Skip to content

OLG Karlsruhe: Ankreuzoption in Widerrufsbelehrung hinsichtlich Fristbeginn rechtlich nicht zu beanstanden

OLG Karlsruhe
Urteil vom 14.3.2017
17 U 204/15


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass eine Ankreuzoption in Widerrufsbelehrung hinsichtlich des Fristbeginn rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die verwendete Widerrufsinformation ist nicht zu beanstanden, da sie den gesetzlichen Vorgaben gemäß §§ 495, 492 Abs. 2 BGB in der Fassung vom 24.07.2010 i.V.m. Art. 247 § 6 ff. EGBGB in der bis zum 03.08.2011 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) entspricht.

(a) Zutreffend wird der Lauf der Widerrufsfrist an den Vertragsschluss und die Mitteilung aller Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB in einer für den Darlehensnehmer bestimmten und ihm zur Verfügung gestellten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder seines Vertragsantrags geknüpft. Die für Immobiliardarlehensverträge - wie dem hier vorliegenden (vgl. Anl. K1) - gemäß Art. 247 §§ 6, 9 EGBGB a.F. gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben lassen sich der den Klägern überlassenen Vertragsurkunde entnehmen. Mit der gewählten Formulierung ist auch § 355 Abs. 2 S. 2 BGB in der ab 11.06.2010 geltenden Fassung erfüllt, auf den § 495 Abs. 2 BGB a.F. im Hinblick auf das in Abs. 1 dieser Vorschrift statuierte Schriftformerfordernis verweist.

(b) Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, dass die Widerrufsinformation nicht grafisch hervorgehoben und nicht mit Widerrufsbelehrung überschrieben ist. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 23.02.2016 (XI ZR 101/15 - juris) entschieden, dass dem Wortlaut des Artikels 247 § 6 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 und 2 EGBGB a.F. kein Erfordernis einer besonderen Hervorhebung entnommen werden könne und dass der Gesetzgeber mit dem Begriff „Angaben“ in § 492 Abs. 2 BGB und Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB in der ab 30.07.2010 geltenden Fassung von dem Erfordernis einer gesonderten Widerrufsbelehrung bewusst abgerückt sei, da an die Stelle der nach § 355 Abs. 2 BGB a.F. noch erforderlichen Belehrung die von der Verbraucherkreditrichtlinie vorgegebene Pflichtangabe zum Widerrufsrecht im Vertrag getreten ist. Dem entsprechend sei auch das ab 30.07.2010 gemäß Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a. F. gültige Muster mit „Widerrufsinformation“ und nicht mit „Widerrufsbelehrung“ überschrieben. Dem schließt sich der Senat an. Die Berufungsbegründung zieht zudem das falsche Muster - nämlich in der Fassung bis zum 29.07.2010 - heran.

(c) Unschädlich ist die von der Berufung gerügte Verwendung von Ankreuzoptionen. Eine Widerrufsinformation unter Verwendung von Ankreuzoptionen genügt den gesetzlichen Vorgaben, da nicht vom Verwender markierte Optionen keine Zusätze zur Information darstellen, sondern schlicht nicht Vertragsbestandteil werden, und der Empfänger eines Vertragsformulars nur den ihn betreffenden Vertragstext zu lesen braucht (BGH, Urteil vom 23.02.2016 - XI ZR 101/15, juris Rn. 42 ff.). Daran ändert sich auch dann nichts, wenn sich die Textvarianten einer formularmäßigen Widerrufsinformation - wie hier im Streitfall - über mehrere Druckseiten erstrecken (BGH aaO juris Rn. 46). Da hier die jeweils in Betracht kommenden Varianten durch Einrücken übersichtlich gestaltet und die maßgeblichen Ankreuzungen mit einem fettschreibenden Stift vorgenommen wurden, ist auch dem Gebot der Klarheit hinreichend Rechnung getragen.

(d) Die Wendung, die Widerrufsfrist beginne "nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat", informierte für sich klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist. Mit der Passage „nach Abschluss des Vertrages“ übernahm die Beklagte den Gesetzestext aus § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 2a) BGB a.F. Eine weitere Präzisierung oder Paraphrasierung des dort gemeinten Zeitpunkts konnte von ihr nicht verlangt werden, da der Unternehmer nicht genauer formulieren muss als der Gesetzgeber selbst (BGH, Urteil vom 22.11.2016 - XI ZR 434/15 - Rn. 17). Ebenso klar und verständlich ist die Bezugnahme der Beklagten auf § 492 Abs. 2 BGB, insbesondere stellt die Bezugnahme auf eine konkret bezeichnete gesetzliche Vorschrift, deren Wortlaut für jedermann zugänglich ist, keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot dar (BGH aaO Rn. 18 ff.).

(e) Die Widerrufsinformation ist auch nicht wegen der von der Beklagten zur Erläuterung des Verweises auf § 492 Abs. 2 BGB vorgenommenen beispielhaften Aufzählung einzelner Pflichtangaben in dem Klammerzusatz fehlerhaft. Zu beanstanden ist insoweit weder der nur beispielhafte Charakter der aufgeführten Pflichtangaben noch der Umstand, dass mit „Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags“ und „Angabe der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde“ zwei „Pflichtangaben“ erwähnt werden, die für den Immobiliardarlehensvertrag der Kläger gemäß Art. 247 § 9 EGBGB a.F. nach dem Gesetz nicht einschlägig sind.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie
hier:



BGH: Zu den Anforderungen an die Widerrufsbelehrung bei einem Immobiliardarlehensvertrag - Formulierung zum Fristbeginn

BGH
Urteil vom 22.11.2016
XI ZR 434/15



Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof entscheidet über die Wirksamkeit einer Widerrufsinformation bei einem
Immobiliardarlehensvertrag

Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute im schriftlichen Verfahren darüber entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Darlehensgeber einen Verbraucher als Darlehensnehmer klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist informiert.

Sachverhalt:

Die Kläger schlossen als Verbraucher im August 2010 mit der beklagten Sparkasse einen Immobiliardarlehensvertrag über endfällig 273.000 € mit einer Laufzeit bis zum 30. November 2026. Sie schrieben für zehn Jahre eine Verzinsung in Höhe von 3,95% p.a. fest. Den effektiven Jahreszins gab die Beklagte mit 3,78% p.a. an. Sie erteilte unter Nr. 14 des Darlehensvertrags eine Widerrufsinformation, die unter anderem folgenden Satz (ohne Fußnote) enthielt:

"Die Frist [gemeint: die Widerrufsfrist] beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB* (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat".

Als Sicherheit bestellten die Kläger eine Grundschuld. Die Beklagte stellte den Klägern die Darlehensvaluta zur Verfügung. Mit Schreiben vom 29. August 2013 widerriefen die Kläger ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.

Prozessverlauf:

Ihre Klage auf Feststellung, dass sie der Beklagten "aus dem widerrufenen Darlehensvertrag" lediglich 265.737,99 € abzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 32.778,30 € seit dem 30. September 2013 schulden, und auf Leistung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen leitend:

In Übereinstimmung mit dem Senatsurteil vom 23. Februar 2016 (XI ZR 101/15, WM 2016, 706 Rn. 24 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ, vgl. Pressemitteilung Nr. 48/2016), das dasselbe Formular des Deutschen Sparkassenverlags betraf, hat das Berufungsgericht geurteilt, die äußere Gestaltung der Widerrufsinformation habe den gesetzlichen Anforderungen genügt.

Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, die Widerrufsinformation sei inhaltlich klar und verständlich gewesen. Die Wendung, die Widerrufsfrist beginne "nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat", informierte für sich klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist. Die von der Beklagten zur Erläuterung des Verweises auf § 492 Abs. 2 BGB in einem Klammerzusatz angefügten Beispiele entsprachen zwar nicht den gesetzlichen Vorgaben, weil sie mit den Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags und der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde "Pflichtangaben" benannten, die für den Immobiliardarlehensvertrag der Kläger nicht einschlägig waren. In der Angabe dieser beiden zusätzlichen Pflichtangaben lag indessen das von den Klägern angenommene vertragliche Angebot der Beklagten, das Anlaufen der Widerrufsfrist von der zusätzlichen Erteilung dieser beiden Angaben im Immobiliardarlehensvertrag abhängig zu machen.

Das Berufungsurteil hatte gleichwohl keinen Bestand, weil die Beklagte im Immobiliardarlehensvertrag keine Angaben zu der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde gemacht und damit nicht sämtliche Bedingungen erfüllt hat, von denen sie selbst das Anlaufen der Widerrufsfrist abhängig gemacht hat.

Das Berufungsgericht wird nach Zurückverweisung der Sache nunmehr der Frage nachzugehen haben, ob sich die Kläger im Zusammenhang mit der Ausübung des Widerrufsrechts rechtmissbräuchlich verhalten haben und welche Rechtsfolgen der Widerruf der Kläger – seine Wirksamkeit unterstellt – hat.

§ 492 BGB Schriftform, Vertragsinhalt



(2) Der Vertrag muss die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche enthalten.



Vorinstanzen:

LG Heidelberg – Urteil vom 14. Oktober 2014 – 2 O 168/14

OLG Karlsruhe – Urteil vom 25. August 2015 – 17 U 179/14


AG Winsen: Widerrufsfrist beginnt nicht mit Abgabe des Pakets beim Nachbarn

AG Winsen (Luhe)
Urteil vom 28.06.2012
22 C 1812/11


Das AG Winsen hat entschieden, dass die 14-tägige Widerrufsfrist bei Fernabsatzgeschäften nicht bereits mit der Abgabe des Pakets beim Nachbarn beginnt. Vielmehr ist erforderlich, dass der Kunde das Paket erhält. Etwaige Verzögerungen gehen - so die Ansicht des Gerichts - zu Lasten des Versenders.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Anforderungen an die Widerrufsbelehrung bei Verbraucherdarlehensverträgen

BGH
Urteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08 -
BGB § 355 Abs. 2 Satz 1 und 3, §§ 358, 495


Leitsätze des BGH:

a) Eine einem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung, die von einem unbefangenen rechtsunkundigen Leser dahin verstanden werden kann, die Widerrufsfrist werde unabhängig von der Vertragserklärung des Verbrauchers bereits durch den bloßen Zugang des von einer Widerrufsbelehrung begleiteten Vertragsangebots des Vertragspartners in Gang gesetzt, entspricht nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB.

b) Bilden Verbraucherdarlehensvertrag und finanziertes Geschäft eine wirtschaftliche Einheit und ist das Darlehen dem Unternehmer bereits teilweise zugeflossen, so hat der vom Verbraucher erklärte Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Vertragserklärung zur Folge, dass der Darlehensgeber im Abwicklungsverhältnis an die Stelle des Unternehmers tritt. Ist das verbundene Geschäft nicht vollständig fremdfinanziert worden, muss der Darlehensgeber dem Verbraucher auch den von diesem aus eigenen Mitteln an den Unternehmer gezahlten Eigenanteil zurückerstatten.


Denn Volltext der Entscheidung finden Sie hier: