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LG Köln: Zum urheberrechtlichen Schutz des Spielkonzepts für ein Videospiel - Idee allein ist nicht geschützt

LG Köln
Urteil vom 11.01.2024
14 O 441/23

Das LG Köln hat sich in dieser Entscheidung mit dem urheberrechtlichen Schutz des Spielkonzepts für ein Videospiel befasst und klargestellt, dass die Idee allein nicht geschützt ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit dem die Verfügungsklägerin die Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung begehrt, ist jedoch nicht begründet.

1. Allerdings ist deutsches Recht vorliegend anwendbar.

Nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-VO) ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums das Recht des Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht wird. Nach diesem Recht sind insbesondere das Bestehen des Rechts, die Rechtsinhaberschaft des Verletzten, Inhalt und Umfang des Schutzes sowie der Tatbestand und die Rechts folgen einer Rechtsverletzung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2014 - I ZR 35/11, GRUR 2015, 264 [juris Rn. 24] = WRP 2015, 347 - Hi Hotel II; BGH, GRUR 2016, 1048 [juris Rn. 24] - An Evening with Marlene Dietrich, jeweils mwN). Da Gegenstand des Antrags allein Ansprüche wegen einer Verletzung der Rechte der Verfügungsklägerin als Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem urheberrechtlich geschützten Werk „Titel entf“ sind, für die die Verfügungsklägerin im Inland Schutz beansprucht, ist im Streitfall deutsches Urheberrecht anzuwenden (so für den Fall der Tonträgerherstellerrechte nach § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG: BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 135/18 – uploaded III, Rn. 21, juris).

Die Verfügungsklägerin kann sich als Gesellschaft nach französischem Recht auf die Verletzung deutschen Urheberrechts berufen. Nach § 120 Abs. 1 UrhG genießen deutsche Staatsangehörige den urheberrechtlichen Schutz für alle ihre Werke, gleichviel, ob und wo die Werke erschienen sind. Gemäß § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG stehen Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union – und damit auch Staatsangehörige aus Frankreich – den deutschen Staatsangehörigen gleich, wobei mit dieser Vorschrift das bereits unmittelbar aus Art. 18 AEUV folgende Diskriminierungsverbot, dem auch Urheber- und verwandte Schutzrechte unterfallen, im deutschen Recht klargestellt wird (vergleiche etwa: Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 120 Rn. 8).

2. Der Verfügungsklägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte allerdings nicht wegen einer Verletzung urheberrechtlich geschützter Rechtspositionen zu.

Die Voraussetzungen aus §§ 97 Abs. 1 S. 1, 2 Abs. 1, 19 a UrhG liegen nach dem Sach- und Streitstand nicht vor.

Denn auch wenn Urheberrechtsschutz angenommen wird (dazu unter a), greift das öffentliche Zugänglichmachen des Videospiels „F. V.“ nicht in das der Verfügungsklägerin vorbehaltene Recht nach § 19a UrhG an dem Videospiel „Titel entf“ ein (dazu unter b).

a) Eine Verletzung des Urheberrechts gemäß § 97 UrhG liegt nicht nur bei einer identischen widerrechtlichen Nachbildung eines Werks vor. Aus der Bestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG, nach der Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werks nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden dürfen, ergibt sich, dass der Schutzbereich des Veröffentlichungsrechts im Sinne von § 12 UrhG und der Verwertungsrechte gemäß § 15 UrhG sich - bis zu einer gewissen Grenze - auch auf vom Original abweichende Gestaltungen erstreckt (BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 55] - Porsche 911, mwN; BGH, Urteil vom 15.12.2022 – I ZR 173/21 – Rn. 27 – Vitrinenleuchte).

Bei der Prüfung, ob eine Veränderung eines Werks in den Schutzbereich des Urheberrechts fällt, ist zu berücksichtigen, dass jede Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG, soweit sie körperlich festgelegt ist, zugleich eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG darstellt. Zu den Vervielfältigungen zählen nicht nur Nachbildungen, die mit dem Original identisch sind; vom Vervielfältigungsrecht des Urhebers werden vielmehr auch - sogar in einem weiteren Abstand vom Original liegende - Werkumgestaltungen erfasst, wenn die Eigenart des Originals in der Nachbildung erhalten bleibt und ein übereinstimmender Gesamteindruck besteht (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 56] - Porsche 911, mwN). Allerdings führt nicht jede Veränderung eines Werks zu einer Bearbeitung oder anderen Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG. In einer nur unwesentlichen Veränderung einer benutzten Vorlage ist nicht mehr als eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG zu sehen. Eine Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG setzt daher eine wesentliche Veränderung der benutzten Vorlage voraus. Ist die Veränderung der benutzten Vorlage indessen so weitreichend, dass die Nachbildung über eine eigene schöpferische Ausdruckskraft verfügt und die entlehnten eigenpersönlichen Züge des Originals angesichts der Eigenart der Nachbildung verblassen, liegt keine Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG und keine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG, sondern ein selbständiges Werk vor, das in freier Benutzung des Werks eines anderen geschaffen worden ist und das nach § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks veröffentlicht und verwertet werden darf (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 56] - Porsche 911, mwN).

Aus diesen Grundsätzen ergibt sich folgende Prüfungsfolge: Zunächst ist im Einzelnen festzustellen, welche objektiven Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit des benutzten Werks bestimmen. Sodann ist durch Vergleich der einander gegenüberstehenden Gestaltungen zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in der neuen Gestaltung eigenschöpferische Züge des älteren Werks übernommen worden sind. Maßgebend für die Entscheidung ist letztlich ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der Gestaltungen, in dessen Rahmen sämtliche übernommenen schöpferischen Züge in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sind. Stimmt danach der jeweilige Gesamteindruck überein, handelt es sich bei der neuen Gestaltung um eine Vervielfältigung des älteren Werks (vgl. BGH, GRUR 2022, 899, 906, Rn. 57 – Porsche 911, mwN). Weicht hingegen der Gesamteindruck der neuen Gestaltung vom Gesamteindruck des älteren Werks in der Weise ab, dass die den Urheberrechtsschutz des älteren Werks begründenden Elemente im Rahmen der Gesamtschau in der neuen Gestaltung verblassen, also nicht mehr wiederzuerkennen sind, greift die neue Gestaltung nicht in den Schutzbereich des älteren Werks ein (vgl. BGH, GRUR 2022, 899, 906, Rn. 58 – Porsche 911, mwN). Bei der Feststellung des Gesamteindrucks sowie der Feststellung, in welchem Umfang eigenschöpferische Züge eines Werks übernommen worden sind, handelt es sich um Tatfragen (BGH, GRUR 2023, 571, 574, Rn. 31 – Vitrinenleuchte). Die Grundsätze, nach denen der Schutzbereich urheberrechtlicher Verwertungsrechte bestimmt wird, hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinen Entscheidungen “Infopaq International" (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - C-5/08, Slg. 2009, 6569 = GRUR 2009, 1041) sowie "Pelham u.a." (EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019 - C-476/17, GRUR 36 37 - 19 - 2019, 929 = WRP 2019, 1156) geklärt (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 100] - Porsche 911).

Eine neue Gestaltung greift allerdings schon dann nicht in den Schutzbereich eines älteren Werks ein, wenn ihr Gesamteindruck vom Gesamteindruck des älteren Werks in der Weise abweicht, dass die den Urheberrechtsschutz des älteren Werks begründenden Elemente im Rahmen der Gesamtschau in der neuen Gestaltung verblassen, also nicht mehr wiederzuerkennen sind. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht mehr darauf an, ob die neue Gestaltung die Anforderungen an ein urheberrechtlich geschütztes Werk erfüllt. Selbst wenn mit der neuen Gestaltung unter Benutzung des älteren Werks ein neues Werk geschaffen worden sein sollte, könnte dieser Umstand für sich genommen einen Eingriff in die Urheberrechte am älteren Werk nicht rechtfertigen. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH kann eine Einschränkung des Schutzbereichs außerhalb der Schranken nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass kulturelles Schaffen nicht ohne ein Aufbauen auf früheren Leistungen anderer Urheber denkbar ist (EuGH GRUR 2019, 929 Rn. 56–65 – Pelham ua).

Zwar geht die Kammer davon aus, dass es sich bei dem Computerspiel der Verfügungsklägerin „Titel entf“ um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt.

So kann ein derartiges Computerspiel – bei entsprechenden Feststellungen – hinsichtlich der Client-Software ein Computerprogramm sein und darüber hinaus audiovisuelle Spieldaten, also Grafiken, Musik, Filmsequenzen, Texte und Modelle enthalten. Bei einer solchen Software für ein Computerspiel, die nicht nur aus einem Computerprogramm besteht, sondern auch audiovisuelle Daten enthält, kommt nicht nur dem Computerprogramm (§ 69a Abs. 1 UrhG), sondern auch den audiovisuellen Bestandteilen urheberrechtlicher Schutz zu, soweit sie einen eigenen schöpferischen Wert haben, der nicht auf die Kodierung in einer Computersprache beschränkt ist. Diese Bestandteile können für sich genommen als Sprachwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG), Musikwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG), Werke der bildenden Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG), Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG), Filmwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG), Lichtbilder (§ 72 UrhG) oder Laufbilder (§ 95 UrhG) urheberrechtlich geschützt sein oder an der Originalität des Gesamtwerks teilhaben und zusammen mit diesem Urheberrechtsschutz genießen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 – I ZR 25/15 – World of Warcraft I, Rn. 34, juris).

Dabei geht die Kammer grundsätzlich davon aus, dass die Software, mit der das Videospiel programmiert ist, insbesondere auch die Client-Software, als Computerprogramm im Sinne von §§ 69a ff. UrhG geschützt ist und auch einzelne Bestandteile des Spiels „Titel entf“ im vorstehenden Sinne als Sprachwerke, Musikwerke, Werke der bildenden Kunst, Lichtbilder etc. urheberrechtlich geschützt sind.

Der Schutz des Spieles „Titel entf“ als Computerprogramm wird von der Verfügungsklägerin vorliegend für sich genommen nicht geltend gemacht. Auch der Schutz bestimmter audiovisueller Spieldaten, also Grafiken, Musik, Filmsequenzen, Texte und Modelle, wird von der Verfügungsklägerin nicht verlangt. Letzteres führt dazu, dass die Wertungen aus dem Beschluss der Kammer vom 26.03.2020 – 14 O 90/20 – vorliegend nicht eingreifen, weil für die Einordnung einer Urheberrechtsverletzung durch das dort streitgegenständliche Spiel die Übernahme der in das Spiel integrierten grafischen Elemente war.

Vielmehr begehrt die Verfügungsklägerin Unterlassung hinsichtlich der öffentlichen Zugänglichmachung des Videospiels der Verfügungsbeklagten „F. V.“ insgesamt und zwar nur dann,

„wenn und soweit die Version des Videospiels "F. V." das Spielkonzept enthält, dass ein sogenanntes "idle game" Rennspiel vorliegt, bei dem die Spielfigur in vier verschiedenen Disziplinen ein bestimmtes Terrain autonom zu überwinden hat, der Spieler dabei die Aufgabe hat, vor jedem Rennen seine Figur durch Trainings und bestimmte Ausrüstung bestmöglich vorzubereiten, damit die Spielfigur sodann autonom das jeweilige Rennen bestreitet, und durch das Gewinnen von Rennen, bestimmte Ereignisse oder den Erwerb im Shop die Ausrüstungsgegenstände erlangt werden können, und dieses Videospiel durch folgende Spielelemente ausgeführt wird:

(1) Vor jedem Rennen wird eine bestimmte Benutzeroberfläche ("user interface") gezeigt, welche die erlangten Fähigkeiten und weiteren Verbesserungsmöglichkeiten für die Spielfigur zeigt;

(2) beim Countdown vibriert das Smartphone oder Tablet zu den Zahlen 3 bis 1, und es wird aus der Vogelperspektive im leichten Schwenk auf die Starter herangezoomt;

(3) jede der vier Disziplinen zur Überwindung des Terrains wird in einer bestimmten Kameraperspektive gezeigt, wobei im Hintergrund natürliche Elemente zu erkennen sind;

(4) nach Überqueren der Ziellinie wird wieder eine bestimmte Benutzeroberfläche gezeigt, welche die Position der Spielfigur wiedergibt;

(5) nach dem Rennen wird eine neue Benutzeroberfläche gezeigt, welche die Möglichkeiten der Verbesserung durch Trainings- und Ausrüstungsgegenstände darstellt.

Die Verfügungsklägerin macht mithin ihren Urheberrechtsschutz an dem Spielkonzept fest, das nach ihrer Auffassung eine Konkretisierung der zugrunde liegenden Spielidee und damit ein schutzfähiges Werk sein soll.

Es erscheint indes bereits fraglich, ob die Verfügungsklägerin ein urheberrechtlich geschütztes Spielkonzept in ihrem Spiel „Titel entf“ ausreichend vorgetragen hat.

Der Kläger trägt im urheberrechtlichen Verletzungsprozess die Darlegungslast für das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung (BGH, Urteil vom 19. März 2008 - I ZR 166/05, GRUR 2008, 984 Rn. 19 = WRP 2008, 1440 - St. Gottfried, mwN). Er hat daher nicht nur das betreffende Werk vorzulegen, sondern grundsätzlich auch die konkreten Gestaltungselemente darzulegen, aus denen sich der urheberrechtliche Schutz ergeben soll (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1973 - I ZR 93/72, GRUR 1974, 740, 741 - Sessel; Urteil vom 14. November 2002 - I ZR 199/00, GRUR 2003, 231, 233 = WRP 2003, 279 - Staatsbibliothek).

Nähere Darlegungen sind zwar entbehrlich, wenn sich die maßgeblichen Umstände schon bei einem bloßen Augenschein erkennen lassen. In solchen einfach gelagerten Fällen kann der Kläger seiner Darlegungslast bereits durch Vorlage des Werkes oder von Fotografien des Werkes genügen (vgl. BGH, GRUR 2003, 231, 233 - Staatsbibliothek; GRUR 2008, 984 Rn. 19 - St. Gottfried, mwN; zitiert nach: BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – I ZR 53/10 – Seilzirkus, Rn. 24 - 25, juris).

Ist das jedoch nicht der Fall und lassen sich die den Urheberrechtsschutz begründenden Umstände nicht ohne weiteres dem Werk entnehmen, muss genau und deutlich dargelegt werden, inwieweit eine künstlerische Gestaltung gemäß § 2 Abs. 2 UrhG gegeben ist (so ausdrücklich für die angewandte Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG von Gebrauchsgegenständen: BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – I ZR 53/10 – Seilzirkus, Rn. 25, juris).

Diesen Anforderungen ist die Verfügungsklägerin im Ausgangspunkt gerecht geworden. Denn sie hat bereits in ihrer Antragsfassung und auch in der zugehörigen Begründung ausgeführt, dass es sich bei dem von ihr geschaffenen Spiel um die Konkretisierung eines Spielkonzepts handelt, das bestimmte Spielelemente enthält, nämlich

- ein sogenanntes "idle game" Rennspiel vorliegt,

- bei dem die Spielfigur in vier verschiedenen Disziplinen ein bestimmtes Terrain autonom zu überwinden hat,

- der Spieler dabei die Aufgabe hat, vor jedem Rennen seine Figur durch Trainings und bestimmte Ausrüstung bestmöglich vorzubereiten,

- damit die Spielfigur sodann autonom das jeweilige Rennen bestreitet,


- und durch das Gewinnen von Rennen, bestimmte Ereignisse oder den Erwerb im Shop die Ausrüstungsgegenstände erlangt werden können,

und dies durch folgende Spielelemente, die dabei ausgeführt werden müssen, gestaltet ist:

1) Vor jedem Rennen wird eine bestimmte Benutzeroberfläche ("user interface") gezeigt, welche die erlangten Fähigkeiten und weiteren Verbesserungsmöglichkeiten für die Spielfigur zeigt;

(2) beim Countdown vibriert das Smartphone oder Tablet zu den Zahlen 3 bis 1, und es wird aus der Vogelperspektive im leichten Schwenk auf die Starter herangezoomt;

(3) jede der vier Disziplinen zur Überwindung des Terrains wird in einer bestimmten Kameraperspektive gezeigt, wobei im Hintergrund natürliche Elemente zu erkennen sind;

(4) nach Überqueren der Ziellinie wird wieder eine bestimmte Benutzeroberfläche gezeigt, welche die Position der Spielfigur wiedergibt;

(5) nach dem Rennen wird eine neue Benutzeroberfläche gezeigt, welche die Möglichkeiten der Verbesserung durch Trainings- und Ausrüstungsgegenstände darstellt,

also zusammengefasst durch die folgenden Elemente geprägt ist:

Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

Dabei ist indes zu beachten, dass die bloße Idee, also bloße Vorstellungen von einem Werk, die noch keine konkrete Form gefunden haben, nicht geschützt ist. Erst wenn diese Ideen eine konkrete Gestalt angenommen haben, beginnt der Urheberrechtsschutz (vergleiche: Dreier/Schulze/Schulze, 7. Aufl. 2022, UrhG § 2 Rn. 37 mit weiteren Nachweisen).

In Anlehnung an die Kriterien für die Beurteilung, ob ein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk gegeben ist, könnte auch das von der Verfügungsklägerin für sich reklamierte Spielkonzept bewertet werden.

Bei einem solchen Schriftwerk kann nämlich die urheberrechtlich geschützte, individuelle geistige Schöpfung sowohl in der von der Gedankenführung geprägten Gestaltung der Sprache als auch in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffes zum Ausdruck kommen (BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - I ZR 9/95, BGHZ 134, 250, 254 f. - CB-infobank I; Urteil vom 6. Mai 1999 - I ZR 199/96, BGHZ 141, 329, 333 f. - Tele-Info-CD). Soweit die schöpferische Kraft eines Schriftwerkes dagegen allein im innovativen Charakter seines Inhalts liegt, kommt ein Urheberrechtsschutz nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 11. April 2002, GRUR 2002, 958, 959 = WRP 2002, 1177 - Technische Lieferbedingungen). Der gedankliche Inhalt eines Schriftwerkes muss einer freien geistigen Auseinandersetzung zugänglich sein (Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 2 UrhG Rn. 59 und 84). Die einem Schriftwerk zugrunde liegende Idee ist daher urheberrechtlich grundsätzlich nicht geschützt (Schricker/Loewenheim aaO § 24 UrhG Rn. 19; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 24 Rn. 22, jeweils mwN).

Anders kann es sich verhalten, wenn diese Idee eine individuelle Gestalt angenommen hat, wie dies beispielsweise bei der eigenschöpferischen Gestaltung eines Romanstoffs der Fall ist. Dann kann die auf der individuellen Phantasie des Dichters beruhende Fabel wie etwa der Gang der Handlung, die Charakteristik der Personen oder die Ausgestaltung von Szenen urheberrechtlich geschützt sein (BGHZ 141, 267, 279 - Laras Tochter; zitiert nach: BGH, Urteil vom 1. Dezember 2010 – I ZR 12/08 – Perlentaucher, Rn. 36, juris)

Eine Fabel im Sinne der Gestaltung eines Romanstoffs entnimmt die Kammer den von der Verfügungsklägerin vorgetragenen Merkmalen von „Titel entf“ indes nicht. Denn die Zusammenfügung der Merkmale

Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

erzählt keine Geschichte und beschreibt auch keinen (komplexen) Handlungsstrang im Sinne einer solchen Fabel. Vielmehr stellt sie ein in sich geschlossenes System von Spielregeln und die Abfolge von Inhalten dar, die überdies in weiten Teilen durch Logik vorgegeben sind. An dieser Stelle ist für eigenschöpferische Tätigkeit kein Raum.

Damit verbleibt – angsichts des bewusst nicht gewählten Schutzes der Gestaltung der einzelnen Elemente – nur die Möglichkeit, dass eine individuelle geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung der Elemente zum Ausdruck gekommen ist. Allerdings erscheint es der Kammer ohne weiteres üblich zu sein, dass Rennspiele in aller Regel eine oder mehrere Disziplinen aufweisen, ein bestimmter Charakter am Rennen teilnimmt, eine Ausstattung gewählt werden kann, bestimmte strategische Entscheidungen vor dem Rennen getroffen werden können, nach dem Rennen ein Rangsystem gezeigt wird und zusätzliche Ereignisse im Spiel Fortschritt möglich sind, insbesondere auch ein Shop für In-Game-Käufe vorhanden ist. Allenfalls die Hinzunahme der Spieleelement „Idle Game“ und eines hierfür spezifischen Trainingssystems könnte eine Variante zu dem Konzept üblicher Rennspiele und deren Gestaltung darstellen. Insoweit erscheint aber gerade die Kombination des Trainingssystems und des „autonomen“ Rennens ohne Steuerung durch den Spieler in weitem Umfang von logischen Zwängen geprägt, etwa dass eine Spielfigur, die schneller laufen soll, durch Training oder sonstige Ausstattung an Schnelligkeit gewinnt. Dies ist im Ausgangspunkt weder individuell, noch schöpferisch.

Ob die Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung der Elemente im Spiel der Verfügungsklägerin indes bereits für den Urheberrechtsschutz ausreicht, ob also in dieser Kombination geläufiger oder durch Sachzwänge gebotener Merkmale eines Rennspiels eine individuelle geistige Schöpfung liegt, erscheint durchaus zweifelhaft. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei diesen Kriterien um abstrakte Gestaltungselemente handelt, die für sich genommen keinen konkreten Bezug zu der tatsächlichen Ausgestaltung durch die Verfügungsklägerin in ihrem Spiel „Titel entf“ haben. Dies führt dazu, dass die Zuerkennung des urheberrechtlichen Schutzes, wie ihn die Verfügungsklägerin begehrt, bei Lichte betrachtet zu einer Monopolisierung eines „Idle Game“ Rennspiels mit Trainingsfunktion, mit Ausstattungsoptionen vor jedem Rennen und Progressionssystem unabhängig von der konkreten Ausgestaltung führen würde. Damit würde aber ein dem Urheberrecht fremder Ideenschutz bewirkt.

Ähnlich stellt sich der Befund dar, wenn man den urheberrechtlichen Schutz des klägerischen Spiels auf den Gedanken eines Sammelwerks nach § 4 Abs. 1 UrhG stützen wollte. Denn auch insoweit müssten Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung darstellen. Dies kann nach den obigen Ausführungen hingegen nicht ohne Zweifel angenommen werden.

b) Selbst wenn ein Urheberschutz insofern unterstellt wird, greift das Anbieten des Spieles „F. V.“ in dem App Store und bei Google Play nicht in das Recht der Verfügungsklägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung des Spiels „Titel entf“ gemäß § 19a UrhG ein. Es handelt sich bei der angegriffenen Gestaltung vielmehr um eine freie Bearbeitung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG, da sie einen hinreichenden Abstand zum (unterstellten) Originalwerk wahrt und damit auch keine Vervielfältigung im Sinne von § 16 UrhG ist.

Der Gesamteindruck des angegriffenen Videospiels „F. V.“ stimmt nicht in einem die Annahme einer Urheberrechtsverletzung tragenden Maße mit dem Spiel „Titel entf““ überein.

Bei der Würdigung ist der Schutzumfang bei Übernahme der vorstehend für den Urheberrechtsschutz von der Verfügungsklägerin geltend gemachten Elemente zu beachten. Dieser ist umso enger, je abstrakter die übernommenen Gestaltungselemente sind (Loewenheim UrhR-HdB, § 7 Schutzgegenstand Rn. 8, beck-online). Wie bereits dargelegt, bleiben die insgesamt nur 10 Merkmale, an denen die Verfügungsklägerin den urheberrechtlichen Schutz festmachen will, sehr abstrakt und allgemein, sodass – wenn überhaupt – nur von einem sehr engen Schutzbereich auszugehen ist. In der Verletzungsprüfung ist besonders sorgsam darauf zu achten, dass in diesen Fällen auch nur die Nutzung der über die Idee hinausgehenden, bereits individualisierten Gestaltungselemente des Werks einen Eingriff in das in seinem Schutzumfang entsprechend beschränkte Urheberrecht begründen kann, während der bloße Rückgriff auf die zugrundeliegende allgemeine Idee frei bleibt (Loewenheim UrhR-HdB, § 7 Schutzgegenstand Rn. 6, beck-online).

Nach diesen Maßstäben sieht die Kammer keine Urheberrechtsverletzung der Verfügungsklägerin an ihrem Spiel „Titel entf“ durch eine Übernahme des Spielekonzepts durch die Verfügungsbeklagte in deren Spiel „F. V.“. Dies gilt auch bei Zugrundelegung der Präsentationen aus der Anlage AST 11 und der von der Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung vorgeführten und erläuterten Präsentation, eingereicht mit Schriftsatz vom 18.01.2024.

Die konkrete Ausgestaltung der von der Verfügungsklägerin angeführten abstrakten 10 Merkmale erfolgt in beiden Spielen – zum Teil, etwa in grafischer Hinsicht, erheblich – unterschiedlich. Zwar ist erkennbar, dass das Spiel „F. V.“ Inspirationen von dem Videospiel der Verfügungsklägerin „Titel entf“ enthält.

Allerdings sind die einzelnen Elemente nach dem Sach- und Streitstand sämtlich vorbekannt. Dies ergibt sich zum einen aus der Präsentation der Verfügungsbeklagten in der Anlage AG 1 zum Schriftsatz vom 10.01.2024, um die in der mündlichen Verhandlung vorgeführten Videos ergänzt im Schriftsatz vom 15.01.2024. Auch wenn grundsätzlich der Verletzer durch Vorlage von konkreten Entgegenhaltungen darlegen und beweisen muss, dass der Urheber bei der Erschaffung seines Werkes auf Vorbekanntes zurückgegriffen habe (vergleiche: Dreier/Schulze/Schulze, 7. Aufl. 2022, UrhG § 2 Rn. 73 mit weiteren Nachweisen), ist der Inhalt der zwischen den Parteien diskutierten (vorbekannten) Spiele letztlich nicht im Streit.

Danach steht fest, dass es sich bereits bei dem erstmals im Jahr 2001 veröffentlichten Spiel SEGA Chao Races um ein Racing Game handelt. Auch in diesem Spiel sind verschiedene Disziplinen zu absolvieren, zu denen auch Schwimmen, Fliegen und Laufen sowie Klettern gehören. Demnach ist jedenfalls die Auswahl dieser vier Disziplinen in „Titel entf“ nicht exklusiv der Verfügungsklägerin zuzuordnen.

Auch das aus dem Jahr 1999 stammende Spiel Duck Life ist ein Idle Racing-Game, bei dem Spieler Laufen, Schwimmen und Fliegen trainieren, um ihre Spieler für das Rennen zu verbessern.

Ebenfalls ein Idle Racing Game ist das aus dem Jahr 2011 stammende Spiel Animal Raceway, das auch eine Trainings-Funktionalität zur Verbesserung der Renn-Leistung aufweist. Deshalb drängt sich der Kammer auf, dass dieses Konzept des Trainings der autonomen Spielfiguren letztlich für dieses Spielgenre zwingend ist, da andernfalls kein sinnvolles Gameplay denkbar ist.

Dass eine Rangliste aufgestellt wird, weitere Möglichkeiten des Fortschritts durch Ereignisse im Spiel angeboten werden und ein Shop für In-App-Käufe in Videospielen vorhanden sind, ist allgemein bekannt und üblich, sodass eine Übernahme dieser Elemente möglich ist, ohne dass dadurch eine Urheberrechtsverletzung erfolgen würde.

Gewichtig für den maßgeblichen Gesamteindruck erscheint der Kammer nicht zuletzt auch die in der mündlichen Verhandlung unstreitig gebliebene Tatsache, dass beide Parteien für ihr jeweiliges Spiel bei demselben Anbieter Unity Asset Store das gleiche Gestaltungsmaterial (d.h. Grafiken, Buttons etc.) erworben haben, nämlich das „GUI Pro - Casual“ asset pack wie dies aus der Präsentation der Verfügungsbeklagten ersichtlich ist. Da somit in beiden Spielen die gleichen Einzelelemente bei den Schaltflächen, Symbolen etc. des Anbieters Unity Asset Store Verwendung gefunden haben, ergibt sich schon von daher eine ähnliche Anmutung in Menüdarstellungen und Übersichten außerhalb des Renngeschehens, oder wie die Verfügungsbeklagte dies ausdrückt, ein ähnlicher „Look and Feel“, wobei die Verfügungsbeklagte unwidersprochen vorgetragen hat, dass es sich dabei um einen allseits bekannten und weitverbreiteten „Look and Feel“ von Mobile Games handelt. Daran ändert letztlich auch nichts, wenn die Verfügungsklägerin darauf verweist, dass mehrere tausend Einzelelemente („Assets“) von dem Unity Asset Store zur Verfügung gestellt werden. Deshalb ist dieser Umstand nicht geeignet, eine Übernahme im Sinne einer unfreien Bearbeitung zu begründen, zumal die Verfügungsklägerin hier auch keine schöpferische Handlung neben der bloßen Auswahl aus dieser Vielfalt von Assets vorträgt.

Damit bleibt es dabei, dass die Verfügungsbeklagte zwar die Spielidee, die „Titel entf“ zugrunde liegt, für ihr Spiel „F. V.“ aufgegriffen hat, in die urheberrechtlich geschützte Position der Verfügungsklägerin an ihrem Spiel „Titel entf“ indes nicht eingegriffen hat. Sie hat ein Konkurrenzprodukt entwickelt, dass sich in der Auswahl und Anordnung von Spielelementen an das klägerische Spiel annähert, dabei aber auch Abweichungen enthält, zuvörderst in der andersartigen Renndisziplin „Steine zerschlagen“ statt Schwimmen. Im Übrigen folgt das mit Blick auf die Spielfiguren, Rennstrecken und Ausstattungsgegenständen grafisch erheblich andersartige Spiel „F. V.“ dem logisch zwingenden Ablauf eines „Idle Game“ Rennspiels. Denn es drängt sich auf, dass der Computerspieler seine Rennfigur, die er im Rennen nicht durch eigenes Geschick, nur durch strategische Entscheidungen zum Sieg führen kann. Dass dies durch Training geschehen kann, zeigen bereits die oben dargestellten vorbekannten Spiele auf. Dass dies durch die Auswahl von Hilfsmitteln, z.B. eines Fluggeräts bei der Disziplin Fliegen, geschehen kann, erscheint bei einer Gesamtbetrachtung von bekannten Videospielen ebenfalls als generelles Prinzip. So stellt die Suche nach „Items“ verschiedener Güte bei vielen Videospielen einen zentralen Spielinhalt dar, um dann in Kampf- oder Rennsituationen siegen zu können. Ebenso ist das von der Verfügungsbeklagten genutzte Progressionssystem mit Levels und freischaltbaren Funktionalitäten bei fortlaufender Spieldauer integraler Teil von nahezu allen Videospielen, die sich nicht binnen kurzer Zeit „durchspielen“ lassen.



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Köln: Deckelung der Abmahnkosten nach § 97a Abs. 3 UrhG in Filesharingfällen bei einem aktuellen bzw. erfolgreichen Computerspiel unbillig - Streitwert von 10.000 EURO bis 15.000 EURO angemessen

LG Köln
Urteil vom 21.07.2022
14 O 152/19


Das LG Köln hat entschieden, dass die Deckelung der Abmahnkosten nach § 97a Abs. 3 UrhG in Filesharingfällen bei einem aktuellen bzw. erfolgreichen Computerspiel unbillig ist und regelmäßig ein Streitwert von 10.000 EURO bis 15.000 EURO angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Klägerin stehen gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten (Klageantrag zu 2.) zu in Höhe von 745,40 € gemäß § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG (in der bis zum 01.12.2020 geltenden Fassung; im Folgenden: a.F.; siehe dazu nachfolgende Ausführungen unter lit. b.) und auf Schadenersatz (Klageantrag zu 3.) gemäß § 832 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 97 Abs. 2 UrhG i.V.m. §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG in Höhe von 249,- € zu (siehe dazu die nachfolgenden Ausführungen lit. a.).

a) Schadensersatz

Der Anspruch folgt aus § 832 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 97 Abs. 2 UrhG i.V.m. §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG.

aa) Die Bereitstellung eines Computerspiels – hier des streitgegenständlichen „T S 0“ – zum Herunterladen über eine Internettauschbörse verletzt das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung gemäß §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG (vgl. BGH, GRUR-RR 2017, 484 Rn. 10 – Ego-Shooter, mwN; BGH, GRUR 2018, 1044 Rn. 10 – Dead Island). Soweit der Beklagte pauschal bestreitet, das streitgegenständliche Computerspiel sei über eine seinem Internetanschluss zugeordnete IP-Adresse zum Download angeboten worden, ist dies unbeachtlich. Die Klägerin hat detailliert unter Beweisangebot zu den Ermittlungen der U GmbH vorgetragen. Konkrete Anhaltspunkte, die etwa für eine Fehlzuordnung oder fehlerhafte Ermittlungen sprächen, zeigt der Beklagte nicht auf.

bb) Die Klägerin ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Computerspiel „T S 0“ aktivlegitimiert. Soweit der Beklagte die Rechteinhaberschaft lediglich pauschal bestreitet, dringt er damit nicht durch.

Die Klägerin hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass die ausschließlichen Rechte des hier streitgegenständlichen Computerspiels „T S 0“ von ihr von den Entwicklern, der Fa. U Inc., erworben worden ist. Der Copyright-Vermerk auf den Umverpackungen des streitgegenständlichen Spiels weist nach dem insoweit vom Beklagten in der Sache unbestrittenen Vortrag der Klägerin auf die Klägerin hin und weist das Logo von „E T1“ auf, das ebenfalls der Klägerin zuzuordnen ist. Ein Nachweis der Urheberschaft und der Inhaberschaft an ausschließlichen Verwertungsrechten kann außerhalb des Anwendungsbereichs der in § 10 UrhG niedergelegten Vermutungsregeln auch durch einen Indizienbeweis erbracht werden, bei dem selbst mittelbare Tatsachen die Grundlage für die Annahme der Rechtsinhaberschaft liefern (BGH, GRUR 2016, 1280, 1281 Rn. 26 – Everytime we touch). Die Klägerin hat die Rechtekette lückenlos unter ausführlicher Darlegung und Belegung mit Vertragsdokumenten sowie einer entsprechenden Benennung in öffentlich zugänglichen Handelsquellen in Fachmedien der Spielebranche belegt. Der Beklagte hat dagegen keine erheblichen Einwendungen erhoben und auch nicht dargelegt, wem die Rechte anderweitig zustehen sollten.

cc) Die Beklagten als Rechtsnachfolger des Herrn I haften auch für diese Verletzung.

Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht nach der Rechtsprechung des BGH eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Da der Verstorbene Inhaber des Internetanschlusses zum maßgeblichen Zeitpunkt war, über den das Computerspiel in Tauschbörsen öffentlich zugänglich gemacht wurde, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er für die von der Klägerin behauptete Verletzung ihrer Rechte verantwortlich ist. Diese tatsächliche Vermutung kann entkräftet werden, wenn die Gegenpartei Tatsachen darlegt und gegebenenfalls beweist, aus denen sich eine ernsthafte Möglichkeit eines vom gewöhnlichen abweichenden Geschehensablaufs ergibt.

Diesen Anforderungen wird der Sachvortrag des früheren Beklagten zu 1.) insofern gerecht, als er dargelegt hat, dass es sich um einen Familienanschluss gehandelt hat und neben ihm seine Ehefrau und die beiden zur Tatzeit minderjährigen Kinder Zugriff auf das Internet hatten. Er führte auch zu den Kenntnissen und Nutzungsgewohnheiten seiner Familienmitglieder und seiner selbst aus.

Auf dieser Grundlage sowie auf Grundlage der Anhörung der Beklagten zu 1.) ist die Kammer der Überzeugung, dass zunächst die Beklagte zu 1.) als Täterin nicht in Betracht kommt. Die Kammer ist außerdem auf Grundklage des Sach- und Streitstandes überzeugt, dass der Verstorbene, Herr I, selbst nicht Täter der Rechtsverletzung war. Dies folgt zunächst aus seinem Vortrag in der Klageerwiderung, in welcher er unter anderem ausführen ließ, dass er das streitgegenständliche Spiel vor Abmahnung nicht gekannt habe und den Internetanschluss nicht für "Online-Spiel" nutzte, während dies seine beiden Kinder beide taten. Auch aus der Anhörung der Beklagten zu 1.) und 2.) ergeben sich keinerlei Hinweise, dass der Verstorbene selbst als Spieler des streitgegenständlichen oder eines anderen Computerspiels in Betracht käme. Hingegen ist die Kammer überzeugt, dass die Rechtsverletzung über den Anschluss des Verstorbenen erfolgt ist und zwar durch eines der beiden Kinder, also der Beklagten zu 2. oder 3.), einzeln oder von ihnen gemeinsam. Dafür sprechen nach den obigen Ausführungen, dass ausweislich der Klageerwiderung beide Kinder durchschnittliche Computeranwenderkenntnisse hatten und "Online-Spiele" spielten. Bei dieser Kenntnis- und Interessenlage ist eine Nutzung von Tauschbörsen mit Blick auf Computerspiele jedenfalls möglich. Wie oben bereits ausgeführt, ist es jedoch nicht ersichtlich, dass nur der Beklagte zu 2.) als Täter in Betracht kommt, während seine Schwester, die Beklagte zu 3.), als Täterin auszuscheiden habe. Es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass die Beklagte zu 3.) weder die Kenntnisse, noch die Möglichkeiten, noch das Interesse hatte, das streitgegenständliche Spiel über eine Tauschbörse herunterzuladen und zugleich zum Upload zur Verfügung zu stellen. Dass die Klägerin die Beklagte zu 3.) ggf. nicht zur Zielgruppe des streitgegenständlichen Spiels zählt, führt nicht zum Ausschluss als potentielle Täterin.

Diese Umstände entlasten die Beklagtenseite jedoch nicht, da der Verstorbene seine Aufsichtspflicht gem. § 832 BGB gegenüber beiden Kindern verletzt hat. Der Verstorbene war kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über seine damals 17-jährige Tochter und seinen 12-jähirgen Sohn verpflichtet (§§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB). Gemäß § 832 Abs. 1 S. 1 BGB ist, wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die – hier – wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Der Aufsichtspflichtige hat im Rahmen des § 832 BGB umfassend und konkret darzulegen und zu beweisen, was er zur Erfüllung der Aufsichtspflicht unternommen hat. Den Beklagten ist nicht der Beweis gelungen, dass der Verstorbene seine nach Überzeugung der Kammer als Täter in Betracht kommenden Kinder vor dem streitgegenständlichen Vorfall über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen ausreichend belehrt hat. Wer der beiden Kinder konkret die Rechtsverletzung begangen hat, kann dabei offenbleiben, weil mangels hinreichender Belehrung beider Kinder sowohl eine Rechtsverletzung des Sohnes als auch der Tochter als auch beider zusammen der Anknüpfungspunkt der Haftung nach § 832 BGB gegeben ist. In jedem Fall ist die Rechtsverletzung zur Überzeugung der Kammer in seiner Sphäre geschehen und seine unterbliebene Aufklärung ist kausal hierfür.

Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch das Kind zu verhindern. Dazu zählt die Verhinderung der Urheberrechte verletzenden Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH GRUR 2016, 184 – Tauschbörse II; GRUR 2013, 511 – Morpheus).

Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht, insbesondere die Pflicht zur Belehrung und Beaufsichtigung von Kindern, richten sich nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens. Dabei hängt es hauptsächlich von den Eigenheiten des Kindes und seinem Befolgen von Erziehungsmaßahmen ab, in welchem Umfang allgemeine Belehrungen und Verbote ausreichen oder deren Beachtung auch überwacht werden muss (vgl. BGH, NJW 2009, 1952 Rn. 17; BGH, NJW 2009, 1954 Rn. 14).

Diesen Maßstäben ist der Verstorbene vorliegend nicht gerecht geworden. Dabei hat die Kammer ihre Überzeugung auf Grundlage der persönlichen Anhörung der Beklagten zu 1.), der Ehefrau des Verstorbenen, und des Beklagten zu 2.), dem Sohn des Verstorbenen, gebildet. Der Beklagte zu 2.) gab von sich aus keine Aussage zu etwaigen Belehrungen. Er wurde insoweit nicht befragt. Er konnte sich aber auch zu einer Ansprache nach Zugang der Abmahnung schon nicht erinnern, sodass nicht davon auszugehen ist, dass er sich an einen noch früher zurückliegenden Zeitraum zuverlässig erinnern kann. Die Beklagte zu 1.) führte zwar aus, dass die Kinder im Zusammenhang mit der Nutzung des Internets über gewissen Verhaltensweisen belehrt worden ist. Sie bleibt aber insgesamt in Ihren Ausführungen vage, hat zum Teil keine eigenen Wahrnehmungen, soweit es ihren Ehemann betrifft, und sie widerspricht sich teilweise. So stellt sie einleitend klar, dass hauptsächlich der Verstorbene die Kinder belehrt haben soll. Zu den Inhalten der Belehrungen durch Ihren Ehemann kann sie aber nichts sagen. Sodann verweist sie wiederholt darauf, dass anlassbezogen belehrt worden sei, wenn im Fernsehen über entsprechenden Themen berichtet worden ist. Dabei sei es sicherlich auch um Filesharing bzw. Tauschbörsen gegangen. Zugleich weist sie darauf hin, dass für sie das Thema Filesharing unbekannt war, sie in diesem Zusammenhang „unbeleckt“ gewesen sei.

Auf dieser Grundlage kann die Kammer nicht erkennen, dass die Kinder durch den Verstorbenen oder die Beklagte zu 1.) hinreichend deutlich über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Tauschbörsen bzw. an Filesharing belehrt worden sind. Schon gar nicht ist erkennbar, dass diese Belehrung vor dem Tatzeitpunkt erfolgt ist. Es ist zur Überzeugung der Kammer unrealistisch, dass eine hinreichende Belehrung erfolgen kann, wenn man selbst die Problematik nicht erfasst und versteht. Dass der Verstorbene hier bessere Kenntnisse hatte und auf dieser Grundlage hinreichend und rechtzeitig belehrte, kann dem Sach- und Streitstand nicht entnommen werden.

dd) § 832 BGB begründet eine Haftung für vermutetes Verschulden. Hingegen kommt es auf ein Verschulden des Aufsichtsbedürftigen nicht an. Vermutet wird ferner, dass zwischen der Verletzung der Aufsichtspflicht und dem entstandenen Schaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl. Urteil der Kammer v. 17.5.2018 – 14 S 34/16, GRUR-RR 2018, 505). Nach den obigen Ausführungen gelingt der Beklagtenseite keine Exkulpation.

ee) Der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz ist der Höhe nach nur in Höhe von 249,- € begründet.

Die Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühr hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (vgl. BGH ZUM-RD 2010, 529 – Restwertbörse I; ZUM 2016, 173 – Tauschbörse I). Nicht entscheidend ist hingegen, ob der Verletzte überhaupt beabsichtigte, eine Lizenzierung vorzunehmen – die Zuerkennung einer angemessenen Lizenzgebühr kommt selbst dann in Betracht, wenn die vorherige Erteilung der Zustimmung als schlechthin undenkbar erscheint (vgl. BGH GRUR 1993, 55 – Tchibo/Rolex II) – oder ob der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Benutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1320, 1321). Zur Ermittlung der angemessenen Lizenzgebühr ist zu fragen, was ein vernünftiger Lizenzgeber und ein vernünftiger Lizenznehmer anstelle der Parteien für die Übertragung des Rechts auf den Beklagten vereinbart hätten, infolge dessen dieser das streitgegenständliche Computerspiel im Internet im Rahmen eines Netzwerks für eine Vielzahl von Teilnehmern zum Download bereithalten durfte.

Für den Schadensersatzanspruch ist als Anhaltspunkt für die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO auf die Beträge abzustellen, die für vergleichbare Nutzungsarten vereinbart werden. Der Kammer ist aus einer Reihe von Fällen gerichtsbekannt, dass bereits für die zeitlich und räumlich beschränkte Lizenz zum Anbieten einer Musiksingle im Internet Lizenzgebühren im vierstelligen Euro-Bereich vereinbart werden. Auch aus diesem Grund setzt die Kammer in ständiger Rechtsprechung für das Angebot von Musikaufnahmen über Filesharingnetzwerke im Internet für den Regelfall jeweils 200,00 EUR pro Musiktitel als angemessenen Schadensersatz an. Dies entspricht der obergerichtlichen (vgl. etwa OLG Köln, Urteil vom 06.02.2015 – 6 U 209/13; OLG Hamburg, Urteil vom 05.11.2013 – 5 U 222/10; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2014 – 11 U 115/13; Urteil vom 16.12.2014 – 11 U/14) und auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteile vom 11.06.2015 zu I ZR 7/14, I ZR 19/14 und I ZR 75/14 – Tauschbörse I-III; Urteil vom 12.05.2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch).

Vorliegend macht die Klägerin wegen der Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Computerspiels am 22.02.2014 um 16:50:24 Uhr und um 18:30:00 Uhr über die IP-Adresse 00.000.00.00 einen Anspruch auf Lizenzschadensersatz i.H.v. 4.590,00 EUR geltend. Diesen Betrag erachtet die Kammer gemäß § 287 ZPO aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles als Lizenzschadensersatz für übersetzt. Streitgegenständlich ist die zweifache öffentliche Zugänglichmachung des Computerspiels „T S 0“ im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse. Rechtsverletzungen wurden am 22.02.2014 um 16:50:24 Uhr und um 18:30:00 Uhr zu zwei verschiedenen Zeitpunkten unter der gleichen IP-Adresse ermittelt.

Zu berücksichtigen ist daneben auch der konkrete Zeitpunkt der Rechtsverletzungen. Die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen erfolgten zu einem Zeitpunkt als das streitgegenständliche Computerspiel sich unstreitig nicht mehr auf dem Höhepunkt seines kommerziellen Ersterfolgs befand, sondern bereits der Nachfolger der Serie „T S 01“ erschienen war. Das streitgegenständliche „T S 0“ hingegen befand sich zur Tatzeit bereits ca. 2 ½ Jahre nach Erstveröffentlichung in einer nachgelagerten Verwertungsphase, in der das Spiel zum Teil zu erheblich reduzierten Preisen im Vergleich zum Preis bei Veröffentlichung von ca. 50 € zu erwerben war – nach Vortrag der Klägerin etwa als „Full Package“ für 18,36 € am 21.02.2014. Die öffentliche Zugänglichmachung eines Werkes in einer Filesharing-Tauschbörse und der damit verbundene Eingriff in die urheberrechtlich geschützten Verwertungsrechte stellt die kommerzielle Auswertung des Werks insgesamt in Frage (BGH, Urteil vom 12.05.2016, I ZR 1/15 - Tannöd, Juris Rn. 41). Das illegale Upload-Angebot im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse war vorliegend in besonderem Maße geeignet, die der Klägerin zustehenden Verwertungsrechte der öffentlichen Zugänglichmachung und auch des Vertriebs wirtschaftlich zu beeinträchtigen. Wegen der zeitlich weit entfernten Erstveröffentlichung und der zwischenzeitlichen Veröffentlichung des Nachfolgespiels hat die rechtswidrige öffentliche Zugänglichmachung der Klägerin die weitere wirtschaftliche Verwertung des Computerspieles zwar erschwert, dies aber nur in begrenztem Umfang. Denn durch die unstreitige erhebliche Reduzierung des Spielpreises auf zwischenzeitlich mindestens ca. 18 € ist eindeutig, dass die Nachfrage am Markt auch ohne die Beeinträchtigung durch Filesharing erheblich vermindert war.

Vernünftige Vertragspartner anstelle der Parteien hätten diese Umstände bei der Bemessung der Lizenzgebühr für die von dem Beklagten in Anspruch genommene Nutzung berücksichtigt und im Hinblick auf die fehlende Aktualität des Computerspiels eine moderate Lizenzgebühr vereinbart. Der von der Klägerin angesetzte Lizenzschadensersatz i.H.v. 4.590,00 EUR, welcher wertmäßig dem Betrag entspricht, den die Klägerin für 250 Exemplare des am Tattag zum Einzelhandelspreis von (behaupteten) 18,36 EUR vertriebenen Computerspiels erzielen konnte, ist vor diesem Hintergrund zu hoch bemessen. Dabei ist zwar die ständige Rechtsprechung der Kammer zu berücksichtigen, dass auch ohne konkrete Kenntnis von der Zahl der Teilnehmer der Filesharing-Tauschbörse zu den jeweiligen Tatzeitpunkten eine Zahl von (mindestens) 400 möglichen Zugriffen auf ein in einer solchen Tauschbörse zum Download angebotenes, aktuelles Werk durchaus realistisch und zur Grundlage der Bemessung eines Anspruchs auf Lizenzschadensersatz geeignet ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 08.05.2013, 6 W 256/12, juris Rn. 9; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2014, 11 U 115/13; OLG Köln, Urteil vom 06.02.2015; 6 U 209/13; nicht beanstandet von BGH, Urteil vom 12.05.2016, I ZR 48/15 – Everytime we touch, juris Rn. 56). Bei einem nicht mehr aktuellen Titel unter den Umständen des Einzelfalls lässt sich dies jedoch nicht auf den Streitfall übertragen. Im hiesigen Einzelfall erachtet die Kammer vielmehr den Faktor 100 des Handelspreises des streitgegenständlichen Computerspiels für angemessen.

Dabei ist jedoch entgegen der Ausführungen der Klägerin nicht von einem Verkaufspreis von 18,36 € auszugehen, sondern wie die Beklagtenseite zutreffend vorträgt von 2,49 €. Beide Parteien legen zur Substantiierung ihres Vortrags Ausdrucke aus dem Preismonitor der Webseite h.de vor. Jedoch ergibt sich aus dem klägerischen Screenshot (Anlage K6, Bl. 250 GA), dass hier der Preisverlauf für das Produkt „T S 0 – Full Package deutsch“ wiedergegeben ist. Aus dem Screenshot der Beklagtenseite (S. 2 des Schriftsatzes der RAe X C T2 v. 03.08.2020, Bl. 385 GA) ergibt sich für das Produkt „T S 0 – Download PC“ ein Preis am 22.02.2014 von 2,49 €. Letzteren Preis konnte das Gericht durch Einsichtnahme der Webseite h.de zum konkret genannten Produkt nachvollziehen. Ausweislich der Ermittlungen war die betroffene Datei bezeichnet als „T S 0“. Dass hiermit ein „Full Package“ betroffen war, vermag die Klägerin als Auftraggeberin der Ermittlungen nicht nachvollziehbar vorzutragen. Demnach ist davon auszugehen, dass nur die Standard-PC Version in der Datei enthalten war.

Auf dieser Grundlage errechnet sich also ein Schadensersatz in Höhe von 249,- € (2,49 € x 100). Dieser Betrag ist angemessen und ausreichend, um den konkreten Schaden der Klägerin abzubilden.

ff) Die Beklagten zu 1.) - 3.) haften als Erben in Erbengemeinschaft jeweils als Gesamtschuldner, § 2058 BGB.

b) Abmahnkosten

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe von 745,40 € gemäß § 97a Abs. 4 Satz 1 UrhG a.F. in der vom 09.10.2013 bis zum 02.12.2020 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) zu.

aa) Die Abmahnung vom 24.04.2014 war berechtigt, da der Klägerin gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 97 Abs. 1, 69c Nr. 4 UrhG i.V.m. § 832 BGB wegen der unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Computerspiels zustand (s.o. zu den Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs, die ebenso für den Unterlassungsanspruch gelten).

62
bb) Die Abmahnung vom 24.04.2014 war berechtigt und entsprach den Anforderungen des § 97a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 UrhG a.F. Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist nicht gemäß § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG a.F. (wortgleich mit neuer, aktueller Fassung) auf den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1.000,00 EUR beschränkt. Insoweit greift vorliegend § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG, wonach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG nicht gilt, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist. § 97a Abs. 3 UrhG ist im Lichte des Unionsrechts auszulegen. Danach kann vorliegend die Deckelung des Ersatzes der Abmahnkosten nicht zur Anwendung gelangen.

(1) Art. 14 der Richtlinie 2004/48 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt im ABl. 2004, L 195, S. 16) ist dahin auszulegen, dass die Kosten, die einem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums für seine Vertretung durch einen Beistand im Hinblick auf die außergerichtliche Durchsetzung dieser Rechte entstanden sind, wie z. B. die mit einer Abmahnung verbundenen Kosten, unter den Begriff „sonstige Kosten“ im Sinne dieser Bestimmung fallen (EuGH, Urteil vom 28. April 2022 – C-559/20 –, juris, Rn. 45).

Art. 14 der Richtlinie 2004/48 besagt, dass die Prozesskosten und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen werden. Zum anderen sieht Art. 14 der Richtlinie 2004/48 vor, dass die Prozesskosten und sonstigen von der unterlegenen Partei zu tragenden Kosten „angemessen“ sein müssen (EuGH, Urteil vom 28. April 2022 – C-559/20 –, juris, Rn. 48, 51). Aus dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/48 ergibt sich zwar, dass die Voraussetzung, dass die Rechtsverletzungen, um in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie zu fallen, in gewerblichem Ausmaß vorgenommen sein müssen, nur für Maßnahmen in Bezug auf Beweismittel, für Maßnahmen in Bezug auf das Auskunftsrecht und für einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen gemäß Kapitel II der Richtlinie gilt, wobei die Mitgliedstaaten unbeschadet davon solche Maßnahmen auch bei nicht in gewerblichem Ausmaß vorgenommenen Rechtsverletzungen anwenden können (EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021 – C-597/19 –, juris, Rn. 88). Diese Voraussetzung gilt aber nicht für die „Prozesskosten“ und die „sonstigen Kosten“ nach Art. 14 der Richtlinie 2004/48. Nach dieser Bestimmung kann somit auch gegenüber einzelnen Verletzern – also auch gegenüber einer Privatperson wie vorliegend – angeordnet werden, dass sie dem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums diese Kosten vollständig zu erstatten haben, sofern sie zumutbar und angemessen sind.

Art. 14 der Richtlinie 2004/48 sieht neben einer Prüfung der Zumutbarkeit und Angemessenheit der erstattungsfähigen Kosten vor, dass die allgemeine Regel der Aufteilung dieser Kosten keine Anwendung findet, wenn Billigkeitsgründe es verbieten, der unterlegenen Partei die Kosten der obsiegenden Partei aufzuerlegen, selbst wenn diese zumutbar und angemessen sind (EuGH, Urteil vom 28. April 2022 – C-559/20 –, juris, Rn. 58). Billigkeitsgründe können indes einen allgemeinen und bedingungslosen Ausschluss der Erstattung von Kosten, die eine bestimmte Obergrenze überschreiten, nicht rechtfertigen (EuGH, Urteil vom 28. Juli 2016 – C-57/15 –, juris, Rn. 31).

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Art. 14 der Richtlinie 2004/48 steht einer Regelung wie der des § 97a Abs. 3 UrhG nicht entgegen, da sie sicherstellen soll, dass die von der unterlegenen Partei zu tragenden Kosten zumutbar und angemessen sind, soweit sie dem Gericht, dem die Kostenentscheidung obliegt, die Möglichkeit gibt, in jedem Einzelfall dessen spezifische Merkmale zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 28. April 2022 – C-559/20 –, juris, Rn. 64).

(2) Gemäß § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG führt die Deckelung auf erstattungsfähige Gebühren nach einem Gegenstandswert von 1.000,00 EUR auf Grundlage eines 1,3-fachen Gebührensatzes zu einem Nettobetrag von lediglich 104,00 EUR. Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat in § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG für den Fall, dass der Abgemahnte eine natürliche, nicht gewerblich oder beruflich handelnde Person ist, das Regel-Ausnahme-Verhältnis des Art. 14 Enforcement-RL umgekehrt. Nach dem Wortlaut des § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG a.F. kommt bei Beteiligung einer solchen natürlichen Person ein voller Kostenersatz nur dann in Betracht, wenn sonst das Ergebnis unbillig wäre.

§ 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG muss daher unionsrechtskonform so verstanden werden, dass der Streitwertdeckel in der Regel entfällt und nur gilt, wenn sonst das Ergebnis zum Nachteil des Verletzers unbillig wäre. Die nach dem Wortlaut von § 97 Abs. 3 Satz 4 UrhG zur vollen Kostenerstattung führende besondere Unbilligkeit ist bereits dann anzunehmen, wenn die Begrenzung des Gegenstandswertes dazu führen würde, dass der Verletzer nur einen geringen Teil der tatsächlichen Anwaltskosten des Rechteinhabers tragen muss. In der Konsequenz muss der Verletzer sich auf eine Unbilligkeit im Einzelfall berufen und die Darlegungs- und Beweislast für deren Vorliegen tragen. Denn nur dies ermöglicht dem Gericht den spezifischen Merkmalen jedes Falles hinreichend Rechnung zu tragen.

(3) Vorliegend hat der abgemahnte Verstorbene zwar als natürliche Person gehandelt und das streitgegenständliche Computerspiel weder für eine gewerbliche noch für eine selbständige berufliche Tätigkeit verwendet; auch ist er nicht durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet. Die Beschränkung des Ersatzes der erforderlichen Aufwendungen auf Gebühren nach einem Gegenstandswert in Höhe von 1.000,00 EUR erweist sich jedoch jedenfalls nach § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG als unbillig.

Bei der öffentlichen Zugänglichmachung eines aktuellen, durchschnittlich erfolgreichen Computerspieles im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse ist regelmäßig von einem Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch von nicht unter 15.000,00 € auszugehen (BGH, ZUM-RD 2017, 25 Rn. 48). Bei einem überaus populären, kommerziell sehr erfolgreichen und mit hohem Marketingaufwand herausgebrachten Computerspiel – wie dem hier streitgegenständlichen – aber einer Rechtsverletzung erst ca. 2 ½ Jahre nach Erscheinen des Spiels erscheint ein Gegenstandswert von 10.000,00 EUR angemessen. Die obigen Ausführungen zur Schadenshöhe gelten entsprechend.

Könnte der Beklagte hier nur zur Erstattung eines geringen Teils der zumutbaren Anwaltskosten verurteilt werden, welche der Klägerin entstandenen sind, würde die abschreckende Wirkung eines Verfahrens wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums, entgegen der allgemeinen Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48 und dem mit dieser Richtlinie verfolgten Hauptziel, ein hohes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten, das ausdrücklich im zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannt wird und im Einklang mit Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union steht, erheblich geschwächt. Dem ist entgegenzuwirken, mit der Folge, dass die Abmahnkosten hier nach dem vollen Gegenstandwert von 10.000,00 EUR ersatzfähig sind (vgl. auch das Kammerurteil vom 24.05.2022, 14 O 244/20, unveröffentlicht).

cc) Wie oben bereits beschrieben ist hier ein Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch aus einem Gegenstandswert von 10.000 € angemessen, nicht aber wie von der Klägerin angesetzt 20.000 €. Dadurch reduziert sich der geschuldete Kostenbetrag auf eine 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 725,40 € zzgl. 20,- € Kostenpauschale Nr. 7300 VV RVG, mithin 745,40 €. Umsatzsteuer macht die Klägerin nicht geltend.

c) Die Zinsansprüche folgen aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Beklagte hat vorgerichtlich jede Zahlung verweigert. Die Abmahnung vom 24.04.2014 und die damit verbundene Zahlungsaufforderung erfolgten unter Fristsetzung bis zum 05.05.2014, sodass der Zinslauf in gesetzlicher Höhe sowohl für den Schadensersatzanspruch als auch für die zu erstattenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten mit dem 06.05.2014 zu laufen begann.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


AG Frankfurt: 500 EURO Lizenzschadensersatz für Urheberrechtsverletzung durch Filesharing eines relativ aktuellen Computerspiels

AG Frankfurt
Urteil vom 18.02.2022
29 C 2625/21 (44)


Das AG Frankfurt hat dem Rechteinhaber im vorliegenden Fall 500 EURO Lizenzschadensersatz für die Urheberrechtsverletzung durch Filesharing eines relativ aktuellen Computerspiels zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von EUR 500,00 als lizenzanaloger Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 Urheberrechtsgesetz (UrhG) zu (Klageantrag zu 2)).

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Aufgrund des auf einer Veröffentlichung des Computerspiels angebrachten Copyright-Vermerks (Seite 2 der Replik, Bl. 43 d.A.) greift die Vermutung des § 10 Abs. 1 UrhG. Hiernach wird bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber des Werkes angesehen, wer auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen Werkes oder auf dem Original eines Werkes in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist. Aus dem von der Klägerseite vorgelegten screenshot ergibt sich, dass die Klägerin unter ihrem vormaligen Firmennamen (C GmbH) in einer Veröffentlichung im Internet als Rechteinhaber vermerkt ist. Der Beklagte hat keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die die Vermutungswirkung des § 10 Abs. 1 UrhG widerlegen.

Der Beklagte ist auch passivlegitimiert. Denn er hat als Täter durch insgesamt vier Verlet-zungshandlungen das Schutzrecht der Klägerin an dem Computerspiel verletzt und handelte hierbei auch schuldhaft. Zwar behauptet der Beklagte, er habe über seinen Inter-netanschluss zu keiner Zeit das Computerspiel „…“ oder Teile davon heruntergeladen oder zum Herunterladen bereitgehalten. Gegen den Beklagten spricht jedoch als Anschlussinhaber eine tatsächliche Vermutung für seine Täterschaft (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – AZ: I ZR 75/14 – „Tauschbörse III“; BGH, Urteil vom 12.05.2010 – AZ: I ZR 121/08, NJW 2010, 2061 - „Sommer unseres Lebens“ beide zitiert nach juris). Der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast ist der Beklagte nicht ausreichend nachgekommen.

Zunächst sind die Voraussetzungen für das Eingreifen der tatsächlichen Vermutung erfüllt, da mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass die ermittelten IP-Adressen zu den fraglichen Verletzungszeitpunkten dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet waren. Die Klägerin hat das Ergebnis der Ermittlungen sowohl im Hinblick auf die durch die von der Firma B GmbH durchgeführten Ermittlungen als auch im Hinblick auf die infolge des Auskunftsverfahrens vor dem Landgericht München mitgeteilte Auskunft des Internetproviders schlüssig dargelegt. Nach Angaben der Klägerin hat die B GmbH an den Tagen 15.11.2016 (zwei Mal) und 16.11.2016 (zwei Mal) protokolliert, dass eine Datei mit einem bestimmten Hashwert zu vier konkreten Zeitpunkten über die jeweiligen IP Adressen 95.116.125.100 und 95.111.127.98 über ein Filesharingnetzwerk angeboten wurden. Ferner war zu berücksichtigen, dass die Ermittlungssoftware innerhalb von wenigen Tagen gleich vier Mal protokolliert hat, dass dieselbe Datei von einem Internetanschluss, dem zu den fraglichen Zeitpunkten jeweils zwei Mal dieselbe IP-Adressen zugeordnet waren, zum Download angeboten wurden. Dass es kurz nacheinander mehrfach zu Fehlern bei der Erfassung der Daten gekommen sein könnte, ist zwar theoretisch möglich, aber im Ergebnis so fernliegend, dass Zweifel an der Richtigkeit der Datenermittlung schweigen (Vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.05.2012 – AZ: I-6 U 239/11, 6 U 239/11, zitiert nach juris).

Dies gilt entsprechend auch auf der zweiten Ebene, der Beauskunftung durch den Internetprovider. Die ermittelten IP-Adressen wurden vier Mal dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet. Hierbei war auch zu beachten, dass die im Rahmen der Auskunftsverfahren vor dem Landgericht München angegebenen Zeitpunkte (Anlage K2, dort Anlage ASt 1 zum Beschluss vom 22.11.2016, AZ: 21 O 19508/16, Bl. 50 d.A.) mit den Angaben des Internetproviders übereinstimmen (Anlage K 4, Bl. 50 d.A). Die Tatsache, dass nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass bei der Übermittlung der Tabellen mit den Daten, Verletzungszeitpunkten und IP-Adressen seitens des Klägers an den Internet-provider und dessen Angaben ein Übertragungsfehler aufgetreten sein könnte, führt zu keinem anderen Ergebnis (Vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11.06.2015 – AZ: I ZR 19/14 – „Tauschbörse I“, Rn. 37 ff., zitiert nach juris). Ein zweifelsfreier Nachweis der vollständigen Fehlerfreiheit des Auskunftsverfahrens ist nicht erforderlich (BGH, a.a.O.). Für eine den Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO genügende richterliche Überzeugung bedarf es keiner absoluten oder unumstößlichen Gewissheit im Sinne des wissenschaftlichen Nachweises, sondern nur eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, a.a.O.).

Steht fest, dass von einer IP-Adresse ein geschütztes Werk öffentlich zugänglich gemacht worden ist, spricht gegen den Anschlussinhaber nach der Rechtsprechung des BGH eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten (BGH, Urteil vom 06.10.2016 – AZ: I ZR 154/15 (Afterlife), Tz. 14 m.w.N., zitiert nach juris). Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast (BGH, a.a.O.). Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1und Abs. 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH, a.a.O.). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht (BGH, a.a.O).

Der Beklagte ist hier seiner sekundären Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen. Denn er hat lediglich vorgetragen, dass seine mit ihm in einem Haushalt lebenden Familienmitglieder ebenfalls Zugriff auf den Internetanschluss hatten. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, welche Verhaltensregeln im Internet er seinen beiden zu den Verletzungszeitpunkten minderjährigen Kindern aufgegeben hat. Er hat auch nicht vorgetragen, ob er im Nachgang zu dem Abmahnschreiben der Klägerin in seiner Familie Nachforschungen angestellt hat und zu welchen Ergebnissen er hierbei gelangt ist. Das Gericht hatte den Beklagten darauf hingewiesen, dass sein Vortrag nicht ausreichend war und Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme eingeräumt (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2021, Bl. 78 R d.A.).

Der Höhe nach hat der Beklagte Schadensersatz in Höhe von EUR 500,00 zu leisten. Rechtsfolge der Urheberrechtsverletzung ist die Leistung von Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie nach § 97 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 UrhG. Der Klägerin steht ein Anspruch in Höhe der Vergütung zu, die ihr bei ordnungsgemäßer Nutzungsrechtseinräumung gewährt worden wäre. Es wird der Abschluss eines Lizenzvertrags zu angemessenen Bedingungen fingiert. Angemessen ist eine Lizenzgebühr, welche verständige Vertragspartner in Ansehung der tatsächlichen und bezweckten Nutzung und unter der Berücksichtigung der Branchenübung verständigerweise vereinbart hätten (Wandtke/Bullinger/v.Wolf, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage 2014, § 97 Rn. 74; BeckOK UrhG/Reber, Stand: 01.07.2014, § 97 Rn. 119). Das Gericht schätzt nach § 287 ZPO vorliegend die angemessenen Lizenzgebühren auf EUR 500,00. Hierbei waren in erster Linie die Verbreitung des Computerspiels, die Häufigkeit der Verletzungshandlungen, die zeitliche Nähe zur Erstveröffentlichung sowie der Umsatz der Klägerin auf legalen Vertriebswegen zu berücksichtigen. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin wurde das Computerspiel „…“ am ......2016 erstveröffentlicht, so dass die Verletzungshandlungen im November 2016 ein relativ aktuelles Werk betreffen. Ferner handelt es sich nach dem ebenfalls unstreitig gebliebenen Vortrag der Klägerin um ein populäres Spiel, welches Kultstatus erlangt hat. Der Verkaufspreis betrug zum Verletzungszeitpunkt durchschnittlich EUR 19,99.

Der Anspruch auf Schadensersatz ist nicht verjährt. Der Beklagte ist nicht berechtigt, gemäß § 214 Abs. 1 BGB die Zahlung zu verweigern. Denn die regelmäßige Verjährungsfrist begann erst mit Schluss des Jahres 2017 zu laufen. Nach § 119 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Anspruch ist vorliegend erst mit der Abmahnung vom 03.04.2017 entstanden, so dass Verjährungsbeginn der 31.12.2017 war. Der Zugang des Mahnbescheids am 21.10.2020 hat damit die Verjährung rechtzeitig gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB.

II.

Schließlich kann die Klägerin für die im Rahmen der vorgerichtlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten angefallenen Kosten nach § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. i.V.m. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB in Höhe von EUR 169,50 ersetzt verlangen.

Der Höhe nach ist eine 1,3 Gebühr nach RVG VV Nr 2300 zuzüglich Auslagenpauschale in Höhe von EUR 20,00 nach RVG VV Nr. 7002 gerechtfertigt. Als Gegenstandswert war insoweit EUR 1.500,00 zugrunde zu legen (EUR 1.000,00 für den Unterlassungsanspruch und EUR 500,00 Schadensersatz), so dass die Gebühr insgesamt EUR 169,50 beträgt.


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OLG Frankfurt: Filesharing eines Computerspiels - Faktorenrechtsprechung für Berechnung des Schadensersatzes bei Filesharing von Musiktiteln auch auf Computerspiele anwendbar

OLG Frankfurt
Urteil vom 31.03.2020
11 U 44/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Faktorenrechtsprechung für die Berechnung des Schadensersatzes bei Filesharing von Musiktiteln auch auf Computerspiele anwendbar ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

In Fällen des Filesharing von Musiktiteln hat sich in der Rechtsprechung eine höchstrichterlich akzeptierte Bemessung nach Faktoren etabliert (vgl. u.a. Senatsurteil vom 15.07.2014 - 11 U 115/13 - WRP 2014, 1232). Der Bundesgerichtshof erkennt es als hinreichende Schätzgrundlage an, wenn der zum Zeitpunkt geltende verkehrsübliche Entgeltsatz (also der Preis für den legalen Download der Datei) mit einem Faktor multipliziert wird, der den möglichen Abrufen durch andere Mitglieder der Tauschbörsen entspricht. Für Musikstücke hat der Bundesgerichtshof die Schätzung eines Faktors von 400 als nicht unangemessen akzeptiert (BGH aaO - Tauschbörse I, Rn 61).

Es ist umstritten, ob die der „Faktorrechtsprechung“ zugrundeliegenden Erwägungen auch beim Filesharing von Computerspielen gelten können:

Das Landgericht hat angenommen, dass beim Filesharing von Computerspielen verlässliche Anknüpfungspunkte für eine auf dieser Grundlage beruhende Schadensschätzung fehlen. Die Bemessungsgröße „mögliche Downloadanzahl“ sei bei Computerspielen nicht zur Schadensschätzung geeignet, weil wegen der Dateigröße im selben Zeitraum deutlich weniger Dateien heruntergeladen werden könnten als bei Musikstücken, so dass vernünftige Vertragsparteien die Zahl möglicher Downloads nicht zum Maßstab für die Bemessung der Lizenzgebühr gemacht hätten.

In dieselbe Richtung gehen die Erwägungsgründe einer Entscheidung des LG Frankenthal (Urteil vom 12.3.2019 - 6 O 313/18 - juris). Dort wird eine Übertragung der sog. „Faktorrechtsprechung“ für Computerspiele mit folgender - auszugsweise wiedergegebener - Begründung abgelehnt:

„…Bereits der Grundgedanke einer Übertragung der Rechtsprechung von Musiktiteln auf Computerspiele überzeugt nicht. Während die Downloadgeschwindigkeit eines Musiktitels auf Grund des relativ geringen Datenvolumens vergleichsweise schnell ist und bei Vorhandensein einer leistungsfähigen Hardware sowie eines schnellen Internetzuganges ein solcher Download in wenigen Augenblicken abgeschlossen sein kann, benötigt der Download eines modernen Computerspieletitels - mit regelmäßig mehreren Gigabyte an notwendigen Speichervolumen - auch bei leistungsstarker Hardware - einen vergleichsweise längeren Zeitraum von mehreren Stunden. Eine Schätzung, wann ein solcher Download im Zuge des Filesharings - im Rahmen eines „Peer-to-Peer Netzwerkes“ - im Durchschnitt zeitlich abgeschlossen ist, ist nicht möglich. Je nach Größe der Datenübertragungsrate, die jeder Downloader bekommen kann, hängt die Geschwindigkeit von der Menge der fertigen und der Menge der unfertigen Downloads sowie der individuellen Uploadraten der Nutzer ab, es kann demnach zu einer deutlich abweichenden Rate von mehr oder weniger Kilobytes pro Sekunde kommen. Dies betrifft besonders große Dateien stärker als sehr keine Dateien, die auch bei schwacher Auslastung, geringer Anzahl der Uploader und schwacher Hardware rasch verbreitet werden können. Der zu Musiktiteln entwickelte Gedanke einer pauschalen Multiplikation auf Grund der Möglichkeit der besonders raschen Verbreitung lässt sich zur Überzeugung der Kammer gerade nicht übertragen...(aaO., Rn 47 bei juris)“

Das Landgericht Frankenthal hält die hier vom Ausgangsgericht angewandte pauschale Bewertungsmethode mit einem Betrag von 1.000 € für ebenfalls falsch und vertritt die Ansicht, dass der Schadensersatzanspruch mit einem Verletzeraufschlag von 100 % auf den zum Verletzungszeitpunkt geltenden Marktwert zu bemessen sei (dort also 200 % des damaligen Marktpreises von 30,-- € = 60 €).

Die in der Rechtsprechung überwiegende Ansicht stellt dagegen darauf ab, dass die Technik des Filesharing sowohl beim Austausch von Musikstücken als auch beim Austausch von Computerspielen identisch ist. Da das Filesharing der Erlangung und Bereitstellung funktionsfähiger Dateien diene und da die dazu verwendete Client-Software in der Lage sei, aus Dateifragmenten, die von unterschiedlichen Seiten bereit gestellt würden, vollständige Dateien zusammenzusetzen, bestehen nach dieser Auffassung aus technischer Sicht keine Hinderungsgründe, die Faktorrechtsprechung dem Grunde nach auch auf den Dateiaustausch von Computerspielen zu übertragen (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 26.04.2018 - 6 U 41/17, K&R 2018, 591; OLG Celle, Beschlüsse vom 26.11.2018 - 13 U 72/18, juris und vom 12.4.2018 - 13 W 7/19 = GRUR-RR 2019, 420 - Schadensschätzung; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.10.2019 - 3 U 1387/19, GRUR-RS 2019, 27257; Landgericht Köln, Urteil vom 19. April 2018 - 14 O 38/17, juris; Landgericht Stuttgart, Urteil vom 9.5.2018 - 24 O 28/18 = GRUR-RR 2019, 99). In diesen Entscheidungen wird hervorgehoben, dass die beträchtlichen Unterschiede zwischen der Dateigröße von Musikstücken und von Computerspielen durch einen entsprechend geringeren Faktor berücksichtigt werden können.

Der Senat hat zwar Verständnis für die vom Ausgangsgericht geäußerten Vorbehalte gegenüber einer pauschalen Übertragung der „Faktorrechtsprechung“ auf das Filesharing von Computerspielen. Der Ansatz eines Pauschalbetrags für alle Filesharing-Fälle blendet aber die aufgezeigten technischen Parallelen beim Filesharing von Musiktiteln bzw. Computerspielen aus und führt letztlich zu undifferenzierten und für beide Seiten nicht nachvollziehbaren Ergebnissen, weil dadurch die wirtschaftliche Bedeutung des Werks (ausgedrückt durch den jeweiligen Marktpreis) und die durchaus unterschiedliche Gefährdung der Rechtsposition des Nutzungsberechtigten bei unterschiedlicher Intensität der Verletzungshandlungen nicht hinreichend erfasst wird. Diese Differenzierung hat der Bundesgerichtshof bereits bei der Bemessung der Gegenstandswerte des Unterlassungsanspruchs beim Filesharing gefordert (BGH, Urteil vom 12.5.2016 - I ZR 43/15, Rn 28 - Alan Wake).

Die Klägerin hat nachvollziehbar dargestellt, dass das von ihr vertriebene Computerspiel mit erheblichem Kostenaufwand entwickelt, mit großem Aufwand vermarktet und deshalb schnell zu einem Verkaufserfolg wurde. Der deutliche Abfall der Marktpreise nach wenigen Monaten spiegelt zugleich das große Interesse der angesprochenen Verkehrskreise am Erwerb des Spiels in den ersten Monaten nach Erscheinen wider und hat natürlich Auswirkungen auf die Anzahl von Downloads der Datei bzw. Dateifragmente während dieses Zeitraums und damit auch für deren illegale Vervielfältigung des Computerspiels im Folgezeitraum.

Auch die Häufigkeit und Dauer der Verletzungshandlungen hat erheblichen Einfluss auf die illegale Verbreitung der Software und damit eine Schädigung der Rechteinhaberin, weil der Täter bei einem zeitlich längeren Angebot der Software auch einen deutlich größeren Kreis potentieller Nutzer erreicht, die der Rechteinhaberin als Käufer verloren gehen.

Diese Gesichtspunkte, nämlich die Attraktivität und Aktualität des Programmes und die Anzahl und Dauer der ermittelten Verletzungshandlungen können dementsprechend als Parameter für eine Schadensschätzung herangezogen worden, weil sie Anhaltspunkte für die Anzahl möglicher Abrufe liefern (vgl. OLG Nürnberg a.a.O.). Auch wenn damit streng genommen nicht von einem „Faktor“ als Ausdruck möglicher Downloads gesprochen werden kann, so wäre es verfehlt, diesen Gesichtspunkten gar keine Bedeutung beizumessen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass der Verkaufspreis der Computerspiele im Anschluss an die ca. 2-3 monatige Markteinführungsphase deutlich abnimmt, weil das Kundeninteresse dann merklich nachlässt. Im Hinblick auf diese im Zeitverlauf eintretende Preisreduktion muss ein längerer Zeitraum zwischen Erstveröffentlichung und Verletzungshandlung nicht zwingend mit einem großen Abschlag verbunden sein, wenn zugleich die lange Dauer und die nachgewiesene Häufigkeit der Verletzungshandlungen den Schadensumfang erhöht haben.

Mit Blick auf die oben zitierte instanzgerichtliche Rechtsprechung und die dort entschiedenen Fallkonstellationen hält es der Senat für angemessen, den Schadensersatz bei häufigen und zeitlich umfangreichen Rechtsverletzungen, die durch eine größere zweistellige Zahl von Erfassungen dokumentiert sind - unabhängig von deren „Nähe“ zur Markteinführung - grundsätzlich mit dem 100 - fachen des Marktpreises zu bemessen. Andere Rechtsverstöße, die erst nach der o.g. Markteinführungsphase begonnen haben und nicht mit einer so großen Zahl von Erfassungen dokumentiert wurden oder Rechtsverletzungen innerhalb des Markteinführungszeitraums, die nur in Einzelfällen ermittelt werden konnten, sollten dagegen in der Regel zu einem Schadensersatz in Höhe des 50 - fachen des Marktpreises führen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass in Ausnahmefällen bei sehr geringfügig zu bewertenden Rechtsverletzungen ein noch darunterliegender Multiplikationsfaktor angesetzt werden kann.

Der Senat hat nicht übersehen, dass in einigen der zitierten Gerichtsentscheidungen deutlich höhere „Multiplikatoren“ für die Schadensbemessung angesetzt worden sind, so z.B. in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig vom 26.04.2018 - 6 U 41/17, K&R 2018, 591. Der dort angenommene Multiplikator von 227 ist aber in einem besonders eklatanten Fall angewandt worden, bei dem 172 Verstöße an 52 Tagen, beginnend einen Monat ab Markteinführung des Computerspiels dokumentiert wurden. Im Übrigen bleibt auch bei Anwendung der dargestellten Maßstäbe hinreichender Spielraum, die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles im Rahmen der Gesamtwürdigung schadensersatzerhöhend oder -reduzierend zu berücksichtigen.

Wenn man die vorgenannten Grundsätze auf den hiesigen Fall anwendet, dann ist ein Ersatzbetrag in Höhe von 1.999,50 € angemessen. Dieser Betrag entspricht dem im Verletzungszeitpunkt geltenden 50-fachen Verkaufspreis der „Download-Version“ von 39,99 €. Er berücksichtigt zum einen, dass die Verletzungshandlung nur wenige Tage nach der Markteinführung begangen wurde, auf der anderen Seite aber, dass lediglich eine einzige Handlung über einen sehr kurzen Zeitraum dokumentiert wurde.


2. Das Landgericht hat der Klägerin mit Recht lediglich einen Anspruch auf Erstattung ihrer Abmahnkosten in Höhe von 124,- € (basierend auf einem Gegenstandswert von 1.000,- €) zuerkannt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die dagegen von der Klägerin vorgebrachten Argumente haben im Ergebnis keinen Erfolg:

a) Nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG in der vorliegend anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 1.10.2013 ist der Aufwendungsersatzanspruch für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen auf die gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert von 1.000 € für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch beschränkt, wenn der Abgemahnte eine natürliche Person ist, die erstens nicht im Rahmen ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, und zweitens nicht bereits aufgrund Vertrages oder gerichtlicher Entscheidung zur Unterlassung verpflichtet ist. Diese Deckelung greift nach § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG ausnahmsweise dann nicht ein, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist.

Vorliegend sind die Voraussetzungen des § 97 a Abs. 3 Satz 2 UrhG unzweifelhaft erfüllt.

Die Anwendung dieser Bestimmung ist auch nicht i.S.d. § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG unbillig.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Schleswig: 5000 EURO Schadensersatz für Verbreitung eines Computerspiels per Filesharing noch im zulässigen Rahmen bei einer Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO

OLG Schleswig
Urteil vom 26.04.2018
6 U 41/17


Das OLG Schleswig hat entschieden, dass 5000 EURO Schadensersatz für Verbreitung eines Computerspiels per Filesharing noch im zulässigen Rahmen bei einer Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der im angefochtenen Urteil zuerkannte Betrag von 5.000 E hält sich im Rahmen dessen, was bei einer Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO als Verletzungsfolge zugebilligt werden kann. Der Betrag entspricht in seiner Höhe noch dem, was vernünftigerweise für die Vergabe einer Unterlizenz, die die hier fragliche Verletzungshandlung abgedeckt hätte, hätte vereinbart werden können. Dabei ist einerseits die Neuheit des Spiels zu Beginn der Verletzungshandlungen und seine anhaltende Beliebtheit zu berücksichtigen, andererseits der Umfang der Nutzung durch die Beklagte oder ihren Sohn, die das Computerspiel in großem Umfang über einen längeren Zeitraum hinweg allen Teilnehmern der Tauschbörse zugänglich gemacht haben. Dies waren letztlich mehrere 1.000 oder gar 10.000 Nutzer, wie die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.06.2017 Seite 2 unbestritten vorgetragen hat und wie es im Hinblick auf den Umfang und die Dauer der Teilnahme der Beklagten oder ihres Sohnes an der Tauschbörse auch naheliegend ist. Unter diesen Umständen hält sich ein Schadensbetrag in Höhe von etwa dem 227fachen des mittleren Preises für
das Computerspiel – rund 22 € – im Rahmen des Vertretbaren."

LG Wuppertal: Wettbewerbsverstoß durch Veröffentlichung der Verpackung der indizierten Version eines Computerspiels bei eBay

LG Wuppertal
Urteil vom 19.05.2017
12 O 22/17


Das LG Wuppertal hat entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG vorliegt, wenn die Verpackung der indizierten Version eines Computerspiels bei eBay veröffentlicht wird. Dies gilt auch dann, wenn tatsächlich nur die nicht indizierte Version zum Verkauf angeboten wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Parteien vertreiben jeweils gewerblich über das Internet auf Ebay Computer- und Konsolenspiele.

Das Spiel „Conflict Denied Ops“ für die Spielkonsole PlayStation 3 in der EU-Version wurde und wird von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in der Liste (Teil A) der jugendgefährdenden Medien gemäß § 18 JuSchG geführt.

Unter Abbildung der Vorderseite der Hülle dieses Spiels in der EU-Version bot die Antragsgegnerin auf Ebay ein Spiel an. In der Produktbeschreibung zu diesem Angebot führte sie unter anderem aus: „USK-Einstufung: USK ab 18“, „EAN 5021290034792“ und „Sprache: Deutsch, Mehrsprachig“.

Die Antragstellerin trägt vor, durch das Verkaufsangebot für ein indiziertes Spiel habe die Antragsgegnerin sich wettbewerbswidrig verhalten, weil – insoweit unstreitig – das Angebot auch für Kinder und Jugendliche zugänglich gewesen sei.

Durch Beschluss vom 10.04.2017 ist der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Verfügung antragsgemäß bei Meidung von Ordnungsmitteln untersagt worden, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Verkaufsangebote für indizierte Computer- und/oder Konsolenspiele im Internet in der Weise zu veröffentlichen, dass diese von Kindern oder Jugendlichen eingesehen werden können, wenn dies geschieht, wie in dem als Anlage aa4 beigefügten Ebay-Angebot mit der Artikelnummer xxx (hierbei handelt es sich um das vorbeschriebene Angebot), geschehen.

[...]

Durch das Anbieten des streitgegenständlichen Konsolenspiels hat die Antragsgegnerin gegen §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG verstoßen, weshalb dem Antragsteller als Mitbewerber der hier geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG zusteht.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG dürfen Trägermedien, deren Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Medien bekannt gemacht ist, nicht öffentlich an einem Ort, der Kindern und Jugendlichen zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, angeboten werden.

Dagegen hat die Antragsgegnerin verstoßen, indem sie im Rahmen eines Verkaufsangebots auf Ebay die Hülle des Spiels der indizierten EU-Version, deutlich erkennbar anhand der aufgedruckten PEGI-Klassifizierung 16+, auch für Kinder und Jugendliche zugänglich veröffentlicht hat.

Schon allein dies stellt einen Verstoß gegen die vorgenannte Norm dar, unabhängig davon, welche Version im weiteren Angebot beschrieben wird und auch unabhängig davon, ob die Antragsgegnerin nach einer Bestellung tatsächlich dieses Spiel oder die nicht indizierte, im schriftlichen Verkaufsangebot genannte deutsche Version übersandt hätte. Durch § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG soll vermieden werden, dass Kinder und Jugendliche überhaupt Kenntnis von der Existenz jugendgefährdender Medien bekommen, um zu verhindern, dass sie sich, gegebenenfalls auch über erwachsene Personen, den Besitz dieser Medien verschaffen (vgl. LG Halle (Saale), GRUR-RR 2007, 26, Erbs/Kohlhaas – Liesching, Strafrechtliche Nebengesetze, 212. EL Januar 2017, § 15 JuSchG Rn. 21, m.N.), und zwar von wem auch immer, nicht also zwingend vom das indizierte Spiel so Anbietenden. Durch die von der blickfangmäßig hervorgehobenen Abbildung abweichende Produktbeschreibung wird nicht eindeutig klargestellt, dass das abgebildete Spiel nicht angeboten wird, sondern der aufmerksame Leser allenfalls verwirrt, indem dort eine andere Version beschrieben wird.

Da die Vorschriften des Jugendschutzrechts Marktverhaltensregelungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen als Verbrauchern darstellen (vgl. etwa OLG Hamburg OLGR 2009, 479, zitiert nach juris) liegt hierin auch ein Wettbewerbsverstoß.

Es ist unerheblich, ob die Antragsgegnerin bzw. einer ihrer Mitarbeiter den Verstoß vorsätzlich oder fahrlässig aus Versehen begangen hat. Ein in die Zukunft gerichteter Unterlassungsanspruch besteht verschuldensunabhängig.

Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist aufgrund des begangenen Verstoßes zu vermuten."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamburg: Keine Wiederholungsgefahr bei wettbewerbswidriger "Exklusiv"-Werbung zum Erscheinen eines Computerspiels in einer PC-Zeitschrift

OLG Hamburg
Urteil vom 27.10.2010
5 U 224/08

Das OLG Hamburg hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen die Wiederholungsgefahr bei einem Wettbwerbsverstoß ausnahmsweise fehlen kann.

Zum Sachverhalt heißt es in der Entscheidung:
"Die Parteien sind Verlage. Die Antragstellerin bringt unter anderem die Zeitschriften „C... B….“ und „C... B….. S...“ heraus. Die Antragsgegnerin vertreibt die Zeitschrift „P…. G...“. Diese ist in drei Versionen erhältlich, nämlich als reine Magazin-Version („MAGAZIN“), als Magazin mit einer beigefügten DVD („DVD VOLLVERSION“) sowie als Magazin mit zwei beigefügten DVDs („EXTENDED 2DVDs VOLLVERSION“).

Auf der Titelseite des am 24.09.2008 erschienenen Heft 11/2008 von „P…. G...“ kündigte die Antragsgegnerin unter einem rot-weißen Störer „EXKLUSIV“ an:

"S... 2
"So gut sind Grafik, Steuerung, Design und Atmosphäre"

Das Computerspiel „S... 2 - Fallen Angel“ war erst ab dem 02.10.2008 im Handel erhältlich (Anlage ASt 3). Einige Herausgeber deutscher Computerspiel-Zeitschriften hatten von dem Hersteller eine Vorab-Version des Spiels zur Vorab-Berichterstattung erhalten und hierüber auch berichtet, wie z.B. die Zeitschrift „G... S...“ (Anlage ASt 4). Die Original-Vollversion des Spiels „S... 2“ hatte lediglich die Antragstellerin aufgrund einer Exklusiv-Vereinbarung mit dem Hersteller vorab zum Testen und zur Berichterstattung erhalten (Anlage ASt 5 und ASt 7). Allerdings war (auch) der Antragsgegnerin durch den Hersteller die exklusive Befugnis eingeräumt worden, eine nicht fertige Beta-Version durch Leser testen zu lassen."


Ob diese Werbung irreführend war, lässt das OLG Hamburg offen. Allerdings kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Wiederholungsgefahr besteht.

Aus den Entscheidungsgründen

"Grundsätzlich begründet ein bereits begangener Wettbewerbsverstoß eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr (BGH GRUR 01, 453, 455 – TCM-Zentrum; BGH GRUR 87, 640, 641 – Wiederholte Unterwerfung II; BGH GRUR 73, 208, 210 – Neues aus der Medizin).
[...]
An den Wegfall der nach einem begangenen Wettbewerbsverstoß grundsätzlich zu vermutenden Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH GRUR 04, 162, 163 – Mindestverzinsung; BGH GRUR 98, 483, 485 – Der M.-Markt packt aus). Die einfache Erklärung der beklagten Partei, sie werde die beanstandete Handlung nicht wiederholen, genügt nicht, um die tatsächliche Vermutung zu widerlegen (BGH WRP 2010, 1526, 1532 - DAX; BGH GRUR 2000, GRUR 2000, 605 – comtes/ComTel). Auch die bloße Einstellung des wettbewerbswidrigen Verhaltens reicht für den Wegfall einer nach einem Wettbewerbsverstoß vermuteten Wiederholungsgefahr insbesondere dann nicht, wenn das beanstandete Verhalten jederzeit ohne größeren Aufwand wieder aufgenommen werden kann (BGH GRUR 04, 162, 163 – Mindestverzinsung; BGH GRUR 01, 453, 455 – TCM-Zentrum; BGH GRUR 92, 318, 320 - Jubiläumsverkauf).
[...]
Mit der konkret gewählten Antragstellung wendet sich die Antragstellerin gegen ein wettbewerbswidriges Verhalten, das in einer einzelnen konkreten Ausgabe einer PC-Zeitschrift enthalten ist. Sie hat nicht nur das konkrete beworbene Produkt („S...“) in einer konkreten Version (“S... 2“) mit einem konkreten Werbeclaim („EXKLUSIV S... 2“), sondern ebenfalls die Bezeichnung der konkreten Zeitschrift („P…. G...“), die konkrete Art von drei unterschiedlichen Heftausgaben (“MAGAZIN“, „DVD VOLLVERSION“ sowie „EXTENDED 2 DVDs VOLLVERSION“) und schließlich die konkrete Heftausgabe nach Monat und Jahrgang („Ausgabe 11/2008“) ausdrücklich zum Gegenstand eines jedenfalls auch verallgemeinernden Teils ihres Antrags gemacht.
[...]
Gegenstand des Verfügungsangriffs im Tatsächlichen war eine als irreführend beanstandete Werbung im Herbst 2008 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Erscheinen einer neuen Version 2 des PC-Spiels „S...“. Schon diese konkrete Situation ist praktisch nicht wiederholbar. Denn der Antrag bezieht sich nicht - in möglicherweise zulässiger Verallgemeinerung - auf (irgendein) PC-Spiel und eine unzulässige Exklusivität-Behauptung unmittelbar vor dessen Erscheinen, sondern auf ein bestimmtes Spiel einer bestimmten Version. Dafür, dass nunmehr - 2 Jahre später - über diese Version 2 dieses konkreten PC-Spiels erneut in einer Heftausgabe der Zeitschrift „P…. G...“ unter Hinweis auf die Behauptung „EXKLUSIV“ berichtet werden könnte, ist nichts ersichtlich. "



Dem Antragsteller ist mithin die Beschränkung auf das konkrete Heft und das konkrete Spiel zum Verhängnis geworden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Hersteller eines Computerspiels kann die Nutzung von der Zuweisung einer individuellen Online-Kennung abhängig machen und einen Weiterverkauf der Kennung verbieten - Half-Life 2

BGH
Urteil vom 11.02.2010
I ZR 178/08
Half-Life 2
UrhG § 17 Abs. 2, § 69c Nr. 3 Satz 2


Leitsatz des BGH:
Der urheberrechtliche Grundsatz der Erschöpfung des Verbreitungsrechts wird nicht berührt, wenn der Berechtigte das von ihm geschaffene, auf DVD vertriebene Computerspiel so programmiert, dass es erst nach der online erfolgten Zuweisung einer individuellen Kennung genutzt werden kann, und wenn er sich vertraglich ausbedingt, dass diese Kennung nicht an Dritte weitergegeben werden darf. Dies gilt auch dann, wenn die DVD mit dem Computerspiel wegen der ohne Kennung eingeschränkten Spielmöglichkeiten vom Ersterwerber praktisch
nicht mehr weiterveräußert werden kann.

BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 - I ZR 178/08 - OLG Hamburg

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