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LG Hagen: Unzulässige Schleichwerbung auf Instagram bei fehlender Kennzeichnung als Werbung - Verstoß gegen HCVO durch Begriff detox delight

LG Hagen
Beschluss vom 29.11.2017
23 O 45/17


Das LG Hagen hat abermals bestätigt, dass Instagram-Posts durch einen Influencer eine unzulässige Schleichwerbung darstellt, wenn die Werbung nicht deutlich als solche gekennzeichnet wird.

Zudem hat das Gericht entschieden, dass die Werbung mit dem Begriff "Detox Delight" eine unzulässige Werbung mit einer gesundheitsbezogenen Angabe ist und gegen die HCVO verstößt.


Aus den Entscheidungsgründen:

Es besteht ein Verfügungsanspruch. Die Beklagte verstößt mit den ins Netz gestellten Bildern, bei denen Produkte gewerblicher Unternehmen mit einem Link zu deren Homepage versehen sind und dem danebenstehenden Text ohne Kenntlichmachung, dass es sich insoweit um Werbung handelt, gegen § 5a Abs. 6 UWG. Danach handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine derartige Verschleierung der Werbung ist bei dem Instagram-blog, den die Beklagte führt, anzunehmen. Ein Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild der geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass der Verbraucher ihren kommerziellen Zweck nicht klar und eindeutig erkennen kann Dabei ist auf den konkreten Fall abzustellen und es sind alle tatsächlichen Umstände sowie die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmittels zu berücksichtigen. Maßgebend ist die Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers oder des durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen Verbrauchergruppe. Geht es um den Schutz besonders schutzbedürftiger Verbraucher, wie bspw. Kinder, gilt § 3 Abs. 4 S. 2 UWG. Da Kinder im Vergleich zu Erwachsenen weniger aufmerksam und lesegeübt sind, sind an die Kennzeichnung als Werbung deutlich höhere und kindgerechte Anforderungen zu stellen (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 5a Rn. 7.24, m. w. N). Da es sich bei den auf Instagram geposteten Bildern in ihrer Darstellung und mit dem danebenstehenden Textbalken, auf dem sog. „Follower“ sich äußern können, dem äußeren Anschein nach lediglich um einen Mode-blog der Beklagten handelt, wo sie sich mit ihren Followern über ihre „outfits“ unterhält, ist auf dem ersten Blick nicht ersichtlich, dass vorherrschendes Ziel dieser Bilder ist, für die auf dem Bild ersichtlichen Produkte Werbung zu machen. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei der Verfügungbeklagten um eine Person handelt, die nicht nur Erwachsenen, sondern nach eigener Kenntnis des Gerichts auch jugendlichen Personen bekannt ist. Gerade für diesen Teil der Follower wird das Vermischen von werbenden mit rein textlichen Elementen nicht sofort erkennbar sein. Die hinzugefügten Zeichen wie @ oder # lassen den werbenden Charakter der Benennung der Produktnamen nicht als Werbung offensichtlich erscheinen. Insoweit liegt der Fall anders als etwa bei einer Unternehmens-Homepage, die der durchschnittlich verständige Nutzer ohne weiteres als kommerzielle Kommunikation erkennt, die keiner gesonderten Kennzeichnung des Inhalts oder einzelner Abschnitte mit „Anzeige“ oder „Werbung“ bedarf.

Die Beklagte verstößt mit ihrem Instagram-Auftritt gegen §§ 5a Abs. 2, Abs. 4 i. V. m. § 6 Abs. 2 TMG, der als verbraucherschützend einzustufen ist (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, a. a. O., § 5a Rn. 5.28), soweit sie in den Blog-Texten die Zeichen #paul_hewitt oder @paul-hewitt verwendet. Bei dem Weblog (Blog) der Beklagten handelt es sich um eine kommerzielle Kommunikation per elektronischer Post, da sich die Beklagte lediglich dem Anschein nach mit ihren Followern über ihre Outfits unterhält, während sie tatsächlich durch die Verlinkung mit den Produktnamen für diese Unternehmen wirbt. Durch das Anklicken beider Textbestandteile ihrer Unterhaltung mit den Followern wird man nach unbestrittenem Vortrag des Klägers auf die Homepage des Unternehmens weiter geleitet, was allein durch die Verwendung der Zeichen # oder @ nicht ersichtlich ist. Auf diese Weise verschleiert sie den kommerziellen Charakter des Blogs.

Durch die Verwendung des Begriffs „detox delight“ verstößt die Beklagte zudem gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO (sog. Health-Claims-Verordnung). Die speziellen Werbeverbote der HCVO sind Marktverhaltensregelungen i. S. v. § 3a UWG. Der Anwendungsbereich der HCVO ist eröffnet, da es sich bei dem abgebildeten Gegenstand, den die Beklagte auf einem geposteten Bild in den Händen hält, siehe Bl. 67 d. A., um eine Getränkeflasche mit Inhalt handelt, das die Beklagte durch einen Strohhalm zu sich nimmt. Ein Getränk ist ein Lebensmittel i. S. d. Art. 2 Abs. 1 lit a HCVO. Die Bezeichnung „detox“ für ein Lebensmittel stellt eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO dar. Eine Angabe ist gesundheitsbezogen, wenn mit ihr erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff „Zusammenhang“ ist dabei weit zu verstehen. Der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ erfasst jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels – sei es unmittelbar oder mittelbar – impliziert. Für die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Beurteilung ist es nach Erwägungsgrund 16 S. 3 HCVO entscheidend, in welchem Sinne der normal informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die Angaben über Lebensmittel versteht. Es gilt dabei kein statistischer, sondern ein normativer Maßstab. Nach ihm sind die nationalen Gericht und Verwaltungsbehörden gehalten, von ihrer eigenen Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszugehen, Erwägungsgrund 16 S. 5 und 6 HCVO (so OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.3.2016, 20 U 75/15, zitiert nach juris Rn. 18 mit weiteren Nachweisen). Es kann dahinstehen, ob der Durchschnittsverbraucher, zu denen auch die entscheidende Richterin gehört, die englischen Worte „detoxicate“ oder „detoxication“ (“ entgiften“ bzw. „Entgiftung“) kennt und das Wort „detox“ als deren Abkürzung sieht. Denn unabhängig von speziellen Fremdsprachenkenntnissen sind dem Durchschnittsverbraucher die vorangestellte Silbe „de“ im Sinne einer Verneinung oder Aufhebung und „tox“ als Hinweis auf giftig („toxisch“ oder „toxikologisch“) bekannt, so dass er das Kunstwort „detox“ ohne weiteres im Sinne von „Entgiftung“ verstehen wird (OLG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 21). Auch wenn es einen gewissen Trend gibt, „Entgiften“ auf alle möglichen (angeblich) störenden Stoffe zu beziehen und so für eine bestimmte Lebenseinstellung geprägte Lebensführung zu benutzen, die sich durch eine Kombination aus ausgewogener Ernährung, Bewegung und Entspannung definiert, das heißt schlicht eine gesunden Lebensweise, die frei von „giftigen“ Einflüssen im übertragenen Sinne ist, muss auch unter Berücksichtigung der aktuellen Marktsituation festgestellt werden, dass der Durchschnittsverbraucher nach wie vor mit dem für ein Lebensmittel benutzten Begriff „detox“ – im Sinne der eigentlichen Wortbedeutung – eine „Entgiftung“ des Körpers und darauf folgende Verbesserung des Gesundheitszustandes verbindet. Eine solche gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 10 Abs. 1 HCVO ist verboten, sofern sie nicht den allgemein Angaben in Kap. II der HCVO und den speziellen Anforderungen in Kap. IV° HCVO entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13, 14 HCVO aufgenommen sind. Da unstreitig keine Zulassung für die gesundheitsbezogene Angabe „detoxisch“ besteht, liegt ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO vor (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O., zit. nach juris Rn. 30).

Weiter verstößt die Abbildung mit dem Link „detox delight“ gegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 (Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) i. V. m. Art. 7 Abs. 1 lit b) Verordnung zur Information der Verbraucher über Lebensmittel (LMIV). Danach dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt. Der Verbraucher wird aber davon ausgehen, dass er mit der Einnahme dieses Getränkes Gifte aus dem menschlichen Körper entfernen könne. Eine „ Entgiftung“ bzw. „Entschlackung“ des Körpers über die körpereigene Funktion hinausgehend hat aber keine schulmedizinische Basis.

Die Bilddarstellungen der Beklagten verstoßen außerdem gegen § 5a Abs. 4 UWG i. V. m. § 58 RStV NW. Bei dem Weblog der Beklagten handelt es sich um ein Telemedium i. S. d. § 1 RStV, für das die Regelungen des IV.-VI. Abschnitts des Staatsvertrags, i. E. § 58 RStV gelten (vgl. VG Münster, Urt. v. 14.6.2010, 1 L 155/10 zur Homepage eines Internetanbieters, zit. nach juris). Gem. §§ 7 Abs. 3, 58 Abs. 1, 3 RStV muss Werbung als solche klar erkennbar sein und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. Das ist aus den bereits zu § 5a Abs. 6 UWG dargelegten Gründen nicht der Fall.

Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 178,50 € hätte die Klägerin aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG gehabt. Die Abmahnung der Beklagten erfolgte berechtigt. Die Höhe der Kosten wurde von der Beklagten nicht angegriffen und erscheinen dem Gericht auf der Grundlage des § 287 ZPO auch angemessen vor dem Hintergrund, dass anwaltliche Abmahnkosten deutlich höher ausgefallen wären.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: