwaige Ansprüche, die der Beklagten gegen den Kläger erst in Zukunft dadurch erwachsen könnten, dass die Versicherung des Klägers den Anspruch auf die Versicherungsleistung feststellt oder den festgestellten Betrag auszahlt, kann ein Zurückbehaltungsrecht von vornherein nicht gestützt werden.

Die Frage, ob § 285 BGB** im Rückgewährschuldverhältnis nach §§ 346 ff. BGB anwendbar ist, hat der Senat offen gelassen. Denn der Kläger hat bislang auch im Sinne dieser Vorschrift keinen herausgabefähigen Ersatz oder Ersatzanspruch erlangt.

* § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB:

Eine verbleibende Bereicherung ist herauszugeben.

** § 285 Abs. 1 BGB

Erlangt der Schuldner infolge des Umstands, aufgrund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch, so kann der Gläubiger die Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruch verlangen.

Urteil vom 25. März 2015 –VIII ZR 38/14

LG Mannheim - Urteil vom 27. März 2013 – 8 O 246/11

OLG Karlsruhe - Beschluss 17. Dezember 2013 – 19 U 83/13

BGH: Abtretungsverbot in AGB eines Reiseveranstalters für Forderungen, die auf Leistungsstörungen beruhen, unwirksam

BGH
Urteil vom 17.04.2012
X ZR 76/11
BGB § 307 Abs. 1, § 651c Abs. 3, § 651e, § 651f Abs. 2

Leitsätz des BGH:

a) Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters, in der bestimmt ist"Die Abtretung von Ansprüchen gegen (den Reiseveranstalter), deren Rechtsgrund in Leistungsstörungen liegt, ist ausgeschlossen.", benachteiligt den Reisenden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher unwirksam.

b) Verlegt der Veranstalter einer Flugreise den Rückflug vertragswidrig in die frühen Morgenstunden des vereinbarten Rückreisetags und weigert sich ausdrücklich oder stillschweigend, dem Reisemangel abzuhelfen, kann der Reisende grundsätzlich die Erstattung der Kosten eines anderweitigen Rück-flugs verlangen, mit dem er seine vertragsgemäße Rückreise sicherstellt.

c) Ob ein Reisemangel die Reise erheblich beeinträchtigt, ist nach dem Anteil des Mangels in Relation zur gesamten Reiseleistung sowie danach zu beurteilen, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt hat. Ein Reisemangel verliert insoweit nicht an Gewicht, wenn der Preis der Reise besonders gering war.

BGH, Urteil vom 17. April 2012 - X ZR 76/11 - LG Düsseldorf - AG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: