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LAG Baden-Württemberg: 10.000 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen unautorisierter Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen durch ehemaligen Arbeitgeber

LAG Baden-Württemberg
Urteil vom 27.7.2023
3 Sa 33/22

Das LAG Baden-Württemberg hat entschieden, dass ein ehemaliger Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadensersatz gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber in Höhe von 10.000 EURO aus Art. 82 DSGVO wegen der unautorisierten Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen hat..

Aus den Entscheidungsgründen:
Auf die Berufung des Klägers waren diesem wegen der unautorisierten Verwendung ihn betreffenden Bildmaterials in Video- und Fotoaufnahmen nicht nur 3.000,00 EUR, sondern 10.000,00 EUR als Schadensersatz zuzusprechen.

1. Wegen der Verpflichtung der Beklagten dem Grunde nach zur Zahlung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 82 Abs. 1 DSGVO bzw. zur Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Nutzung von Film- und Fotoaufnahmen, die den Kläger erkennbar über längeren Zeitraum zeigen, kann zunächst auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 2. lit. b der Entscheidungsgründe seines Urteils (Bl. 214 bis 217 d. ArbG-Akte) verwiesen werden. Die hiergegen gerichteten Einwände der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung liegen neben der Sache.

Wenn die Beklagte ausführt, dass „zwischen den Parteien abgestimmt gewesen“ sei, dass die Beklagte das Schulungsvideo auch nach Ausscheiden des Klägers vollumfänglich mit dem Bild des Klägers weiter nutzen könne, so ist nicht ansatzweise ersichtlich, wer - bei der Beklagten handelt es sich um eine juristische Person - mit wem wann welche konkrete Regelung vereinbart haben soll. Der Kläger hat eine entsprechende Abrede bestritten.

Auch wenn der Kläger im Zeitpunkt des Anfertigens des Bildmaterials hiermit und mit der Verwertung des Bildmaterials zu Werbezwecken für die Beklagte einverstanden war, so bedeutet dies nicht, dass dieses Einverständnis über den Zeitpunkt seines Ausscheidens bei der Beklagten hinaus fortbestand, zumal der Kläger in unmittelbarem zeitlichen Anschluss in vergleichbarer Position bei einem Wettbewerber tätig wurde. Vielmehr hätte die Beklagte sämtliche Bildnisse des Klägers von sich aus spätestens im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus ihren Werbemedien entfernen müssen (vgl. ArbG Neuruppin 14. Dezember 2021 - 2 Ca 554/21 - ZD 2022, 396). Dies hat die Beklagte jedoch nicht getan, sondern in der Folgezeit ein das Persönlichkeitsrecht des Klägers in erheblichem Maße beeinträchtigendes Verhalten an den Tag gelegt.

a) Im Ansatz zu Recht gibt die Beklagte an, dass nicht jedwede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, also auch nicht jede Verletzung des Rechts am eigenen Bild, einen Anspruch des Betroffenen auf eine Geldentschädigung gegen den Urheber auslöst (BGH 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - NJW 1996, 984). Erforderlich ist vielmehr eine Bewertung aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Bei Verletzungen des Rechts am eigenen Bild sind im Regelfall geringere Anforderungen an die Zusprechung einer Geldentschädigung zu stellen, da die Rechtsverletzung, anders als bei das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Äußerungen, regelmäßig nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BGH 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 - BGHZ 199, 237). Bei dieser Entschädigung steht regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen.

Im vorliegenden Fall liegt eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers vor. Auch wenn dieser zunächst mit der Anfertigung von Bildnissen einverstanden war und diese möglicherweise aktiv befördert hat, war für die Beklagte ohne Weiteres ersichtlich, dass dies jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers und seines Wechsels zu einem Konkurrenzunternehmen nicht mehr der Fall war. Die Beklagte hat dennoch weder von sich aus und zunächst auch nicht auf mehrmaliges Drängen des Klägers die Foto- und Videoaufnahmen mit dem Kläger aus ihren Werbemedien entfernt, sondern dies erst im Februar 2020 und somit über 9 Monate nach seinem Ausscheiden vollständig getan.

b) Nicht ausreichend berücksichtigt hat das Arbeitsgericht bei der Festsetzung der Höhe der Geldentschädigung, dass die Beklagte den Kläger über den Bestand des Arbeitsverhältnisses hinaus zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt hat. Dies bedeutet zwar nicht, dass eine „Gewinnabschöpfung“ vorzunehmen ist, wohl aber, dass die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung mit einzubeziehen ist. In solchen Fällen muss von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen; als weiterer Bemessungsfaktor kann die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung berücksichtigt werden (BGH 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94 - NJW 1996, 984).

Die Beklagte hat die Angaben des Klägers nicht substanziiert bestritten, wonach sie im Zeitraum vom 1. Mai 2019 bis 21. Februar 2020 viertägige Lehrgänge zum Erlernen von Foliertechniken angeboten habe, die zum Preis von 1.999,00 EUR von ca. 6 Personen je Lehrgang besucht worden seien. Dabei habe die Beklagte etwa 7.000,00 EUR Gewinn je Lehrgang vereinnahmt. Wie die Erörterungen in den mündlichen Verhandlungen vor der Berufungskammer ergeben haben, kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer des Lehrgangs aufgrund des den Kläger zeigenden Werbematerials speziell wegen der Person des Klägers bei der Beklagten gebucht haben. Die Beklagte hat nicht mit dem Namen des Klägers geworben, der auch selbst nicht behauptet hat, in der Branche bekannt gewesen zu sein, weshalb Teilnehmer gezielt Schulungen mit ihm besucht haben könnten. Andererseits hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass der Kläger seine jetzige Position bei Mitbewerbern auch deshalb bekleide, weil er durch die entsprechenden Schulungen und Veröffentlichungen bekannt geworden sei. Somit hat die Beklagte einen gewissen Werbeeffekt ausgenutzt, was bei der Bemessung des Entschädigungsbetrags zu berücksichtigen ist ebenso wie der Umstand, dass sie vermeiden wollte, das mit viel Aufwand und Kosten angefertigte Schulungsvideo nicht mehr unverändert verwerten zu können.

c) Unter Abwägung dieser Umstände hält die Kammer einen Entschädigungsbetrag von 10.000,00 EUR für angemessen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Prävention nicht anspruchserhöhend wirkt sich die anwaltliche Vertretung der Beklagten spätestens seit Anfang Februar 2020 aus (vgl. BAG 5. Mai 2022 - 2 AZR 263/21 - NZA 2022, 1191).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LAG Hessen: Arbeitnehmer hat Anspruch gegen Arbeitgeber auf Zahlung von 1.500 EURO Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen unberechtigter Observation durch Detektiv

LAG Hessen
Urteil vom 18.10.2021
16 Sa 380/20


Das LAG Hessen hat in diesem Fall entschieden, dass Arbeitnehmer einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Zahlung von 1.500 EURO Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen unberechtigter Observation durch einen Detektiv hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von 1.500€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4. Dezember 2019 verlangen.

Nach Art. 82 Absatz 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

Verantwortlicher ist gemäß Art. 4 Nr. 7 EU-DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Bei einer Aktiengesellschaft ist dies der Vorstand (Schild, BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, DSGVO Art. 4 Rn. 89).

Anspruchsberechtigt ist der Kläger als natürliche Person.

Zu ersetzen sind sowohl materielle als auch immaterielle Schäden. Gerade bei immateriellen Schäden ist die Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen, dass der geschuldete Schadensersatz „eine wirklich abschreckende Wirkung“ haben muss (EuGH Urt. v. 17.12.2015 – C-407/14, EuZW 2016, 183, 184). Die bisherige deutsche Rechtsprechung, die immateriellen Schadensersatz überhaupt nur bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen zugesprochen hat, was auch der ausdrücklichen Regelung in § 8 Abs. 2 BDSG aF entspricht, ist nicht mehr anwendbar. Da der Begriff des Schadens in Art. 82 DSGVO ein europarechtlicher ist, darf nicht auf nationale Erheblichkeitsschwellen oder andere Einschränkungen abgestellt werden. Einen Ausschluss vermeintlicher Bagatellschäden sieht das Gesetz nicht vor (Kühling/Buchner – Ct, DS-GVO BDSG, 3. Auflage, Art. 82 DS-GVO Rn. 18a).

Ein immaterieller Schaden kann in einer unzulässigen Observierung durch eine Detektei bestehen (Kühling/Buchner – Ct, a.a.O., Rn. 18c; Däubler/Wedde/Weichert/Sommer, EU-DSGVO und BDSG, 2. Auflage, Art. 82 DSGVO Rn. 16; BAG 19. Februar 2015 – 8 AZR 1007/13 – Rn. 23).

Der Verantwortliche haftet für jede „nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung“ (Art. 82 Abs. 2 S. 1 DSGVO), solange diese kausal für den Schaden ist. Der Begriff der Beteiligung ist weit zu verstehen, sodass insbesondere die letztlich schädigende Handlung nicht von dem in Anspruch genommenen Verantwortlichen ausgegangen sein muss (Kühling/Buchner – Ct, a.a.O., Rn.23).

Die Observation des Klägers einschließlich personenbezogener Datenerhebung war rechtswidrig. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG, das in der Aufdeckung einer Straftat im Beschäftigungsverhältnis liegen kann, zur Erhebung personenbezogener Daten im Wege der Observation des Klägers lag nicht vor. Zwar stellt ein versuchter Prozessbetrug eine Straftat dar, die auch eine Detektivüberwachung rechtfertigen kann. Hierfür muss jedoch ein berechtigter Anlass vorliegen.

Der Kläger hatte in dem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main 12 Ga 69/19 vorgetragen und an Eides statt versichert, dass er montags bis mittwochs 7:30 Uhr in der Regel seine beiden Kinder betreuen müsse. Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 27. Mai 2019 bemerkte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf der Heimfahrt im ICE XXX in Richtung B, einen Mann, von dem er in diesem Moment keinen Zweifel hatte, dass es sich hierbei um den Kläger handelte. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beauftragte daraufhin eine Detektei mit der Observation des Klägers, die sodann ab 11. Juni 2019 an insgesamt 6 Tagen erfolgte.

Für diese Maßnahme bestand kein berechtigter Anlass. Es wäre dem für die Beklagte handelnden Prozessbevollmächtigten ohne weiteres möglich gewesen, die Person, die er spontan für den Kläger hielt, anzusprechen und sich zu vergewissern, ob es sich tatsächlich um den Kläger handelte. Bei dieser Gelegenheit hätte er den Kläger (sofern es sich bei ihm um die betreffende Person gehandelt haben sollte) auch direkt ansprechen können, wie es sein kann, dass er sich an einem Tag, an dem er sich regelmäßig um seine Kinder kümmern muss, in einem Zug Richtung B befindet. Selbst wenn er nicht sofort hieran gedacht haben sollte, war es ihm immer noch möglich, bis zum ersten Halt des Zuges den Wagen abzulaufen, um die betreffende Person zu finden und anzusprechen. Soweit er im Prozess ausführte, seinen Aktenkoffer nicht auf seinem Platz zurücklassen zu wollen, ist zu berücksichtigen, dass er diesen ohne weiteres auf dem kurzen Gang durch den Waggon hätte mitnehmen können. Letztlich hat er auf eine vage Vermutung hin eine Detektei mit der Observation des Klägers beauftragt.

Die Observation verletzte den Kläger auch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Der Detektiv beobachtete ihn an sechs Tagen in seinem Privatleben (auf dem Balkon seiner Wohnung und im Garten). Einmal lief er ihm sogar bis in den Park hinterher.

Auch wenn anlässlich der Observation keine Video- und Fotoaufnahmen des Klägers und seiner Kinder angefertigt wurden, hält die Kammer einen immateriellen Schadenersatz in Höhe von insgesamt 1500 € (250 € je für jede der 6 Observationen) für angemessen. Dies ergibt sich aus dem Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers sowie der Prävention.

Der Anspruch auf Verzinsung des zugesprochenen Geldbetrags ergibt sich aus §§ 286 Absatz 1, 288 Absatz 1 BGB.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Heimliches GPS-Tracking ist strafbar - Detektei und Mitarbeiter zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt

BGH
Urteil vom 4. Juni 2013
1 StR 32/13


Der BGH hat entschieden, dass die heimliche Überwachung von Personen mittels an Fahrzeugen angebrachter GPS-Empfänger strafbar ist. Die Grundsätze lassen sich auch auf andere Formen des GPS-Trackings übertragen.

Aus der Pressemitteilung des BGH:

"Das Landgericht Mannheim hat den Betreiber einer Detektei sowie einen seiner Mitarbeiter wegen gemeinschaftlichen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt in mehreren Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen unterschiedlicher Höhe verurteilt, deren Vollstreckung es jeweils zur Bewährung ausgesetzt hat.

Die Angeklagten hatten verdeckt für verschiedene Auftraggeber (Privatpersonen) Überwachungsaufträge ausgeführt, die zu Erkenntnissen über das Berufs- und/oder das Privatleben von Personen (Zielpersonen) führen sollten. Die Motive der Auftraggeber waren im Einzelnen unterschiedlich: Vorwiegend ging es um wirtschaftliche und private Interessen, die sich teilweise, etwa im Zusammenhang mit Eheauseinandersetzungen, auch überschnitten.

Zur Erfüllung ihres Auftrags bedienten sich die Angeklagten in großem Umfang der GPS-Technik (Global Positioning System), indem sie einen GPS-Empfänger unbemerkt an den Fahrzeugen der Zielpersonen anbrachten. Dadurch konnten sie feststellen, wann und wo sich das jeweilige Fahrzeug aufhielt. Auf diese Weise erstellten sie Bewegungsprofile der Zielpersonen.

[...]

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die heimliche Überwachung der "Zielpersonen" mittels eines GPS-Empfängers grundsätzlich strafbar ist. Zwar ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall erforderlich. Jedoch kann lediglich bei Vorliegen eines starken berechtigten Interesses an dieser Datenerhebung die Abwägung ausnahmsweise (etwa in notwehrähnlichen Situationen) ergeben, dass das Merkmal des unbefugten Handelns bei diesen Einsätzen von GPS-Empfängern zu verneinen ist."




Sie vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie finden Sie hier:


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