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Volltext liegt vor - BGH: Sandsteinrelief "Wittenberger Sau" muss nicht von Außenfassade der Wittenberger Stadtkirche entfernt werden

BGH
Urteil vom 14.06.2022
VI ZR 172/20
BGB § 823; § 1004 Abs. 1 Satz 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Sandsteinrelief "Wittenberger Sau" muss nicht von Außenfassade der Wittenberger Stadtkirche entfernt werden über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Durch eine Darstellung, die das jüdische Volk und seine Religion, mithin das Judentum als Ganzes verhöhnt und verunglimpft, wird der Geltungs- und Achtungsanspruch eines jeden in Deutschland lebenden Juden angegriffen.

b) Der rechtsverletzende Zustand, der von einem der Diffamierung und Verunglimpfung von Juden dienenden Sandsteinrelief ausgeht, kann nicht allein durch Entfernung des Reliefs, sondern auch dadurch beseitigt werden, dass sich der Störer von dem im Relief verkörperten Aussagegehalt distanziert, dieses kontextualisiert und in eine Stätte der Mahnung zum Zwecke des Gedenkens und der Erinnerung an die jahrhundertelange Diskriminierung und Verfolgung von Juden bis hin zum Holocaust umwandelt.

c) Der Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ist auf die Beseitigung des andauernden rechtswidrigen Störungszustands, nicht hingegen auf eine bestimmte Handlung gerichtet. Es muss daher grundsätzlich dem Schuldner
überlassen bleiben, wie er den Störungszustand beseitigt.

BGH, Urteil vom 14. Juni 2022 - VI ZR 172/20 - OLG Naumburg - LG Dessau-Roßlau

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Sandsteinrelief "Wittenberger Sau" muss nicht von Außenfassade der Wittenberger Stadtkirche entfernt werden

BGH
Urteil vom 14.06.2022
VI ZR 172/20


Der BGH hat entschieden, dass das Sandsteinrelief "Wittenberger Sau" nicht von Außenfassade der Wittenberger Stadtkirche entfernt werden muss.

Bundesgerichtshof zur Wittenberger Sau

Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das an der Außenfassade der Wittenberger Stadtkirche angebrachte Sandsteinrelief - die "Wittenberger Sau" - nicht entfernt werden muss.

Sachverhalt:

Die beklagte Kirchengemeinde ist Eigentümerin der Wittenberger Stadtkirche, an deren Außenfassade sich seit etwa dem Jahr 1290 ein Sandsteinrelief befindet. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen saugen, die durch ihre Spitzhüte als Juden identifiziert werden. Ein ebenfalls durch seinen Hut als Jude zu identifizierender Mensch hebt den Schwanz der Sau und blickt ihr in den After. Im Jahr 1570 wurde in Anlehnung an zwei von Martin Luther 1543 veröffentlichte antijudaistische Schriften über der Sau die Inschrift "Rabini Schem Ha Mphoras" angebracht. Im Jahr 1983 entschied der Gemeindekirchenrat im Rahmen von Sanierungsarbeiten an der Stadtkirche, das Relief an seinem Ort zu belassen und ebenfalls zu sanieren. Am 11. November 1988 wurde unter dem Relief eine in Bronze gegossene quadratische Bodenreliefplatte mit einer Inschrift eingeweiht. Der Text der Inschrift lautet: "Gottes eigentlicher Name, der geschmähte Schem Ha Mphoras, den die Juden vor den Christen fast unsagbar heilig hielten, starb in 6 Millionen Juden unter einem Kreuzeszeichen". In Hebräischer Schrift ist darüber hinaus der Beginn von Psalm 130 wiedergegeben, der – übersetzt - lautet: "Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir". Auf einem in unmittelbarer Nähe angebrachten Schrägaufsteller heißt es unter der Überschrift "Mahnmal an der Stadtkirche Wittenberg":

"An der Südostecke der Stadtkirche Wittenberg befindet sich seit etwa 1290 ein Hohn- und Spottbild auf die jüdische Religion. Schmähplastiken dieser Art, die Juden in Verbindung mit Schweinen zeigen - Tiere, die im Judentum als unrein gelten - waren besonders im Mittelalter verbreitet. Es existieren noch etwa fünfzig derartige Bildwerke.

Judenverfolgungen fanden in Sachsen Anfang des 14. Jahrhunderts und 1440 statt, 1536 wurde Juden der Aufenthalt in Sachsen grundsätzlich verboten.

Martin Luther veröffentlichte 1543 die antijudaistischen Schriften "Von den Juden und ihren Lügen" und "Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi", auf die sich die Inschrift der Schmähplastik bezieht. Sie wurde 1570 angebracht wie der lateinische Text an der Traufe, der die von Martin Luther angestoßene Reformation mit der Tempelreinigung Jesu (Matthäus 21) gleichsetzt und gegen "Papisten" polemisiert.

Das Mahnmal unterhalb der Schmähplastik wurde im November 1988 enthüllt, fünfzig Jahre nach dem Beginn der Judenpogrome im nationalsozialistisch beherrschten Deutschland. Die in Bronze gegossene Bodenplatte zeigt vier gegeneinander verkippte Trittplatten, die aussehen, als seien sie in morastigem Untergrund verlegt. Die Fugen ergeben ein Kreuzeszeichen. Der umlaufende Text verbindet die Inschrift der Schmähplastik mit dem Holocaust: "Gottes eigentlicher Name / der geschmähte Schem Ha Mphoras / den die Juden vor den Christen / fast unsagbar heilig hielten / starb in sechs Millionen Juden / unter einem Kreuzeszeichen." Dazu steht in hebräischer Schrift der Beginn von Psalm 130: "Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir". Die Bronzeplatte entwarf der Bildhauer Wieland Schmiedel. Die Umschrift verfasste der Schriftsteller Jürgen Rennert."

Der Kläger ist Jude und Mitglied einer jüdischen Gemeinde in Deutschland. Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten in erster Linie die Entfernung des Sandsteinreliefs; für den Fall, dass der Beklagten dies aus Denkmalschutzgründen nicht möglich sein sollte, begehrt er hilfsweise die Feststellung, dass das Relief den objektiven und subjektiven Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB erfülle.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision hatte keinen Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Entfernung des beanstandeten Sandsteinreliefs verlangen. Es fehlt an der für einen derartigen Anspruch erforderlichen gegenwärtigen Rechtsverletzung.

Zwar wies das Relief jedenfalls bis zur Verlegung der in Bronze gegossenen Bodenreliefplatte am 11. November 1988 einen das jüdische Volk und seine Religion massiv diffamierenden Aussagegehalt auf und brachte Judenfeindlichkeit und Hass zum Ausdruck. Es diente zur Zeit seiner Entstehung und auch noch im 16. Jahrhundert, als es durch die Inschrift "Rabini Schem Ha Mphoras" ergänzt wurde, dazu, Juden verächtlich zu machen, zu verhöhnen und auszugrenzen. Das Schwein gilt im Judentum bekanntlich als unrein; in der christlichen Kunst des Mittelalters verkörpert es den Teufel. Den diffamierenden Aussagegehalt hatte das Relief jedenfalls auch noch bis zur Verlegung der Bronzeplatte. Der Kläger ist auch aktivlegitimiert; er ist berechtigt, den Aussagegehalt des Reliefs gerichtlich zu beanstanden. Isoliert betrachtet verhöhnt und verunglimpft das Relief das Judentum als Ganzes. Durch eine solche Darstellung wird unmittelbar auch der Geltungs- und Achtungsanspruch eines jeden in Deutschland lebenden Juden angegriffen. Denn diese Personengruppe ist durch den nationalsozialistischen Völkermord zu einer Einheit verbunden, die sie aus der Allgemeinheit hervortreten lässt. Die in dem beanstandeten Relief jedenfalls bis zur Verlegung der Bronzeplatte zum Ausdruck kommende diffamierende Aussage ist der Beklagten zuzurechnen. Dabei konnte offenbleiben, ob dies allein deshalb der Fall ist, weil die Beklagte das Relief nicht von der Fassade ihres Kirchengebäudes entfernt hat. Denn die Beklagte hat sich durch ihren Gemeindekirchenrat im Jahr 1983 entschieden, das Relief im Rahmen von Sanierungsarbeiten an der Stadtkirche an seinem Ort zu belassen und zu sanieren.

Die Beklagte hat den jedenfalls bis zum 11. November 1988 bestehenden rechtsverletzenden Zustand aber dadurch beseitigt, dass sie unter dem Relief eine nach den örtlichen Verhältnissen nicht zu übersehende, in Bronze gegossene Bodenplatte mit der oben dargestellten Inschrift enthüllt und in unmittelbarer Nähe dazu einen Schrägaufsteller mit der Überschrift "Mahnmal an der Stadtkirche Wittenberg" angebracht hat, der den historischen Hintergrund des Reliefs und die Bronzeplatte näher erläutert. Aus der maßgeblichen Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Betrachters hat sie das bis dahin als Schmähung von Juden zu qualifizierende Sandsteinrelief - das "Schandmal" - in ein Mahnmal zum Zwecke des Gedenkens und der Erinnerung an die jahrhundertelange Diskriminierung und Verfolgung von Juden bis hin zur Shoah umgewandelt und sich von der diffamierenden und judenfeindlichen Aussage - wie sie im Relief bei isolierter Betrachtung zum Ausdruck kommt - distanziert. Anders als der Kläger meint, kann der von dem Sandsteinrelief ausgehende rechtsverletzende Zustand nicht allein durch Entfernung des Reliefs beseitigt werden. Auch wenn das Relief von Anfang an und immer nur der Diffamierung und Verunglimpfung von Juden diente und kaum eine bildliche Darstellung denkbar ist, die in höherem Maße im Widerspruch zur Rechtsordnung steht, gebietet die Rechtsordnung nicht seine Beseitigung. Vielmehr bestand mehr als diese eine Möglichkeit, die von ihm ausgehende rechtswidrige Beeinträchtigung für die Zukunft abzustellen. Die Umwandlung des "Schandmals" in ein Mahnmal und in ein Zeugnis für die Jahrhunderte währende judenfeindliche Geisteshaltung der christlichen Kirche ist eine der Möglichkeiten, den rechtsverletzenden Aussagegehalt zu beseitigen.

Aber auch wenn man annähme, die Beklagte habe sich durch die Enthüllung der in Bronze gegossenen Bodenplatte und die Aufstellung des Schrägaufstellers noch nicht hinreichend von der im Relief bei isolierter Betrachtung zum Ausdruck kommenden Aussage distanziert, könnte der Kläger nicht die - allein begehrte - Entfernung des beanstandeten Sandsteinreliefs verlangen. Bestehen, wie im Streitfall, mehrere Möglichkeiten, eine rechtswidrige Beeinträchtigung für die Zukunft abzustellen, muss es dem Schuldner überlassen bleiben, wie er den Störungszustand beseitigt.

Vorinstanzen:

LG Dessau-Roßlau - 2 O 230/18 – Urteil vom 24. Mai 2019

OLG Naumburg - 9 U 54/19 – Urteil vom 4. Februar 2020



LAG Köln: Kostenregelung in § 12a ArbGG gilt auch für Geltendmachung von Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO und Beseitigungsanspruch nach Art. 17 DSGVO

LAG Köln
Urteil vom 14.09.2020
2 Sa 358/20


Das LAG Köln hat entschieden, dass die Kostenregelung in § 12a ArbGG auch für die Geltendmachung von Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO und Geltendmachung eines Beseitigungsanspruchs nach Art. 17 DSGVO im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung gilt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Klägerin steht kein weiterer Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO zu.

Dabei kann dahinstehen, ob der zugesprochene immaterielle Schadensersatz nicht bereits zu hoch war, da die Beklagte insoweit zur Verknappung des Prozessstoffes keine Anschlussberufung eingelegt hat.

Die erkennende Kammer tritt den Überlegungen des Arbeitsgerichts zur Bemessung des immateriellen Schadens bei der versehentlichen Aufrechterhaltung der Sichtbarkeit des PDF mit dem Profil der Klägerin auf dem Server der Beklagten bei. Der Verschuldensgrad ist sehr gering. Nach der Umstellung des Dateiformats des Internetauftritts im Jahr 2015 liegt eine Nachlässigkeit der Beklagten vor, nicht vollumfänglich geprüft zu haben, ob weiterhin alte Dateiformate abrufbar waren. Zum Zeitpunkt der Umstellung war zudem die Klägerin als Arbeitnehmerin und Lehrende der Beklagten nicht berechtigt, die Löschung des PDF zu verlangen, da die Darstellung der Lehrenden für eine Hochschule unverzichtbarer Inhalt eines Internetauftritts und damit der erforderlichen Datenverarbeitung war.

Richtig hat das Arbeitsgericht auch gewertet, dass die Intensität der Rechtsverletzung marginal war. Die veröffentlichen Tatsachen über die Klägerin waren inhaltlich richtig, allein das Logo der Beklagten auf dem Profil ermöglichten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses den fehlerhaften Rückschluss, die Klägerin sei auch im Zeitpunkt des Abrufs des PDF noch Lehrende der Beklagten. Zwar mag es sein, dass das PDF unter den ersten zehn Einträgen der Suchmaschine Google bei einer Suche nach dem Namen der Klägerin erschien. Wie viele Personen tatsächlich dann das PDF angeklickt haben, um es vollständig zu lesen (nach dem Vortrag der Beklagten, welcher nicht bestritten wurde, soll es nur zwei Zugriffe gegeben haben), ist nicht nachgewiesen.

Allerdings hat die Klägerin keine Rückmeldung von Dritten zu diesem veralteten Profil erhalten und im Prozess vorgetragen. Entscheidend für die Intensität der Wahrnehmung des PDF wäre hierbei, welche Suchergebnisse die ersten neun Google Einträge beinhalteten. Üblicherweise werden bei einer Namenssuche, die einer Personeninfo dienen soll, die Einträge in der Reihenfolge ihres Erscheinens angeschaut, da dem Googlenutzer bekannt ist, dass die Einträge mit den meisten Klicks, in der Regel aber auch die neueren Beiträge zuerst angezeigt werden. Ob dann der Googlenutzer überhaupt spätere Einträge öffnet, hängt damit davon ab, ob das Informationsbedürfnis bei der Namenssuche bereits vorher ausreichend befriedigt ist. Da das PDF auch nur eine relativ kurze Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses überhaupt auffindbar war, aber niemand Kontakt zur Klägerin gesucht hat, um ihr von der fehlerhaften Veröffentlichung Mitteilung zu machen, kann davon ausgegangen werden, dass das bei Google auffindbare Suchsuchergebnis für Personen, die sich für die Klägerin interessierten und deshalb ihren Namen gegoogelt haben, eher uninteressant war.

Es kann auch ausgeschlossen werden, dass sich eine Vielzahl von Googlenutzern nach dem Lesen des PDF der Homepage der Beklagten zugewandt haben. Denn eine direkte Verlinkung war nicht gegeben. Um die Homepage der Beklagten aufzurufen hätte ein Benutzer diese in eine neue Suchmaske eingeben müssen. Dann allerdings hätte er sofort feststellen können, dass die Klägerin nicht mehr zu den Lehrenden gehört.

Fernliegend ist auch die von der Klägerin angezogene Lizenzanalogie. Es ist nicht erkennbar, dass für die Beklagte irgendein Mehrwert durch die kurzzeitige Aufrechterhaltung der Sichtbarkeit des PDF mit dem Profil der Klägerin und dem Logo der Beklagten im Internet verbunden war. Ein potentieller Studierender, der tatsächlich überlegt, einen Vertrag mit der Beklagten abzuschließen, wird sich zuvor genauer und aktuell über die Homepage der Beklagten mit deren Lehrangeboten auseinandersetzen. Dabei war unmittelbar festzustellen, dass die Klägerin nicht mehr zu den Lehrenden zählt. Wenn es gleichwohl zum Vertragsschluss kam, so war dies jedenfalls dann unabhängig von der Person der Klägerin.

Auch ein Reputationsschaden der Klägerin ist fernliegend. Sie beachtet dabei nicht, dass es auch eine große Anzahl von Personen gibt, die die Beklagte schätzen und dadurch die Klägerin somit an einer positiven Bewertung der Beklagten mittelbar teilhaben lassen. Insbesondere die Studierenden, die bei der Evaluation angegeben haben, mit den Leistungen der Beklagten zufrieden zu sein und alle Personen, die die Beklagte für eine gute Hochschule halten, nützen damit der Reputation der Klägerin. Damit ist ein Interesse an einer Nutzung des PDFs durch die Beklagte schon nicht gegeben. Ein hypothetischer „Verkaufswert“ ist nicht feststellbar.

Eine Erhöhung des immateriellen Schadensersatzes war auch nicht angezeigt, um zukünftige Verstöße zu vermeiden. Bereits das vorliegende Verfahren sowie die Rüge durch die Landesdatenschutzbeauftragte sind geeignet, bei der Beklagten den auch vom Schadensersatz erwünschten erzieherischen Effekt zu erzielen.

Der Klägerin steht der Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten wegen des geltend gemachten Anspruchs auf Entfernung des PDF nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO nicht zu.

Unabhängig von den späteren Ausführungen zu § 12a ArbGG und dessen Geltung im Rahmen des Schadensersatzanspruchs nach Art. 82 DSGVO handelt es sich bei Art. 17 DSGVO um den Löschungsanspruch. Zwar mag es richtig sein, dass der deutsche Gesetzgeber insgesamt keine Einschränkung der in der DSGVO niedergelegten Rechte vornehmen kann, jedoch handelt es sich bei der Anwendbarkeit von § 12a ArbGG auf den Beseitigungsanspruch nicht um eine Ausgestaltung des Beseitigungsanspruchs. Die Kosten des Beseitigungsanspruchs regelt die DSGVO nicht, so dass es bei den allgemeinen deutschen Regeln aus § 12a ArbGG verbleibt..

Zudem folgt die erkennende Kammer im Übrigen der Kommentierung von Däubler 2. Aufl. EU DSGVO, Art. 82 Rn. 14 sowie Plath Becker, 2. Aufl., BDSG/DSGVO Art. 82 Nr. 8. Danach ist in all den Fällen, in denen die DSGVO keine ausdrückliche Regelung enthält, nationales Recht anwendbar. Damit sind jedenfalls auf die vorliegenden Ansprüche die allgemeinen Grundsätze über Mitverschulden, Verjährungsfristen und prozessuale Behandlung der Ansprüche anwendbar.

Vorliegend gilt für den Beseitigungsanspruch, dass die Klägerin auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses eine minimale Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten hätte nehmen müssen. Diese hätte darin bestanden, die Beklagte durch einen kurzen Anruf, ein E-Mail oder auch eine andere schriftliche Notiz darauf aufmerksam zu machen, dass das PDF mit dem Profil der Klägerin im Internet noch abrufbar war. Erst dann, wenn die Beklagte hierauf nicht reagiert hätte, hätte die Klägerin sich anwaltlicher Hilfe bedienen können. Ohne vorherige Abmahnung war die Einschaltung eines Prozessbevollmächtigten nicht erforderlich, sodass die hierfür angefallenen Kosten nicht erstattungsfähig sind. Gerade das Rechtsinstitut der Abmahnung ist die Ausformung der gegenseitigen Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis und konkretisiert, dass dem Vertragspartner, auch dann, wenn der Vertrag beendet ist, zunächst die Gelegenheit eingeräumt werden muss, sein nachvertragliches Verhalten gesetzeskonform auszugestalten.

Hinsichtlich der weiteren Kostenerstattungsforderungen legt die erkennende Kammer Art. 82 DSGVO dahingehend aus, dass dieser nur den primären Schadensersatz hinsichtlich der immateriellen Schäden/Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die durch einen Verstoß gegen die DSGVO entstanden sind, regelt. Sekundäre Schäden wie Vermögensschäden, die durch die Rechtsverfolgung des immateriellen Schadensersatzanspruchs entstehen, sind von der DSGVO nicht erfasst und bleiben damit entsprechend der Kommentierung bei Däubler (siehe oben) der Regelung durch nationales Recht vorbehalten.

Im Übrigen stellt die Regelung des § 12a ArbGG und die von der Rechtsprechung hieraus hergeleitete Wirksamkeit auch im materiellen Kostenerstattungsrecht letztlich keine Einschränkung des Schadensersatzes oder gar einen Nachteil von Arbeitnehmern dar, die von Datenschutzverstößen ihre Arbeitgeber betroffen sind. Denn durch die fehlende Kostenerstattung ist der Schadensersatz geltend machende Arbeitnehmer durchaus frei, wenigstens in erster Instanz einen höheren Anspruch geltend zu machen, ohne hierbei im Fall des Unterliegens die Kosten des Gegners erstatten zu müssen. Die Regelung fördert also sogar den Zweck des Art. 82 DSGVO, in dem sie das Risiko des Arbeitnehmers, einen zu hohen Schadensersatzbetrag zu fordern, absenkt. Vorliegend wäre aber jedenfalls bei einer Unanwendbarkeit des §12a ArbGG der Anteil der von der Klägerin der Beklagten zu erstattenden Kosten höher als umgekehrt. Die Regelung stellt sich damit ohnehin nicht als Einschränkung des Schadensersatzanspruchs, sondern da sie in beide Richtungen wirkt, als neutrale Kostenverteilungsregelung dar.

Wegen der zu hohen Klageforderung und des Unterliegens (mit Kostenpflicht) im Berufungsverfahren ist der Selbstbehalt der Klägerin bei ihrer Rechtsschutzversicherung ohnehin angefallen. Dieser und eine mögliche Beitragsverschlechterung sind damit unabhängig vom erstinstanzlichen Streit angefallen, so dass ein Schadensersatz durch die Beklagte wegen Verschlechterung der Rechtsschutzkonditionen keines falls geschuldet ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Verbraucherschutzverbände können bei unwirksamen Klauseln in AGB von Unternehmen als Teil des Beseitigungsanspruchs Informationsschreiben an Verbraucher verlangen

BGH
Urteil vom 14.12.2017
I ZR 184/15
Klauselersetzung
UKlaG §§ 1, 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 5; UWG § 3 Abs. 1, §§ 3a, 8 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 Satz 2


Der BGH hat entschieden, dass Verbraucherschutzverbände bei unwirksamen Klauseln in AGB von Unternehmen als Teil des Beseitigungsanspruchs Informationsschreiben an Verbraucher verlangen kann.

Leitsätze des BGH:

a) Die Bestimmung des § 1 UKlaG gewährt den gemäß § 3 Abs. 1 UKlaG anspruchsberechtigten Stellen gegen den Verwender von gemäß §§ 307 bis 309 BGB unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen keinen Beseitigungsanspruch. Da die Vorschriften über die Kontrolle unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß § 1 UKlaG und des Lauterkeitsrechts nebeneinander anwendbar sind, kann sich ein Beseitigungsanspruch für eine Verbraucherzentrale als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG jedoch aus § 3a UWG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG ergeben.

b) Da der Beseitigungsanspruch die Abwehr einer bereits eingetretenen, aber fortwirkenden Beeinträchtigung zum Gegenstand hat, führt der Wegfall des Störungszustands zum Erlöschen des Anspruchs. Fällt der Störungszustand während des Prozesses in den Tatsacheninstanzen weg, weil beispielsweise der Beklagte von sich aus hinreichende Beseitigungshandlungen vornimmt, wird der auf Beseitigung gerichtete Antrag unbegründet, auch wenn der Kläger die Verfahrensdauer nicht zu vertreten hat.

c) Qualifizierten Einrichtungen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG steht gemäß § 5 UKlaG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG ein Anspruch auf Ersatz der für eine Abmahnung erforderlichen Aufwendungen zu. Erforderlich sind die Abmahnkosten, die tatsächlich entstanden sind und nach Lage des Falls aus der Perspektive des Abmahnenden objektiv notwendig waren. Kosten für die Einschaltung eines Anwalts sind bei einer qualifizierten Einrichtung nur ausnahmsweise bei besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeit, auf Grund derer der Verband mit seiner Ausstattung und Erfahrung nicht in der Lage war, das Geschehen korrekt zu bewerten, erstattungsfähig.

BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 - I ZR 184/15 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: