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LG Frankfurt: Unwirksame Klausel in Mietwagenanbieter-AGB wenn Kunden Betriebsflüssigkeiten und Reifendruck prüfen sowie ggf. korrigieren müssen

LG Frankfurt
Urteil vom 06.04.2023
2-24 O 133/22


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass eine Klausel in des AGB eines Mietwagenanbieters unwirksam ist, wenn Kunden danach die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck prüfen sowie ggf. korrigieren müssen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit die Beklagte den Mietern ihrer Fahrzeuge auferlegt, die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck zu prüfen und ggf. zu korrigieren, liegt eine Abweichung von einer gesetzlichen Regelung vor, die mit deren wesentlichen Grundgedanken dieser Regelung nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres ist der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2017 - VII ZR 170/16 Rn. 17, BauR 2017, 1202). Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders wird nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und damit für die Bestimmung der für die Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung heranzuziehenden wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist der Vertragsschluss (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2014 - VIII ZR 344/13 Rn. 31 m.w.N., BGHZ 201, 363). Entscheidend sind die durch die Klausel konkret verdrängten gesetzlichen Vorschriften, die im Streitfall auf das vertraglich begründete Rechtsverhältnis anwendbar wären (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1987 - VII ZR 185/86, BGHZ 102, 41, juris Rn. 20). Die "gesetzlichen Regelungen" im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfassen dabei nicht nur Gesetze im materiellen Sinn, sondern auch ungeschriebenes Recht, wozu auch das Richterrecht sowie die von der Rechtsprechung und Rechtslehre durch Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung aus den allgemeinen Grundgedanken eines Rechtsgebiets oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung aus der Natur eines Schuldverhältnisses erarbeiteten und anerkannten Rechtssätze gehören (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 245/01, BGHZ 150, 269, juris Rn. 23). Die Vermutung ist widerlegt, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild auf Grundlage einer umfassenden Interessensabwägung sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist (BGH, Urteil vom 27. April 2021 - XI ZR 26/20 Rn. 24 m.w.N., BGHZ 229, 344; BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – VII ZR 34/20 –, Rn. 27, juris).

Nach diesen Grundsätzen ist die von der Beklagten verwendete Klausel in § 9 ihrer AGB, soweit sie den Mietern ihrer Fahrzeuge auferlegt, die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck zu prüfen und ggf. zu korrigieren, unwirksam.

Gemäß § 535 Abs. 1 BGB obliegt es dem Vermieter, dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. Von dieser Pflicht entledigt sich die Beklagte, wenn sie dem Mieter eines Fahrzeuges auferlegt, den Reifendruck und die Betriebsflüssigkeiten zu prüfen und zu korrigieren. Nach dem Wortlaut der Klausel obliegt dem Mieter die Pflicht ab dem Zeitpunkt, in dem er das Fahrzeug anmietet und mit dem Fahrzeug losfährt. Dies bedeutet, dass der Mieter eines Fahrzeuges, um der Pflicht aus § 9 der AGB zu genügen, vor Fahrtantritt zu überprüfen hat, ob der Reifendruck in Ordnung ist und ob das Fahrzeug über genügend Motoröl, Getriebeöl und Bremsflüssigkeit verfügt und ob genügend Kraftstoff vorhanden ist. Ein Mieter wird sich dabei nicht auf Anzeigen im Cockpit verlassen dürfen, weil er nicht weiß, ob die Anzeigen ordnungsgemäß funktionieren. Die Beklagte beschränkt in ihrer Klausel die Pflicht zur Prüfung auch nicht auf die Kontrolle („Sichtprüfung“) der Anzeigen im Cockpit.

Die Pflicht zu Prüfung und Korrektur stellt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar, weil sich ein Mieter eines Fahrzeuges darauf verlassen darf, dass der Vermieter die für den Gebrauch des Fahrzeuges notwendige Voraussetzungen geschaffen hat.

Der Einwand der Beklagten unter Hinweis auf § 23 StVO, dass die Pflicht dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug vorschriftsgemäß ist, auch den Fahrer trifft, entledigt die Beklagte nicht von ihrer Pflicht, im Rahmen des Mietverhältnisses mit dem Mieter den gebrauchsgemäßen Zustand der Sache zu schaffen. Nach dem Wortlaut der Klausel tritt zudem die Pflicht zur Prüfung und Korrektur der Betriebsflüssigkeiten und des Reifendrucks nicht erst bei längerem Gebrauch des Fahrzeuges ein. Denn eine Beschränkung der Verpflichtung nach Zeit oder Entfernung sieht die Klausel nicht vor. Nach dem Grundsatz der sog. kundenfeindlichsten Auslegung können Klauseln nicht eingeschränkt zugunsten des Verwenders ausgelegt werden. Vielmehr ist die Auslegung zugrunde zu legen, die für den Verbraucher am ungünstigsten ist (BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – VII ZR 34/20 –, Rn. 30, juris). Hiernach ist maßgeblich, dass einem Mieter die Pflicht zur Prüfung und Korrektur bereits ab dem Mietbeginn obliegt.

Soweit die Beklagte den Mietern ihrer Fahrzeuge die Pflicht auferlegt, die Fahrzeuge gemäß den Anweisungen in den Handbüchern, den Fahrzeugunterlagen und den Herstellerangaben zu benutzen, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.

Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen sowie wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen zu lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, Urteil vom 26. Mai 2021 - VIII ZR 42/20, NJW-RR 2021, 1096 Rn. 22 mwN). Bei der Bewertung der Transparenz einer Vertragsklausel ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Dabei sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, NJW-RR 2021, 1096 Rn. 23 mwN). Die Transparenzanforderungen dürfen aber nicht überspannt werden. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Weder bedarf es eines solchen Grads an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (BGH, Urteil vom 11. März 2021 - III ZR 96/20, NJW-RR 2021, 839 Rn. 25; BGH, Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 212/20 –, Rn. 47, juris; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2022 – IV ZR 185/20 –, Rn. 24, juris).

Nach diesen Grundsätzen ist auch die Regelung in § 9 der AGB, soweit der Mieter die Fahrzeuge gemäß den Handbüchern, den Fahrzeugunterlagen und den Herstellerangaben zu benutzen hat, unwirksam. Erkennbare Intention der Klausel, insbesondere im Rahmen der kundenfeindlichsten Auslegung (s.o.), ist die Auferlegung der Verantwortung des Mieters für eine Betriebsstörung, wenn diese durch eine Nutzung des Fahrzeuges entgegen einer Angabe in den genannten Unterlagen verursacht wurde. Die Beklagte wird einem Mieter eine in diesem Sinn sachwidrige Nutzung vorhalten und ihn für Schäden haftbar machen. Ein Mieter wird deshalb gehalten sein, „die Handbücher, Fahrzeugunterlagen und Herstellerangaben“ vor Antritt einer Fahrt zu studieren, um nicht in die Gefahr einer sachwidrigen Nutzung zu gelangen. Dabei bleibt es nach der Klausel offen, um welche konkreten Unterlagen es sich handelt. Die Verwendung des Plurals bei den Handbüchern lässt vermuten, dass es für Fahrzeuge mehrere Handbücher gibt, die es zu studieren gilt. Auch bei den Fahrzeugunterlagen verwendet die Beklagte den Plural, wobei offenbleibt, was die Beklagte zu den „Unterlagen“ im Einzelnen zählt. Gleiches gilt für die Herstellerangaben. Es bleibt auch offen, wie ein Mieter in den Besitz der genannten Bücher Unterlagen und Angaben gelangen kann. Denn nach der Klausel beschränkt sich die Lektüre nicht auf diejenigen Dokumente, die sich in dem Fahrzeug ggf. befinden, sondern auch auf solche Dokumente, die darüber hinaus zu diesem Fahrzeug existieren. Ein Mieter wird deshalb vor Fahrtantritt zu recherchieren haben, welche Bücher, Unterlagen und Herstellerangaben zu dem anzumietenden Fahrzeug vorhanden sind und wie er in den Besitz dieser Dokumente gelangen kann, um sie zur Vermeidung eines Haftungsrisikos zu studieren.

Auf der Grundlage der kundenfeindlichsten Auslegung benachteiligt eine solche Verpflichtung einen Mieter, der Verbraucher ist, unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: "Wohnort“ in Gerichtsstandsklausel in AGB einer Versicherung bedeutet "Wohnort" bei Klageerhebung und nicht bei Vertragsschluss

OLG Frankfurt
Urteil vom 08.02.2023
7 U 66/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der "Wohnort“ in einer Gerichtsstandsklausel in den AGB einer Versicherung "Wohnort" bei Klageerhebung und nicht bei Vertragsschluss bedeutet.

Die Pressemitteilung des Gerichhts:
"Wohnort“ in Gerichtsstandsklausel einer Versicherung ist Wohnort bei Klageerhebung

Es kommt auf den Wohnort bei Klageerhebung - nicht bei Vertragsschluss - an, entschied das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichter Entscheidung.

Stellen Versicherungsbedingungen einer ausländischen Lebensversicherung in einer Gerichtsstandsklausel auf den Wohnort des Versicherungsnehmers ab, kommt es auf den Wohnort bei Klageerhebung - nicht bei Vertragsschluss - an, entschied das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichter Entscheidung.


Der Kläger beantragte im Jahre 2000 den Abschluss einer Lebensversicherung bei der Beklagten. Sitz der Beklagten ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland. Hinsichtlich des Gerichtsstands für Streitigkeiten zwischen dem Versicherungsnehmer und der Versicherung enthalten die Versicherungsbedingungen folgende Regelung: „Hat der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz in Deutschland, unterliegt der Vertrag deutschem Recht. Das Gericht, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat oder etabliert ist, ist zuständig, jegliche Streitigkeiten zu entscheiden, die sich möglicherweise aus diesem Vertrag ergeben“.

Der Kläger wohnte bei Abschluss des Vertrages in Frankfurt am Main. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2019 befand sich sein Wohnsitz in der Schweiz.

Das vom Kläger angerufene Landgericht Frankfurt am Main hat die auf Rückabwicklung des Lebensversicherungsvertrages gerichtete Klage mangels Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Sie hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Das Landgericht habe die Klage zu Recht mangels seiner internationalen und örtlichen Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen, führt das OLG aus. Die Versicherungsbedingungen stellten hinsichtlich des örtlichen Gerichtsstands auf den Wohnsitz ab. Der Klausel sei nicht ausdrücklich zu entnehmen, ob es auf den Wohnsitz bei Vertragsschluss oder bei Klageerhebung ankomme. Im Wege der aus Sicht eines durchschnittlichen, verständigen Versicherungsnehmers vorzunehmenden Auslegung sei auf den Wohnsitz bei Klageerhebung abzustellen. Dafür spreche nicht nur der im Präsens gehaltene Wortlaut der Klausel, sondern insbesondere auch der Sinn und Zweck der Regelung. „Dem Versicherungsnehmer soll durch die Regelung die Möglichkeit eingeräumt werden, seine Rechte wohnortnah zu verfolgen“, betont das OLG. Dadurch sollten für ihn Erschwernisse vermieden werden, die mit einer Prozessführung in einem weit entfernten Ort verbunden sein könnten. Bei Versicherungs- und Verbraucherverträgen solle - auch im Rahmen anderer Vorschriften - die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger seien.

Bei der Auslegung erlangten die konkreten Umstände des Einzelfalls dagegen keine Bedeutung. Insoweit komme es nicht darauf an, dass nach Einschätzung des Klägers eine Klage in Frankfurt am Main für ihn günstiger wäre.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 8.2.2023, Az. 7 U 66/21
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 1.4.2021, Az. 2-23 O 27/20



OLG Düsseldorf: Stromanbieter und Gasanbieter mit Preisgarantie-Tarif dürfen Preise nicht wegen hoher Energiebeschaffungskosten einseitig erhöhen

OLG Düsseldorf
Urteil vom 23.03.2023
I-20 U 318/20


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass Stromanbieter und Gasanbieter mit Preisgarantie-Tarif die Preise nicht wegen hoher Energiebeschaffungskosten einseitig erhöhen dürfen. Allerdings hat das Gericht im vorliegenden Fall das Rechtsschutzbedürfnis der Verbraucherzentrale NRW verneint, da nach Ansicht des Gerichts nicht etwa Interessen von Kunden verfolgt wurden, sondern auf ein anderes behördliches Verfahren Einfluss genommen werden sollten.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Urteil im Prozess um Strom- und Gaspreiserhöhungen bei vertraglich zugesagten Preisgarantien

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg mit einer Unterlassungsklage gegen eine einseitige Preisanpassung als solche wenden. Dass die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung, zur einseitigen Preisanpassung berechtigt zu sein, unrichtig ist, stellt keine Täuschung des Kunden dar. Dies hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Düsseldorf Erfried Schüttpelz entschieden. Das Urteil vom 23.03.2023 (Aktenzeichen I-20 U 318/20) ist in Kürze in der Rechtsprechungsdatenbank www.nrwe.de abrufbar.

Der Antragsteller, ein Verein der sich unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet, nimmt im Wege eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein deutschlandweit tätiges Energieversorgungsunternehmen wegen irreführender Angaben sowie wegen unwirksamer allgemeiner Geschäftsbedingungen auf Unterlassung in Anspruch (vgl. Pressemitteilung vom 09.03.2023). Das Landgericht Düsseldorf hat der Antragsgegnerin mit Urteil vom 09.11.2022 unter anderem untersagt, während des vereinbarten Zeitraums einer Preisfixierung einseitig eine Erhöhung des Strom- und/oder Gaspreises mitzuteilen (Az.: 12 O 247/22). Die hiergegen gerichtete Berufung der Antragsgegnerin hat insoweit Erfolg. Zwar stand ihr nach der Auffassung des Senats ein Recht zur einseitigen Preiserhöhung, gestützt auf § 313 BGB nicht zu, weil der Gesetzgeber auf die "Gaskrise" reagiert und in § 24 EnSiG ein spezialgesetzliches Preisänderungsrecht eingeführt hat, das die Anwendung des § 313 BGB verdrängt. Dass die Voraussetzungen des § 24 EnSiG nicht vorliegen, weil die Bundesnetzagentur nicht eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen festgestellt hat, ist unerheblich. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 24 EnSiG zu erkennen gegeben, dass ein einseitiges Preiserhöhungsrecht der Versorger nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich ist.

Der Unterlassungsanspruch hat jedoch deswegen keinen Erfolg, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis für ein Unterlassungsbegehren gegen Äußerungen unter anderem dann fehlt, wenn damit unmittelbar auf die Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren Einfluss genommen werden soll. Damit scheidet eine Verurteilung zur Unterlassung einer einseitigen Preisanpassung als solche gegenüber Kunden aus. Ohne eine derartige Gestaltungserklärung könnte die Antragsgegnerin das von ihr beanspruchte Recht nicht wahrnehmen und dessen Berechtigung im Verhältnis zu Kunden nicht klären. Im Übrigen handelt es sich bei der Preisanpassungserklärung auch nicht um eine täuschende Angabe.

Demgegenüber darf die Antragsgegnerin nicht in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel verwenden, in der in Verträgen mit unbestimmter Laufzeit und Preisfixierung ein beidseitiges Kündigungsrecht mit einer Frist von einem Monat eingeräumt wird. Eine solche Klausel führt zu einer vollständigen Aushöhlung der Preisgarantie und ist unwirksam. Insoweit hat der Senat die Berufung der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig. Eine Revision zum Bundesgerichtshof ist nicht möglich, weil es sich um ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelt.

§ 24 Abs. 1 und 2 EnSiG (Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz)


(1) Nach der Ausrufung der Alarmstufe oder der Notfallstufe durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b und Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/1938 in Verbindung mit dem Notfallplan Gas des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom September 2019, der auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz veröffentlicht ist, kann die Bundesnetzagentur die Feststellung treffen, dass eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland vorliegt. Die Feststellung kann zu einem späteren Zeitpunkt als dem der Ausrufung der Alarm- oder Notfallstufe erfolgen und unter der Voraussetzung, dass die Optionen in den §§ 29 und 26 geprüft wurden und das Ergebnis dokumentiert ist. Mit der Feststellung durch die Bundesnetzagentur nach Satz 1 erhalten alle von der Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland unmittelbar durch Lieferausfälle oder mittelbar durch Preissteigerung ihres Lieferanten infolge der Lieferausfälle betroffenen Energieversorgungsunternehmen im Sinne des § 3 Nummer 18 des Energiewirtschaftsgesetzes entlang der Lieferkette das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen. Eine Preisanpassung ist insbesondere dann nicht mehr angemessen, wenn sie die Mehrkosten einer Ersatzbeschaffung überschreitet, die dem jeweils betroffenen Energieversorgungsunternehmen aufgrund der Reduzierung der Gasimportmengen für das an den Kunden zu liefernde Gas entstehen.

(2) Die Preisanpassung nach Absatz 1 Satz 3 ist nur auf Verträge anzuwenden, die eine physische Lieferung von Erdgas innerhalb des deutschen Marktgebietes zum Gegenstand haben. Satz 1 ist unabhängig von dem auf den Vertrag im Übrigen anwendbaren Recht anzuwenden. Das Recht zur Preisanpassung nach Absatz 1 Satz 3 kann nicht durch vertragliche Regelungen ausgeschlossen werden.

LG Köln: Deutsche Post darf Gültigkeit von Mobiler Briefmarke bzw. Portocode nicht auf 14 Tage beschränken - AGB-Klausel wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam

LG Köln
Urteil vom 20.10.2022
33 O 258/21

Das LG Köln hat entschieden, dass die Deutsche Post die Gültigkeit der "Mobilen Briefmarke" bzw. des Portocodes nicht auf 14 Tage beschränken darf. Eine entsprechende AGB-Klausel ist wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden unwirksam.

Aus den Entscheidungsgründen:
II. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der angegriffenen AGB gemäß § 1 UKIaG zu, da die Klausel die Verbraucher:innen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist.

1. Der Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB ist eröffnet.

Der Bundesgerichtshof hat zum Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle ausgeführt:

„Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB gelten diese Vorschriften nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Klauseln, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu bezahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen), sind dagegen von der Inhaltskontrolle ausgenommen. Es ist nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen; mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es insoweit regelmäßig auch an einem Kontrollmaßstab […]. Die Freistellung von der Inhaltskontrolle gilt jedoch nur für Abreden über den unmittelbaren Leistungsgegenstand, während Regelungen, die die Leistungspflicht des Verwenders einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, inhaltlich zu kontrollieren sind […]. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich von Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann […]. Diese zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung gehörenden Abreden sind von den kontrollfähigen Nebenabreden zu unterscheiden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, aber nicht das Ob und den Umfang der zu erbringenden Leistungen bestimmen, sondern als ergänzende Regelungen lediglich Art und Weise der Leistungserbringung und/oder etwaige Leistungsmodifikationen zum Inhalt haben. Diese treten neben eine bereits bestehende Leistungshauptabrede und an deren Stelle kann, wenn eine vertragliche Regelung fehlt, dispositives
[…]

Die Bedingungen sind dabei ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden werden.“

Die beanstandete Klausel ist eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung und damit eine Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 305 Abs. 1 BGB.

Auch ergibt die Auslegung der beanstandeten AGB der Beklagten, dass diese keine bloße Leistungsbeschreibung enthält. Unter Zugrundelegung der oben genannten Grundsätze regelt sie nicht unmittelbar die Hauptleistungspflichten der Parteien. Zwar wird in der angegriffenen Klausel die mobile Frankierung als „ad-hoc Frankierung zum sofortigen Gebrauch“ bezeichnet. Der Kern der Vertragsleistung wird jedoch dadurch bestimmt, dass Verbraucher:innen gegen Zahlung eines Entgelts einen Code erhalten, mit welchem sie einen Brief oder eine Postmarke durch handschriftliche Anbringung frankieren können. Die Gültigkeitsbefristung ist somit für die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts entbehrlich; der wesentliche Vertragsinhalt mit den Hauptleistungspflichten der Parteien ist auch ohne die Befristung der Gültigkeit bestimmt. Bei der Gültigkeitsbefristung des Codes handelt es sich nach alledem um eine neben die Hauptleistung tretende, zusätzliche Bestimmung, die lediglich Art und Weise der Leistungserbringung bzw. eine Leistungsmodifikationen zum Inhalt hat.

2. Die angegriffene Klausel verstößt gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

Nach der vorgenannten Norm sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen; die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen des Verwenders gerechtfertigt ist (vgl. BGH, NJW 2010, 57; NJW 2005, 1774 [1775] m.w.N.). Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung in AGB mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

Eine solche unangemessene Benachteiligung liegt im Streitfall vor.

Das bürgerliche Recht kennt für Verpflichtungen aus schuldrechtlichen Verträgen im Allgemeinen nur das in den §§ 194 ff. BGB im Einzelnen geregelte Rechtsinstitut der Verjährung, nicht dagegen besondere, von der Frage der Verjährung unabhängige Ausschlussfristen (BGH, Urt. v. 12. Juni 2001 – XI ZR 274/00 –, BGHZ 148, 74-84, Rn. 26). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein Vertrag über den Erwerb einer mobilen Briefmarke nicht als Frachtvertrag im Sinne des § 407 HGB zu qualifizieren, da ein solcher erst durch die Aufgabe der jeweiligen Sendung zustande kommt (vgl. BGH, Urt. v. 11. 10. 2005 - XI ZR 395/04, juris; LG Bonn, Urt. v. 14. Mai 2004 – 10 O 17/04 , juris). Er ist vielmehr als Kaufvertrag einzustufen. Mithin findet auch die besondere, für wirksam abgeschlossene Frachtverträge geltende Verjährungsvorschrift des § 439 HGB keine Anwendung, sodass es bei den vorgenannten allgemeinen Regelungen verbleibt.

Auch für den mit dem Erwerb der mobilen Briefmarke verknüpften Anspruch gegen die Beklagte ist keine gesetzlich vorgesehene Ausschlussfrist ersichtlich. Die Gültigkeitsbefristung der mobilen Briefmarke der Beklagten enthält daher eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehört das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung (BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 – XI ZR 274/00 –, BGHZ 148, 74-84, Rn. 27), das durch die Verjährungsvorschriften in zeitlicher Hinsicht näher ausgestaltet wird. Die streitige Gültigkeitsbefristung greift in das Äquivalenzverhältnis des Vertrags insoweit ein, als die Verbraucher:innen die mobile Briefmarke nur im Rahmen der Geltungsdauer von 14 Tagen zur Frankierung ihrer Briefe und Postkarten nutzen können.

In ihrer konkreten Ausgestaltung enthält die streitgegenständliche Gültigkeitsbefristung der mobilen Briefmarke einen so weitgehenden Eingriff in das vertragliche Äquivalenzverhältnis, dass sie als unangemessene Benachteiligung der Verbraucher:innen zu qualifizieren ist.

Es kann zwar nicht jede zeitliche Begrenzung der Gültigkeitsdauer als nicht hinnehmbare Verletzung des Äquivalenzprinzips und unangemessene Benachteiligung des Kunden angesehen werden. Solche Ausschlussfristen sind, obwohl im Gesetz in aller Regel nicht vorgesehen, in weiten Bereichen üblich und werden unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der beiderseits Beteiligten häufig als nicht unangemessen anzusehen sein (vgl. BGH, Urt. v. 12. Juni 2001 – XI ZR 274/00 –, BGHZ 148, 74-84, Rn. 29: zur Verkürzung der Gültigkeitsdauer bei Berechtigungskarten und Gutscheinen, die dem Inhaber die Möglichkeit verschaffen, eine bestimmte Ware oder Leistung zu verlangen). Durch die Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren (vgl. § 195 BGB a.F.) auf drei Jahre (vgl. § 195 BGB) im Rahmen der Schuldrechtsreform hat der Gesetzgeber allerdings bereits den Interessen der Schuldner Rechnung getragen; damit haben sich die Anforderungen an die Rechtfertigung von AGB, die eine kürzere als die gesetzliche Verjährungsfrist zur Anspruchsdurchsetzung statuieren, erhöht (OLG München, Urt. v. 17. 1. 2008 - 29 U 3193/07, NJW-RR 2008, 1233).

Die Umstände des vorliegenden Falls führen jedenfalls dazu, dass die von der Beklagten gewählte Ausgestaltung der Gültigkeitsbefristung der von ihr angebotenen mobilen Briefmarke bei einer Abwägung ihrer Interessen und derjenigen der Verbraucher:innen als eine die Verbraucher:innen unangemessen benachteiligende, nicht hinnehmbare Abweichung vom Äquivalenzprinzip anzusehen ist.

Die angegriffene Klausel zielt auf eine Benachteiligung der Verbraucher:innen im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung der §§ 195, 199 BGB ab, nach der entsprechende Ansprüche mit dem Ablauf einer Frist von drei Jahren – beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entsteht – verjähren. So wird der Zeitraum, in dem die unmittelbare Geltendmachung des Anspruchs – die Beförderung eines mit der mobilen Briefmarke versehenen Briefes bzw. einer Postkarte – möglich ist, auf einen minimalen Bruchteil (ca. 1 %) des vom gesetzlichen Leitbild Vorgesehenen herabgesetzt. Der dadurch bewirkte ersatzlose Verlust der Möglichkeit, einen nicht verjährten Anspruch geltend zu machen, stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher:innen dar.

Diese Abweichung vom gesetzlichen Leitbild betreffend die Rechtsfrage, wie sich der Zeitablauf auf einen bestehenden Anspruch auswirkt, begründet die Unangemessenheit der Benachteiligung der Verbraucher:innen, weil keine anerkennenswerten höherrangigen oder zumindest gleichwertigen Interessen der Beklagten für eine derartige Regelung sprechen. Die Berufung der Beklagten auf eine erforderliche zeitliche Begrenzung der Codes zur Sicherung des Produktes bzw. zur Vermeidung von Missbrauch sowie der nur begrenzten Verfügbarkeit einer bestimmten Anzahl von Codes ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte verwendet unstreitig achtstellige Codes. Selbst wenn für die Generierung der Codes lediglich Ziffern verwendet werden, bestehen 100.000.000 Möglichkeiten für die Erstellung verschiedener Codes. Unter Zugrundelegung des beklagtenseits behaupteten Umfangs von 12 Mio. verkauften mobilen Briefmarken pro Jahr würde die Anzahl der Codes für einen Zeitraum von acht Jahren und 4 Monaten ausreichen. Auch der Verweis auf eine etwaig bestehende Missbrauchsgefahr ist nicht geeignet, die durch die angegriffenen Klauseln bewirkte Beschneidung der Rechte der Verbraucher:innen zu rechtfertigen. Es handelt sich insoweit um Folgen, die in dem von der Beklagten zur Steigerung ihres Umsatzes selbst gewählten Geschäftsmodell angelegt und daher nicht zu berücksichtigen sind. Es obliegt der Beklagten, ihr System derart zu gestalten, dass eine mehrfache Verwendung von Codes erkannt und verhindert wird.

Jedenfalls aber folgt die Unangemessenheit der Benachteiligung der Verbraucher:innen daraus, dass bei Nichtnutzung der mobilen Briefmarke innerhalb der gesetzten Gültigkeitsdauer der ersatzlose Entzug des Anspruchs auf Beförderung der Briefe/Postkarten folgt. Denn nach Ablauf der Frist von 14 Tagen ist eine Erstattung des geleisteten Betrages durch die Beklagte an die Verbraucher:innen gerade nicht vorgesehen. Die Beklagte führt nur dazu aus, dass eine Stornierung innerhalb der 14 Tage nach Erwerb möglich sei und der gezahlte Betrag auf das getätigte Bezahlmittel erstattet werde. Eine Erstattung des Portos nach Ablauf der Gültigkeit ist nach den AGB der Beklagten aber gerade ausgeschlossen.

Dass die Beklagte vor dem Erwerb der mobilen Briefmarke auf die begrenzte Gültigkeitsdauer hinweist, lässt die Unangemessenheit der Benachteiligung der Verbraucher:innen nicht entfallen.

3. Die mündliche Verhandlung war nicht wiederzueröffnen, da ein Wiedereröffnungsgrund im Sinne des § 156 ZPO nicht vorliegt. Soweit nach der Replik des Klägers bestimmter Tatsachenvortrag der Beklagten streitig ist, führt dies aus den oben ersichtlichen Gründen auch bei Wahrunterstellung des Tatsachenvortrages der Beklagten nicht zu einem anderen Ergebnis. Soweit die Replik der Klägerin neuen Tatsachenvortrag enthält, war dieser nicht entscheidungserheblich.


Den Volletxt der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Bank darf keine Vergütung für Errechnen der Vorfälligkeitsentschädigung verlangen - entsprechende Klausel in AGB einer Bank unwirksam

OLG Frankfurt
Urteil vom 14.12.2022,
17 U 132/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine Bank keine Vergütung für das Errechnen der Vorfälligkeitsentschädigung verlangen darf. Ein entsprechende Klausel in den AGB einer Bank ist nach § 307 BGB unwirksam

Unwirksame Klausel - Keine Bankgebühr allein für das Errechnen der Vorfälligkeitsentschädigung

Das Errechnen der Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung im Fall der vorzeitigen Rückführung eines Darlehens gehört - unabhängig von § 493 Abs. 5 BGB - zu den vertraglichen Nebenpflichten einer Bank gegenüber Verbrauchern. Die Bank darf dafür kein gesondertes Entgelt verlangen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung die beklagte Bank verurteilt, die Verwendung einer Klausel, mit der 100 € für die Errechnung verlangt wurden, zu unterlassen.

Die Beklagte betreibt eine Bank und bewirbt u.a. Verbraucherkredite. Nach ihrem Preisverzeichnis verpflichten sich private Darlehenskunden, eine Pauschale von 100 € zu zahlen, wenn die Bank für sie die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Ablösung eines Darlehens (Allgemeindarlehen oder eines vor dem 21. März 2016 abgeschlossenen Immobiliardarlehen) errechnen soll. Die Pauschale wird unabhängig davon fällig, ob es nachfolgend zur vorzeitigen Rückführung des Darlehens kommt. Sie wird - mit Ausnahme grundpfandrechtlich besicherter Darlehen - nicht auf eine im Fall vorzeitiger Rückführung tatsächlich zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung angerechnet. Der Kläger hält die Klausel für unwirksam. Das Landgericht hatte den Unterlassungsantrag insoweit abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG Erfolg.

Die Klausel sei unwirksam, entschied das OLG. Bei der Aufwandsentschädigung handele es sich um eine voll überprüfbare sog. Preisnebenabrede. Die Klausel sei mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung nicht vereinbar und benachteilige die Kunden unangemessen. Die Bank sei nebenvertraglich verpflichtet, den Darlehensnehmer über die Höhe einer Vorfälligkeitsentscheidung bei vorzeitiger Rückführung zu informieren. Dies gelte unabhängig von den gesetzlich normierten Informationspflichten nach § 493 Abs. 5 BGB (anwendbar ab dem 21. März 2016 in Umsetzung der Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie (RL 2014/17/EU)). Diese bezögen sich allein auf Immobiliardarlehensverträge. Der Darlehensnehmer habe grundsätzlich ein Informationsbedürfnis. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sei komplex und beinhalte Rechenoperationen, die für den durchschnittlichen Verbraucher schwer nachzuvollziehen seien. Die Bank könne dagegen die Entschädigung mithilfe eines Computerprogramms ohne großen Aufwand errechnen. Die Berechnung stelle damit keine zusätzliche Sonderleistung dar, die einer gesonderten Vergütung unterliege. Dies gelte unabhängig davon, ob es tatsächlich zur vorzeitigen Rückführung komme oder nicht.

Die beanstandete Klausel weiche damit von dem Grundsatz ab, dass die Bank ohne gesondertes Entgelt ihre vertraglichen Verpflichtungen zur Unterrichtung des Darlehensnehmers erfüllen müsse. Diese Abweichung indiziere eine unangemessene Benachteiligung der Darlehensnehmer. „Dass die jeweilige Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung mit einem Verwaltungsaufwand ... einhergehen kann, hat diese nach der vertraglichen Abrede hinzunehmen“, ergänzt das OLG.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.12.2022, Az.: 17 U 132/21

(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12.11.2021, Az.: 2/25 O 190/20)

Erläuterungen:

§ 493 BGB Informationen während des Vertragsverhältnisses
(1) 1Ist in einem Verbraucherdarlehensvertrag der Sollzinssatz gebunden und endet die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit, unterrichtet der Darlehensgeber den Darlehensnehmer spätestens drei Monate vor Ende der Sollzinsbindung darüber, ob er zu einer neuen Sollzinsbindungsabrede bereit ist. 2Erklärt sich der Darlehensgeber hierzu bereit, muss die Unterrichtung den zum Zeitpunkt der Unterrichtung vom Darlehensgeber angebotenen Sollzinssatz enthalten.
...

(5) 1Wenn der Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags dem Darlehensgeber mitteilt, dass er eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens beabsichtigt, ist der Darlehensgeber verpflichtet, ihm unverzüglich die für die Prüfung dieser Möglichkeit erforderlichen Informationen auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln. 2Diese Informationen müssen insbesondere folgende Angaben enthalten:

Auskunft über die Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung,
im Fall der Zulässigkeit die Höhe des zurückzuzahlenden Betrags und
gegebenenfalls die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung.
3Soweit sich die Informationen auf Annahmen stützen, müssen diese nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt sein und als solche dem Darlehensnehmer gegenüber offengelegt werden.

§ 307 BGB
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.



LG Hannover: Weiternutzung des Kontos ist keine Zustimmung zu einer Vertragsänderung - entsprechende Klausel in AGB der Sparda-Bank Hannover unwirksam

LG Hannover
Urteil vom 28.11.2022
13 O 173/22


Das LG Hannover hat entschieden, dass die Weiternutzung eines Kontos keine Zustimmung zu einer Vertragsänderung darstellt. Eine entsprechende Klausel in den AGB der Sparda-Bank Hannover ist unwirksam. Auch die daraus folgende Geschäftspraxis der Bank ist wettbewerbswidrig.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG München: Sperrung eines Social-Media-Accounts muss begründet werden - Kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO

OLG München
Urteil v. 20.09.2022
18 U 6314/20 Pre


Das OLG München hat entschieden, dass die Sperrung eines Social-Media-Accounts begründet werden muss. Zudem hat das Gericht entschieden, dass kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO bei rechtswidriger Sperrung besteht.

Leitsätze des Gerichts:
1. Zum grundsätzlich bestehenden vertraglichen Anspruch des Nutzers eines sozialen Netzwerks gegen dessen Anbieter auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Beitragslöschung bei Fehlen einer Bestimmung in den Geschäftsbedingungen, wonach sich der Anbieter verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20 und BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 192/20).

2. Der Antrag des Nutzers auf Unterlassung künftiger Sperren, ohne ihm unverzüglich den Anlass der Sperrung mitzuteilen, ist auf Unterlassung und nicht auf Erteilung einer - nicht selbständig einklagbaren - Information gerichtet (entgegen KG, Urteil vom 14.3.2022 - 10 U 1075/20).

3. Der Nutzer hat grundsätzlich Anspruch auf Unterlassung künftiger Sperren, ohne ihm unverzüglich den Anlass der Sperrung mitzuteilen. Eine weitergehende Begründung im Sinne einer rechtlichen Subsumtion, weshalb es sich um einen Verstoß handeln soll, kann er nicht verlangen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei Verhängung der Sperre wurde zudem ausweislich der Screenshots auf S. 18 der Klage (Bl. 18 d.A.) ein Grund hierfür nicht angegeben.

d) Bei der Verletzung von Vertragspflichten kann sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben (vgl. BGH a.a.O., Rn. 102 m.w.N.). Ein solcher ist auch in der vorliegenden Konstellation, in der die Beklagte bereits einmal ihre Pflichten aus dem - fortbestehenden - Vertragsverhältnis verletzt hat, anzunehmen. Dies gilt ungeachtet der zwischenzeitlichen Löschung des Nutzerkontos (s. hierzu nachfolgend unter Ziff. III 1), nachdem der Kläger seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2020 zufolge die Einrichtung eines neuen Kontos anstrebt.

Dem stehen auch nicht die Erwägungen des Kammergerichts Berlin in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 14.03.2022 (Az. 10 U 1075/20) entgegen. Das Kammergericht weist darin einen gleichlautenden Unterlassungsantrag des (dortigen) Klägers ab und führt zur Begründung aus, dass die vom Bundesgerichtshof angenommenen Informationspflichten der Beklagten gegenüber dem Nutzer nicht selbständig einklagbar seien. Da die Entfernungs- und Sperrvorbehalte in den Geschäftsbedingungen der Beklagten (unter anderem) den Anforderungen an die Informationspflicht nicht genügten, seien die genannten Vorbehalte gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam mit der Folge, dass eine vertragliche Grundlage für Löschungen und Sperrungen fehle. Gegen Löschungen von Beiträgen und Teilsperrungen seines Nutzerkontos könne der Nutzer im Klagewege vorgehen. Nur in diesem Zusammenhang komme den Informationspflichten eine Bedeutung zu. Da die Informationspflichten keinen eigenen Leistungszweck verfolgten, bestehe kein eigener, auf die Erfüllung der unselbständigen Unterlassungspflicht bezogener Unterlassungsanspruch (KG a.a.O.).

Anders als das Kammergericht meint, handelt es sich vorliegend jedoch nicht um einen auf Erteilung einer Information gerichteten Antrag, die nicht selbständig einklagbar wäre und die nicht zum Gegenstand eines Unterlassungsanspruchs gemacht werden könnte. Denn der Kläger begehrt die Unterlassung einer erneuten Sperre, schränkt dies allerdings zulässigerweise in Übereinstimmung mit dem bereits erfolgten Vertragsverstoß dahin ein, dass er sich (nur) gegen eine erneute Sperre ohne Angabe eines Grundes wendet. Er begehrt mithin das Unterlassen der rechtswidrigen Sperre; ein isolierter Anspruch auf Erteilung einer Information wird damit nicht geltend gemacht.

Darüber hinaus sprechen auch prozessökonomische Gründe für die Zulassung des Antrags, da der Kläger andernfalls gezwungen wäre, trotz gleichbleibenden Sachverhalts bei unveränderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten jeweils erneut gegen derartige Sperrungen im Klagewege vorzugehen.

e) In inhaltlicher Hinsicht kann der Kläger von der Beklagten verlangen, es zu unterlassen, ihn (erneut) zu sperren, ohne ihm unverzüglich den Anlass der Sperrung mitzuteilen. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht jedoch nicht.

aa) Hinsichtlich des Umfangs der Mitteilungspflichten kann der Kläger allein die Mitteilung verlangen, welches Verhalten zum Anlass der Sperre genommen wurde, nicht jedoch eine weitergehende Begründung im Sinne einer rechtlichen Subsumtion, weshalb es sich um einen Verstoß handeln soll. Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit dem NetzDG: So soll nach dessen Gesetzesbegründung „die in den Beschwerdesystemen der sozialen Netzwerke übliche Multiple-Choice-Begründungsform“ im Rahmen der in § 3 Abs. 2 Nr. 5 NetzDG normierten Begründungspflicht ausreichen (BT-Drs. 18/12356, S. 23). Wenn die Sperre auf Gründe gestützt wird, die sich nicht auf rechtswidrige Inhalte nach dem NetzDG beziehen, kann insoweit kein strengerer Maßstab gelten.

Gleiches gilt für die vom Kläger geforderte Mitteilung „in speicherbarer Form“, die im NetzDG ebenfalls nicht vorgesehen ist. Es erscheint dem Kläger zumutbar, eine über die Plattform mitgeteilte Begründung ggf. durch einen Screenshot zu sichern.

bb) Die Mitteilung des Anlasses der Sperrung hat außerdem nach nochmaliger Prüfung unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur „unverzüglich“ (anstatt wie beantragt „zugleich“) zu erfolgen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Dem Bundesgerichtshof zufolge ist die erforderliche Anhörung des Nutzers - die neben der einleitenden Information über eine beabsichtigte Kontosperrung und der Mitteilung des Grundes hierfür auch die Möglichkeit des Nutzers zur Gegenäußerung mit einer anschließenden Neubescheidung umfasst - grundsätzlich vor der Sperrung des Kontos durchzuführen und nur in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen kann von einer vorherigen Durchführung abgesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 85 und 87). Die vom Kläger im Streitfall begehrte Mitteilung des Grundes bzw. Anlasses der Sperrung ist danach Teil des vom Bundesgerichtshofs geforderten Anhörungsverfahrens, das zwar regelmäßig, aber nicht ausnahmslos vor der Kontosperrung durchzuführen ist. Um auch die vom Bundesgerichtshof erwähnten Ausnahmefälle angemessen berücksichtigen zu können, erscheint es zu weitgehend, dem Kläger einen Anspruch auf Mitteilung „zugleich“ mit der Sperre - im Sinne von „gleichzeitig“ bzw. „zeitgleich“ - zuzubilligen. Vielmehr kann der Kläger als „Minus“ gegenüber seinem ursprünglichen Antrag nur eine unverzügliche Mitteilung des Anlasses der Sperrung verlangen. Damit wird zudem ein Gleichlauf mit der vom Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Löschung eines Beitrags geforderten unverzüglichen nachträglichen Anhörung (vgl. BGH a.a.O., Rn. 88) sowie mit § 3 Abs. 2 Nr. 5 NetzDG erreicht, der in den unter das NetzDG fallenden Konstellationen ebenfalls eine unverzügliche Information und Begründung verlangt. In der Mehrzahl der Fälle dürfte das Erfordernis einer unverzüglichen Mitteilung allerdings faktisch ohnehin darauf hinauslaufen, dass die Begründung wiederum zugleich mit der Sperre zu erfolgen hat. Denn regelmäßig sollte die Prüfung im Zeitpunkt der Verhängung der Sperre auf Seiten der Beklagten bereits abgeschlossen und die Mitteilung des Grundes der Beklagten möglich und zumutbar sein.

[...]

c) Schließlich scheidet auch ein Anspruch des Klägers auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO aus.

Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen. Die Verarbeitung der Daten der Klägerin durch die Beklagte verstieß aber nicht gegen die DS-GVO; denn sie beruhte auf der vorab erteilten Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen der Beklagten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. a) DS-GVO und auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO.

Im Übrigen gilt auch für diese Anspruchsgrundlage, dass ersatzfähig alle Nachteile sind, die der Geschädigte an seinem Vermögen oder an sonst rechtlich geschützten Gütern erleidet (vgl. Kühling/Buchner/Bergt, DS-GVO, 3. Aufl. 2020, Art. 82 Rn. 19). Ein solch immaterieller Schaden, der hier allenfalls an eine - ggf. auch weniger schwerwiegende - Verletzung des Persönlichkeitsrechts anknüpfen könnte (vgl. hierzu Becker in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 82 DSGVO Rn. 4c; Wybitul, Immaterieller Schadensersatz wegen Datenschutzverstößen, NJW 2019, 3265, 3267), liegt jedoch wie dargelegt nicht vor. Die bloße Sperrung des klägerischen Nutzerkontos begründet einen solchen Schaden nicht


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Frankfurt: Strafzinsen und Verwahrentgelte für Guthaben unzulässig - Klausel in AGB der Commerzbank wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden nach § 307 BGB unwirksam

LG Frankfurt
Urteil vom 18.11.2022
2-25 O 228/21


Auch das LG Frankfurt hat entschieden, dass Strafzinsen und Verwahrentgelte für Guthaben unzulässig sind. Die entsprechende Klausel in den AGB der Commerzbank ist wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden nach § 307 BGB unwirksam.

BGH: AGB-Klausel die Jahresentgelt in der Ansparphase von Bausparverträgen vorsieht ist unwirksam - unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB

BGH
Urteil vom 15.11.2022
XI ZR 551/21

Der BGH hat entschieden, dass eine AGB-Klausel, die ein Jahresentgelt in der Ansparphase von Bausparverträgen vorsieht. unwirksam ist, da eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB vorliegt.

Die Pressemitteilung des BGH:

Unwirksamkeit der Klausel zu einem Jahresentgelt in der Ansparphase von Bausparverträgen

Der u.a. für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bausparkasse enthaltene Klausel, mit der die Bausparkasse von den Bausparern in der Ansparphase der Bausparverträge ein sogenanntes Jahresentgelt erhebt, unwirksam ist.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger, ein eingetragener Verein, nimmt satzungsmäßig Verbraucherinteressen wahr und ist als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen. Die beklagte Bausparkasse verwendet in ihren Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge u.a. die folgende Bestimmung:

"Die Bausparkasse berechnet während der Sparphase jeweils bei Jahresbeginn – bei nicht vollständigen Kalenderjahren anteilig – für jedes Konto des Bausparers ein Jahresentgelt von 12 EUR p.a."

Der Kläger hält die vorbezeichnete Klausel für unwirksam, da sie die Bausparer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Er nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, es zu unterlassen, diese oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern in Bausparverträgen zu verwenden und sich bei der Abwicklung von Bausparverträgen auf die Klausel zu berufen.

Die Vorinstanzen haben der Unterlassungsklage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die angefochtene Klausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegt und dieser nicht standhält. Er hat deshalb die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Entgeltklausel ist Gegenstand der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, weil sie eine Preisnebenabrede darstellt. Das in der Ansparphase eines Bausparvertrags erhobene Jahresentgelt ist weder Gegenleistung für eine vertragliche Hauptleistung noch Entgelt für eine Sonderleistung der Beklagten und damit keine kontrollfreie Preishauptabrede. Die von der Bausparkasse in der Ansparphase geschuldete Hauptleistung besteht einerseits in der Zahlung der Zinsen auf das Bausparguthaben sowie andererseits darin, dem Bausparer nach der Leistung der Bauspareinlagen einen Anspruch auf Gewährung eines niedrig verzinslichen Bauspardarlehens aus der Zuteilungsmasse zu verschaffen. Mit dem Jahresentgelt werden demgegenüber Verwaltungstätigkeiten der Beklagten in der Ansparphase bepreist, die sich mit der bauspartechnischen Verwaltung, Kollektivsteuerung und Führung einer Zuteilungsmasse umschreiben lassen. Hierbei handelt es sich lediglich um notwendige Vorleistungen, nicht aber um eine von der Beklagten in der Ansparphase geschuldete Hauptleistung.

Der danach eröffneten Inhaltskontrolle hält die streitige Klausel nicht stand. Sie ist vielmehr unwirksam, weil die Erhebung des Jahresentgelts in der Ansparphase eines Bausparvertrags mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und die Bausparer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Denn mit dem Jahresentgelt werden Kosten für Verwaltungstätigkeiten auf die Bausparer abgewälzt, welche die Bausparkasse aufgrund einer eigenen gesetzlichen Verpflichtung zu erbringen hat. Die Abweichung der Entgeltklausel von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist auch bei der gebotenen pauschalisierenden Gesamtbetrachtung nicht durch bausparspezifische Individualvorteile der einzelnen Bausparer sachlich gerechtfertigt. Bausparer müssen in der Ansparphase bereits hinnehmen, dass ihre Spareinlagen bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Bausparvertrags nur vergleichsweise niedrig verzinst werden. Außerdem können Bausparkassen bei Abschluss des Bausparvertrags von den Bausparern eine Abschlussgebühr verlangen. Mit dem Jahresentgelt wird auch kein Beitrag zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Bausparwesens geleistet, der geeignet wäre, die mit seiner Erhebung für den einzelnen Bausparer verbundenen Nachteile aufzuwiegen.

Vorinstanzen:

LG Hannover - Urteil vom 29. Januar 2021 - 13 O 19/20

OLG Celle - Urteil vom 17. November 2021 - 3 U 39/21 (WM 2022, 659)

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird,

nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so

einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und § 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.



Volltext BGH liegt vor: Negative eBay-Bewertung mit Zusatz "Versandkosten Wucher!!" kann zulässig sein - keine unzulässige Schmähkritik und von Meinungsfreiheit gedeckt

BGH
Urteil vom 28.09.2022
VIII ZR 319/20
BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Negative eBay-Bewertung mit Zusatz "Versandkosten Wucher!!" kann zulässig sein - keine unzulässige Schmähkritik und von Meinungsfreiheit gedeckt über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
§ 8 Nr. 2 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, wonach die von Nutzern abgegebenen Bewertungen sachlich gehalten sein müssen und Schmähkritik nicht enthalten dürfen, enthält keine vertraglichen Beschränkungen für die Zulässigkeit von Werturteilen in Bewertungskommentaren von Nutzern, die über die deliktsrechtlichen Grenzen wertender Äußerungen hinausgehen.

BGH, Urteil vom 28. September 2022 - VIII ZR 319/20 - LG Weiden in der Oberpfalz - AG Weiden in der Oberpfalz

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Sperren der Auflademöglichkeit einer Elektroauto-Batterie per Fernzugriff unzulässig - AGB-Klausel in Mietbedingungen von Renault unwirksam

BGH
Urteil vom 26.10.2022
XII ZR 89/21


Der BGH hat entschieden, dass das Sperren der Auflademöglichkeit einer Elektroauto-Batterie per Fernzugriff unzulässig ist. Eine entsprechende AGB-Klausel in den Mietbedingungen von Renault ist wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Bundesgerichtshof erklärt Klausel zur Fernabschaltung einer Autobatterie durch den Vermieter für
unwirksam

Der unter anderem für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Zulässigkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Mietvertrags über eine Autobatterie entschieden, die dem Vermieter eine Fernabschaltung der Batterie ermöglicht.

Sachverhalt:

Der Kläger hat als Verbraucherschutzverein gegen die Beklagte, eine französische Bank, die Unterlassung der Verwendung von AGB-Klauseln bei Vermietung von Batterien für Elektrofahrzeuge geltend gemacht. Die Beklagte vermietet Batterien für von ihren Kunden gekaufte oder geleaste Elektrofahrzeuge. Hierfür verwendet sie "Allgemeine Batterie-Mietbedingungen", die ihr als Vermieterin im Fall der außerordentlichen Vertragsbeendigung durch Kündigung nach entsprechender Ankündigung die Sperre der Auflademöglichkeit der Batterie erlauben. Der Kläger macht geltend, die AGB-Klausel sei unwirksam, weil sie eine unangemessene Benachteiligung der Mieter enthalte.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung einer Verwendung der Klausel gegenüber Verbrauchern verurteilt. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Das Sperren der Auflademöglichkeit stelle eine verbotene Eigenmacht gemäß § 858 Abs. 1 BGB dar; ein Eingriff in die unmittelbare Sachherrschaft des Besitzers dürfe aber nur aufgrund eines staatlichen Vollstreckungstitels erfolgen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis bestätigt.

Dabei bedurfte die Annahme des Berufungsgerichts, die Sperrung der Auflademöglichkeit löse Ansprüche der Mieter aus Besitzschutz aus, keiner abschließenden Beurteilung. Zwar stellt ein Fernzugriff auf die vermietete Batterie eine Besitzstörung im Sinne des § 858 BGB dar. Ein Besitzschutz gegen die bloße Besitzstörung wäre aber ausgeschlossen, wenn der Vermieter aufgrund seiner Zugriffsmöglichkeit auf die Batterie deren Mitbesitzer geblieben wäre. Unter Mitbesitzern bestünde nach § 866 BGB ein Besitzschutz nur gegen eine - hier nicht vorliegende - vollständige Entziehung des Besitzes. Die in der Literatur umstrittene Frage, ob in solchen Fällen ein Mitbesitz vorliegt, bedurfte hier aber keiner Entscheidung.

Denn die streitgegenständliche Klausel stellt jedenfalls eine einseitige Vertragsgestaltung dar, mit der die Beklagte missbräuchlich die eigenen Interessen auf Kosten der Mieter durchzusetzen versucht, ohne deren Interessen angemessen zu berücksichtigen. Durch die allein in der Macht des Vermieters liegende Sperrmöglichkeit wird die Last, sich die weitere Nutzung zu sichern, auf den Mieter abgewälzt. Darin liegt jedenfalls dann eine unangemessene Benachteiligung des Mieters als Verbraucher, wenn dieser die Weiterbenutzung seines - gesondert erworbenen, geleasten oder gemieteten - E-Fahrzeugs im Streitfall nur durch gerichtliche Geltendmachung einer weiteren Gebrauchsüberlassung der Batterie erreichen kann. Zwar liegt es grundsätzlich im berechtigten Interesse des Vermieters, dass er nach wirksamer Beendigung des Mietvertrags die weitere Nutzung des Mietobjekts unterbinden kann. Auf der anderen Seite steht aber das Interesse des Mieters, sich die weitere Vertragserfüllung zu sichern. Dieses ist jedenfalls dann als berechtigt anzuerkennen, wenn die Wirksamkeit der Kündigung zwischen den Vertragsparteien streitig ist. Beruft sich etwa der Mieter auf eine Mietminderung oder ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln, so läuft er Gefahr, dass der Vermieter ungeachtet dessen die Kündigung erklärt und das Mietobjekt per Fernzugriff sperrt. Das gewinnt insbesondere dann an Bedeutung, wenn das Mietobjekt und dessen fortgesetzte Nutzung für den Mieter von erheblichem Interesse sind.

Dementsprechend ist die gesetzliche Risikoverteilung beim Mietverhältnis dadurch geprägt, dass der Vermieter aufgrund der Überlassung des Mietobjekts grundsätzlich das Risiko der nach Mietvertragsbeendigung fortgesetzten (Ab-)Nutzung trägt. Dagegen kann er sich durch Vereinbarung einer Mietkaution absichern. Außerdem steht ihm ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546 a BGB zu. Die streitgegenständliche Klausel erlaubt dagegen einen Zugriff auf die Batterie und mittelbar auch auf das E-Fahrzeug, das für den Mieter infolge der Batteriesperrung nutzlos wird. Dadurch, dass die Batterie herstellergebunden und mit dem E-Fahrzeug verknüpft ist, hat der Mieter keine zumutbare Möglichkeit, die gesperrte Batterie durch ein anderes Fabrikat zu ersetzen, um das E-Fahrzeug weiter betreiben zu können. Mit dem E-Fahrzeug wird somit neben der Batterie ein wesentlich höherwertiger Vermögensbestandteil für ihn unbrauchbar bzw. ein Nutzungsrecht daran entwertet. Hinzu kommt, dass das längerfristig angeschaffte bzw. gesondert gemietete oder geleaste E-Fahrzeug vom Mieter nicht selten beruflich genutzt wird und regelmäßig auch für die private Lebensgestaltung von wesentlicher Bedeutung ist.

Wenn unter diesen Umständen bei einem Streit über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung abweichend von der gesetzlichen Risikoverteilung die Klagelast durch allgemeine Geschäftsbedingungen auf den Mieter abgewälzt werden soll, verstößt die entsprechende Klausel gegen § 307 Abs. 1, 2 BGB. Denn der mit der Sperrung einhergehende Ausschluss von der Nutzung der Batterie und folglich auch des E-Fahrzeugs geht mit seinen Wirkungen über die Batterie als Mietobjekt wesentlich hinaus. Eine solche Gestaltung lässt sich auch nicht durch das Interesse der Beklagten an der Sicherung gegen den mit der Abnutzung der Batterie nach Vertragsbeendigung verbundenen Vermögensschaden rechtfertigen.

Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:

§ 858 BGB Verbotene Eigenmacht

Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).



§ 866 BGB Mitbesitz

Besitzen mehrere eine Sache gemeinschaftlich, so findet in ihrem Verhältnis zueinander ein Besitzschutz insoweit nicht statt, als es sich um die Grenzen des den einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt.

§ 546a BGB Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe

(1) Gibt der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurück, so kann der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete oder die Miete verlangen, die für vergleichbare Sachen ortsüblich ist.

(2) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

§ 307 BGB Inhaltskontrolle

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) …

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf - Urteil vom 11. Dezember 2019 - 12 O 63/19

OLG Düsseldorf - Urteil vom 7. Oktober 2021 - 20 U 116/20

OLG Frankfurt: Verzicht des Urhebers auf Benennung als Urheber in AGB von Stockfoto-Portal Fotolia wirksam und keine unangemessene Benachteiligung

OLG Frankfurt
Urteil vom 29.9.2022
11 U 95/21

Das OLG Frankfurt hat entscheiden, dass der Verzicht des Urhebers auf Benennung als Urheber in den AGB des Stockfoto-Portals Fotolia wirksam ist und keine unangemessene Benachteiligung darstellt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Verzicht auf Urheberbenennung in AGBs eines Microstock-Portals ist wirksam

Microstock-Portale für Lichtbilder/Videos sprechen aufgrund geringer Lizenzgebühren und eines geringen Abwicklungsaufwands einen großen Nutzerkreis an. Wegen dieses Geschäftsmodells stellt ein in den Lizenzbedingungen eines Microstock-Portals enthaltener Verzicht der Urheber auf ihr Benennungsrecht keine unangemessene Benachteiligung dar. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche eines Berufsfotografen wegen unterlassener Urheberbenennung zurückgewiesen.

Der Kläger ist Fotograf und zählt zu den erfolgreichsten Bildanbietern weltweit. Er schloss mit dem Betreiber des Portals Fotolia einen so genannten Upload-Vertrag. Damit räumte er dem Portalbetreiber eine Lizenz zur Nutzung der von ihm eingestellten Fotografien ein sowie das Recht, Unterlizenzen an Kunden des Portals zu erteilen. Fotolia war laut Urteil eine der „führenden europäische Microstock Bildagenturen“ mit Millionen Bildern/Videos und Mitgliedern. Die Kunden können eingestellte Lichtbilder zu „äußerst günstigen Lizenzen“ nutzen. Dies führt zu einer hohen Anzahl eingeräumter Lizenzen und einer starken Verbreitung der eingestellten Werke. Der Kläger vermarktet seine Werke ausschließlich über Microstock-Portale.

Die Beklagte ist eine Kundin des Portals. Sie verwendete ein Lichtbild des Klägers auf ihrer Webseite als Hintergrund, ohne ihn als Urheber zu benennen. Der Kläger verlangt von der Beklagten u.a., es zu unterlassen, das Lichtbild ohne Urheberbenennung zu nutzen und wegen der bereits erfolgten Verletzung Schadensersatz an ihn zu zahlen. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

Die hiergegen eingelegte Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger habe wirksam auf das Recht zur Urheberbenennung im Rahmen des Upload-Vertrags mit Fotolia verzichtet, führt das OLG zur Begründung aus. Gemäß der in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen habe „sowohl Fotolia als auch jedes herunterladende Mitglied, welches ein Werk über Fotolia bezieht, das Recht aber nicht die Verpflichtung (...), das hochladende Mitglied als Quelle seiner Werke kenntlich zu machen“. Diese Formulierung und insbesondere der Begriff „Quelle“ seien bei verständiger Würdigung dahin auszulegen, dass der Urheber damit auf sein Urheberbenennungsrecht verzichte.

Dieser Verzicht sei auch wirksam vereinbart worden. Er verstoße nicht gegen das Transparenz- und Verständlichkeitsgebot. Der Verzicht werde ausdrücklich und klar erklärt. Die Klausel führte auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Urheber. Ein Urheber entscheide sich willentlich für die Nutzung von Microstock-Portalen. Damit vermeide er eigenen zeitlichen und finanziellen Vermarktungsaufwand. Die fehlende Verpflichtung zur Urheberbenennung habe für die Attraktivität des Angebots von Fotolia für die Kunden und damit für die große Verbreitung erhebliche Bedeutung. Dies räume auch der Kläger ein. „Der Verzicht auf die Pflicht zur Urheberbenennung ermöglicht mithin (auch) die große Reichweite des Microstock-Portals und die große Anzahl von Unterlizenzen, was dem Urheber zugutekommt und so die geringe Lizenzgebühr für die Unterlizenzen kompensiert“, vertieft das OLG.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen der klärungsbedürftigen Frage, ob ein Urheber in AGBs für jede Verwendungsart gegenüber einem Microstock-Portal wirksam auf sein Urheberbenennungsrechts verzichten kann, die Revision zum BGH zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.9.2022, Az. 11 U 95/21
(vorausgehend Landgericht Kassel, Urteil vom 5.7.2021, Az. 10 O 2109/20)



LG Berlin: Preisanpassungsklauseln des Musikstreaminganbieters Spotifiy unwirksam da nur steigende Kosten und nicht sinkende Kosten an Kunden weitergegeben werden

LG Berlin
Urteil vom 28.06.2022
52 O 296/21

Das LG Berlin hat entschieden, dass die Preisanpassungsklauseln des Musikstreaminganbieters Spotifiy nach § 307 BGB unwirksam sind, da nur steigende Kosten und nicht sinkende Kosten an Kunden weitergegeben werden. Dies stellt - so das Gericht - auch bei Kündigungsmöglichkeit eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Düsseldorf: Stromanbieter und Gasanbieter mit Preisgarantie-Tarif dürfen Preise nicht wegen hoher Energiebeschaffungskosten erhöhen

LG Düsseldorf
Beschluss vom 26.08.2022
12 O 247/22


Das LG Düsseldorf hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass Stromanbieter und Gasanbieter mit Preisgarantie-Tarifen, Preise nicht wegen hoher Energiebeschaffungskosten erhöhen dürfen.

Aus dem Tenor der Entscheidung:
Der Antragsgegnerin wird untersagt,
1. im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit Strom- und Gaslieferverträgen außerhalb der Grundversorgung, in denen für eine bestimmte Dauer eine Preisfixierung (Festpreis) für die Strom- und Gaslieferung vereinbart wurde, die – wie in den in Anlage AS 4 abgebildeten AGB unter Punkt 7.1 bzw. 7.3 und 6.1 für Stromtarife und/oder Punkt 7.2 und 6.1 für Gastarife geregelt – auch die Kosten für Energiebeschaffung umfasst,

a. während des vereinbarten Zeitraums der Preisfixierung einseitig eine Erhöhung des Strom- und/oder Gaspreises mitzuteilen, wenn die angekündigte Strom- und/oder Gaspreisänderung die Kosten für Energiebeschaffung umfasst, wenn dies geschieht wie mit dem in Anlage AS 5 abgebildeten Schreiben vom 29.07.2022,

und/oder

b. Verbrauchern, denen eine Mitteilung mit gleichem Inhalt übermittelt wurde wie im Antrag zu I.1.a. angeführt, für die Belieferung mit Strom und/oder Gas während der vereinbarten Laufzeit der Preisfixierung Preise in Rechnung zu stellen und/oder Entgelte einzuziehen, die über die vor Erhalt der Mitteilung geltenden Preise hinausgehen;

und/oder

2. ab dem 01.09.2022 folgende und diesen inhaltsgleichen Klauseln in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse über die Belieferung mit Strom und/oder Gas zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

a. "[3.1.] Für den Fall, dass dem Kunden eine Preisfixierung (eingeschränkte Preisgarantie) gewährt wurde, gilt die Laufzeit der Preisfixierung auf unbestimmte Zeit. Die Preisfixierung kann
beidseitig mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden."

b. "[3.2] Der Preis für eine Preisfixierung (eingeschränkte Preisgarantie) wird durch den Lieferanten nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB bestimmt. Für den Fall, dass dem Kunden eine Preisfixierung gewährt wurde, ist der Lieferant berechtigt, den Preis für die Preisfixierung durch einseitige Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gern. § 315 BGB anzupassen (Erhöhungen oder Senkungen). Anlass für eine Preisanpassung ist ausschließlich eine Änderung der Kosten für Energiebeschaffung oder Vertrieb, des an den Netzbetreiber anzuführenden Netzentgelts oder der operativen Kosten des Lieferanten."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG München: Wettbewerbswidrige Irrführung durch Weiterverkauf von Tischreservierungen auf dem Oktoberfest wenn AGB des Festzeltbetreibers gewerbliche Weiterveräußerung verbietet

OLG München
Urteil vom 07.07.2022
6 U 7831/21


Das OLG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irrführung vorliegt, wenn eine Eventagentur Tischreservierungen auf dem Oktoberfest weiterverkauft, wenn laut AGB des Festzeltbetreibers eine gewerbliche Weiterveräußerung bzw. die gewerbliche Abtretung der Tischreservierung untersagt ist. Insofern erhält der Käufer dann keine wirksame Reservierung, wenn er diese von der Eventagentur kauft.