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Volltext BGH liegt vor: Facebook muss Erben eines verstorbenen Nutzers vollständigen Zugang zum Facebook-Konto gewähren

BGH
Beschluss vom 27.08.2020
III ZB 30/20
ZPO § 888 Abs. 1 Satz 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Facebook muss Erben eines verstorbenen Nutzers vollständigen Zugang zum Facebook-Konto gewähren - Übersendung einer PDF-Datei mit ausgelesenen Daten nicht ausreichend über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Zur Auslegung eines Vollstreckungstitels (siehe BGH, Urteil vom 12. Juli 2018 - III ZR 183/17, BGHZ 219, 243), der die - ein soziales InternetNetzwerk betreibende - Schuldnerin verpflichtet, den Erben einer verstorbenen Teilnehmerin an dem Netzwerk Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten der Erblasserin zu gewähren.

BGH, Beschluss vom 27. August 2020 - III ZB 30/20 - KG Berlin - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Facebook muss Erben eines verstorbenen Nutzers vollständigen Zugang zum Facebook-Konto gewähren - Übersendung einer PDF-Datei mit ausgelesenen Daten nicht ausreichend

BGH
Beschluss vom 27.08.2020
III ZB 30/20


Der BGH hat entschieden, dass Facebook den Erben eines verstorbenen Nutzers vollständigen Zugang zum Facebook-Konto gewähren muss. Die Übersendung einer PDF-Datei mit allen ausgelesenen Daten auf einem USB-Stick genügt nicht.

Die Pressemitteilung des BGH:

Zur Auslegung eines Urteils, das die Betreiberin eines sozialen Netzwerks verpflichtet, den Erben der Berechtigten eines Benutzerkontos Zugang zum vollständigen Konto zu gewähren

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Betreiberin eines sozialen Netzwerks, die verurteilt worden ist, den Erben einer Netzwerk-Teilnehmerin Zugang zu deren vollständigen Benutzerkonto zu gewähren, den Erben die Möglichkeit einräumen muss, vom Konto und dessen Inhalt auf dieselbe Weise Kenntnis zu nehmen und sich - mit Ausnahme einer aktiven Nutzung - darin so "bewegen" zu können wie zuvor die ursprüngliche Kontoberechtigte.

Sachverhalt

Die Schuldnerin betreibt ein soziales Netzwerk. Sie ist durch - vom Bundesgerichtshof (Urteil vom 12. Juli 2018 – III ZR 183/17 – Pressemitteilung 115/18) bestätigtes – rechtskräftig gewordenes Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Dezember 2015 verurteilt worden, den Eltern einer verstorbenen Teilnehmerin an dem Netzwerk als Erben Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten ihrer Tochter zu gewähren. Die Schuldnerin hat daraufhin der Gläubigerin, der Mutter der Verstorbenen, einen USB-Stick übermittelt, der eine PDF-Datei mit mehr als 14.000 Seiten enthält, die nach den Angaben der Schuldnerin eine Kopie der ausgelesenen Daten aus dem von der Verstorbenen geführten Konto enthält. Zwischen den Parteien ist streitig, ob hierdurch die Verpflichtung der Schuldnerin aus dem Urteil des Landgerichts vom 17. Dezember 2015 erfüllt worden ist.

Prozessverlauf

Das Landgericht hat auf Antrag der Gläubigerin gegen die Schuldnerin wegen Nichterfüllung ihrer Verpflichtung aus dem Urteil vom 17. Dezember 2015 ein Zwangsgeld von 10.000 € festgesetzt. Das Kammergericht hat den Beschluss des Landgerichts auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin aufgehoben und den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung eines Zwangsmittels gegen die Schuldnerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Kammergericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Gläubigerin.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat den Beschluss des Kammergerichts aufgehoben und die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt.

Bereits die Auslegung des Tenors des Urteils des Landgerichts Berlin vom 17. Dezember 2015 ergibt, dass der Gläubigerin nicht nur Zugang zu den im Benutzerkonto vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren, sondern darüber hinaus auch die Möglichkeit einzuräumen ist, vom Benutzerkonto selbst und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise Kenntnis nehmen zu können, wie es die ursprüngliche Kontoberechtigte konnte.

Dies folgt zudem aus den Entscheidungsgründen des vorgenannten Urteils sowie des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 12. Juli 2018. Beide Entscheidungen haben den von der Schuldnerin zu erfüllenden Anspruch der Gläubigerin erbrechtlich hergeleitet. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, der Nutzungsvertrag zwischen der Tochter der Gläubigerin und der Schuldnerin sei mit seinen Rechten und Pflichten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergegangen. Letztere seien hierdurch in das Vertragsverhältnis eingetreten und hätten deshalb als Vertragspartner und neue Kontoberechtigte einen Primärleistungsanspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto ihrer Tochter sowie den darin enthaltenen digitalen Inhalten. Aus dieser Stellung der Erben und dem auf sie übergegangenen Hauptleistungsanspruch der Erblasserin aus dem mit der Schuldnerin bestehenden Vertragsverhältnis folgt ohne weiteres, dass den Erben auf dieselbe Art und Weise Zugang zu dem Benutzerkonto zu gewähren ist wie zuvor ihrer Tochter. Das ergibt sich zudem aus zahlreichen weiteren Ausführungen des Bundesgerichtshofs und des Landgerichts Berlin in ihren vorgenannten Urteilen.

Die Schuldnerin hat ihre Verpflichtung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Dezember 2015 nicht erfüllt. Durch die Überlassung des USB-Sticks mit einer umfangreichen PDF-Datei wurde kein vollständiger Zugang zum Benutzerkonto gewährt. Die PDF-Datei bildet das Benutzerkonto nicht vollständig ab. Letzteres erfordert nicht nur die Darstellung der Inhalte des Kontos, sondern auch die Eröffnung aller seiner Funktionalitäten - mit Ausnahme derer, die seine aktive Weiternutzung betreffen - und der deutschen Sprache, in der das Benutzerkonto zu Lebzeiten der Erblasserin vertragsgemäß geführt wurde. Diese Voraussetzungen erfüllt die von der Gläubigerin übermittelte Datei nicht.

Vorinstanzen:

LG Berlin – Beschluss vom 13. Februar 2019 – 20 O 172/15

Kammergericht – Beschluss vom 3. Dezember 2019 – 21 W 11/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten

§ 888 ZPO - Nicht vertretbare Handlungen

(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.




Volltext BGH: Erben erhalten Zugriff auf Facebook-Konto von Verstorbenen - Vertrag über Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk vererbbar

BGH
Urteil vom 12.07.2018
III ZR 183/17
BGB § 1922 Abs. 1; § 307 Abs. 1 und 2; TKG § 88; DS-GVO Art. 6 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Erben erhalten Zugriff auf Facebook-Konto von Verstorbenen - Vertrag über Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk vererbbar - Digitaler Nachlass über die Entscheidung berichtet

Leitsatz des BGH:

Beim Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks geht der Nutzungsvertrag grundsätzlich nach § 1922 BGB auf dessen Erben über. Dem Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten stehen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegen.

BGH, Urteil vom 12. Juli 2018 - III ZR 183/17 - KG - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Erben erhalten Zugriff auf Facebook-Konto von Verstorbenen - Vertrag über Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk vererbbar - Digitaler Nachlass

BGH
Urteil vom 12.07.2018
III ZR 183/17


Der BGH hat zutreffend entschieden, dass die Eltern verstorbener Tochter als Erben Zugriff auf das Facebook-Konto erhalten. Der Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk its grundsätzlich vererbbar. Werder das Fernmeldegeheimnis noch der Datenschutz stehen dem Übergang des Vertragsverhältnisses auf die Erben entgegen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk ist vererbbar

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass der Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk grundsätzlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben des ursprünglichen Kontoberechtigten übergeht und diese einen Anspruch gegen den Netzwerkbetreiber auf Zugang zu dem Konto einschließlich der darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalte haben.

Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Mutter der im Alter von 15 Jahren verstorbenen L. W. und neben dem Vater Mitglied der Erbengemeinschaft nach ihrer Tochter. Die Beklagte betreibt ein soziales Netzwerk, über dessen Infrastruktur die Nutzer miteinander über das Internet kommunizieren und Inhalte austauschen können.

2011 registrierte sich die Tochter der Klägerin im Alter von 14 Jahren im Einverständnis ihrer Eltern bei dem sozialen Netzwerk der Beklagten und unterhielt dort ein Benutzerkonto. 2012 verstarb das Mädchen unter bisher ungeklärten Umständen infolge eines U-Bahnunglücks.

Die Klägerin versuchte hiernach, sich in das Benutzerkonto ihrer Tochter einzuloggen. Dies war ihr jedoch nicht möglich, weil die Beklagte es inzwischen in den sogenannten Gedenkzustand versetzt hatte, womit ein Zugang auch mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich ist. Die Inhalte des Kontos bleiben jedoch weiter bestehen.

Die Klägerin beansprucht mit ihrer Klage von der Beklagten, den Erben Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto zu gewähren, insbesondere zu den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten. Sie macht geltend, die Erbengemeinschaft benötige den Zugang zu dem Benutzerkonto, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob ihre Tochter kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt habe, und um Schadensersatzansprüche des U-Bahn-Fahrers abzuwehren.

Der Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil des Kammergerichts aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt.

Die Erben haben gegen die Beklagte einen Anspruch, ihnen den Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren. Dies ergibt sich aus dem Nutzungsvertrag zwischen der Tochter der Klägerin und der Beklagten, der im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergegangen ist. Dessen Vererblichkeit ist nicht durch die vertraglichen Bestimmungen ausgeschlossen. Die Nutzungsbedingungen enthalten hierzu keine Regelung. Die Klauseln zum Gedenkzustand sind bereits nicht wirksam in den Vertrag einbezogen. Sie hielten überdies einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB nicht stand und wären daher unwirksam.

Auch aus dem Wesen des Vertrags ergibt sich eine Unvererblichkeit des Vertragsverhältnisses nicht; insbesondere ist dieser nicht höchstpersönlicher Natur. Der höchstpersönliche Charakter folgt nicht aus im Nutzungsvertrag stillschweigend vorausgesetzten und damit immanenten Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte der Kommunikationspartner der Erblasserin. Zwar mag der Abschluss eines Nutzungsvertrags mit dem Betreiber eines sozialen Netzwerks in der Erwartung erfolgen, dass die Nachrichten zwischen den Teilnehmern des Netzwerks jedenfalls grundsätzlich vertraulich bleiben und nicht durch die Beklagte dritten Personen gegenüber offengelegt werden. Die vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten ist jedoch von vornherein kontobezogen. Sie hat nicht zum Inhalt, diese an eine bestimmte Person zu übermitteln, sondern an das angegebene Benutzerkonto. Der Absender einer Nachricht kann dementsprechend zwar darauf vertrauen, dass die Beklagte sie nur für das von ihm ausgewählte Benutzerkonto zur Verfügung stellt. Es besteht aber kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nur der Kontoinhaber und nicht Dritte von dem Kontoinhalt Kenntnis erlangen. Zu Lebzeiten muss mit einem Missbrauch des Zugangs durch Dritte oder mit der Zugangsgewährung seitens des Kontoberechtigten gerechnet werden und bei dessen Tod mit der Vererbung des Vertragsverhältnisses.

Eine Differenzierung des Kontozugangs nach vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten scheidet aus. Nach der gesetzgeberischen Wertung gehen auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten auf die Erben über. So werden analoge Dokumente wie Tagebücher und persönliche Briefe vererbt, wie aus § 2047 Abs. 2 und § 2373 Satz 2 BGB zu schließen ist. Es besteht aus erbrechtlicher Sicht kein Grund dafür, digitale Inhalte anders zu behandeln.

Einen Ausschluss der Vererblichkeit auf Grund des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Erblasserin hat der III. Zivilsenat ebenfalls verneint.

Auch das Fernmeldegeheimnis steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Der Erbe ist, da er vollständig in die Position des Erblassers einrückt, jedenfalls nicht "anderer" im Sinne von § 88 Abs. 3 TKG.

Schließlich kollidiert der Anspruch der Klägerin auch nicht mit dem Datenschutzrecht. Der Senat hat hierzu die seit 25. Mai 2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) anzuwenden. Diese steht dem Zugang der Erben nicht entgegen. Datenschutzrechtliche Belange der Erblasserin sind nicht betroffen, da die Verordnung nur lebende Personen schützt. Die der Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten immanente Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kommunikationspartner der Erblasserin ist sowohl nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Var. 1 DS-GVO als auch nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO zulässig. Sie ist sowohl zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Kommunikationspartnern der Erblasserin erforderlich (Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Var. 1 DS-GVO) als auch auf Grund berechtigter überwiegender Interessen der Erben (Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO).

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1922 Abs. 1 BGB Gesamtrechtsnachfolge

(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.

§ 307 BGB Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 2047 BGB Verteilung des Überschusses

(1) Der nach der Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten verbleibende Überschuss gebührt den Erben nach dem Verhältnis der Erbteile.

(2) Schriftstücke, die sich auf die persönlichen Verhältnisse des Erblassers, auf dessen Familie oder auf den ganzen Nachlass beziehen, bleiben gemeinschaftlich.

§ 2373 BGB Dem Verkäufer verbleibende Teile

Ein Erbteil, der dem Verkäufer nach dem Abschluss des Kaufs durch Nacherbfolge oder infolge des Wegfalls eines Miterben anfällt, sowie ein dem Verkäufer zugewendetes Vorausvermächtnis ist im Zweifel nicht als mitverkauft anzusehen. Das Gleiche gilt von Familienpapieren und Familienbildern.

§ 88 TKG Fernmeldegeheimnis

(1) Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Das Fernmeldegeheimnis erstreckt sich auch auf die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche.

(2) Zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses ist jeder Diensteanbieter verpflichtet. Die Pflicht zur Geheimhaltung besteht auch nach dem Ende der Tätigkeit fort, durch die sie begründet worden ist.

(3) Den nach Absatz 2 Verpflichteten ist es untersagt, sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Sie dürfen Kenntnisse über Tatsachen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, nur für den in Satz 1 genannten Zweck verwenden. Eine Verwendung dieser Kenntnisse für andere Zwecke, insbesondere die Weitergabe an andere, ist nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht. Die Anzeigepflicht nach § 138 des Strafgesetzbuches hat Vorrang.

(4) Befindet sich die Telekommunikationsanlage an Bord eines Wasser- oder Luftfahrzeugs, so besteht die Pflicht zur Wahrung des Geheimnisses nicht gegenüber der Person, die das Fahrzeug führt oder gegenüber ihrer Stellvertretung.

Art. 6 Abs. 1 DS-GVO Rechtmäßigkeit der Verarbeitung

(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;

b) die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;

c) die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;

d) die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen;

e) die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;

f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Vorinstanzen:

Landgericht Berlin – Entscheidung vom 17. Dezember 2015 - 20 O 172/15

Kammergericht – Entscheidung vom 31. Mai 2017 - 21 U 9/16


KG Berlin: Erben haben keinen Zugriff auf Facebook-Account des Verstorbenen - hier: Eltern einer minderjährigen Tochter

KG Berlin
Urteil vom 31. Mai 2017
21 U 9/16


Das KG Berlin hat entschieden, dass Erben keinen Zugriff auf das Facebook-Account des verstorbenen Account-Inhabers haben. Sie können von Facebook nicht die Herausgabe der Zugangsdaten verlangen. Nach Ansicht des KG Berlin steht das Fernmeldegeheimnis der Herausgabe der Daten entgegen. Die gesetzlichen Ausnahmen im TKG greifen nach Ansicht des Gerichts nicht.

Die Revision wurde zugelassen, so dass sich voraussichtlich der BGH mit der Sache befassen wird,

Die Pressemitteilung des KG Berlin:

Kammergericht: Urteil zu Lasten der klagenden Mutter - kein Zugriff der Eltern auf Facebook-Account ihrer verstorbenen Tochter

Das Kammergericht hat in zweiter Instanz zu Gunsten von Facebook entschieden und die Klage einer Mutter, die den Zugang zu dem Facebook-Account ihres verstorbenen Kindes zusammen mit dem Kindesvater aus Erbrecht durchsetzen wollte, abgewiesen und damit zugleich das Urteil des Landgerichts Berlin abgeändert. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses stehe dem Anspruch der Erben entgegen, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit Dritten zu erhalten.

Das Kammergericht ließ offen, ob die Klägerin und der Kindesvater als Erben in den Vertrag eingerückt seien, den die verstorbene Tochter mit Facebook geschlossen hatte. Es sei zwar grundsätzlich möglich, dass die Erben in die Rechte und Pflichten dieses Vertrages eingetreten seien, und zwar nicht im Sinne der aktiven Fortführung dieses Vertrages, sondern um passive Leserechte zu erhalten. In den von Facebook gestellten Nutzungsbedingungen sei nicht geregelt, ob Rechte aus dem Vertrag im Falle des Todes des Nutzers auf seine Erben übergehen könnten. Auch der Grundgedanke des Vertrages spreche nicht generell dagegen, dass er nicht vererblich sei. Facebook wolle den Nutzern nur eine Kommunikationsplattform zur Verfügung stellen und Inhalte vermitteln. Durch eine Änderung in der Person des Vertragspartners würden die Leistungen in ihrem Charakter nicht verändert.

Andererseits regele das Bürgerliche Gesetzbuch nicht, ob höchstpersönliche Rechtspositionen (ohne vermögensrechtliche Auswirkungen) vererbbar seien, sondern setze für eine Vererbung voraus, dass sie in irgendeiner Form im Eigentum des Verstorbenen verkörpert seien und nicht nur virtuell existierten. Um zu klären, ob es sich bei – nicht verkörperten – E-Mails um solche handele, die aufgrund ihres höchstpersönlichen Inhalts nicht vererbbar seien, oder um solche, die aufgrund ihres wirtschaftlichen Bezuges vererbbar seien, würde man in der Praxis auf erhebliche Probleme und Abgrenzungsschwierigkeiten stoßen.

Der Senat müsse jedoch die Frage der Vererbbarkeit des Facebook-Accounts nicht entscheiden. Selbst wenn man davon ausgehe, dass dieser Account in das Erbe falle und die Erbengemeinschaft Zugang zu den Account-Inhalten erhalten müsse, stehe das Fernmeldegeheimnis nach dem Telekommunikationsgesetz entgegen. Dieses Gesetz sei zwar ursprünglich für Telefonanrufe geschaffen worden. Das Fernmeldegeheimnis werde jedoch in Art. 10 Grundgesetz geschützt und sei damit eine objektive Wertentscheidung der Verfassung. Daraus ergebe sich eine Schutzpflicht des Staates und auch die privaten Diensteanbieter müssten das Fernmeldegeheimnis achten. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 16.6.2009, 2 BvR 902/06, BVErfGE 124, 43) erstrecke sich das Fernmeldegeheimnis auch auf E-Mails, die auf den Servern von einem Provider gespeichert seien. Denn der Nutzer sei schutzbedürftig, da er nicht die technische Möglichkeit habe, zu verhindern, dass die E-Mails durch den Provider weitergegeben würden. Dies gelte entsprechend für sonstige bei Facebook gespeicherten Kommunikationsinhalte, die nur für Absender und Empfänger oder jedenfalls einen beschränkten Nutzerkreis bestimmt sind.

Die nach dem Telekommunikationsgesetz vorgesehenen Ausnahmen würden entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht greifen. Zwar sehe das Gesetz vor, dass einem Dritten Kenntnisse vom Inhalt der Kommunikation verschafft werden dürfe, wenn dies erforderlich sei. Als erforderlich könne jedoch nur angesehen werden, was dazu diene, den Dienst technisch zu ermöglichen oder aufrecht zu erhalten. Da Facebook jedoch seine Dienste nur beschränkt auf die Person des Nutzers angeboten habe, sei es auch aus der Sicht der ebenfalls schutzbedürftigen weiteren Beteiligten am Kommunikationsvorgang (Chat) in technischer Hinsicht nicht erforderlich, einem Erben nachträglich Zugang zum Inhalt der Kommunikation zu verschaffen.

Ebenso wenig existiere eine andere gesetzliche Vorschrift, die erlaube, von dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses eine Ausnahme zu machen (sogenanntes „kleines Zitiergebot“). Insbesondere das Erbrecht nach dem BGB lasse nicht erkennen, dass der Gesetzgeber den Willen gehabt habe, das Fernmeldegeheimnis einzuschränken. Auch aus sonstigen Gründen sei es nicht geboten, ohne gesetzliche Regelung Ausnahmen zuzulassen und von dem so genannten “kleinen Zitiergebot“ abzuweichen.

Schließlich komme nicht in Betracht, von einem Verzicht auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses auszugehen, indem die klagende Mutter sich darauf berufen hatte, die Zugangsdaten von der Tochter überlassen bekommen zu haben. Dieser Umstand war zwischen den Parteien streitig. Eine Beweisaufnahme sei jedoch nicht erforderlich gewesen, da nicht nur die Verstorbene als Nutzerin des Accounts und Vertragspartnerin von Facebook, sondern zumindest auch alle diejenigen, die in einem Zwei-Personen-Verhältnis mit der Verstorbenen kommuniziert haben, auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses verzichtet haben müssten. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. insb. Urteil vom 27.2.2008, 1 BvR 370/07, BVerfGE 120,274, Rz 290 bis 293) folge für den vorliegenden Fall im Endergebnis nichts Abweichendes. Die somit erforderliche Zustimmung dieser anderen Kommunikationspartner liege jedoch nicht vor.

Der Senat hat ferner geprüft, ob zu Gunsten der Klägerin außerhalb des Erbrechts ein Anspruch auf Zugang zu dem Account bestehe. Dies sei zu verneinen. Insbesondere das Recht der elterlichen Sorge verhelfe nicht zu einem solchen Anspruch. Dieses Recht erlösche mit dem Tode des Kindes. Das den Eltern noch zufallende Totenfürsorgerecht könne nicht dazu dienen, einen Anspruch auf Zugang zu dem Social-Media-Account des verstorbenen Kindes herzuleiten. Auch das eigene Persönlichkeitsrecht der Mutter sei nicht geeignet, einen Anspruch auf diesen Zugang zu begründen. Als ein Teilbereich des Persönlichkeitsrechts sei z.B. anerkannt, seine eigene Abstammung zu kennen. Trotz des verständlichen Wunsches der Eltern, die Gründe für den tragischen Tod ihres Kindes näher zu erforschen, lasse sich hieraus kein Recht auf Zugang zu dem Account ableiten. Auch wenn eine verbleibende Unkenntnis darüber die Persönlichkeitsentfaltung der Eltern massiv beeinträchtigen könne, gebe es auch vielfältige andere Ereignisse, die die gleiche Wirkung zeigen könnten. Dadurch würde das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu einem konturenlosen und nicht mehr handhabbaren Grundrecht führen.

Das Urteil des Kammergerichts ist nicht rechtskräftig, da der Senat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen hat.

Die schriftlichen Urteilsgründe werden in Kürze nachfolgend veröffentlicht.

Landgericht Berlin, Urteil vom 17. Dezember 2015, Aktenzeichen 20 O 172/15
Kammergericht, Urteil vom 31. Mai 2017, Aktenzeichen 21 U 9/16



LG Berlin: Erben haben Zugriff auf Facebook-Account des Verstorbenen - hier: Eltern einer minderjährigen Tochter

LG Berlin
Urteil vom 17.12.2015
20 O 172/15


Das LG Berlin hat entschieden, dass die Erben Zugriff auf das Facebook-Account des verstorbenen Account-Inhabers haben. Sie können von Facebook die Herausgabe der Zugangsdaten verlangen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Die Pressemitteilung des LG Berlin:

Landgericht Berlin: Eltern einer minderjährig Verstorbenen haben Anspruch auf Zugang zu deren Facebook-Account

Die Zivilkammer 20 des Landgerichts hat mit einem Urteil vom 17. Dezember 2015 entschieden, dass die Eltern einer minderjährig Verstorbenen als deren Erben von Facebook die Zugangsdaten zu dem Benutzerkonto herausverlangen können.

Die Tochter der Klägerin war mit 15 Jahren unter ungeklärten Umständen durch eine in einen Bahnhof einlaufende U-Bahn tödlich verletzt worden. Die Klägerin erhoffte, über den Facebook-Account ihrer Tochter und die dort ausgetauscht Nachrichten und Posts mehr über den Tod ihrer Tochter zu erfahren und zu klären, ob es sich um einen Selbstmord gehandelt haben könnte. Dies war auch deshalb von Bedeutung, als der Fahrer der U-Bahn, die die Verstorbene erfasst hatte, gegen die Erben ein Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verdienstausfalls geltend machte. Facebook Ireland Limited (im Folgenden: Facebook) verweigerte der Klägerin die Zugangsdaten zu dem in einen Gedenkzustand versetzten Account, so dass diese Klage erhob.

Das Landgericht gab der Klage statt und verpflichtete Facebook, den Eltern der Verstorbenen als deren Erben Zugang zu dem Benutzerkonto und dessen Kommunikationsinhalten zu gewähren. Der Vertrag zur Nutzung der Facebook-Dienste, den die Tochter abgeschlossen hatte, sei wie jeder andere schuldrechtliche Vertrag auf die Erben übergegangen. Eine unterschiedliche Behandlung des digitalen und des „analogen“ Vermögens des Erblassers sei nicht gerechtfertigt. Denn eine Ungleichbehandlung würde dazu führen, dass persönliche Briefe und Tagebücher unabhängig von ihrem Inhalt vererblich wären, E-Mails oder private Facebook-Nachrichten hingegen nicht.

Schutzwürdige Interessen von Facebook seien nicht gegeben. Der Nutzungsvertrag werde regelmäßig ohne nähere Prüfung des Nutzers abgeschlossen werde und dessen Identität kontrolliere Facebook nur in Ausnahmefällen. Ebenso stehe das postmortale Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen einer Zugangsgewährung nicht entgegen. Denn die Erziehungsberechtigten seien für den Schutz des Persönlichkeitsrechtes ihrer minderjährigen Kinder zuständig. Dies gelte nicht nur zu deren Lebzeiten. Jedenfalls dann, wenn besondere Umstände wie hier die ungeklärte Todesursache der Tochter vorlägen, seien die Eltern als Erben berechtigt, sich Kenntnis darüber zu verschaffen, was ihre Tochter im Internet geäußert habe.

Die Gedenkzustands-Richtlinie, wie sie Facebook vor 2014 verwandt habe, sei unwirksam. Es stelle eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer bzw. deren Erben dar, wenn eine beliebige Person der Facebook-Freundesliste veranlassen könnte, dass das Profil des Nutzers in den Gedenkzustand versetzt werde, und wenn dies auch von den Erben nicht rückgängig gemacht werden könne.

Auch das Datenschutzrecht stehe dem Anspruch auf Zugangsgewährung nicht entgegen. Vertrauliche Briefe, die ein Dritter verschickt habe, würden nach dem Tod des Empfängers von den Erben gelesen werden können, ohne dass ein Eingriff in die Rechte dieser Dritten vorliege. Nichts Anderes gelte für digitale Daten.

Das Urteil des Landgerichts Berlin liegt vor und ist unter http://www.berlin.de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichtsbarkeit/2016/ verfügbar. Das Urteil ist nicht rechtskräftig; dagegen kann Berufung beim Kammergericht innerhalb eines Monats ab förmlicher Zustellung des Urteils eingelegt werden.

Landgericht Berlin, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 20 O 172/15 -