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OLG Hamm: Keine Dringlichkeit für einstweilige Verfügung wenn Wettbewerbsverstoß durch ähnliches Produkt bereits länger bekannt war - Verstoß gegen DiätVO

OLG Hamm
Urteil vom 21.04.2016
4 U 44/16


Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Vermutung der Dringlichkeit für eine einstweilige Verfügung entfällt, wenn der Wettbewerbsverstoß durch ein ähnliches Produkt bereits länger bekannt ist. Vorliegend ging es um einen Verstoß gegen gegen § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätVO wegen eines fehlenden Wirksamkeitsnachweises.

Aus den Entscheidungsgründen:

Es fehlt an einem Verfügungsgrund. Auf die Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 2 UWG kann sich der Verfügungskläger im Ergebnis nicht berufen. Die Vermutung der Dringlichkeit ist widerlegt, wenn der Anspruchsteller nach Kenntniserlangung von dem Wettbewerbsverstoß und der Identität des Verletzers oder nach dem Eintritt von Umständen, die den Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis von dem Wettbewerbsverstoß und der Identität des Verletzers begründen, längere Zeit zuwartet und hierdurch zu erkennen gibt, dass es „ihm nicht eilig ist“ (Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 34. Aufl. [2016], § 12 Rdnrn. 3.15 f), wobei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nicht länger als einen Monat zugewartet werden darf (vgl. z.B. Senat, Urteil vom 13.02.2014 – 4 U 172/13). Da der Anspruchsgegner in der Regel keine Kenntnis von der (möglichen) Kenntniserlangung durch den Anspruchsteller hat, braucht er zur Entkräftung der Dringlichkeitsvermutung nur Tatsachen vorzutragen, die den Schluss auf eine Kenntniserlangung durch den Anspruchsteller zu einem bestimmten Zeitpunkt zulassen. Spätestens dann muss der Anspruchsteller darlegen und gegebenenfalls glaubhaft machen, wann er tatsächlich Kenntnis erlangt hat (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O., § 12 Rdnrn. 3.15).

Unstreitig hatte der Verfügungskläger den damaligen Hersteller der beiden hier streitgegenständlichen Produkte bereits unter dem 22.11.2011 wegen eines – jedenfalls dem Produktnamen nach – als „Schwesterprodukt“ der beiden hier streitgegenständlichen Produkte zu bezeichnenden Diätproduktes abgemahnt. Gegenstand dieser Abmahnung war – wie auch im vorliegenden Verfahren – der Vorwurf eines Verstoßes gegen § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätVO wegen eines fehlenden Wirksamkeitsnachweises. Der Verfügungskläger hätte jedenfalls angesichts dieser Umstände mitteilen müssen, wann genau er von den hier streitgegenständlichen Wettbewerbsverstößen Kenntnis erlangt hat. Dieser Obliegenheit ist er nicht nachgekommen.

Ohne Erfolg macht der Verfügungskläger geltend, bei Wettbewerbsverstößen der hier in Rede stehenden Art erlange der Abmahnende erst durch die Reaktion des Abgemahnten auf die Abmahnung endgültige Gewissheit über das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes. In einer solchen Konstellation muss für den Beginn der „Dringlichkeitsfrist“ auf die Kenntnis (oder grob fahrlässige Unkenntnis) derjenigen (Verdachts-)Umstände abgestellt werden, die dem Abmahnenden Anlass zu seiner Abmahnung gegeben haben. Anderenfalls hätte es in einer derartigen Konstellation ein Anspruchsteller, der einen zu einer Abmahnung Anlass gebenden Verdacht auf das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes hegt, durch das Hinauszögern einer Abmahnung in der Hand, auch den Beginn der „Dringlichkeitsfrist“ hinauszuschieben. Dass in einem solchen Fall keine Eilbedürftigkeit mehr vorliegt und kein anerkennenswertes Bedürfnis mehr nach der Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes besteht, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung. Zu der Frage, wann er von den Umständen, die ihm Anlass zu seiner Abmahnung vom 23.10.2015 gegeben haben, Kenntnis erlangt hat, hat sich der Verfügungskläger indes auch nicht geäußert.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: