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AG München: Bankkunde darf EC-Karte und ausreichend verschlüsselte Geheimzahl zusammen in der Geldbörse aufbewahren - Erstattungsanspruch gegen Bank bei EC-Kartenmissbrauch nach Diebstahl

AG München
Urteil vom 02.06.2023
142 C 19233/19


Das AG München hat entschieden, dass ein Bankkunde seine EC-Karte und die ausreichend verschlüsselte Geheimzahl zusammen in seiner Geldbörse aufbewahren darf. Das Gericht hat einen Erstattungsanspruch gegen die Bank bei EC-Kartenmissbrauch nach einem Diebstahl bejaht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Haftung bei EC-Kartenmissbrauch

Keine grobe Fahrlässigkeit bei gemeinsamer Aufbewahrung der EC-Karte mit hinreichend verschlüsselter Geheimzahl

In einem Streit um Erstattungsansprüche bei EC-Kartenmissbrauch gab das Amtsgericht München der Klage eines Bankkunden auf Zahlung von 1.011 EUR überwiegend statt und verurteilte die beklagte Bank zur Zahlung in Höhe von 861,00 EUR.

Der Münchner Kläger hat bei der Beklagten ein Girokonto, für welches ihm von dieser eine EC-Girokarte mit Maestro-Funktion zur Verfügung gestellt wurde. Unbekannte Trickdiebe entwendeten ihm im Oktober 2015 in Italien auf der Autobahnraststätte „Campogalliano Ovest“ den Geldbeutel samt EC-Karte und hoben bereits ca. 20 Minuten später an einem ca. 18 Fahrminuten von der Autobahnraststätte entfernten Ort unter im Einzelnen streitigen Umständen insgesamt 1.000 EUR von seinem Konto ab. Wenige Minuten später bemerkte der Kläger den Verlust der Karte und ließ diese sperren.

Die beklagte Bank belastete das Konto des Klägers daraufhin mit einem Betrag in Höhe von 1.000 EUR sowie Gebühren in Höhe von insgesamt 11,00 EUR für zwei Geldautomatenverfügungen im Ausland.

Der Kläger hatte die EC-Karte in seinem Geldbeutel gemeinsam mit einem kleinen, handgeschriebenen Zettel aufbewahrt, auf dem er diverse Telefonnummern sowie die für die Girokarte ausgegebene vierstellige Geheimzahl (PIN) in verschlüsselter Form notiert hatte. Der mathematisch versierte Kläger ging dabei so vor, dass er die PIN (4438) in zwei Schritten in Primzahlen zerlegte und so zu den Ziffern 2, 7 und 317 gelangte, die er zusammenhängend und ohne Bezug als „27317“ auf den Zettel übertrug.

Der Kläger machte mit seiner Klage die Erstattung des abgebuchten Betrages in Höhe von 1.011 EUR geltend. Er behauptete, seine PIN über die verschlüsselte Variante hinaus nicht in seinem Geldbeutel aufbewahrt und diese auch nicht auf der Karte vermerkt zu haben. Es dränge sich der Verdacht von Bandenkriminalität auf, die Täter müssten im Besitz einer Technik gewesen sein, mit der es gelänge, den Abhebevorgang auch ohne Kenntnis der PIN durchzuführen, die Verschlüsselung also auszuhebeln.

Das Amtsgericht München erachtete die Klage für überwiegend begründet und verurteilte die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 861,00 EUR.

Das Gericht stellte in den Urteilsgründen zunächst fest, dass dem Kläger aufgrund der ohne seine Autorisierung erfolgten Abhebungen ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Erstattung des abgebuchten Betrages in voller Höhe zusteht, § 675u S. 2 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (in der bis 12. Januar 2018 geltenden Fassung, im Folgenden: alte Fassung).

Hiervon ist jedoch nach den Ausführungen des Gerichts ein Betrag in Höhe von 150 EUR in Abzug zu bringen, da der beklagten Bank auf Grund der Verwendung eines dem Kläger gestohlenen Zahlungsauthentifizierungsinstruments in dieser Höhe ein verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch zusteht, § 675v Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch alte Fas-sung.

Einen weitergehenden Anspruch der Bank auf Ersatz des gesamten Schadens verneinte das Gericht jedoch, da der Schaden weder durch eine vorsätzliche noch eine grob fahrlässige Pflichtverletzung durch den Kläger herbeigeführt worden sei, § 675v Abs. 2 Alt. 2 Nr. 1, 2 Bürgerliches Gesetzbuch alte Fassung.

Das Gericht begründete dies wie folgt:

„Entgegen der Ansicht der Beklagten greift der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mögliche Anscheinsbeweis, dass der Kläger die persönliche Geheimzahl (unverschlüsselt) auf seiner ec-Karte vermerkt oder sie zusammen mit dieser verwahrt hat (…) im vorliegenden Fall nicht ein. Die Annahme des Anscheinsbeweises setzt voraus, dass der Missbrauch unter Verwendung der Originalkarte und der zutreffenden Geheimzahl erfolgt ist (…).

Diese Umstände hat der Kläger bestritten, so dass die Beklagte hierfür den Beweis erbringen muss. Zwar kann nach den oben dargestellten Grundsätzen davon ausgegangen werden, dass die Originalkarte des Klägers zum Einsatz gekommen ist, der Beklagten ist jedoch der Nachweis nicht gelungen, dass die unbekannten Täter auch die korrekte Geheimzahl des Klägers in Erfahrung gebracht und zur Auszahlung verwendet haben. (…)

Die verschlüsselte Aufbewahrung der PIN des Klägers in dessen Portemonnaie gemeinsam mit der Zahlungskarte wertet das Gericht nicht als grob fahrlässige Verletzung der Pflichten des § 675l S. 1 BGB a.F.

Grob fahrlässig handelt nur, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, einfachste und nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und in der konkreten Situation das nicht beachtet, was sich jedem aufdrängt. (…)

Als grob fahrlässig wird daher in der Regel gewertet, wenn der Zahler die persönliche Geheimzahl gemeinsam mit der Karte und nicht räumlich von dieser getrennt mit sich führt. Erlaubt ist es dem Zahler jedoch nach ganz h.M. [Anm.: herrschender Meinung], die PIN verschlüsselt auch gemeinsam mit der Karte vorzuhalten, soweit die Verschlüsselung ausreichend komplex ist, um eine Kenntniserlangung Dritter nach menschlichem Ermessen auszuschließen.

Nach diesen Maßstäben war die verschlüsselte Vorhaltung der PIN durch den Kläger hinreichend sicher und verstößt noch nicht einmal gegen einfache Sorgfaltspflichten. Der Kläger hat seine Vorgehensweise in seiner persönlichen Anhörung durch das Gericht nachvollziehbar geschildert. Er hat eine komplexe, individuelle Verschlüsselungsmethode entwickelt, die - jedenfalls in Unkenntnis der Methode - auch dem Gericht als ausreichend sicher erscheint. Auch dem Sachverständigen ist es eigenen Angaben zufolge (…), obwohl er Kenntnis von der Rechenweise des Klägers hatte, zunächst nicht gelungen, die Zahlenfolge 27317 zu dechiffrieren und hieraus die PIN rückzuerrechnen.

Der Kläger hatte die Zahlenfolge zudem zusammenhanglos auf einem Zettel mit Telefonnummern notiert ohne zugehörigen Hinweis, dass es sich um eine PIN handelt. Wie den Tätern innerhalb von nur wenigen Minuten eine Decodierung hätte gelingen können ist selbst unter Zugrundelegung des Vortrags des Klägers, es habe sich um organisierte Bandenkriminalität gehandelt, für das Gericht nicht nachzuvollziehen.“


AG Frankfurt: Telefonische Kartensperre 30 Minuten nach Bemerken des Verlusts kann zu spät sein - dann kein Anspruch gegen Bank auf Erstattung von unbefugten Verfügungen

AG Frankfurt
Urteil vom 31.08.2021
32 C 6169/20 (88)


Das AG Frankfurt hat entschieden, dass eine telefonische Kartensperre 30 Minuten nach Bemerken des Verlusts zu spät sein kann und dann kein Anspruch gegen die Bank auf Erstattung von unbefugten Verfügungen besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:

[...]Um 10:42 Uhr jenes Tages teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch den Verlust ihrer Debitkarte mit und ließ die Karte sperren. In ihrer gegenüber der Beklagten am 19.11.2019 erklärten schriftlichen Verlustmeldung gab die Klägerin an, dass sie den Verlust um ca. 10:10 Uhr bemerkt hatte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die mit Anlage B3 vorgelegte Verlustmeldung (Bl. 119 f. der Akte) Bezug genommen.[...].

Die Klägerin kann weder aus § 675u S. 2 BGB, noch aus § 280 Abs. 1 BGB, jeweils in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Zahlungsdiensterahmenvertrag, Erstattung oder Wiedergutschrift der streitgegenständlichen Barauszahlungen von der Beklagten verlangen.

Es gilt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, dass die streitgegenständlichen Abhebungen mittels der der Klägerin ausgehändigten Originalkarte erfolgt sind. Die in den als solchen inhaltlich unwidersprochenen Transaktionsprotokollen (Anlage B2) aufgeführte Kartennummer stimmt überein mit der von der Klägerin selbst mit der Klageschrift vorgetragenen Kartennummer. Die prozessualen Voraussetzungen eines zulässigen Bestreitens der Verwendung der Originalkarte mit Nichtwissen seitens der Klägerin gemäß § 138 Abs. 4 ZPO liegen daher nicht vor.

Wie die Beklagte zutreffend geltend macht, spricht auf dieser Tatsachengrundlage ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Klägerin pflichtwidrig entgegen Ziffer 6.3 der zwischen den Parteien vereinbarten AGB und § 675l Abs. 1 S. 1 BGB die PIN auf der Karte notiert oder gemeinsam mit dieser verwahrt hat (vgl. BGH, Urteil vom 29.11.2011, Az. XI ZR 73/10 = MDR 2012, 239). Tragfähige Anhaltspunkte für einen ernsthaft in Betracht kommenden atypischen Geschehensablauf trägt die Klägerin nicht vor.

Nach der zugrundezulegenden Verwendung der Originalkarte bestehen auch keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass das Sicherheitssystem der Beklagten unzureichend konfiguriert war. Sowohl die (geringe) räumliche Entfernung des Geldautomaten von etwa 50 km vom Wohnort der Klägerin, als auch die im Zuge der streitgegenständlichen Abhebung einmalig erfolgte Falschangabe der PIN stellen weder für sich genommen, noch zusammen hinreichend auffällige Merkmale dar, wie dies etwa bei betragsmäßig, zeitlich und örtlich vom bisherigen Kontonutzungsverhalten ungewöhnlich abweichenden Auslandsverfügungen oder mehrfacher Falscheingabe der PIN der Fall wäre.

Darüber hinaus ist das Gericht auch davon überzeugt, dass der Klägerin ein weiterer Sorgfaltspflichtverstoß dadurch zur Last fällt, dass sie den Verlust der Karte der Beklagten nicht unverzüglich angezeigt hat. Ein erst zeitlich nach den Abhebungen erfolgtes Bemerken des Verlustes hat die Klägerin in Ansehung ihrer eigenen Angaben in der vorgerichtlichen Verlustanzeige (Anlage B3) bereits nicht nachvollziehbar vorgetragen, so dass ein Bemerken des Verlustes 5 Minuten vor der 1. Abhebung wie in der Verlustanzeige angegeben zu Grunde zu legen ist. Ausweislich der polizeilichen Bestätigung über die Erstattung einer Strafanzeige (Anlage B4, Bl. 121 der Akte) verfügt die Klägerin über ein Mobiltelefon. Tragfähige Gründe, warum es ihr nicht möglich war, dieses unmittelbar für eine Verlustmeldung zu nutzen, trägt die Klägerin nicht vor.

Insbesondere kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass sie lediglich zu Hause ihre IBAN zur Hand gehabt habe, welche die Beklagte im Rahmen des letztlich erst von dort aus geführten Telefonates verlangt habe. In Ziffer 6.4 Abs. 1 S. 3 der AGB ist insoweit die Angabe der IBAN nur für eine über den Zentralen Sperrannahmedienst erstattete Verlustmeldung als Erfordernis formuliert. Nach S. 1 der Klausel soll die Sperranzeige jedoch möglichst gegenüber der kontoführenden Stelle erfolgen, wofür die Angabe der IBAN nicht in der Klausel vorausgesetzt wird. Hätte sich auch die kontoführende Stelle der Beklagten auf eine sofortige telefonische Verlustmeldung hin nicht in der Lage gesehen, die IBAN aus ihren Systemen zu recherchieren oder auch ohne diese eine Sperrung der Karte zu veranlassen, hätte die Klägerin jedenfalls ihren vertraglichen Sorgfaltspflichten genügt und wäre in einem solch hypothetischen Fall gegebenenfalls dann eine mangelnde eigene Sorgfalt der Beklagten im Rahmen der Reaktion auf eine dann als unverzüglich feststehende Verlustanzeige festzustellen gewesen; als hypothetische Reserveursache vermag eine solche jedoch nicht die Klägerin von den gemäß Ziffer 6.4 Abs. 1 der AGB und § 675l Abs. 1 S. 2 BGB primär ihr obliegenden Sorgfaltspflichten zur unverzüglichen Verlustanzeige zu entbinden.

Nach alledem liegt hinsichtlich der streitgegenständlichen Abhebungen kein Verschulden der Beklagten, jedoch ein zweifacher grober Sorgfaltspflichtverstoß der Klägerin vor mit der Folge, dass die in Ziffer 14.1 Abs. 1 der AGB vereinbarte Haftungsbegrenzung der Klägerin auf 50 € gemäß Abs. 4 der Klausel sowie § 675v Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht greift und die Klägerin den ihr durch die Abhebungen entstandenen Schaden in vollem Umfang selbst zu tragen hat.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH-Entscheidung zur Frage der Versicherungspflicht eines Juweliers für Kundenschmuck liegt vor

BGH
Urteil vom 02.06.2016
VII ZR 107/15
BGB § 133, § 157, § 241 Abs. 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Keine Versicherungspflicht für Juweliere für Kundenschmuck - aber Aufklärungspflicht bei hochwertigem Kundenschmuck oder Branchenüblichkeit über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Ein Juwelier, der Kundenschmuck zur Anbahnung eines Werk- oder Kaufvertrages entgegennimmt, kann nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung verpflichtet sein, über das Fehlen einer Versicherung gegen das Risiko des Verlustes durch Diebstahl und Raub aufzuklären, wenn eine solche Versicherung branchenüblich ist.

BGH, Urteil vom 2. Juni 2016 - VII ZR 107/15 - LG Lüneburg - AG Winsen (Luhe)

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Keine Versicherungspflicht für Juweliere für Kundenschmuck - aber Aufklärungspflicht bei hochwertigem Kundenschmuck oder Branchenüblichkeit

BGH
Urteil vom 02.06.2016
VII ZR 107/15


Der BGH hat entschieden, dass für Juweliere, die Kundenschmuck zur Reparatur oder zum Ankauf entgegennehmen, keine Versicherungspflicht besteht. Es besteht aber eine Aufklärungspflicht über eine fehlende Versicherung, wenn es sich um hochwertigen Kundenschmuck handelt oder dies branchenüblich ist. Das Berufungsgericht muss nunmehr feststellen, ob eine solche Branchenüblichkeit besteht.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zur Versicherungspflicht eines Juweliers für Kundenschmuck

Der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat hat sich mit der Frage befasst, ob ein Juwelier verpflichtet ist, zur Reparatur oder zum Ankauf entgegengenommenen Kundenschmuck gegen das Risiko des Verlustes durch Diebstahl oder Raub zu versichern, und - falls kein Versicherungsschutz besteht - hierüber den Kunden aufzuklären.

Der Kläger hat der Beklagten Schmuck im Wert von maximal 2.930 Euro zur Reparatur beziehungsweise Abgabe eines Ankaufsangebots übergeben. Anlässlich eines Raubüberfalls auf das Geschäft der Beklagten wurden unter anderem die Schmuckstücke des Klägers entwendet. Die Beklagte war gegen dieses Risiko nicht versichert, worauf sie den Kläger bei Entgegennahme der Schmuckstücke nicht hingewiesen hatte. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Wertersatz der geraubten Schmuckstücke in Anspruch. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Anders als das Gericht erster Instanz sah es eine Aufklärungspflicht über den mangelnden Versicherungsschutz als nicht gegeben.

Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Ein Juwelier ist zwar generell nicht verpflichtet, zur Reparatur oder Abgabe eines Ankaufsangebots entgegengenommenen Kundenschmuck gegen das Risiko des Verlustes durch Diebstahl oder Raub zu versichern.

Aufklärungspflichtig über den nicht bestehenden Versicherungsschutz ist der Juwelier allerdings dann, wenn es sich um Kundenschmuck von außergewöhnlich hohem Wert handelt oder der Kunde infolge Branchenüblichkeit des Versicherungsschutzes eine Aufklärung erwarten darf.

Einen außergewöhnlich hohen Wert hat der Bundesgerichtshof vorliegend verneint. Für die Beurteilung der zwischen den Parteien streitigen Frage der Branchenüblichkeit einer Diebstahls- oder Raubversicherung bei Juwelieren hat das Berufungsgericht nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen und keinen Beweis erhoben. Das Berufungsgericht wird dies nachzuholen haben.

Vorinstanzen:

AG Winsen (Luhe) - Urteil vom 30. September 2014 - 20 C 1350/13
LG Lüneburg - Urteil vom 7. April 2014 - 5 S 71/14


BGH: Ausstellung einer Ersatzkarte durch Bank nach Sperrung wegen Verlust oder Diebstahls ist kostenlos - Entgeltklausel in Banken-AGB unwirksam

BGH
Urteil vom 20.10.2015
XI ZR 166/14


Der BGH hat entschieden, dass die Ausstellung einer Ersatzkarte durch die Bank nach Sperrung wegen Diebstahls oder Verlust kostenlos ist. Eine Klausel in den AGB einer Bank, die hierfür ein Entgelt vorsieht, ist unwirksam.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof erklärt Entgeltklausel für die Ausstellung einer Ersatzkarte in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen einer Bank für unwirksam

Der unter anderem für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbands entschieden, dass die Entgeltklausel für die Ausstellung einer Ersatzkarte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam ist.

Die beklagte Bank verwendet in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis in Bezug auf Zahlungsverkehrskarten eine Klausel, wonach das Entgelt für eine "Ersatzkarte auf Wunsch des Kunden (Entgelt für Ausstellung der Karte)" 15 € beträgt und dieses Entgelt "nur zu entrichten [ist], wenn die Notwendigkeit der Ausstellung der Ersatzkarte ihre Ursache nicht im Verantwortungsbereich der Bank hat."

Der XI. Zivilsenat hat der Unterlassungsklage, die in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben war, auf die Revision des Klägers stattgegeben. Zur Begründung hat er ausgeführt, die angegriffene Klausel halte der gerichtlichen Inhaltskontrolle nicht stand:

Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen unter anderem solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle, durch die von Rechtsvorschriften abweichende Regelungen vereinbart werden. Das trifft auf die beanstandete Klausel zu. Die Auslegung der umfassend formulierten Regelung - die sich ihrem eindeutigen Wortlaut nach auf sämtliche Fälle bezieht, in denen der Kunde bei der Beklagten wegen der Ausstellung einer Ersatzkarte vorstellig wird - ergibt, dass die Bank hiernach auch dann die Zahlung des Entgelts in Höhe von 15 € verlangen kann, wenn die Ausgabe der Ersatzkarte wegen der vereinbarungsgemäß erfolgten Sperrung der Erst- bzw. Originalkarte nach § 675k Abs. 2 BGB notwendig geworden ist, deren Verlust oder Diebstahl - als nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten fallende Vorgänge - der Kunde gemäß § 675l Satz 2 BGBangezeigt hat. Mit der Bepreisung einer vom Kunden in diesen Fällen begehrten Ersatzkarte weicht die Beklagte von § 675k Abs. 2 Satz 5 BGB** ab. Nach dieser Vorschrift trifft den Zahlungsdienstleister (Bank) nach der Sperrung der Erstkarte und Wegfall der Sperrgründe die gesetzliche Nebenpflicht, dem Kunden ein neues Zahlungsauthentifizierungsinstrument (Zahlungskarte) auszustellen, wenn - wie im Falle des Abhandenkommens oder des Diebstahls der Erstkarte - die bloße Entsperrung nicht in Betracht kommt. Für die Erfüllung dieser gesetzlichen Nebenpflicht kann der Zahlungsdienstleister mangels gesetzlicher Anordnung im Sinne von § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB kein Entgelt verlangen. Für eine Differenzierung nach "Verantwortungsbereichen", wie die Beklagte sie mit der streitigen Klausel vornimmt, bietet § 675k Abs. 2 Satz 5 BGB keine Grundlage. Außerdem wälzt die Beklagte mittels der beanstandeten Klausel Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten auf ihre Kunden ab. Gemäß § 675l Satz 2 BGB hat der Zahler (Kunde) dem Zahlungsdienstleister oder einer von diesem benannten Stelle den Verlust, den Diebstahl, die missbräuchliche Verwendung oder die sonstige nicht autorisierte Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments unverzüglich anzuzeigen, nachdem er hiervon Kenntnis erlangt hat. Der Zahlungsdienstleister ist gemäß § 675m Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB verpflichtet, jede Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments zu verhindern, sobald eine Anzeige nach § 675l Satz 2 BGB erfolgt ist. Das kann im Falle einer Zahlungskarte nur durch deren Sperrung erreicht werden. Die danach erforderliche Ausgabe einer Ersatzkarte ist zumindest in den Fällen des Verlusts oder Diebstahls der Erstkarte zwangsläufige Folge der Erfüllung dieser Pflicht.

Die vom Kläger beanstandete Klausel ist nicht nur kontrollfähig, sondern auch unwirksam. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die zum Nachteil des Kunden gegen (halb-)zwingendes Recht verstoßen, benachteiligen ihn zugleich mit der Folge ihrer Unwirksamkeit unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Von den Vorgaben des § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB darf von Gesetzes wegen nicht zum Nachteil eines Verbrauchers als Zahlungsdienstnutzers abgewichen werden.

Landgericht Köln - Urteil vom 23. Januar 2013 - 26 O 306/12

Oberlandesgericht Köln - Urteil vom 19. März 2014 - 13 U 46/13 (WM 2014, 1338 ff.)

Karlsruhe, den 20. Oktober 2015

* § 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 675k BGB

Nutzungsbegrenzung

(1) In Fällen, in denen die Zustimmung mittels eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments erteilt wird, können der Zahler und der Zahlungsdienstleister Betragsobergrenzen für die Nutzung dieses Zahlungsauthentifizierungsinstruments vereinbaren.

(2) Zahler und Zahlungsdienstleister können vereinbaren, dass der Zahlungsdienstleister das Recht hat, ein Zahlungsauthentifizierungsinstrument zu sperren, wenn

1. sachliche Gründe im Zusammenhang mit der Sicherheit des Zahlungsauthentifizierungsinstruments dies rechtfertigen,

2. der Verdacht einer nicht autorisierten oder einer betrügerischen Verwendung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments besteht oder

3. bei einem Zahlungsauthentifizierungsinstrument mit Kreditgewährung ein wesentlich erhöhtes Risiko besteht, dass der Zahler seiner Zahlungspflicht nicht nachkommen kann.

In diesem Fall ist der Zahlungsdienstleister verpflichtet, den Zahler über die Sperrung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments möglichst vor, spätestens jedoch unverzüglich nach der Sperrung zu unterrichten. In der Unterrichtung sind die Gründe für die Sperrung anzugeben. Die Angabe von Gründen darf unterbleiben, soweit der Zahlungsdienstleister hierdurch gegen gesetzliche Verpflichtungen verstoßen würde. Der Zahlungsdienstleister ist verpflichtet, das Zahlungsauthentifizierungsinstrument zu entsperren oder dieses durch ein neues Zahlungsauthentifizierungsinstrument zu ersetzen, wenn die Gründe für die Sperrung nicht mehr gegeben sind. […]

***§ 675l BGB

Pflichten des Zahlers in Bezug auf Zahlungsauthentifizierungsinstrumente

Der Zahler ist verpflichtet, unmittelbar nach Erhalt eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Er hat dem Zahlungsdienstleister oder einer von diesem benannten Stelle den Verlust, den Diebstahl, die missbräuchliche Verwendung oder die sonstige nicht autorisierte Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments unverzüglich anzuzeigen, nachdem er hiervon Kenntnis erlangt hat.

****§ 675f BGB

Zahlungsdienstevertrag

(1) […]

(2) […]

(3) […]

(4) Der Zahlungsdienstnutzer ist verpflichtet, dem Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Für die Erfüllung von Nebenpflichten nach diesem Untertitel hat der Zahlungsdienstleister nur dann einen Anspruch auf ein Entgelt, sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart worden ist; dieses Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.

(5) […]

*****§ 675m BGB

Pflichten des Zahlungsdienstleisters in Bezug auf Zahlungsauthentifizierungsinstrumente; Risiko der Versendung

(1) Der Zahlungsdienstleister, der ein Zahlungsauthentifizierungsinstrument ausgibt, ist verpflichtet,

1. […]

2. […]

3. […]

4. jede Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments zu verhindern, sobald eine Anzeige gemäß § 675l Satz 2 erfolgt ist. […]

(2) […]

AG München: Autovermieter darf Mietwagen per GPS orten und bei Diebstahlverdacht bzw vertragswidriger Verwendung stillegen

AG München
Urteil vom 15.04.2014
182 C 21134/13


Das AG München hat entschieden, dass Autovermieter ihre Mietwagen per GPS orten und bei Diebstahlverdacht bzw vertragswidriger Verwendung stillegen dürfen. Im vorliegenden Fall war der Kunde mit dem Mietwagen nach Italien gefahren, obwohl laut Vertrag nur die Nutzung in Deutschland und Österreich erlaubt war.

Die Pressemitteilung des AG München:

Mietwagenausflug nach Italien

Wer unberechtigt mit einem Mietfahrzeug ins Ausland fährt muss damit rechnen, dass das Fahrzeug bei Diebstahlsverdacht stillgelegt wird und die Kosten für den entstandenen Aufwand tragen.

Am 27.4.13 mietete der 33-jährige Kläger aus 93485 Rimbach ein Fahrzeug des Typs Porsche 997 Turbo Cabrio für eine zweitägige Fahrt bei der beklagten Autovermietung in München. Er zahlte am gleichen Tag Miete für den PKW in Höhe von 1300 Euro brutto sowie Kaution in Höhe von 5000 Euro in bar. Im Mietpreis waren 1000 kostenlose Kilometer enthalten.
Als Rückgabezeit war der 28.4.13, 18.00 Uhr vereinbart. Er fuhr mit dem PKW nach Österreich und Italien. In dem schriftlichen Mietvertrag vom 27.4.13 war lediglich die Einreise nach Österreich erlaubt.

Über die GPS-Überwachung bemerkte die beklagte Autovermietung am Morgen des 28.4.13, dass sich das Fahrzeug in Mailand befand. Der Kläger war telefonisch nicht erreichbar. Die Autovermietung ging von einem Diebstahl aus, legte den PKW still und beauftragte einen Abschleppdienst mit dem Rücktransport des Fahrzeugs. Als der Fahrer der Abschleppfirma schon fast in Mailand war, bemerkte die Autovermietung in München über das GPS, dass sich das Fahrzeug bewegte. Die beklagte Autovermietung ging nun davon aus, dass das Fahrzeug abtransportiert wird. Der Ehemann der Inhaberin der Autovermietung machte sich daraufhin auf den Weg nach Mailand und befand sich bereits auf Höhe des Brenners, als der Kläger anrief.
Der Kläger gab den PKW am 28.4.13 um 20.00 Uhr bei der Autovermietung zurück. Diese behielt einen Teil der Kaution für die bei ihr entstanden Unkosten ein. Es sind unter anderem Kosten für das Abschleppunternehmen und die Fahrt des Ehemanns der Inhaberin Richtung Italien entstanden.

Der Kläger fordert mit der Klage die nicht zurückbezahlte Kaution in Höhe von 3363,80 Euro zurück. Die beklagte Autovermietung rechnet dagegen ihre Unkosten auf.

Die Richterin gab im Wesentlichen der Autovermietung Recht und wies den Großteil der Klage ab. Der Kläger bekommt von der restlichen Kaution nur noch 54,55 Euro zurück.

Das Gericht führt aus, dass der Kläger seine vertraglichen Pflichten verletzt hat, indem er ohne Genehmigung mit dem Porsche nach Italien gefahren ist. Die Autovermietung durfte aufgrund der GPS Daten und der Unerreichbarkeit des Klägers von einem Diebstahl ausgehen.

Im Mietvertrag sei der Kunde darauf hingewiesen worden, dass bei nicht genehmigten Auslandsfahrten das Fahrzeug umgehend von der Beklagten eingezogen und die noch offene Miete und Kaution als Schadensersatz einbehalten werden können. Aufgrund der Erfahrung der beklagten Autovermietung, dass in Italien, insbesondere in Mailand, viele Autos gestohlen würden und Autoschieber tätig seien, sei das Auto stillgelegt und ein Fahrer mit einem Abschlepp-LKW nach Italien geschickt worden. Der Abschlepp-LKW sei erforderlich gewesen, da man auf diesen einen PKW auch ohne Schlüssel verladen könne und die Räder bei einem kleineren Abschlepp-LKW noch rollen können müssen und die Autovermietung nicht wusste, in welchem Zustand der PKW angetroffen werde.

Aus der Sicht des Gerichts sei es auch vertretbar gewesen, dass sich der Ehemann der Inhaberin der Autovermietung eigenständig zusätzlich auf den Weg nach Italien machte, um vor Ort mit Hilfe des GPS-Treckers das Fahrzeug aufzuspüren und anzuhalten. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass es sich um ein besonders hochwertiges Fahrzeug gehandelt habe, so dass der betriebene Aufwand nicht unverhältnismäßig erscheine. Zudem habe sich der Vorfall an einem Sonntag ereignet und die Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass weder über die deutschen noch über die italienischen Behörden eine schnelle und effektive Hilfe zu erwarten gewesen sei.

Urteil des Amtsgerichts München vom 15.4.14, Aktenzeichen 182 C 21134/13.

Das Urteil ist rechtskräftig."




BGH: eBay-Nutzungsbedingungen erlauben die vorzeitige Beendigung einer Auktion bei Diebstahl des Artikels

BGH
Urteil vom 8. Juni 2011
VIII ZR 305/10
eBay Auktionsabbruch


Der BGH hat heute entschieden, dass es die eBay-Nutzungsbedingungen dem Angebotsersteller erlauben, eine Auktion bei Diebstahl des Artikel, vorzeitig abzubrechen.

In der Pressemitteilung des BGH heißt es:

"Im Revisionsverfahren war nicht mehr im Streit, dass dem Kläger die Kamera tatsächlich gestohlen worden war. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine Berechtigung zur Angebotsrücknahme nach § 10 Abs. 1 Satz 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay auch im Fall eines Diebstahls des angebotenen Artikels besteht. Die in dieser Bestimmung enthaltene Bezugnahme auf eine "gesetzliche" Berechtigung zur Angebotsbeendigung ist nicht im Sinne einer Verweisung nur auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Anfechtung von Willenserklärungen zu verstehen. Denn in den allen Auktionsteilnehmern zugänglichen Hinweisen zum Auktionsablauf wird auch der Verlust des Verkaufsgegenstandes als rechtfertigender Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung genannt. Darunter fällt auch der Diebstahl. Hierdurch ist für alle Auktionsteilnehmer ersichtlich, dass der Verkäufer nach den für die Auktion maßgeblichen "Spielregeln" berechtigt ist, auch im Falle des Abhandenkommens durch Diebstahl sein Angebot vorzeitig zu beenden."


Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:




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