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EuGH: Bei grenzüberschreitender Programmverbreitung gilt Grundsatz des Sendestaats auch für Satellitenbouquet-Anbieter

EuGH
Urteil vom 25.05.2023
C-290/21
Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger regGenmbH (AKM)
gegen Canal+ Luxembourg Sàrl,
Beteiligte: Tele 5 TM-TV GmbH, Österreichische Rundfunksender GmbH & Co KG, Seven.One Entertainment Group GmbH, ProSiebenSat.1 PULS 4 GmbH


Der EuGH hat entschieden, dass bei grenzüberschreitender Programmverbreitung der Grundsatz des Sendestaats auch für Satellitenbouquet-Anbieter gilt.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Grenzüberschreitende Programmverbreitung über Satelliten: Der Grundsatz des Sendestaats gilt auch für Satellitenbouquet-Anbieter

Ein Satellitenbouquet-Anbieter, der verpflichtet ist, für eine Handlung in Form der öffentlichen Wiedergabe, an der er mitwirkt, die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte und verwandten Schutzrechte einzuholen, muss diese Zustimmung folglich nur in dem Mitgliedstaat einholen, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden.

Bei der Klägerin des Ausgangsverfahrens, der Staatlich genehmigten Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger regGenmbH (AKM), handelt es sich um eine österreichische Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte. Sie verfügt für Werke der Tonkunst über eine Betriebsgenehmigung mit der Befugnis zur treuhändigen Wahrnehmung von Senderechten im österreichischen Hoheitsgebiet. Bei der Gesellschaft Canal+ Luxembourg Sàrl (im Folgenden: Canal+) handelt es sich um einen in Luxemburg ansässigen Fernsehbetreiber, der in Österreich Pakete verschlüsselter Programme (Satellitenbouquets) mehrerer in anderen Mitgliedstaaten ansässiger Sendeunternehmen über Satellit in hoher Auflösung (High Definition) und in Standardauflösung (Standard Definition) anbietet.

Die Eingabe der jeweiligen programmtragenden Satellitensignale in die Kommunikationskette (Uplink) erfolgt zum überwiegenden Teil durch die Sendeunternehmen selbst, in wenigen Fällen durch Canal+, in den anderen Mitgliedstaaten. Versendet wird ein Sendestream, in dem das gesamte Programm in High-Definition-Qualität mit zusätzlichen Informationen wie Audiodaten oder Untertiteldaten enthalten ist. Nach „Rücksendung“ durch den Satelliten wird der Stream mittels Satelliten-Empfangsanlage innerhalb des Sendegebiets empfangen. Dabei wird der Stream geteilt, und die einzelnen Programme werden über ein Endgerät und einen Decoder dem Nutzer zugänglich. Die von Canal+ angebotenen Satellitenbouquets beinhalten kostenpflichtige und kostenlose Fernsehprogramme. Letztere sind im Gegensatz zu den kostenpflichtigen nicht kodiert und im österreichischen Hoheitsgebiet für jedermann in Standard-Definition-Qualität zu empfangen.

Da AKM die Ansicht vertrat, dass Canal+ die von ihr wahrgenommenen Rechte verletze, erhob sie bei den österreichischen Gerichten Klage, die im Wesentlichen auf Unterlassung der Verbreitung der Satellitensignale in Österreich durch Canal+ sowie auf Zahlung einer Entschädigung gerichtet war; sie machte geltend, in den Mitgliedstaaten, in denen die Handlung in Form der Sendung oder öffentlichen Wiedergabe über Satellit stattfinde, sei für diese Nutzung keine Bewilligung eingeholt worden, und sie habe dieser Verbreitung in Österreich nicht zugestimmt. Der mit einer Revision gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Wien (Österreich), das u. a. die Ansicht vertrat, die in Rede stehenden Satellitenbouquets erreichten ein neues Publikum, d. h. ein Publikum, das sich von dem der frei zugänglichen Übertragungen der Sendeunternehmen unterscheide, befasste Oberste Gerichtshof (Österreich) beschloss, dem Gerichtshof eine Frage zur Auslegung der Richtlinie 93/831, insbesondere ihres Art. 1 Abs. 2 Buchst. b, zur Vorabentscheidung vorzulegen. Gemäß dieser Bestimmung findet die öffentliche Wiedergabe über Satellit nur in dem Mitgliedstaat statt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt.

Würdigung durch den Gerichtshof

Der Gerichtshof erkennt für Recht, dass ein Satellitenbouquet-Anbieter, der verpflichtet ist, für eine Handlung in Form der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, an der er mitwirkt, die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte und verwandten Schutzrechte einzuholen, diese Zustimmung – entsprechend der dem betreffenden Sendeunternehmen erteilten Zustimmung – nur in dem Mitgliedstaat einholen muss, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden.

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass die Anwendung der in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/83 aufgestellten Regel voraussetzt, dass es sich um eine „öffentliche Wiedergabe über Satellit“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und c dieser Richtlinie, die kumulative Voraussetzungen hierfür enthalten, handelt. Demnach handelt es sich bei einer Übertragung um eine einzige „öffentliche Wiedergabe über Satellit“, wenn sie durch eine „Eingabe“ programmtragender Signale ausgelöst wird, die „unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung“ durchgeführt wird, wenn die Signale „in eine ununterbrochene Kommunikationskette, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt“, eingegeben werden, wenn die Signale „für den öffentlichen Empfang bestimmt“ sind und wenn, falls die Signale codiert sind, die Mittel zu ihrer Decodierung „durch das Sendeunternehmen selbst oder mit seiner Zustimmung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht“ werden.

Sodann stellt sowohl eine indirekte als auch eine direkte Übertragung von Fernsehprogrammen, die alle diese kumulativen Voraussetzungen erfüllt, eine einzige öffentliche Wiedergabe über Satellit dar und ist damit unteilbar. Die Unteilbarkeit einer solchen Wiedergabe bedeutet jedoch nicht, dass der Bouquet-Anbieter bei ihr ohne die Erlaubnis des Inhabers der betreffenden Rechte tätig werden darf.

Schließlich benötigt eine solche Erlaubnis u. a. jede Person, die eine solche Wiedergabe auslöst oder die während einer solchen Wiedergabe in der Weise tätig wird, dass sie die geschützten Werke mittels der betreffenden Wiedergabe einem neuen Publikum zugänglich macht, d. h. einem Publikum, an das die Urheber der geschützten Werke nicht gedacht haben, als sie einer anderen Person eine Erlaubnis erteilten. Eine öffentliche Wiedergabe über Satellit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende wird durch das Sendeunternehmen ausgelöst, unter dessen Kontrolle und auf dessen Verantwortung die programmtragenden Signale in die Kommunikationskette, die zum Satelliten führt, eingegeben werden. Zudem macht dieses Sendeunternehmen dadurch die geschützten Werke in aller Regel einem neuen Publikum zugänglich. Folglich benötigt das betreffende Sendeunternehmen die in Art. 2 der Richtlinie 93/83 vorgesehene Erlaubnis.

Der Gerichtshof stellt des Weiteren fest, dass das Sendeunternehmen, da eine solche öffentliche Wiedergabe über Satellit als nur in dem Mitgliedstaat vorgenommen gilt, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden, die Erlaubnis nur in diesem Mitgliedstaat einholen muss. Bei der Festlegung der angemessenen Vergütung der Rechteinhaber für eine solche Wiedergabe ihrer Werke muss jedoch allen Aspekten der Sendung, wie ihrer tatsächlichen und potenziellen Einschaltquote, Rechnung getragen werden. Wird die tatsächliche oder potenzielle Einschaltquote teilweise in anderen Mitgliedstaaten als dem erzielt, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden, ist es daher gegebenenfalls Sache der verschiedenen betroffenen Verwertungsgesellschaften, geeignete Lösungen zu finden, um eine angemessene Vergütung der Rechteinhaber zu gewährleisten.

Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Akteure im Rahmen einer öffentlichen Wiedergabe über Satellit dergestalt tätig werden, dass sie die geschützten Werke oder Gegenstände einem größeren Publikum zugänglich machen als dem Zielpublikum des betreffenden Sendeunternehmens. In einem solchen Fall ist die Tätigkeit der betreffenden Akteure von der dem Sendeunternehmen erteilten Erlaubnis nicht gedeckt. Dies kann u. a. dann der Fall sein, wenn ein Akteur den Kreis derjenigen, die Zugang zu der betreffenden Wiedergabe haben, erweitert und dadurch die geschützten Werke oder Gegenstände einem neuen Publikum zugänglich macht.

Im Übrigen stellt der Gerichtshof fest, dass nach den Erwägungsgründen 5, 14 und 15 der Richtlinie 93/83 mit deren Art. 1 Abs. 2 Buchst. b sichergestellt werden soll, dass jede „öffentliche Wiedergabe über Satellit“ ausschließlich dem Urheberrecht und dem Leistungsschutzrecht des Mitgliedstaats unterliegt, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden. Daher liefe es diesem Ziel zuwider, wenn ein Satellitenbouquet-Anbieter die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte und verwandten Schutzrechte auch in anderen Mitgliedstaaten einholen müsste.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Bei Vertrag zwischen einem in Deutschland ansässigen Fotografen und einer französischen Gesellschaft über Fertigung von Lichtbildern in Frankreich gilt ohne andere Vereinbarung französisches

BGH
Urteil vom 24.09.2014
I ZR 35/11
Hi Hotel II
UrhG § 31 Abs. 5; EGBGB Art. 28 Abs. 5, Art. 34; ROM-I-VO Art. 9 Abs. 2

Leitsatz des BGH:


a) Ein Vertrag zwischen einem in Deutschland ansässigen Fotografen und einer Gesellschaft mit Sitz in Frankreich über die Fertigung von Lichtbildern eines in Frankreich belegenen Hotels weist grundsätzlich die engeren Verbindungen im Sinne von Art. 28 Abs. 5 EGBGB zu Frankreich auf.

b) § 31 Abs. 5 UrhG zählt nicht zu den im Sinne von Art. 34 EGBGB zwingenden Bestimmungen, die einen Sachverhalt mit Auslandsberührung ohne Rücksicht auf das jeweilige Vertragsstatut regeln.

BGH, Urteil vom 24. September 2014 - I ZR 35/11 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet

BGH
Beschluss vom 10. November 2009
VI ZR 217/08
EG Art. 234; Brüssel I-VO Art. 5 Nr. 3; e-commerce-Richtlinie Art. 3 Abs. 1 und 2, TMG § 3 Abs. 1 und 2

Der BGH musste sich in diesem Fall mit der internationelen Zuständigkeit und der Frage nach dem anwendbaren Recht bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet befassen, wenn der Anbieter der streitgegenständlilchen Internetseite seinen Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der EU hat. Der BGH hat diese Rechtsfragen dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.

Die Leitsätze des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 234 EGV zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis einzutreten droht" in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: EuGVVO) bei (drohenden) Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Inhalte auf einer Internet-Website dahingehend auszulegen, dass der Betroffene eine Unterlassungsklage gegen den Betreiber der Website unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat der Betreiber niedergelassen ist, auch bei den Gerichten jedes Mitgliedstaats erheben kann, in dem die Website abgerufen werden kann,
oder
setzt die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem der Betreiber der Website nicht niedergelassen ist, voraus, dass ein über die technisch mögliche Abrufbarkeit hinausgehender besonderer Bezug der angegriffenen Inhalte oder der Website zum Gerichtsstaat (Inlandsbezug) besteht?

2. Wenn ein solcher besonderer Inlandsbezug erforderlich ist:
Nach welchen Kriterien bestimmt sich dieser Bezug?
Kommt es darauf an, ob sich die angegriffene Website gemäß der Bestimmung des Betreibers zielgerichtet (auch) an die Internetnutzer im Gerichtsstaat richtet oder genügt es, dass die auf der Website abrufbaren Informationen objektiv einen Bezug zum Gerichtsstaat in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts und Interesse des Betreibers an der Gestaltung seiner Website und an der Berichterstattung - nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Website, im Gerichtsstaat tat-sächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann?
Kommt es für die Feststellung des besonderen Inlandsbezugs maßgeblich auf die Anzahl der Abrufe der beanstandeten Website vom Gerichtsstaat aus an?

3. Wenn es für die Bejahung der Zuständigkeit keines besonderen Inlandsbezugs bedarf oder wenn es für die Annahme eines solchen genügt, dass die beanstandeten Informationen objektiv einen Bezug zum Gerichtsstaat in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen im Gerichtsstaat nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Website, tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann, und die Annahme eines besonderen Inlandsbezugs nicht die Feststellung einer Mindestanzahl von Abrufen der beanstandeten Website vom Gerichtsstaat aus voraussetzt:
Ist Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (nachfolgend: e-commerce-Richtlinie) dahingehend auszulegen,
dass diesen Bestimmungen ein kollisionsrechtlicher Charakter in dem Sinne beizumessen ist, dass sie auch für den Bereich des Zivilrechts unter Verdrängung der nationalen Kollisionsnormen die alleinige Anwendung des im Herkunftsland geltenden Rechts anordnen,
oder
handelt es sich bei diesen Vorschriften um ein Korrektiv auf materiell-rechtlicher Ebene, durch das das sachlich-rechtliche Ergebnis des nach den nationalen Kollisionsnormen für anwendbar erklärten Rechts inhaltlich modifiziert und auf die Anforderungen des Herkunftslandes reduziert wird?
Für den Fall, dass Art. 3 Abs. 1 und 2 e-commerce-Richtlinie kollisionsrechtlichen Charakter hat:
Ordnen die genannten Bestimmungen lediglich die alleinige Anwendung des im Herkunftsland geltenden Sachrechts oder auch die Anwendung der dort geltenden Kollisionsnormen an mit der Folge, dass ein renvoi des Rechts des Herkunftslands auf das Recht des Bestimmungslands möglich bleibt?




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