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LG Berlin: Veröffentlichung eines Fotos im Internet ohne Zustimmung des Abgebildeten im Rahmen von Aktionskunst kann nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG zulässig sein

LG Berlin
Urteil vom 31.10.2019
27 O 185/19


Das LG Berlin hat entschieden, dass die : Veröffentlichung eines Fotos im Internet ohne Zustimmung des Abgebildeten im Rahmen von Aktionskunst nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG zulässig sein kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Veröffentlichung des angegriffenen Bildnisses ist jedoch nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG gerechtfertigt.

Danach dürfen Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.

(a)Die Internetseite und damit auch die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildnisses der Klägerin ist Teil einer Kunstaktion des Künstlerzusammenschlusses ZPS, dessen Leiter der Beklagte ist.

Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck, und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers (BVerfGE 30, 188 f.; vgl. ferner BVerfGE 67, 226; 81, 291; 83, 138; 119, 11, 20 f.; 142, 74, 103 f.). Da eine wertende Einengung des Kunstbegriffs mit der umfassenden Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 nicht zu vereinbaren ist, kommt es bei der verfassungsrechtlichen Einordnung und Beurteilung (als Kunst i.S.d. Art. 5 Abs. 3 Satz 1) auf die „Höhe“ der (Dicht-)Kunst nicht an (BVerfGE 81, 305). Die Anstößigkeit der Darstellung nimmt ihr nicht die Eigenschaft als Kunstwerk. Kunst ist einer staatlichen Stil- oder Niveaukontrolle nicht zugänglich (BVerfGE 81, 291 unter Hinweis auf BVerfGE 75, 377).

Aktionskunst ist ein Oberbegriff für eine Reihe von Strömungen der Kunst des 20. Jahrhunderts, die die klassischen Formen der bildenden Kunst (Plastik, Malerei) überschritten und um andere mediale und performative Ausdrucksformen erweiterten. In der Aktionskunst ist nicht selten der Künstler selber Bestandteil des Werkes und sein Körper künstlerisches Medium. Während für ein klassisches Kunstverständnis die Trennung von Subjekt und Objekt Voraussetzung ist, indem der Künstler ein von ihm ablösbares Artefakt schafft, geht es in der Aktionskunst um Handlungen, in die die Künstler unmittelbar involviert sind. Durch extreme wie z. B. selbstverletzende Handlungen werden beim Zuschauer unmittelbar affektive und emotionale Reaktionen ausgelöst. (Quelle: Wikipedia)

[...]

(b) Die Kunstfreiheit ist in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährleistet. Die Schranken ergeben sich insbesondere aus den Grundrechten anderer Rechtsträger, aber auch aus sonstigen Rechtsgütern mit Verfassungsrang (BVerfGE 142, 74 <101 f. Rn. 84> m.w.N.; st. Rspr.). Abs. 62
Das durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein Rechtsgut von Verfassungsrang, das der Kunstfreiheit Grenzen ziehen kann (vgl. BVerfGE 67, 213, 228). Zu den anerkannten Inhalten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehören das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, die soziale Anerkennung sowie die persönliche Ehre (vgl. BVerfGE 54, 148, 153 f.; 99, 185, 193; 114, 339, 346; 119, 1, 24). Ein allgemeines oder gar umfassendes Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person enthält Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfGE 101, 361, 380).

Für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes wird neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung, etwa durch Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrlicher Nachstellung, auch bedeutsam, in welcher Situation die betroffene Person erfasst und wie sie dargestellt wird (vgl. BVerfGE 120, 180, 207). Das Gewicht der mit der Abbildung verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts ist erhöht, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise der öffentlichen Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt. Gleiches gilt, wenn die betroffene Person nach den Umständen, unter denen die Aufnahme gefertigt wurde, typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht öffentlich abgebildet zu werden, etwa weil sie sich in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation, insbesondere einem besonders geschützten Raum, aufhält (vgl. BVerfGE 101, 361, 384; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 967/15 -, juris, Rn. 17). Dem Schutzanspruch des Persönlichkeitsrechts kann jedoch auch außerhalb der Voraussetzungen einer örtlichen Abgeschiedenheit ein erhöhtes Gewicht zukommen, so wenn die Abbildung den Betroffenen in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und Alltags erfasst (vgl. BVerfGE 120, 180, 207).

Allerdings zieht die Kunstfreiheit ihrerseits dem Persönlichkeitsrecht Grenzen. Um diese im konkreten Fall zu bestimmen, genügt es mithin im gerichtlichen Verfahren nicht, ohne Berücksichtigung der Kunstfreiheit eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts festzustellen: Es bedarf der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat; eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung reichen hierzu angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit nicht aus. Lässt sich freilich eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei feststellen, so kann sie auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 67, 213, 228; vgl. auch BVerfGE 30, 173, 195; 75, 369, 380; 119, 1, 27). Abs. 65
Die Lösung der Spannungslage zwischen Persönlichkeitsschutz und dem Recht auf Kunstfreiheit kann nicht allein auf die Wirkungen eines Kunstwerks im außerkünstlerischen Sozialbereich abheben, sondern muss auch kunstspezifischen Gesichtspunkten Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 30, 173 <195>; 142, 74 <102 Rn. 85>). In der Interpretation eines Kunstwerks sind werkgerechte Maßstäbe anzulegen, dabei sind in der Abwägung der Kunstfreiheit mit anderen Belangen strukturtypische Merkmale einer Kunstform zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 75, 369, 378 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Februar 2018 – 1 BvR 2112/15 –, Rn. 18 - 22, juris).

(c) Nach diesen Grundsätzen hat hier die Kunstfreiheit den Vorrang. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin durch die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildes ist nicht gegeben.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Frankfurt: Versand eines Bildnisses per E-Mail ist ein Verbreiten gemäß §§ 22, 23 KUG - Normen des KUG gelten im Rahmen von Art. 85 Abs. 2 DSGVO weiterhin

LG Frankfurt
Urteil vom 26.09.2019
2-03 O 402/18


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass der Versand eines Bildnisses per E-Mail ein Verbreiten gemäß §§ 22, 23 KUG ist. Die Normen des KUG gelten im Rahmen von Art. 85 Abs. 2 DSGVO auch nach Inkrafttreten der DSGVO weiterhin.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung der Äußerung gemäß dem Klageantrag zu II. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus den §§ 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.

a. Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH NJW 2016, 789 Rn. 20; BGH NJW 2016, 56 Rn. 29; BGH NJW 2014, 2029 Rn. 22; jew. m.w.N.).

Hier ist das Schutzinteresse aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG mit dem Recht auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK abzuwägen.

Stehen sich als widerstreitende Interessen – wie vorliegend – die Meinungs- bzw. Pressefreiheit und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gegenüber, kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung maßgeblich darauf an, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt (LG Köln, Urt. v. 10.06.2015 – 28 O 564/14 Rn. 33).

Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen maßgeblich vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind – jedenfalls, wenn sie nicht die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre, sondern die Sozialsphäre betreffen (BVerfG NJW 1999, 1322, 1324) –, unwahre dagegen nicht (BVerfG NJW 2012, 1643 Rn. 33). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 GG stehen – abgesehen von solchen Tatsachenbehauptungen, die von vornherein Dritten nicht zur Meinungsbildung dienen können (BGH GRUR-RR 2008, 257 Rn. 12 m.w.N.) – aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht, denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die als unwahr anzusehen sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit regelmäßig kein schützenswertes Interesse (BGH GRUR 2014, 693 Rn. 23 – Sächsische Korruptionsaffäre). Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (BGH GRUR 2013, 312 – IM Christoph; BGH GRUR 2014, 693 Rn. 23 – Sächsische Korruptionsaffäre).

b. Bei der angegriffenen Äußerung

„Es ist theoretisch auch denkbar, dass die Abmahnung nicht von Hr. mandatiert, sondern ohne sein Wissen von Dritten mittels Urkundenfälschung fingiert wurde.“

handelt es sich um eine .

Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an (vgl. BVerfG AfP 2013, 389, juris-Rn. 18). Von einer Tatsachenbehauptung ist auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offen steht. Soweit eine Tatsachenbehauptung mit einem Werturteil verbunden ist bzw. beides ineinander übergeht, ist darauf abzustellen, was im Vordergrund steht und damit überwiegt. Wird eine Äußerung in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt oder ist der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm, dass er gegenüber dem Wertungscharakter in den Hintergrund tritt, liegt eine Meinungsäußerung vor. Vom Überwiegen des tatsächlichen Charakters ist auszugehen, wenn die Wertung sich als zusammenfassender Ausdruck von Tatsachenbehauptungen darstellt (vgl. Wenzel/Burkhardt, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 4 Rn. 50 ff.).

Hierbei sind Äußerungen entsprechend dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittsempfängers zu interpretieren (Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Kap. 4 Rn. 4; Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, § 14 Rn. 6; jew. m.w.N.).

c. In Anwendung dieser Grundsätze überwiegt in der angegriffenen Äußerung der wertende und meinende Anteil und gibt dieser sein Gepräge. Im Gesamtkontext der Äußerung stellt der Beklagte dar, dass er – möglicherweise – eine problematische Situation mit dem Kläger als Mitarbeiter des E hat. Hierbei erläutert der Beklagte, dass er über das Verhalten des Klägers überrascht sei und die Behauptungen des Klägers haltlos seien (vgl. Anlage K6, Bl. 25 d.A.). Der Beklagte sei irritiert, dass der Kläger eine parallele Beschäftigung bei einem Mitbewerber behaupte. Sodann erläutert der Beklagte, dass es sich insgesamt um eine Art Missverständnis handeln könnte, dass nämlich der Kläger in die dem Beklagten gegenüber ausgesprochenen Abmahnung nicht involviert sei.

Aus Sicht des Durchschnittslesers stellt sich dies lediglich als eine Möglichkeit dar, die der Beklagte aufwirft, nicht aber als faktischen oder bewiesenen Sachverhalt. Dem Empfänger der E-Mail wird daher entgegen der Auffassung des Klägers nicht als unabweisliche Schlussfolgerung oder rein rhetorische Frage unterbreitet, dass der Kläger ohne sein Wissen für eine Abmahnung „missbraucht“ worden sei (vgl. insoweit BGH NJW 2017, 482 Rn. 14 f.).

Diesem Verständnis steht auch nicht der in der mündlichen Verhandlung erhobene Vortrag des Klägers entgegen, dass sein Prozessbevollmächtigter dem Beklagten vor dem Versand der streitgegenständlichen E-Mail erläutert habe, dass er persönlich vom Kläger mandatiert worden sei, ihm sei eine unterschriebene Vollmachtserklärung zugesandt worden.

Denn dieser Umstand ändert an dem Verständnis der streitgegenständlichen Äußerung aus Sicht des Durchschnittsempfängers, dem diese Umstände unbekannt sind und der selbst bei Kenntnis hiervon die Äußerung des Beklagten als eine Vermutung, eine Theorie und nicht als eine Tatsache auffasst, nichts.

Die Meinungsäußerung des Beklagten überschreitet auch nicht die Grenze zur Schmähkritik, da sie nicht außerhalb jeglichen Sachkontextes steht (vgl. BVerfG NJW 2016, 2870 Rn. 17 m.w.N.; BVerfG NJW 2017, 1460 – „Obergauleiter der SA-Horden“).

2. Der Kläger hat weiter Anspruch auf Ersatz seiner Rechtsverfolgungskosten nach den §§ 683, 677, 670 BGB (Antrag zu III.), jedoch nicht im geltend gemachten Umfang.

Der Kläger hat mit seiner Abmahnung gemäß Anlage K3 gestützt auf KUG und UrhG gerügt, dass der Beklagte das Bildnis per E-Mail versandt und dadurch vervielfältigt hat. Darüber hinaus hat er sich wegen der Verbreitung des Bildnisses auf §§ 823, 1004 BGB, 22, 23 KUG „(ggfl. i.V.m. der DSGVO“) gestützt (Anlage K3, Bl. 15/18 d.A.). Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, dass er den Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten nicht mehr auf das UrhG stützen will, nachdem die Kammer zu erkennen gegeben hat, dass hinsichtlich der urheberrechtlichen Ansprüche ggf. eine Beweisaufnahme erforderlich werden könnte.

a. Die Abmahnung war im Hinblick auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch aus den §§ 823, 1004 BGB i.V.m. §§ 22 f. KUG, Art. 85 DSGVO berechtigt.

aa. Der Beklagte hat das Bildnis des Klägers verbreitet, indem er es in einer E-Mail verwendet hat. Hierbei ist vom Vorgang der Verbreitung auch die unkörperliche Übermittlung erfasst (OLG Frankfurt a.M. MMR 2004, 683; LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 28.05.2015 - 2-03 O 452/14, MMR 2016, 482; Dreier/Schulze-Specht, UrhG, 6. Aufl. 2018, § 22 KUG Rn. 9; Wenzel/v.Strobl-Albeg, a.a.O., Kap. 7 Rn. 139; a.A. BeckOK-InfoMedienR/Herrmann, 24. Ed. 1.5.2019, § 22 KUG Rn. 11).

bb. Der Kläger hat in die Verwendung auch nicht im Sinne von § 22 KUG eingewilligt. Eine solche Einwilligung ist insbesondere auch nicht im Einstellen des Bildnisses als Profil bei „Xing“ zu ersehen (vgl. ebenso OLG München MMR 2016, 414).

cc. Der Beklagte kann sich auch nicht auf ein berechtigtes Interesse gemäß § 23 KUG berufen. Eine Ausnahme vom Einwilligungserfordernis nach § 23 Abs. 1 KUG liegt nicht vor. Denn weder handelt es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, noch um ein solches, auf dem der Kläger nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheint, noch um ein Bildnis von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen oder um ein Bildnis, dessen Verbreitung einem höheren Interesse der Kunst dient.

dd. Bei der dargestellten Abwägung hat die Kammer ferner berücksichtigt, dass seit dem 25.05.2018 die DSGVO Geltung erlangt hat. Insoweit wendet die Kammer jedoch unter Berücksichtigung von Art. 85 Abs. 2 DSGVO die §§ 22 f. KUG und die hierzu in der Rechtsprechung ergangenen Grundsätze mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO an (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 13.09.2018 – 2-03 O 283/18, ZD 2018, 2018, 587; so wohl auch OLG Köln, Urt. v. 28.03.2019 – 15 U 155/18, BeckRS 2019, 13613 Rn. 26; vgl. auch LG Frankfurt a.M., Urt. v. 27.09.2018 – 2-03 O 320/17; Sydow/Specht, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art. 85 Rn. 13 ff.; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057, 1060).

b. Soweit der Kläger hingegen Kosten für die Abmahnung, gestützt auf die Äußerung gemäß Klageantrag zu II., verlangt hat, war die Abmahnung unberechtigt, so dass der Kläger Kosten hierfür nicht verlangen konnte (siehe oben).

c. Der vom Kläger geltend gemachte Gegenstandswert von insgesamt 20.000,- EUR für die Abmahnungen ist jedoch übersetzt. Der Kläger wendet sich einerseits gegen die Vervielfältigung und Verbreitung eines Bildnisses, wobei das Bildnis lediglich an wenige Empfänger verbreitet wurde und andererseits gegen eine – ebenfalls nur in einer E-Mail getätigte Äußerung. Die Kammer erachtet hierfür einen Gegenstandswert von 10.000,- EUR unter Berücksichtigung des nach der Praxis der Kammer üblichen Streitwerts für Veröffentlichungen im Internet in Höhe von 15.000,- EUR jeweils für übersetzt, da der Versand per E-Mail mit wenigen Empfängern hiermit kaum vergleichbar ist.

Die Kammer geht insoweit davon aus, dass ein Gegenstandswert von jeweils 6.000,- EUR, insgesamt also 12.000,- EUR angemessen ist.

Im Hinblick auf die Ansprüche wegen der Verwendung des Bildnisses hat der Kläger deutlich gemacht, dass sein Hauptinteresse an der Verhinderung der weiteren Verbreitung des Bildnisses in Form des Versandes der E-Mail liegt. Zwar hat er auch die Vervielfältigung und Bearbeitung auf dem Computer des Beklagten angegriffen, dieser Teil des Anspruch ist jedoch in der Intensität und dem erklärten Interesse des Klägers deutlich niedriger zu bewerten, die Kammer geht insoweit davon aus, dass auf den Anspruch nach KUG ein Gegenstandswert von 5.000,- EUR und auf den Anspruch nach UrhG ein Gegenstandswert von 1.000,- EUR entfällt.

d. Ausgehend hiervon konnte der Kläger Ersatz von Abmahnkosten aus einem Gegenstandswert von 5.000,- EUR verlangen, nämlich inklusive Auslagenpauschale und Umsatzsteuer insgesamt 492,54 EUR.

Denn richtet sich die Höhe der Abmahnkosten nach dem Gegenstandswert der Abmahnung, sind die Kosten einer nur teilweise berechtigten Abmahnung nur zu ersetzen, soweit die Abmahnung berechtigt war. Dabei ist die Höhe des Ersatzanspruchs durch Ermittlung des nach dem berechtigten Teil der Abmahnung zu ermittelnden Gegenstandswert zu bestimmen (BGH (VI. Zivilsenat) NJW 2017, 1550 Rn. 28 – Michael Schumacher; anders im Bereich des Wettbewerbsrechts BGH (I. Zivilsenat) GRUR 2010, 744 Rn. 52 – Sondernewsletter: Quotelung).

Hiervon war eine 0,65-Gebühr in Abzug zu bringen, also 196,95 EUR, so dass 295,59 EUR verbleiben.

Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus den §§ 288, 286 BGB.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91a, 92 Abs. 1 ZPO.

Im Hinblick auf den ursprünglichen Klageantrag zu I. war gemäß § 91a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Denn die Parteien haben den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

a. Soweit der Kläger seine Ansprüche gemäß dem Klageantrag zu I. auf die §§ 823, 1004 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG gestützt hat, wäre der Klage nach bisherigem Sach- und Streitstand stattzugeben gewesen (siehe oben).

b. Soweit der Kläger seine Ansprüche gemäß dem Klageantrag zu I. hingegen auf die §§ 72, 97 Abs. 1 UrhG in der Handlungsform des Vervielfältigens gestützt hat, waren die Kosten beiden Parteien zu gleichen Teilen aufzuerlegen. Denn über die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kläger urheberrechtlich aktivlegitimiert war, hätte nach bisherigem Sach- und Streitstand der vom Kläger angebotene Zeuge B2 gehört werden müssen.

c. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger seinen Klageantrag zu I. auch auf eine Verletzung von datenschutzrechtlichen Vorschriften gestützt hat. Nachdem, wie oben dargelegt, die Tathandlung des „Verbreitens“ auf das KUG gestützt wurde und die Tathandlung des „Vervielfältigens“ auf urheberrechtliche Ansprüche, kam es auf die datenschutzrechtlichen Ansprüche nicht mehr an, da das „Verbreiten“ bereits nach KUG zu untersagen war. Die Kammer legt den Klageantrag zu I. unter Berücksichtigung der Begründung in der Klageschrift (S. 7, Bl. 9 d.A.) dahingehend aus, dass sich der Kläger mit seinem datenschutzrechtlichen Anspruch ebenfalls allein gegen die angegriffene Tathandlung des „Verbreitens“ durch Versand der E-Mail und nicht auch diejenige des „Vervielfältigens“ richtet, was sich auch mit den Ausführungen des Klägers in der Abmahnung deckt. Der Kläger moniert diesbezüglich allein, dass „in dem Versand eines Personenbildnisses zugleich auch die Verwendung eines personenbezogenen Datums“ liege. Der Unterlassungsanspruch ergebe sich daher aus § 1004 BGB i.V.m. Art. 6 DSGVO. Erst anschließend begründet der Kläger seinen Klageantrag auf Unterlassung der Vervielfältigung (allein) unter Verweis auf § 16 UrhG."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Terrorist muss unverpixelte Bildveröffentlichung in der Bild-Zeitung dulden

BGH
Urteil vom 07.06.2011
VI ZR 108/10


Der BGH hat entschieden, dass ein Terrorist die unverpixelte Bildveröffentlichung in der Bild-Zeitung dulden muss.

Aus der Pressemitteilung des BGH:
"Im Streitfall handelte es sich bei der aktuellen Berichterstattung über die Urteilsverkündung um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des § 23 Abs. 1 KUG, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestand. Demgegenüber musste der Persönlichkeitsschutz des Klägers zurücktreten. Dem Umstand, dass der Kläger nur im Vertrauen auf die sitzungspolizeiliche Anordnung die Fotoaufnahmen ermöglicht haben will, kommt nicht das vom Berufungsgericht angenommene Gewicht zu. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass nach dem Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG ungepixelte Bildaufnahmen auch ohne Einwilligung des Klägers zulässig gewesen wären und er letztlich durch sein Verhalten allenfalls Bildaufnahmen hätte vereiteln können, die wegen des erheblichen Informationsinteresses der Öffentlichkeit grundsätzlich zulässig waren. Das Persönlichkeitsrecht ist auch im Rahmen der Sitzungspolizei nicht in weiterem Umfang zu schützen als dies nach §§ 22, 23 KUG der Fall ist."

Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:

"BGH: Terrorist muss unverpixelte Bildveröffentlichung in der Bild-Zeitung dulden" vollständig lesen

BGH: Zur Eintragungsfähigkeit eines Marlene-Dietrich-Bildnisses als Bildmarke

BGH
Beschluss vom 31.03.2010
I ZB 62/09
Marlene-Dietrich-Bildnis II
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1

Leitsätze des BGH:


a) Zeichen oder Angaben, die sonst als Werbemittel verwendet werden, ohne dass sie für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen beschreibend sind, kann nicht schon wegen einer solchen Verwendung die Eintragung als Marke versagt werden.

b) Bei der Prüfung des Eintragungshindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist im Wege einer Prognose zu ermitteln, ob dem angemeldeten Zeichen von Haus aus Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen zukommt. Dabei sind die in der betreffenden Branche bestehenden Verkehrsgepflogenheiten sowie - wenn das angemeldete oder ein ähnliches Zeichen bereits benutzt wird - die Kennzeichnungsgewohnheiten und die tatsächliche Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen. Die Wahrnehmung des Verkehrs, ob ein Zeichen im Einzelfall als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Ware oder Dienstleistung verstanden wird, kann auch dadurch beeinflusst werden, dass Marken bei den betreffenden Waren oder Dienstleistungen üblicherweise an bestimmten Stellen angebracht werden.

c) Einer Beschränkung der Marke darauf, dass der Schutz nur für die Anbringung des Zeichens an einer bestimmten Stelle begehrt wird (sogenannte Positionsmarke), bedarf es nicht, wenn - wie im Regelfall - praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten der Anbringung des Zeichens an verschiedenen Stellen auf oder außerhalb der Ware oder Dienstleistung in Betracht kommen, bei denen das Zeichen vom Verkehr als Herkunftshinweis
verstanden wird.

BGH, Beschluss vom 31. März 2010 - I ZB 62/09 - Bundespatentgericht

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: