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LG Köln: Veröffentlichung von WhatsApp-Chatprotokollen ohne Zustimmung des Chatpartners ist eine Persönlichkeitsrechtsverletzung - Beziehungsprobleme eines Fußball-Nationalspielers

LG Köln
Urteil vom 10.06.2015
28 O 547/14


Das LG Köln hat entschieden, dass die eröffentlichung von WhatsApp-Chatprotokollen ohne Zustimmung des Chatpartners eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen können. Vorliegend ging es inhaltlich um Beziehungsprobleme eines Fußball-Nationalspielers. Die in den Entscheidungsgründen aufgezeigten Argumente gelten natürlich nicht nur für Prominente. Vielmehr genießen Privatpersonen ohne Prominentenstatus noch einen größeren Schutz ihrer Privatsphäre.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG hinsichtlich der Äußerung “‘N ist immer wieder in unsere Beziehung gegrätscht‘… M veröffentlichte kurzzeitig ein längeres WhatsApp-Chatprotokoll zwischen T und N. Der vereinslose Profi M … Erhebt in Y schwere Vorwürfe gegen Nationalspieler N: ‚N weiß sehr gut mit seinem dem Ball umzugehen. In dem Fall ist er immer wieder in unsere Beziehung gegrätscht und hat sein Fame … ausgenutzt. Nicht fein! ‘“

Durch das Verbreiten der durch M erhobenen Vorwürfe liegt ein Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers vor. Denn dessen Äußerungen betreffen – unabhängig davon, ob diese wahr oder unwahr sind – den privaten Kommunikationsverkehr des Klägers und darüber hinaus die privaten Beziehungsverhältnisse des Klägers.

Dieser Eingriff ist auch rechtswidrig geschehen. Bei dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt es sich dabei um einen sogenannten offenen Tatbestand, d.h. die Rechtswidrigkeit ist nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit positiv festzustellen (Palandt-Sprau, Kommentar zum BGB, 74. Auflage 2015, § 823 BGB, Rn. 95 m.w.N.). Eine solche abwägende Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen ist dabei auch bei unterhaltender Berichterstattung über Prominente angezeigt. Dabei gilt, dass auch diese eine berechtigte Erwartung auf Achtung und Schutz ihres Privatlebens haben (EGMR NJW 2010, S. 751). Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, etwa der Frage, ob private Angelegenheiten ausgebreitet werden, die lediglich die Neugier befriedigen (BVerfG NJW 2008, 1793 Rn. 65 – Caroline von Hannover). Insofern ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch unterhaltende Beiträge eine meinungsbildende Funktion erfüllen, denn sie können Realitätsbilder vermitteln und Gesprächsgegenstände zur Verfügung stellen, die sich auf Lebenseinstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster beziehen (BVerfG, a.a.O.) Prominente Persönlichkeiten können dabei für das Publikum eine Leitbild- und Kontrastfunktion einnehmen. Bei der vorzunehmenden Abwägung ist auch zu berücksichtigen, in welcher Schutzsphäre der Prominente durch die Berichterstattung berührt wird. So wiegt ein Eingriff in die Sozialsphäre weniger schwer wie ein Eingriff in die Privatsphäre oder die grundsätzlich vorbehaltslos geschützte Intimsphäre. Die Sozialsphäre kennzeichnet dabei einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht, so insbesondere das berufliche und politische Wirken des Individuums (BGH, NJW 2012, S. 771). Demgegenüber umfasst die Privatsphäre sowohl in räumlicher als auch in thematischer Hinsicht den Bereich, zu dem andere grundsätzlich nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird; dies betrifft in thematischer Hinsicht Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslöst (BGH, a.a.O. m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme dort entfallen oder zumindest im Rahmen der Abwägung zurücktreten kann, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden; denn niemand kann sich auf ein Recht zur Privatheit hinsichtlich solcher Tatsachen berufen, die er selbst der Öffentlichkeit preisgegeben hat (BGH, a.a.O. m.w.N.) Dies bedeutet, dass eine Person – ohne konkret in die Verbreitung einer Information eingewilligt zu haben – aufgrund einer Selbstöffnung eine Berichterstattung grundsätzlich hinnehmen muss, welche thematisch denselben Ausschnitt der Privatsphäre betrifft, den er in der Vergangenheit selbst geöffnet hat und eine ähnliche Intensität hat (BVerfG NJW 2006, 2838). Eine insofern reduzierte Privatheitserwartung kann daher im Einzelfall etwa daraus folgen, dass der Betreffende in Interviews „Einzelheiten über sein Privatleben“ offenbart hat (EGMR NJW 2012, S. 1058)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: