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LG Karlsruhe: Grundsatz des fliegenden Gerichtsstandes gilt nicht für wettbewerbsrechliche Unterlassungsansprüche wegen fehlender Pflichtinformationen beim Vertrieb von Waren nach dem MPG

LG Karlsruhe
Urteil vom 09.03.2020
14 O 72/19 KfH

Das LG Karlsruhe hat entschieden, dass der Grundsatz des fliegendes Gerichtsstandes nicht für wettbewerbsrechliche Unterlassungsansprüche wegen fehlender Pflichtinformationen beim Vertrieb von Waren nach dem Medizinproduktegesetz gilt.


LG Frankfurt: Keine einstweilige Verfügung wenn bereits vor anderem Gericht erfolglos ein Antrag gestellt wurde - Forum Shopping lässt Rechtsschutzinteresse entfallen

LG Frankfurt
Beschluss vom 27.08.2018
2-03 O 307/18


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass keine einstweilige Verfügung mehr beantragt werden kann, wenn bereits vor einem anderem Gericht erfolglos ein Verfügungs-Antrag gestellt wurde. Ein solches Ausnutzen des Grundsatzes des fliegendes Gerichtsstands bzw. Forum Shopping lässt - so das Gericht - das Rechtsschutzinteresse entfallen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist als unzulässig zu behandeln, da das Rechtsschutzinteresse entfällt, wenn der Antragsteller bei mehreren Gerichten einen - gleichlautenden - Verfügungsantrag stellt. Dies würde selbst dann gelten, wenn der Antrag bei dem zuerst angerufenen Gericht noch vor der Entscheidung des danach angerufenen Gerichts zurückgenommen würde (OLG Hamburg, GRUR-RR 2010, 266 - forum-shopping). Das Gleiche gilt, wenn er einen vor einem Gericht gestellten Verfügungsantrag ohne triftigen Grund (z.B. Unzuständigkeit) in der Regel auf richterlichen Hinweis wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Terminsbestimmung hin, zurücknimmt und einen neuen, auf keinem anderen Sachvortrag gestützten Antrag vor einem anderen Gericht stellt, sog. "Forum shopping" bzw. "forum hopping" (OLG Frankfurt am Main, 16. Zivilsenat, Urteil vom 14.07.2005, GRUR 2005, 972 - Forum-Shopping; OLG Frankfurt am Main, 11. Zivilsenat, Beschluss vom 08.08.2013, 11 W 29/13, zitiert nach juris - Rn. 5; OLG Hamburg GRUR 2007, 614, 615 [OLG Hamburg 06.12.2006 - 5 U 67/06] - forum shopping; OLG München, Hinweisbeschluss vom 27.12.2010, WRP 2011, 364 [OLG Köln 10.12.2010 - 6 U 112/10]; Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 12 Rn. 3.16a; Teplitzky WRP 2016, 917; Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl., Kap. 54 Rn. 24d; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 935 Rn. 5; Fischer in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 9. Aufl., § 940 Rn. 25; Huber in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 940 Rn. 25c; Retzer in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 323, 375 a.E.; Sosnitza in: Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 12 Rn. 119; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 3. Aufl., Rn. 198 f., a.A. für den Fall, dass das Erstgericht noch nicht entschieden hat und der Antragsgegner noch nicht angehört worden ist: OLG Düsseldorf GRUR 2006, 782, 785 [OLG Düsseldorf 13.04.2006 - VI-U (Kart) 23/05]; OLG Frankfurt am Main, 6. Zivilsenat, Urteil vom 17.02.2005, 6 U 228/04, zitiert nach juris Rn. 17; Schmidhuber/Haberer WRP 2013, 436). Das OLG Frankfurt am Main, 16. Zivilsenat, hat in der genannten Entscheidung (GRUR 2005, 972 [BGH 12.07.2005 - X ZR 56/04]) ausgeführt, dass ein zweites Gesuch um einstweiligen Rechtsschutz unzulässig ist, wenn seit dem ersten Gesuch keine Veränderung eingetreten ist und ferner dargelegt, dass der Antragsteller nur einen Anspruch darauf hat, dass sein Begehren von einem Gericht überprüft wird. Sinn und Zweck eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ist es nicht, dem Antragsteller die Möglichkeit der Einholung gerichtlicher Gutachten zu ermöglichen. Der 11. Zivilsenat des OLG Frankfurt am Main hat diese Rechtsprechung durch seinen Beschluss vom 08.08.2013 (11 W 29/13, zitiert nach juris Rn. 5) bestätigt, dass ein Antragsteller in einer derartigen Situation einen Anspruch auf ein Eilverfahren hat, nicht jedoch auf mehrfache Versuche einer Anspruchsdurchsetzung bzw. zur Chancenverdoppelung (vgl. auch Huber in: Musielak/Voit, a.a.O., § 940 Rn. 25c).

Auch ist es streitig, ob das sog. "forum shopping" in derartigen Fällen die - insoweit im engeren Sinne verstandene - Dringlichkeit bzw. Eilbedürftigkeit oder als Ergebnis der erforderlichen Interessenabwägung schon das allgemeine Rechtsschutzinteresse und damit auch den Verfügungsgrund im weiteren Sinne entfallen lässt. Vorzugswürdig gegenüber der Verneinung der Dringlichkeit, zumal der Antragsteller - wie auch hier - gerade alles unternimmt, um möglichst schnell an den begehrten Titel zu gelangen, erscheint der Wegfall des Rechtsschutzinteresses (OLG Frankfurt am Main, 11. Zivilsenat, Beschluss vom 08.08.2013, 11 W 29/13, zitiert nach juris; Teplitzky/Feddersen, a.a.O., Kap. 54 Rn. 24d; Köhler in: Köhler/ Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 12 Rn. 3.16a; Huber in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 940 Rn. 25c). Unabhängig davon, ob eine zweite Antragstellung noch formal den zeitlichen Aspekten der Dringlichkeit genügt, umfasst das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht das Interesse, nur solche Verfahren zu beschreiten, deren Ausgang mit Sicherheit dem erwünschten Ergebnis entspricht. Für eine derartige Begünstigung, die letztlich darauf hinauslaufen würde, dass der Antragsteller solange Eilanträge bei verschiedenen Gerichten einreichen könnte, bis möglicherweise ein angerufenes Gericht dem Antrag stattgibt, besteht kein Anlass (OLG Frankfurt am Main, 11. Zivilsenat, Beschluss vom 08.08.2013, 11 W 29/13, zitiert nach juris - Rn. 5; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.11.2017, Az.: 2-03 O 188/17, rechtskräftig durch Berufungsrücknahme, nachdem der 16. Zivilsenat des OLG Frankfurt am Main, 16 U 190/17, in der dortigen mündlichen Verhandlung vom 14.06.2018 zu Protokoll erklärt hat, dass bei der dortigen Konstellation kein berechtigtes Rechtsschutzinteresse für einen zweiten Verfügungsantrag gegeben sei).

Die Kammer verkennt nicht, das im vorliegenden Fall der Antragsteller - aufgrund der ihm obliegenden Wahrheitspflicht und in Abweichung von vielen Fällen, wie sie Gegenstand der oben zitierten Rechtsprechung waren - von sich aus darauf hingewiesen hat, dass er zuvor wegen der Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen desselben Streitgegenstandes das Landgericht Darmstadt angerufen hat. Auch verkennt das Gericht nicht, dass sowohl gegenüber dem Landgericht Darmstadt als auch dem erkennenden Gericht in beiden Fällen noch kein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung anhängig ist, da diese Anträge jeweils an die Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe geknüpft sind. Dies vermag jedoch nach Auffassung der Kammer nichts an der rechtlichen Beurteilung im Sinne der obigen Ausführungen zu ändern. Wegen der vom Antragsteller geltend gemachten Persönlichkeitsrechtsverletzungen besteht für ihn die Möglichkeit, gegen den Beschluss des Landgerichts Darmstadt, der vorliegend das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneint hat, sofortige Beschwerde einzulegen und - im Falle einer Nichtabhilfe - eine zweitinstanzliche Entscheidung des OLG Frankfurt am Main herbeizuführen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Ausnutzung des fliegenden Gerichtsstands ist kein Rechtsmissbrauch - Reisekosten sind auch zu erstatten - Klageerhebung an einem dritten Ort

BGH
Beschluss vom 12.09.2013
I ZB 39/13
Klageerhebung an einem dritten Ort
ZPO §§ 32, 35, 91 Abs. 2 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass die Ausnutzung des fliegenden Gerichtsstands nicht rechtsmissbräuchlich ist und auch etwaige Reisekosten nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO bei Wahl eines für alle Parteien und die beauftragten Rechtsanwälte entfernten Gerichts zu erstatten sind. Der Kläger ist berechtigt, das Gericht auszuwählen, bei welchem die besten Erfolgsaussichten bestehen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Ebenso ist es grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich, sondern entspricht seinem berechtigten Interesse an einer erfolgreichen Rechtsdurchsetzung, wenn der Kläger aus prozesstaktischen Erwägungen einen Gerichtsstand wählt, an dem nach Einschätzung seines Prozessbevollmächtigten für sein konkretes Begehren voraussichtlich die besten Erfolgsaussichten bestehen (vgl. OLG Hamburg, NJW-RR 2007, 763, 764; Zöller/Vollkommer aaO § 35 Rn. 4). Dass auch der Gesetzgeber eine Gerichtsstandswahl bei dem für den Kläger günstigsten Gericht nicht bereits für sich genommen als rechtsmissbräuchlich ansieht, ergibt sich daraus, dass er - allein für urheberrechtliche Klagen gegen Verbraucher - plant, durch die Einführung eines § 104a UrhG den durch §§ 32, 35 ZPO eröffneten sogenannten „fliegenden Gerichtsstand“ abzuschaffen (vgl. Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BT-Drucks. 17/14216, Seite 9)."


Leitsatz des BGH:
Ein die Kostenerstattung gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausschließender Rechtsmissbrauch liegt nicht allein darin, dass der im Ausland ansässige Kläger das ihm gemäß § 35 ZPO zustehende Wahlrecht dahin ausübt, dass er weder am Gerichtsstand des Beklagten noch am Sitz seines Prozessbevollmächtigten klagt, sondern bei einem dritten, sowohl vom Sitz des klägerischen Prozessbevollmächtigten als auch vom Wohnsitz des Beklagten weit entfernten Gerichtsort.

BGH, Beschluss vom 12. September 2013 - I ZB 39/13 - LG München I - AG München

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Keine Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Veröffenlichung im Internet ohne Inlandsbezug

BGH
Urteil vom 29.03.2011
VI ZR 111/10
Persönlichkeitsrechtsverletzung


Der BGH hat enstschieden, dass die deutschen Gerichte nicht zuständig sind, wenn es um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung im Internet geht und der Veröffentlichung ein deutlicher Inlandsbezug fehlt.

Aus der Pressemitteilung des BGH:

"Die in russischer Sprache und kyrillischer Schrift abgefasste Reisebeschreibung schildert ein privates Zusammentreffen der Parteien in Russland. Die beschriebenen Umstände aus dem privaten Bereich des Klägers sind in erster Linie für die an dem Treffen Beteiligten von Interesse. Diese haben, bis auf den Kläger, ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland. Allein dadurch, dass der Kläger an seinem Wohnsitz im Inland den Bericht abgerufen hat, wird noch nicht ein deutlicher Inlandsbezug hergestellt, selbst wenn vereinzelt Geschäftspartner Kenntnis von den angegriffenen Äußerungen erhalten haben sollten. Aus dem Standort des Servers in Deutschland lässt sich eine die Zuständigkeit deutscher Gerichte begründende Handlung der Beklagten ebenfalls nicht herleiten."

Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:



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