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OLG Karlsruhe: Kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten wenn entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG in der Abmahnung die Berechnung der Abmahnkosten fehlt

OLG Karlsruhe
Urteil vom 10.01.2024
6 U 28/23


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten besteht, wenn entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG in der Abmahnung die Berechnung der Abmahnkosten fehlt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Auf die Berufung ist hingegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung zu beseitigen und die Klage insoweit abzuweisen. Denn der vom Landgericht zugesprochene Anspruch auf Erstattung von Kosten ist unbegründet.

Es fehlt an den Voraussetzungen, von denen ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 UWG mit Blick auf Anforderungen an die ihm zugrunde gelegte Abmahnung abhängt. Insoweit können die Anspruchsvoraussetzungen im Streitfall auch nicht durch Zubilligung eines Anspruchs nach der vom Kläger ergänzend angeführten Vorschrift in § 9 UWG oder nach §§ 670, 677, 683 Satz 1 BGB unterlaufen werden (vgl. BT-Drucks. 19/12084, S. 32; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 13 Rn. 47), zumal ein ersatzfähiger Schaden oder eine ersatzfähige Aufwendung nur den Kosten solcher Maßnahmen liegen könnten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren (siehe BGH, GRUR 2011, 754 Rn. 15 ff - Kosten des Patentanwalts II), was auf eine die gesetzlichen Anforderungen verfehlende Abmahnung nicht zutrifft.

a) Nach § 13 Abs. 3 UWG kann der Abmahnende vom Abgemahnten Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nicht schon dann verlangen, wenn und soweit die Abmahnung berechtigt ist; Voraussetzung des Ersatzanspruchs ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zudem, dass die Abmahnung den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG entspricht (Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 13 Rn. 99; MünchKommUWG/Schlingloff, 3. Aufl., UWG § 13 Rn. 241; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 13 Rn. 47).


b) Entgegen der Ansicht der Beklagten verfehlt die Abmahnung allerdings nicht die Anforderungen an die Angaben zu Name oder Firma des Abmahnenden nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Ob dazu auch im Allgemeinen die Angabe der Anschrift des Abmahnenden gehört, kann dahinstehen. Sie war jedenfalls im Streitfall zur Angabe des Namens oder der Firma des Abmahnenden nicht erforderlich, der aus Sicht der früher bei diesem beschäftigten Beklagten zweifelsfrei identifiziert war. Abgesehen davon, dass der Beklagten aus dem früheren beruflichen Verhältnis zum Kläger zudem dessen Anschrift des Klägers bekannt gewesen sein musste, war dieser auf die Abmahnung hin über dessen in der Abmahnung mit Anschrift genannten Bevollmächtigten erreichbar.

c) Die Abmahnung war auch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht unzureichend, soweit nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG anzugeben sind. Diese ergaben sich ohnehin für jedermann klar und verständlich aus der Information im Abmahnschreiben, der Abmahnende sei Inhaber des Friseurbetriebs […] in […], wo er die typischen Dienstleistungen des Friseurhandwerks anbiete. Erst recht waren weitere Angaben nicht gegenüber der Beklagten erforderlich, der die geschäftliche handwerkliche Tätigkeit des Klägers aus ihrer früheren Beschäftigung zudem näher bekannt war.

d) Die Abmahnung ist auch nicht mit Blick auf die Anforderungen an die Bezeichnung der Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG) und die im Abmahnschreiben des Klägers erhobene Unterlassungsforderung ungeeignet, einen Anspruch auf Kostenerstattung zu begründen.

Erforderlich ist (nur), den Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, genau anzugeben und den darin erblickten Verstoß so klar und eindeutig zu bezeichnen, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann (vgl. BGH, GRUR 2021, 752 Rn. 26 mwN - Berechtigte Gegenabmahnung). Der Abmahnende muss daher (nur) die begangene Verletzungshandlung in tatsächlicher Hinsicht so detailliert schildern, dass dem Abgemahnten deutlich wird, was der Abmahnende konkret beanstandet und was der Abgemahnte abstellen oder künftig unterlassen soll (BGH, GRUR 2021, 752 Rn. 26 mwN - Berechtigte Gegenabmahnung). Dem genügen die Darlegungen des Abmahnschreibens dazu, welches Verhalten beanstandet wurde. Dazu wies die Abmahnung im Übrigen im Kern rechtlich zutreffend auf die „marktverhaltensregelnden Normen“ zur Ausübung des Friseurhandwerks im stehenden Gewerbe und die Kriterien zur Abgrenzung vom Reisegewerbe hin, beanstandete (als die abgemahnte Handlung), dass die Beklagte im Internet herausstelle, dass sich Interessierte unter Zuhilfenahme der vorgegebenen Angaben an sie wenden sollten, um sie mit der Leistungserbringung zu beauftragen, und verlangte, dass die Beklagte sich stattdessen vielmehr werbemäßig an die Vorgaben des Reisegewerbes halten müsse. Dass die Abmahnung das beanstandete Verhalten rechtlich unzutreffend als Irreführung im Sinn von § 5 UWG durch Umgehung der Berufsausübungsregeln des Reisegewerbes einordnete, kennzeichnete die geltend gemachte Verletzungshandlung nicht und steht der Erfüllung der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abmahnung nicht entgegen.

Die Abmahnung war dabei auch nicht etwa deshalb (teilweise) unberechtigt, weil die darin für die Beklagte vorformulierte Unterlassungserklärung zu weit gefasst war. Eine Abmahnung ist zwar nur berechtigt, wenn sie dem Schuldner den Weg weist, wie er sich zu verhalten hat, damit ein Prozess vermieden wird. Dementsprechend muss die Abmahnung die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung enthalten. Es ist aber unschädlich, wenn der Gläubiger mit der von ihm vorgeschlagenen Unterwerfungserklärung mehr fordert, als ihm zusteht; denn es ist Sache des Schuldners, aufgrund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche Erklärung abzugeben (BGH, GRUR 2019, 82 Rn. 35 mwN - Jogginghosen). Da die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung eher sprachlich missglückt scheint, als dass sie offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausginge, ist auch kein Ausschluss von Ansprüchen wegen Rechtsmittbrauchs nach § 8c Abs. 1, 2 Nr. 5, Abs. 5 UWG zu erkennen.

d) Zu den Inhalten der Abmahnung, die für einen Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 UWG erforderlich sind, gehört aber nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch, dass in der Abmahnung klar und verständlich angegeben wird, ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

aa) Die Abmahnung gibt zwar – entgegen der Rüge der Berufung – eine Höhe des geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruchs und deren Einforderung an.

bb) Sie genügt aber nicht der Anforderung, diese Angabe klar und verständlich zu machen und dabei anzugeben, wie sich der Aufwendungsersatzanspruch berechnet. Die Abmahnung gibt nur an, die zu erstattenden Kosten machten aufgrund eines Streitwerts von 10.000 € einen Betrag von 1.192,86 € aus. Sie gibt weder an, welche Art von Gebühr(en) und welcher Gebührensatz der Berechnung zugrunde liegen, noch ob in dem geforderten Betrag Umsatzsteuer enthalten ist.

Dabei kann dahinstehen, ob eine Angabe des geforderten Betrags in Verbindung mit einer Angabe des Gegenstandswerts genügt, wenn der Abgemahnte aus diesen Angaben durch eigene Rück- oder Proberechnung erschließen kann, dass eine der Kostenforderung eine – regelmäßig angesetzte – 1,3-fachen Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV-RVG bei nebst Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20 % der Gebühren, höchstens 20 € zugrundeliegt, wobei sich aus dem angegeben Kostenbetrag ferner erschließen lässt, ob diese mit oder ohne Umsatzsteuer erstattet verlangt wird (siehe aber etwa MünchKommUWG/Schlingloff, 3. Aufl., UWG § 13 Rn. 255). Dies ist im Streitfall nämlich ebenso wenig möglich wie sonstige Berechnungen zur Feststellung, welche Parameter zu dem in der Abmahnung genannten Kostenbetrag führen konnten. Bei dem angegebenen Streitwert von 10.000 € würden sich Gebühren in Höhe einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr und einer Pauschale von 20 € selbst zuzüglich Umsatzsteuer lediglich auf 973,66 € belaufen. Es ist der Abmahnung nicht zu entnehmen, welche anderen (höheren) Ansätze eines Streitwerts und/oder Gebührensatzes mit oder ohne Umsatzsteuer zu dem von der Abmahnung genannten Betrag geführt haben könnten.

cc) Ob der Kläger seine – nun abweichend bezifferte – Klageforderung mit der darauf gerichteten Klageerweiterung vom 17. August 2022 (AS I 18) hinreichend erläutert hat, kann dahinstehen. § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG verlangt ausreichenden Angaben gerade in der Abmahnung. Eine nachvollziehbare Kostenberechnung in einer späteren Klagebegründung genügt zumindest nach den Umständen des Streitfalls nicht, um einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Abmahnung (nachträglich) zu begründen.

Es kann offenbleiben, ob eine Heilung formaler Verstöße gegen § 13 Abs. 2 UWG ausnahmsweise möglich ist und dann auch zur Wahrung des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 13 Abs. 3 UWG führt, solange dem Abgemahnten noch keine Aufwendungen für die Rechtsberatung oder -verteidigung entstanden sind (so Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 13 Rn. 59 unter Hinweis auf BT-Drucks. 19/12084 S. 33; siehe auch Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 13 Rn. 93a). Eine Heilung dadurch, dass die in § 13 Abs. 2 UWG aufgezählten Informationen vom Abmahnenden nachgereicht werden, wurde in der Begründung des Gesetzesentwurfs ohnehin nur im Hinblick auf die Grundlage für einen Gegenanspruch des Abgemahnten in Betracht gezogen und dort jedenfalls nicht für möglich gehalten, wenn die Informationen erst in einem Gerichtsverfahren nachgereicht werden (BT-Drucks. 19/12084 S. 33).

Im Übrigen hat der Kläger auch mit der Klageerweiterung keine Informationen dazu gegeben, die den im Abmahnschreiben geforderten Betrag nachvollziehen ließen, und zudem nicht angegeben, ob er die (außergerichtliche) Forderung in der im Abmahnschreiben angegebenen Höhe aufrechterhält. Letzteres scheint insbesondere deshalb unklar, weil der Kläger sich bei der Klageerweiterung ausdrücklich insbesondere die Geltendmachung weitergehender Schadensersatzansprüche vorbehalten hat. Daher lässt sich eine Heilung auch nicht damit rechtfertigen, dass die Beklagte außergerichtlich und bis zur (erst nach der Klageerweiterung) erfolgten Verteidigungsanzeige möglicherweise noch keinen Rechtsanwalt beauftragt haben mag und eine Kostenfolge womöglich durch sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO hätte vermeiden können. Im Übrigen wären ihr auch für ein Anerkenntnis im vorliegenden Anwaltsprozess vor dem Landgericht Rechtsverteidigungskosten entstanden und hätten darauf beruht, dass der Kläger seine Forderung erst im Prozess nachvollziehbar dargelegt hat. Die Beklagte hätte allenfalls einen Erstattungsanspruch gegen den Kläger gehabt und somit dessen Insolvenzrisiko getragen. Schon deshalb ist die Annahme einer allenfalls in engen Grenzen möglichen Heilung des Verstoßes der Abmahnung gegen § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht gerechtfertigt. Denn der Grund dafür, dass nach § 13 Abs. 3 UWG schon bloße formale Verstöße gegen § 13 Abs. 2 UWG zum Nachteil des Abgemahnten führen sollen, liegt darin, den Abmahnenden dazu anzuhalten, die Abmahnung formal sorgfältig zu gestalten, um nicht durch fehlende Angaben (vermeidbare) Kosten bei dem Abgemahnten zu verursachen (vgl. BT-Drucks. 19/12084, S. 33). Eine unzureichende Angabe des Kostenerstattungsanspruchs ist geeignet, den Abgemahnten von der außergerichtlichen Erfüllung abzuhalten und dazu zu veranlassen, das damit einhergehende Risiko einer mit Kostenaufwand verbundenen gerichtlichen Inanspruchnahme einzugehen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Fehlerhafte LKW-Maut-Berechnung durch Bundesrepublik Deutschland - Kosten der Verkehrspolizei dürfen nicht Berechnung mit einfließen

EuGH
Urteil vom 28.10.2020
C-321/19
BY und CZ / Bundesrepublik Deutschland


Der EuGH hat entschieden, dass die LKW-Maut durch die Bundesrepublik Deutschland fehlerhaft berechnet wurde, da die Kosten der Verkehrspolizei keine Infrastrukturkosten sind und somit nicht in die Berechnung mit einfließen dürfen.

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 7 Abs. 9 der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge in der durch die Richtlinie 2006/38/EG des Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Kosten der Verkehrspolizei nicht unter den Begriff der „Kosten für [den] Betrieb“ im Sinne dieser Bestimmung fallen.

2. Art. 7 Abs. 9 der Richtlinie 1999/62 in der durch die Richtlinie 2006/38 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass die gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren die Infrastrukturkosten des betreffenden Verkehrswegenetzes wegen nicht unerheblicher Berechnungsfehler oder wegen der Berücksichtigung von Kosten, die nicht unter den Begriff der „Infrastrukturkosten“ im Sinne dieser Bestimmung fallen, um 3,8 % bzw. 6 % übersteigen.

3. Der Einzelne kann sich vor den nationalen Gerichten gegenüber einem Mitgliedstaat unmittelbar auf die Verpflichtung aus Art. 7 Abs. 9 und Art. 7a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 1999/62 in der durch die Richtlinie 2006/38 geänderten Fassung, ausschließlich die Infrastrukturkosten im Sinne von Art. 7 Abs. 9 zu berücksichtigen, berufen, wenn der Mitgliedstaat dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist oder sie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.

4. Die Richtlinie 1999/62 in der durch die Richtlinie 2006/38 geänderten Fassung ist im Hinblick auf Rn. 138 des Urteils vom 26. September 2000, Kommission/Österreich (C‑205/98, EU:C:2000:493), dahin auszulegen, dass sie dem entgegensteht, dass ein überhöhter Mautgebührensatz durch eine im gerichtlichen Verfahren eingereichte Neuberechnung der Infrastrukturkosten nachträglich gerechtfertigt wird.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Die Kosten der Verkehrspolizei dürfen bei der Berechnung der Mautgebühren für die Benutzung des transeuropäischen Straßennetzes durch schwere Nutzfahrzeuge nicht berücksichtigt werden

Sie gehören nicht zu den Infrastrukturkosten, die bei der Berechnung der Mautgebühren zugrunde zu legen sind.

BY und CZ betrieben eine Gesellschaft polnischen Rechts, die im Güterkraftverkehr tätig war, u. a. in Deutschland. Für die Benutzung deutscher Bundesautobahnen zahlten sie für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 Mautgebühren in Höhe von insgesamt 12 420,53 Euro. Sie erhoben in Deutschland Klage auf Rückzahlung der Mautgebühren. Sie machen geltend, dass die Methode, nach der die von ihnen entrichteten Mautgebühren berechnet worden seien, unionsrechtswidrig sei. Sie habe zu einer überhöhten finanziellen Verpflichtung geführt.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Deutschland), das als Berufungsgericht über den Rechtsstreit zu entscheiden hat, möchte vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob es gegen die Richtlinie über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge verstößt, dass bei der Berechnung der in Rede stehenden Mautgebühren die Kosten der Verkehrspolizei berücksichtigt wurden.

Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten, die auf dem transeuropäischen Straßennetz Mautgebühren einführen oder beibehalten, die genaue und unbedingte Verpflichtung auferlegt, bei der Festsetzung der Mautgebühren ausschließlich die „Infrastrukturkosten“, d. h. die Baukosten und die Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes, zu berücksichtigen.

Folglich kann sich der Einzelne vor den nationalen Gerichten gegenüber einem Mitgliedstaat unmittelbar auf diese Verpflichtung berufen, wenn der Mitgliedstaat dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist oder sie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.

Zu der Frage, ob die Kosten der Verkehrspolizei unter den Begriff der Kosten für den Betrieb fallen und als solche in die Berechnung der Mautgebühren einfließen können, stellt der Gerichtshof sodann fest, dass mit diesem Begriff die Kosten gemeint sind, die durch den Betrieb der betreffenden Infrastruktur entstehen. Polizeiliche Tätigkeiten fallen aber in die Verantwortung des Staates, der dabei hoheitliche Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur handelt. Die Kosten der Verkehrspolizei können daher nicht als Kosten für den Betrieb im Sinne der Richtlinie angesehen werden.

Zu dem Umstand, dass die Infrastrukturkosten im vorliegenden Fall aufgrund der Berücksichtigung der Kosten der Verkehrspolizei lediglich in verhältnismäßig geringem Umfang (3,8 % bzw. 6 %) überschritten werden, stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie u. a. jeder Überschreitung der Infrastrukturkosten aufgrund der Berücksichtigung nicht ansatzfähiger Kosten entgegensteht.

Den Antrag Deutschlands, die Wirkung des Urteils zeitlich zu beschränken, weist der Gerichtshof zurück.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Mannheim: In Rechtsstreit um Arbeitnehmererfindervergütung muss Bosch Rexroth AG Unternehmenskaufvertrag mit ZF Friedrichshafen AG offenlegen

LG Mannheim
Urteil vom 19.11.2019
2 O 2/19


Das LG Mannheim hat in einem Rechtsstreit um eine Arbeitnehmererfindervergütung entschieden, dass die Bosch Rexroth AG den Unternehmenskaufvertrag mit der ZF Friedrichshafen AG offenlegen muss. Der Erfinder hatte vorgetragen, dass nur so die Berechnungsgrundlage für seinen Anspruch ermittelt werden kann. Zu einem etwaigen Geheimhaltungsinteresse war nicht ausreichend vorgetragen worden.

OVG Münster legt EuGH Fragen zur Berechnung der LKW-Maut vor

OVG Münster
Beschluss vom 28.03.2019
9 A 118/16


Das OVG Münster hat dem EuGH diverse Fragen zur Berechnung der LKW-Maut vorgelegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Oberverwaltungsgericht legt dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Berechnung der LKW-Maut vor

Die Kläger, die ein Speditionsunternehmen mit Sitz in Polen betrieben, begehren die Rückerstattung der im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 18. Juli 2011 gezahlten Autobahnmaut. Sie machen geltend, dass die seit Juli 2011 unmittelbar im Bundesfernstraßenmautgesetz geregelten Mautsätze wegen Verstößen gegen die unionsrechtlichen Vorgaben in der Wegekostenrichtlinie (Richtlinie 1999/62/EG in der Fassung der Richtlinie 2006/38/EG) fehlerhaft seien. Die Kläger wenden sich außerdem dagegen, dass der Gesetzgeber die rückwirkende Geltung der im Jahr 2009 durch eine Änderung der Mauthöhenverordnung erhöhten Mautsätze angeordnet hat, nachdem infolge des Urteils des Senats vom 25. Oktober 2012 (9 A 2054/07; s. dazu Pressemitteilungen des OVG NRW vom 26. Oktober 2012 und vom 7. August 2013) Zweifel an der Wirksamkeit der Mauthöhenverordnungen aufgekommen waren. Das Verwaltungsgericht Köln hat die Klagen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Kläger zugelassen.

Zwei zuvor vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. unterstützte (Muster-) Verfahren, in denen ebenfalls die Vereinbarkeit der mautrechtlichen Regelungen mit dem Unionsrecht in Frage gestellt worden war, wurden im Jahr 2018 außergerichtlich beigelegt.

Das vorliegende Verfahren dient als Musterverfahren für etliche weitere von polnischen Speditionsunternehmern betriebene Erstattungsklagen. Es kann auch Bedeutung für die Anwendung der Maßstäbe erlangen, nach denen heute bzw. in Zukunft die Maut erhoben wird.

Die für den genannten Zeitraum maßgebliche gesetzliche Festsetzung der Autobahnmaut in Deutschland beruht mit gewissen Modifikationen auf der vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebenen „Aktualisierung der Wegekostenrechnung für die Bundesfernstraßen in Deutschland“ vom 30. November 2007 (Wegekostengutachten 2007) mit einem Kalkulationszeitraum von 2007 bis 2012. Dieses Gutachten stellt eine Fortschreibung der „Wegekostenrechnung für das Bundesfernstraßennetz“ vom März 2002 (Wegekostengutachten 2002) mit dem Kalkulationszeitraum 2003 bis 2010 dar und war Grundlage für eine Anhebung der Mautsätze im Jahr 2009. Eine später für die Zeit ab 2014 erstellte Wegekostenrechnung (Wegekostengutachten 2014) hat, zum Teil wegen geänderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, zum Teil wegen einer geänderten Kostenermittlung, wiederum zu einer Absenkung der Mautsätze geführt.

Der 9. Senat ist in der mündlichen Verhandlung am 27. und 28. März 2019 nach ergänzender Anhörung der vom Bundesverkehrsministerium hinzugezogenen Gutachter zu der Einschätzung gelangt, dass jedenfalls Bedenken gegen die Vereinbarkeit der hier streitbefangenen Mautsätze mit den unionsrechtlichen Vorgaben bestehen, wonach die Mautgebühren auf der ausschließlichen Anlastung von Infrastrukturkosten beruhen. Die Bedenken des Senats betreffen den Ansatz der Polizeikosten sowie die Ermittlung der Grundstückskosten. Der Europäische Gerichtshof soll nun im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV klären, ob sich der Einzelne auf einen etwaigen Verstoß gegen die Wegekostenrichtlinie, die sich an die Mitgliedstaaten richtet und von diesen bis zum 10. Juni 2008 umgesetzt werden musste, berufen kann, ob die Kosten der Verkehrspolizei angesetzt werden können und ob es im Falle von Kalkulationsmängeln, die sich auf die Höhe der festgesetzten Mautsätze ausgewirkt haben, ähnlich wie von der nationalen Gebühren-Rechtsprechung angenommen, eine Fehlertoleranzschwelle gibt, bis zu deren Überschreitung Kalkulationsmängel unbeachtlich sind.

Aktenzeichen: 9 A 118/16 (I. Instanz: VG Köln 14 K 7974/13)


BGH: Verstoß eines Bestatters gegen Preisangabenverordnung - Hinsichtlich variabler Überführungskosten muss Berechnungsgrundlage angegeben werden

BGH
Urteil vom 14.01.2016
I ZR 61/14
Wir helfen im Trauerfall
UWG § 4 Nr. 11; PAngV § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1; RL 2005/29/EG Art. 7
Abs. 4 Buchst. c


Der BGH hat nochmals klargestellt, dass nach der Preisangaben bei variablen Kosten (hier: Überführungskosten eines Bestatters ) die Berechnungsgrundlagen anzugeben sind.

Leitsätze des BGH:

a) Aus einer an Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken orientierten Auslegung von § 1 Abs. 6 PAngV ergibt sich, dass bei einer Werbung unter Angaben von Preisen für Dienstleistungen, bei denen der Gesamtpreis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung für aufwandsabhängige Kosten mitzuteilen ist.

b) Ein Bestattungsunternehmer, der für seine Dienstleistungen unter Angabe von Preisen für einzelne Bestattungsarten wirbt, hat im Hinblick auf die bei jeder Beerdigung anfallenden, entweder in Form von Entfernungspauschalen oder anhand eines Kilometerpreises berechneten Überführungskosten die hierfür maßgeblichen Berechnungsparameter und deren Höhe anzugeben.

c) Die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb mit Wirkung vom 10. Dezember 2015 neu eingeführte Bestimmung des § 3a UWG entspricht in ihrem Halbsatz 1 inhaltlich § 4 Nr. 11 UWG aF und ist in ihrem Halbsatz 2 um die Spürbarkeitsschwelle nach § 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 UWG aF ergänzt worden. In der Sache hat sich durch die Gesetzesänderung für den Tatbestand des Rechtsbruchs nichts geändert.

BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 61/14 - OLG München - LG Traunstein

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zum Geheimhaltungsinteresse einer privaten Krankenversicherung an Berechnungsgrundlage im Streit um Prämienanpassung

BGH
Urteil vom 09.12.2015
IV ZR 272/15
VVG § 203 Abs. 2; GVG § 172 Nr. 2, § 174 Abs. 3


Leitsatz des BGH:

Im gerichtlichen Verfahren über eine Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung gemäß § 203 Abs. 2 VVG (hier i.V.m. § 8b AVB/KK) kann einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse des Versicherers an den technischen Berechnungsgrundlagen im Einzelfall durch den Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß § 172 Nr. 2 GVG und die Verpflichtung zur Verschwiegenheit gemäß § 174 Abs. 3 GVG Rechnung getragen werden (im Anschluss an BVerfG VersR 2000, 214, 216).

BGH, Urteil vom 9. Dezember 2015 - IV ZR 272/15 - LG München I - AG München

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


KG Berlin: eBay-Händler / Online-Shopbetreiber müssen Versandkosten in das europäische Ausland angegeben - Hinweis Versandkosten auf Anfrage reicht nicht

KG Berlin
Beschluss vom 02.10.2015
5 W 196/15


Das KG Berlin hat entschieden, dass Online-Shopbetreiber / gewerbliche eBay- Anbieter jedenfalls die Versandkosten in das europäische Ausland angegeben müssen, sofern auch Kunden im Ausland beliefert werden. Ein Hinweis "Versandkosten auf Anfrage" reicht nicht aus.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Antragsgegnerin bietet über eBay die genannten Produkte mit einem Versand u.a. nach Europa an, ohne dabei die Höhe der Versandkosten jedenfalls für die Länder der Europäischen Union anzugeben.

Nach den eBay-Bedingungen kann ein Verkäufer sein Angebot auf allen internationalen eBay-Websites (insgesamt 14 Länder, darunter auch die größeren Länder der Europäischen Union) erscheinen lassen, wenn er entsprechende Versandoptionen auswählt. Damit erreicht die Antragsgegnerin vorliegend mit ihrem Angebot eines Versands (auch) in die Länder der Europäischen Union, dass mit ihren eBay-Angeboten ebenso Verbraucher in diesen Ländern (zumindest in den von eBay genannten) angesprochen werden. Dies gilt vorliegend selbst dann, wenn nicht ersichtlich ist, dass die Antragsgegnerin auch Übersetzungen ihres Angebotes beigefügt hat. Sprachbarrieren verlieren innerhalb der Länder der Europäischen Union angesichts des zunehmenden länderübergreifenden Umzugs vieler Verbraucher und kostenloser Übersetzungsprogramme an Bedeutung.

Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass nicht jedenfalls für die Länder der Europäischen Union jeweils die Höhe der Versandkosten ohne unzumutbaren Aufwand angegeben werden kann (vergleiche auch die Fallgestaltung in der Entscheidung des Senats in GRUR-RR 2010, 440, in der selbst ein kleingewerblicher Händler die Versandkosten für die Europäische Union und die Schweiz angeben konnte). Dies gilt umso mehr, als in der Europäischen Union die wirtschaftlichen Bedingungen weit gehend angeglichen sind und ein Warenaustausch zwischen diesen Ländern grundsätzlich frei möglich ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: