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BGH: § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG steht mit Art. 34 und 36 AEUV nicht in Einklang - Niederländiche Versandapotheke darf Sofortbonus gewähren

BGH
Urteil vom 20.02.2020
I ZR 5/19
Sofort-Bonus II
ZPO § 308 Abs. 1; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 7, § 3 Abs. 1 und 2; §§ 3a, 5 Abs. 1; AMG § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a, § 78 Abs. 1 Satz 4; AEUV Art. 34 und 36; MB/KK 2009 § 1 Abs. 3 Buchst. a, § 4 Abs. 1 und 3, § 5 Abs. 4, § 9 Abs. 2 und 4; VVG § 200


Der BGH hat entschieden, dass § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG nicht mit Art. 34 und 36 AEUV in Einklang steht und eine niederländiche Versandapotheke einen Sofortbonus gewähren darf.

Leitsätze des BGH:

a) Die rechtliche Würdigung des durch den Vortrag der Klagepartei zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplexes ist Sache des Gerichts. Für die Frage des Streitgegenstands ist es daher unerheblich, ob die Klagepartei ihre Klage auf einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt gestützt hat; entscheidend ist vielmehr, dass sie einen Lebenssachverhalt vorgetragen hat, der sich rechtlich unter diesen Gesichtspunkt einordnen lässt.

b) Die Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG, wonach die auf der Grundlage des § 78 Abs. 1 Satz 1 AMG erlassene Arzneimittelpreisverordnung auch für Arzneimittel gilt, die gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG von einer Apotheke eines Mitgliedstaats der Europäischen Union an den Endverbraucher im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes verbracht werden, steht mit der Regelung in Art. 34 und 36 AEUV nicht in Einklang und ist daher gegenüber einer in den Niederlanden ansässigen Apotheke nicht anwendbar.

c) Die Werbung einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Versandapotheke gegenüber privatversicherten Verbrauchern mit einem diesen auf deren Kundenkonto gutgeschriebenen und mit dem Kaufpreis für nicht rezeptpflichtige Produkte zu verrechnenden Sofortbonus von bis zu 30 € pro Rezept stellt, falls der Bonus nicht auf der zur Vorlage beim privaten Krankenversicherer vorgesehenen Quittung vermerkt wird, keinen im Hinblick auf die von den Verbrauchern zu wahrenden Interessen ihrer Krankenversicherer begründeten Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt gemäß § 3 Abs. 2 UWG und, falls der Bonus auf dieser Quittung vermerkt wird, auch keine Irreführung des Kunden dar (Abgrenzung gegenüber BGH, Urteil vom 8. November 2007 - I ZR 60/05, GRUR 2008, 530 Rn. 14 bis 16 - Nachlass bei der Selbstbeteiligung; Urteil vom 8. November 2007 - I ZR 192/06, WRP 2008, 780 Rn. 16 bis 18; Versäumnisurteil vom 8. November 2007 - I ZR 121/06, juris Rn. 15 bis 17).

BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 - I ZR 5/19 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




Volltext BGH: Bonusaktionen der Smartphone-App My Taxi verstoßen nicht gegen die tarifliche Preisbindung für Taxiunternehmer

BGH
Urteil vom 29.03.2018
I ZR 34/17
Bonusaktion für Taxi App
UWG §§ 3a, 4 Nr. 4; PBefG §§ 6, 39 Abs. 3, § 51 Abs. 5


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Bonusaktionen der Smartphone-App My Taxi verstoßen nicht gegen die tarifliche Preisbindung für Taxiunternehmer über die Entscheidung berichtet.


a) Die Regelungen der § 51 Abs. 5, § 39 Abs. 3 PBefG zur Tarifpflicht im Taxiverkehr sind Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG.

b) Taxiunternehmen verstoßen durch die Beteiligung an Werbeaktionen des Betreibers einer Taxi-Bestell-App, bei denen dieser den Fahrgästen einen Teil (hier: die Hälfte) des Fahrpreises erstattet, nicht gegen die Tarifpflicht gemäß § 51 Abs. 5, § 39 Abs. 3 PBefG, sofern sie jeweils den vollen Fahrpreis erhalten. Es kommt nicht darauf an, ob der Fahrgast die Fahrt aus eigenen Mitteln oder aus Mitteln unabhängiger Dritter finanziert.

c) Es stellt keine nach § 6 PBefG unzulässige Umgehung der Tarifpflicht im Taxiverkehr dar, wenn der Betreiber der Taxi-Bestell-App im Rahmen derartiger Werbeaktionen eine angemessene Vermittlungsprovision von dem die Fahrt ausführenden Taxiunternehmen erhält.

BGH, Urteil vom 29. März 2018 - I ZR 34/17 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:





BGH: Bonusaktionen der Smartphone-App My Taxi verstoßen nicht gegen die tarifliche Preisbindung für Taxiunternehmer

BGH
Urteil vom 29.03.2018
I ZR 34/17


Der BGH hat entschieden, dass die Bonusaktionen der Smartphone-App My Taxi nicht gegen die tarifliche Preisbindung für Taxiunternehmer verstoßen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bonusaktionen für die Smartphone-App "My Taxi"

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundes-gerichtshofs hat am 29. März 2018 über die Zulässigkeit bestimmter Bonusaktionen für die Smartphone-App "My Taxi" entschieden.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein genossenschaftlicher Zusammenschluss von Taxizentralen in Deutschland. Sie betreibt die Taxi-Bestell-App "Taxi Deutschland". Die Beklagte vermittelt Taxi-Dienstleistungen über die Smartphone-App "My Taxi".

Die Klägerin beanstandet vier Bonusaktionen der Beklagten, bei denen registrierte Nutzer lediglich die Hälfte des regulären Fahrpreises zu zahlen hatten. Die andere Hälfte des Fahrpreises erhielt der Taxifahrer abzüglich Vermittlungsgebühren von der Beklagten.

Die Klägerin hält die Bonusaktionen für wettbewerbswidrig, weil sie gegen die Pflicht zur Einhaltung der behördlich festgesetzten Taxitarife verstießen. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat der Revision stattgegeben und die Klage abgewiesen.

Die Bonusaktionen der Beklagten verstoßen nicht gegen die tarifliche Preisbindung für Taxiunternehmer. Die Beklagte ist selbst kein Taxiunternehmer, für den die Festpreise gelten. Ihre Tätigkeit beschränkt sich auf die Vermittlung von Fahraufträgen, die von unabhängigen Taxiunternehmen selbständig durchgeführt werden. Diese Taxiunternehmen können uneingeschränkt die Dienste anderer Vermittler, wie etwa der Klägerin, in Anspruch nehmen.

Die Beklagte haftet auch nicht als Anstifterin oder Gehilfin für Wettbewerbsverstöße der ihre Vermittlungsleistungen in Anspruch nehmenden Taxiunternehmer. Die Beteiligung der Taxiunternehmer an den Bonusaktionen der Beklagten ist mit dem Personenbeförderungsgesetz vereinbar. Die Bestimmungen der § 51 Abs. 5, § 39 Abs. 3 PBefG zur Tarifpflicht im Taxiverkehr sind zwar Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG. Der Taxiunternehmer darf keinen Nachlass auf die tariflichen Festpreise gewähren. Wird der Festpreis vollständig an ihn gezahlt, liegt jedoch kein Verstoß gegen die Tarifpflicht vor. Bei der Prüfung eines Verstoßes gegen die Tarifpflicht kommt es also darauf an, ob das Vermögen des Taxiunternehmers nach Beförderung des Fahrgastes in Höhe des Festpreises vermehrt wird. Wie der Fahrgast das Entgelt finanziert, ist ohne Bedeutung. Bei den Aktionen der Beklagten erhalten die Taxiunternehmen den vollen tariflichen Festpreis. Soweit die Beklagte dabei eine Provision von 7% des Fahrpreises abzieht, handelt es sich um eine zulässige Vergütung ihrer Vermittlungsleistung.

Sinn und Zweck der Tarifpflicht des Taxiunternehmers gebieten kein anderes Ergebnis. Die Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs wird durch die beanstandeten Werbeaktionen der Beklagten nicht beeinträchtigt. Solange den Taxiunternehmen ausreichende Vermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, besteht kein Grund, den Wettbewerb im Bereich der Taxivermittlung im Interesse der Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs einzuschränken.

Auch eine unzulässige gezielte Behinderung der Klägerin durch die Beklagte (§ 4 Nr. 4 UWG) liegt nicht vor. Die nicht kostendeckende Erbringung einer Dienstleistung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen verboten, und zwar insbesondere dann, wenn sie zur Verdrängung von Mitbewerbern geeignet ist und in Verdrängungsabsicht erfolgt. Hier fehlt jedoch eine Eignung zur Verdrängung, weil die Aktionen der Beklagten sowohl räumlich auf mehrere deutsche Großstädte als auch zeitlich beschränkt waren.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 19. Januar 2016 – 3-06 O 72/15

OLG Frankfurt – Urteil vom 2. Februar 2017 - 6 U 29/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 39 PBefG

(1) Beförderungsentgelte und deren Änderung bedürfen der Zustimmung der Genehmigungsbehörde. Mit der Zustimmung sind die Beförderungsentgelte allgemein verbindlich. …

(2) …

(3) Die nach Absatz 1 festgestellten Beförderungsentgelte dürfen nicht über- oder unterschritten werden; sie sind gleichmäßig anzuwenden. Ermäßigungen, die nicht unter gleichen Bedingungen jedermann zugute kommen, sind verboten und nichtig.

§ 51 Beförderungsentgelte und -bedingungen im Taxenverkehr

(1) Die Landesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Beförderungs-entgelte und -bedingungen für den Taxenverkehr festzusetzen. …

Die Landesregierung kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung übertragen.



(5) Für die Anwendung der Beförderungsentgelte und -bedingungen gilt § 39 Abs. 3 entsprechend.

§ 4 Nr. 4 UWG

Unlauter handelt, wer Mitbewerber gezielt behindert.



BGH: Beeinflussung von Ärzten durch Anbieter gesundheitlicher Leistungen in Form von finanziellen Vorteilen wettbewerbswidrig

BGH
Urteil vom 24.06.2010
I ZR 182/08
Brillenversorgung II
UWG § 4 Nr. 1; BOÄ § 3 Abs. 2, § 34 Abs. 5

Leitsatz des BGH

Es stellt eine unangemessene unsachliche Einflussnahme auf die ärztliche Behandlungstätigkeit dar, wenn durch das Gewähren oder Inaussichtstellen eines finanziellen Vorteils darauf hingewirkt wird, dass Ärzte entgegen ihren Pflichten aus dem Behandlungsvertrag und dem Berufsrecht nicht allein anhand des Patienteninteresses entscheiden, ob sie einen Patienten an bestimmte Anbieter gesundheitlicher Leistungen verweisen.

BGH, Urteil vom 24. Juni 2010 - I ZR 182/08

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: