Skip to content

OLG Düsseldorf: Kein Lieferanspruch bei einem offensichtlichen Computerfehler bei der Preisangabe in einem Online-Shop

OLG Düsseldorf,
Urteil vom 19.05.2016
I-16 U 72/15


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass bei einem offensichtlichen Computerfehler bei der Preisangabe in einem Online-Shop keinen Anspruch auf Lieferung der Ware zum angegebenen Preis besteht. Zwar liegt nach Ansicht des Gerichts kein Anfechtungsgrund vor. Die Geltendmachung des Lieferanspruchs verstößt jedoch gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Klägerin ist es jedoch nach dem in § 242 BGB verankerten Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, sich auf ihren entstandenen Anspruch zu berufen. Denn dies stellt sich als unzulässige Rechtsausübung dar. Die Ausübung eines Rechts ist in der Regel missbräuchlich, wenn der Berechtigte es gerade durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hat (Fallgruppe des unredlichen Erwerbs einer Rechtsposition, Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. 2016, § 242 Rn. 42 m.w.N.). Für den – nicht zur Anfechtung berechtigenden – Kalkulationsirrtum ist anerkannt, dass es mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar ist, wenn der Erklärungsempfänger die fehlerhafte Preisangabe positiv erkennt und die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin unzumutbar ist (BGH, Urteil vom 07.07.1998, X ZR 17/97, BGHZ 139, 177, Rn. 24; BGH, Urteil vom 30.06.2009, XI ZR 364/08, Juris Rn. 33). Hieraus wird teilweise allgemein abgeleitet, das bewusste Ausnutzen einer offensichtlich irrtümlichen Preisangabe in einem Online-Buchungssystem sei rechtsmissbräuchlich (OLG München, Beschluss vom 15.11.2002, 19 W 2631/02, NJW 2003, 367). Diese Auffassung ist insoweit abzulehnen, als damit auch Fälle aufgrund Erklärungsirrtums fehlerhafter Preisangaben erfasst sein sollen (so aber wohl OLG München, a.a.O.). Dem steht entgegen, dass die Frage der positiven Kenntnis des Erklärungsirrtums der anderen Partei mit §§ 122 Abs. 2, 142 Abs. 2 BGB eine abschließende gesetzliche Regelung gefunden hat (vgl. auch BGH, Urteil vom 30.06.2009, XI ZR 364/08, Juris Rn. 31). Nicht gefolgt werden kann dieser Auffassung auch darin, dass bereits das Erkennen der irrtümlichen Preisauszeichnung für sich genommen ausreichen soll, um einen Rechtsmissbrauch anzunehmen. Nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bedarf es darüber hinaus der Feststellung, dass das Festhalten an dem Vertrag für den Irrenden schlechthin unzumutbar ist und auch die diesbezüglichen Umstände für den anderen Teil erkennbar sind (hierzu auch Staudinger/Olzen u. Looschelders, BGB, Neubearb. 2015, § 242 Rn. 427).

Es steht fest, dass der Geschäftsführer der Klägerin bei Abgabe des Angebots erkannt hatte, dass das Online-System der Beklagten einen viel zu niedrigen Preis anzeigte. Zwar bestreitet die Klägerin, dass es sich bei dem von der Fa. M… mitgeteilten Preis um den Einkaufspreis der Beklagten handele. Aber sie tritt weder dem weitergehenden Vortrag der Beklagten entgegen, dass der Marktwert der Geräte über dieser Summe liegt, noch bestreitet sie, dass ihr Geschäftsführer im Zeitraum der Bestellung per Google den marktüblichen Preis ermittelt hat, der wie dargelegt über 3.300 Euro bis hin zu 4.500 Euro liegt. Ob er sich dabei eine Vorstellung davon gemacht hat, der angezeigte, offensichtlich fehlerhafte Preis beruhe auf einer fehlerhaften Eingabe (Erklärungsirrtum) oder einer fehlerhaften Berechnung (Kalkulationsirrtum), spielt insoweit keine Rolle.

Auch ist das Festhalten an dem Vertrag – für den Geschäftsführer der Klägerin bei Vertragsschluss erkennbar – für die Beklagte schlechterdings unzumutbar. Denn damit würde sie die Generatoren zu weniger als 1% ihres Marktwertes verkaufen, was auch bei der Annahme einer großzügigen Handelsspanne einen erheblichen Verlust nach sich ziehen würde."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: