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EuGH: Nachweis der früheren Offenbarung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters u.a. durch Rihanna-Fotos auf ihrem Instagram-Account - Puma-Geschmacksmuster für Schuhmodell nichtig

EuGH
Urteil vom 06.03.2024
T-647/22
Puma ./. EUIPO - Handelsmaatschappij J. Van Hilst


Der EuGH hat entschieden, dass ein Puma-Gemeinschaftsgeschmacksmuster für ein Schuhmodell nichtig ist. Grund ist der Nachweis der früheren Offenbarung eines älteren Gemeinschaftsgeschmacksmusters u.a. durch Fotos der Künstlerin Rihanna auf ihrem Instagram-Account.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Die frühere Offenbarung eines Schuhmodells von Puma durch die Künstlerin Rihanna hat die Nichtigerklärung eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters zur Folge

Das Gericht bestätigt die Entscheidung des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO).

Mit Entscheidung des EUIPO vom 11. August 2022 erwirkte die Handelsmaatschappij J. Van Hilst (HJVH) die Nichtigerklärung eines im August 2016 zugunsten von Puma eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters für Turnschuhe. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das EUIPO aus, dass Robyn Rihanna Fenty (bekannt als Rihanna) Schuhe getragen habe, die ein älteres Geschmacksmuster mit den gleichen Merkmalen wie das eingetragene Geschmacksmuster aufgewiesen hätten, und zwar zwölf Monate vor Einreichung der Anmeldung. Unter diesen Umständen war das EUIPO der Auffassung, dass das ältere Geschmacksmuster offenbart worden sei, was die Nichtigerklärung des eingetragenen Geschmacksmusters rechtfertige.

Das Gericht weist die von Puma gegen diese Entscheidung erhobene Klage ab.

HJVH hatte zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung u. a. Fotos des Instagram-Kontos „badgalriri“ vorgelegt, die auf Mitte Dezember 2014 datiert waren und sich auf die Ernennung von Rihanna zur neuen Kreativdirektorin von Puma bezogen. Auf diesen Fotos war zu sehen, dass Rihanna ein Paar weiße Turnschuhe mit einer dicken schwarzen Sohle trug. Die Fotos wurden in mehreren Artikeln in Online-Zeitschriften abgebildet

HJVH hatte zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung u. a. Fotos des Instagram-Kontos „badgalriri“ vorgelegt, die auf Mitte Dezember 2014 datiert waren und sich auf die Ernennung von Rihanna zur neuen Kreativdirektorin von Puma bezogen. Auf diesen Fotos war zu sehen, dass Rihanna ein Paar weiße Turnschuhe mit einer dicken schwarzen Sohle trug. Die Fotos wurden in mehreren Artikeln in Online-Zeitschriften abgebildet.

Das Gericht bestätigt die Beurteilung des EUIPO, wonach diese Fotos für den Nachweis einer Offenbarung des älteren Geschmacksmusters ausreichen, und dass die Fachkreise des betreffenden Wirtschaftszweigs Kenntnis von dieser Offenbarung haben konnten. Hierzu stellt es fest, dass auf den dem Instagram-Account mit dem Namen „badgalriri“ entnommenen, im Dezember 2014 verbreiteten Fotos alle wesentlichen Merkmale des älteren Geschmacksmusters mit bloßem Auge oder mithilfe einer Vergrößerung dieser Fotos erkennbar sind.

In diesem Zusammenhang weist das Gericht das Vorbringen von Puma zurück, wonach sich im Dezember 2014 niemand für die Schuhe von Rihanna interessiert und daher niemand das ältere Geschmacksmuster wahrgenommen habe. Im Dezember 2014 war Rihanna nämlich ein weltweit bekannter Popstar. Dies impliziert, dass ihre Fans und die Fachkreise im Modebereich zu diesem Zeitpunkt ein besonderes Interesse an den Schuhen entwickelt hatten, die sie am Tag der Unterzeichnung des Vertrags trug, durch den der Star Kreativdirektorin von Puma wurde.

Nach alledem hat das EUIPO nach Ansicht des Gerichts zu Recht angenommen, dass das ältere Geschmacksmuster im Dezember 2014 offenbart worden war, so dass das angemeldete Geschmacksmuster für nichtig erklärt werden konnte.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Düsseldorf: Zur Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters an einem Bauelement eines Fahrzeugs durch Veröffentlichung eines Fotos des Fahrzeugs

OLG Düsseldorf
Urteil vom 02.02.2023
20 U 124/17


Das OLG Düsseldorf hat sich in dieser Entscheidung mit der möglichen Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters an einem Bauelement eines Fahrzeugs durch Veröffentlichung eines Fotos des Fahrzeugs befasst.

Aus den Entscheidunsggründen:
Die Berufung der Klägerin, die nur noch die Feststellung einer Haftung dem Grunde nach zum Gegenstand hat, weil die dreijährige Schutzfrist der geltend gemachten Klagemuster zwischenzeitlich abgelaufen ist, hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin auf nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster gestützten Anträge auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung sind unbegründet.

A. (Klagegeschmacksmuster 1)

Ohne Erfolg unterlegt die Klägerin den von ihr geltend gemachten Ansprüchen das Klagegeschmacksmuster 1, bestehend aus einem gekrümmten V-förmigen Element der Fronthaube, einem mittig aus diesem Element herausragenden, in Längsrichtung angeordneten, flossenartigen Element („Strake“), einem in die Stoßstange integrierten, zweischichtigen Frontspoiler und dem mittigen vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“).

1. Losgelöst von der Frage, ob das von der Klägerin beanspruchte Klagegeschmacksmuster 1 wirksam entstanden ist (siehe dazu unter 2.), war der Berufungsantrag zu Ziffer I. schon deshalb teilweise zurückzuweisen, weil sich die Klägerin auch gegen ein von der Beklagten zu 1) vertriebenes „Front kit“ wendet, das über ein einheitlich dunkles „V“ auf der Fronthaube verfügt. Selbst wenn - entgegen der nachfolgend unter 2. vertretenen Auffassung - davon auszugehen wäre, dass die Klägerin ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster an dem Klagegeschmacksmuster 1 erlangt hat, so werden ihre Rechte durch das mit einheitlich dunklem „V“ ausgestaltete „Front kit“ (siehe erste Abbildung im Berufungsantrag zu Ziffer I.) nicht verletzt.

Unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Schutzumfangs fällt die von der Klägerin angegriffene Ausführungsform nicht in den Schutzbereich des (unterstellten) Klagegeschmacksmusters 1. Das mit einheitlich dunklem „V“ ausgestaltete „Front kit“ (siehe erste Abbildung im Berufungsantrag zu Ziffer I.) erzeugt aus der Sicht des maßgeblichen informierten Benutzers nicht denselben Gesamteindruck.

1.1. Gemäß Art. 10 Abs. 1 GGV sind für die Frage der Übereinstimmung des Gesamteindrucks die Übereinstimmungen und Unterschiede in den einzelnen Merkmalen zu gewichten und so der Gesamteindruck zu beurteilen. Maßstab für die Prüfung des hervorgerufenen Gesamteindrucks ist der informierte Benutzer (vgl. EuGH GRUR 2012, 506 Rn. 57 - PepsiCo). Hierbei handelt es sich um eine Person, die das Produkt, welches das Geschmacksmuster verkörpert, zu dem für dieses Produkt vorgesehenen Zweck benutzt (vgl. EuG GRUR Int 2011, 746 Rn. 51 - Sphere Time), verschiedene Geschmacksmuster, die es in dem betreffenden Wirtschaftsbereich gibt, kennt, über gewisse Kenntnisse über die Gestaltungselemente, die die Geschmacksmuster regelmäßig aufweisen, verfügt und die Produkte mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit nutzt (vgl. EuGH GRUR 2012, 506 Rn. 59 - PepsiCo; BGH GRUR 2013, 285 Rn. 55 - Kinderwagen II). Bei Sportwagen - wie hier - schenkt der informierte Benutzer dem Produktdesign eine hohe Aufmerksamkeit und nimmt die Details - sowohl was die Gemeinsamkeiten als auch was die Unterschiede angeht - entsprechend wahr.

1.2 In Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes ergibt sich kein übereinstimmender Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Ausführungsformen. Bei dem V-förmigen Element der Fronthaube handelt es sich um das den Gesamteindruck prägende Merkmal der Frontpartie des Fahrzeugs. Da dem informierten Benutzer aus dem Formenschatz V-förmige Elemente als Gestaltungsmerkmale bei Fahrzeugen auf der Motorhaube bekannt sind, erkennt er zwischen dem (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 1 und dem Verletzungsmuster auf den ersten Blick einen erheblichen Unterschied. So bewirkt dasbeim Verletzungsmuster bis in die Spitze in schwarzer Lackierung ausgeführte V-förmige Element eine optische Verlängerung des Cockpits und weckt Assoziationen an einen gekrümmten Schnabel. Die Frontpartie des Verletzungsmusters wirkt dynamisch sowie sportlich-aggressiv, womit das Geschäftsmodell der Beklagten zu 1), das auf einen speziellen Kundenkreis zugeschnitten ist, zusätzlich unterstrichen wird. Diese stellt nämlich als Fahrzeugveredler hochpreisige Anbauteile in Form von sogenannten „Tuning-Bausätzen“ für Luxusfahrzeuge her und vertreibt diese. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung erwarten Kunden, die an Fahrzeug-Tuning interessiert sind, eine wenn nicht gar provokante, so zumindest doch auffallende Dynamik und Sportlichkeit des Designs. Im Gegensatz zum Verletzungsmuster wirkt das (unterstellte) Klagegeschmacksmuster 1 mit seiner in der Grundfarbe des Fahrzeugs ausgestalteten Spitze des „V“ deutlich weniger aggressiv. Der Senat verkennt nicht, dass das Cockpit durch silberfarbene Kontraststreifen ebenfalls optisch nach vorne verlängert wird. Gleichwohl muten die silberfarbenen Kontraststreifen deutlich dezenter und erheblich weniger wuchtig als die bis nach unten gezogene, dunkle Spitze des „V“ beim Verletzungsmuster. Die Formensprache des (unterstellten) Klagegeschmacksmusters ist eleganter sowie zurückhaltender und damit eine gänzlich andere als die des Verletzungsmusters. Angesichts dieser Unterschiede kann von einem übereinstimmenden Gesamteindruck keine Rede sein.

2. Die Berufung der Klägerin hat auch insoweit keinen Erfolg, als sie sich gegen ein von der Beklagten zu 1) vertriebenes „Front kit“ wendet, in der das V-förmige Element der Fronthaube mit einer etwas abgestumpften Spitze ausgestaltet ist (siehe zweite Abbildung im Berufungsantrag zu Ziffer I.). Denn das von der Klägerin beanspruchte Klagegeschmacksmuster 1 ist schon nicht wirksam entstanden. Die vom Gerichtshof der Europäischen Union formulierten Kriterien für die Entstehung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters an einzelnen Teilen eines Erzeugnisses durch die Offenbarung einer Gesamtabbildung dieses Erzeugnisses sind vorliegend nicht erfüllt.

2.1. Der von der Klägerin als Klagegeschmacksmuster 1 in Anspruch genommene Teilbereich des Fahrzeugs PKW A. stellt sich als Bauelement eines komplexen Erzeugnisses im Sinne des Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV) dar (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2022, Az.: I ZR 1/19, zitiert nach juris, Rn. 32 ff.).

Gemäß Art. 4 Abs. 1 GGV wird ein Geschmacksmuster durch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt, soweit es neu ist und Eigenart hat. Gemäß Art. 4 Abs. 2 GGV gilt ein Geschmacksmuster, das in einem Erzeugnis, das Bauelement eines komplexen Erzeugnisses ist, benutzt oder in dieses Erzeugnis eingefügt wird, nur dann als neu und hat nur dann Eigenart, wenn das Bauelement, das in das komplexe Erzeugnis eingefügt ist, bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt (Buchst. a) und soweit diese sichtbaren Merkmale des Bauelements selbst die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen (Buchst. b). Art. 5 Abs. 1 Buchst. a GGV definiert ein Geschmacksmuster als neu, wenn der Öffentlichkeit im Fall nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor dem Tag, an dem das Geschmacksmuster, das geschützt werden soll, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, kein identisches Geschmacksmuster zugänglich gemacht worden ist. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. a GGV hat ein Geschmacksmuster Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorruft, das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, im Fall nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor dem Tag, an dem das Geschmacksmuster, das geschützt werden soll, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Nach Art. 11 Abs. 1 GGV wird ein Geschmacksmuster, das die im ersten Abschnitt der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung genannten Voraussetzungen erfüllt, als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster für eine Frist von drei Jahren geschützt, beginnend mit dem Tag, an dem es der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft erstmals zugänglich gemacht wurde. Nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 GGV gilt ein Geschmacksmuster als der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zugänglich gemacht, wenn es in solcher Weise bekannt gemacht, ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte. Nach Art. 3 Buchst. a GGV bedeutet Geschmacksmuster im Sinne dieser Verordnung die Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur und/oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst und/oder seiner Verzierung ergibt.

Wie der EuGH mit Urteil vom 28. Oktober 2021 - Az.: C-123/20 - auf Vorlage des Bundesgerichtshofes vom 30. Januar 2020 entschieden hat, ist Art. 11 Abs. 2 GGV dahin auszulegen, dass, wenn Abbildungen eines Erzeugnisses der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, wie bei der Veröffentlichung von Fotografien eines Fahrzeugs, dies dazu führt, dass ein Geschmacksmuster an einem Teil dieses Erzeugnisses im Sinne von Art. 3 Buchst. a GGV oder an einem Bauelement dieses Erzeugnisses als komplexem Erzeugnis im Sinne von Art. 3 Buchst. c und Art. 4 Abs. 2 GGV der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, sofern die Erscheinungsform dieses Teils oder Bauelements bei dieser Offenbarung eindeutig erkennbar ist. Damit geprüft werden kann, ob diese Erscheinungsform die Voraussetzung der Eigenart im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GGV erfüllt, ist es erforderlich, dass der in Rede stehende Teil oder das in Rede stehende Bauelement einen sichtbaren Teilbereich des Erzeugnisses oder des komplexen Erzeugnisses darstellt, der durch Linien, Konturen, Farben, die Gestalt oder eine besondere Oberflächenstruktur klar abgegrenzt ist (EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2021, Az.: C-123/20 - A., zitiert nach juris, Rn. 52). Dies setzt voraus, dass die Erscheinungsform dieses Teils eines Erzeugnisses oder dieses Bauelements eines komplexen Erzeugnisses geeignet sein muss, selbst einen "Gesamteindruck" hervorzurufen, und nicht vollständig in dem Gesamterzeugnis untergeht (EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2021, Az.: C-123/20 - A., zitiert nach juris, Rn. 50). Ein Schutz unbedeutender oder willkürlich ausgewählter Teile des Gesamterzeugnisses scheidet aus (siehe die Schlussanträge des Generalanwaltes vom 15. Juli 2021, Az.: C-123/20, zitiert nach juris, Rn. 117).

2.2. Mit dieser Maßgabe scheidet eine Geschmacksmusterfähigkeit des Klagegeschmacksmusters 1 aus. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, schutzbegründend für das Klagegeschmacksmuster 1 sei das untere Foto auf Seite 1 der Anlage rop 20. Die streitgegenständliche Offenbarungshandlung hat nicht dazu geführt, dass die Erscheinungsform des in Rede stehenden Teils klar erkennbar ist. Er stellt einen sichtbaren Teilbereich des Erzeugnisses oder des komplexen Erzeugnisses dar, der durch Linien, Konturen, Farben, die Gestalt oder eine besondere Oberflächenstruktur klar abgegrenzt ist (dazu unter a.). Die Erscheinungsform des in Rede stehenden Teils ist zudem nicht geeignet, selbst einen "Gesamteindruck" hervorzurufen, sondern geht vollständig im Gesamterzeugnis unter (dazu unter b.)

a. Im Streitfall fehlt es an einer klaren und sichtbaren Erscheinungsform der von der Klägerin als Geschmacksmuster in Anspruch genommenen Teilbereiche des Fahrzeugs PKW A. (Klagegeschmacksmuster 1). Diese sind in Ermangelung präzise und sicher zu erkennender Linien, Konturen, Farben oder Strukturen nicht hinreichend durch Merkmale abgegrenzt, die eine besondere Erscheinungsform begründen.

aa. Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass das V-förmige Element am oberen Rand durch die Windschutzscheibe bzw. die ihr zugewandte Kante der Fronthaube begrenzt ist. Der Senat vermag der Klägerin auch darin zu folgen, dass das V-förmige Element an den Seiten farblich durch die Innenkanten der silbernen Kontraststreifen absetzt ist. Gleichwohl sind diese Merkmale nicht ausreichend, um den von der Klägerin als Klagegeschmacksmuster 1 in Anspruch genommenen Teilbereich des Fahrzeugs präzise und sicher von dem Gesamterzeugnis abzugrenzen. Aus der maßgeblichen Sicht des informierten Benutzers scheitert eine hinreichend präzise Abgrenzung des V-förmigen Elements schon daran, dass das V-förmige Element mit einer abgestumpften Spitze ausgestaltet ist. Die im oberen Bereich des „V“ vorhandene schwarze Farbgebung wird durch die in der Grundfarbe des Fahrzeugs gehaltene Farbgebung unterbrochen. Das „V“ wirkt daher wie „abgeschnitten“. Dieser Farbkontrast führt zu einer auf den ersten Blick wahrnehmbaren optischen Teilung des V-förmig ausgestalteten Bereichs auf der Fronthaube in einen unteren und einen oberen Bereich. Dass die Klägerin diese beiden Teilbereiche ausweislich ihrer Antragsfassung als Einheit begreift, erscheint in Anbetracht der vorbeschriebenen Linienführung und Farbgestaltung keineswegs zwingend. Eine klar erkennbare und hinreichend präzise Abgrenzung liegt nicht vor. Die an den Seiten des „V“ aufgebrachten silbernen Kontraststreifen sind nicht geeignet, dem mit dem Farbkontrast beim informierten Benutzer entstandenen Eindruck, das „V“ sei „abgeschnitten“, also in sich bereits in einen unteren sowie in einen oberen Teilbereich geteilt, in relevanter Weise entgegenzuwirken. Die silbernen Kontraststreifen betonen zwar grundsätzlich die V-Form. Sie folgen aber schon nicht exakt der Linie, die im oberen Bereich mittels des Farbkontrastes erzeugt wird. Auf dem Lichtbild (Anlage rop 20), das die Klägerin ihre Merkmalsgliederung zugrunde legt (siehe Seite 14 des Schriftsatzes vom 24. Oktober 2022 sowie Seite 2 des Schriftsatzes vom 10. Januar 2023), ist zu sehen, dass zwischen dem Verlauf der silbernen Kontraststreifen und dem schwarzen V-förmigen Bereich ein schmaler Streifen vorhanden ist, der in der Grundfarbe des Fahrzeugs lackiert ist. Das Lichtbild (Anlage rop 20) zeigt, dass sich dieser Streifen nach unten hin zusätzlich vergrößert, weil der schwarz lackierte, obere Teil des V-förmigen Bereichs über abgerundete Ecken verfügt. Es ist deutlich erkennbar, dass die silbernen Kontraststreifen in diesem Bereich nicht unmittelbar an die Lackierung in der Grundfarbe anschließen. Auf Grundlage dieser Erwägungen ist zusammenfassend festzustellen, dass sich die Linien, Konturen und Farbgestaltung des V-förmigen Elements auf der Fronthaube aus Sicht des informierten Benutzers als diffus und uneinheitlich darstellen und weder eine klare noch präzise Abgrenzung dieses Teilbereichs ermöglichen, so dass der Klägerin bereits aus diesem Grund der begehrte Musterschutz zu versagen ist.

bb. Aber selbst wenn dies anders zu beurteilen wäre, so ist nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen allenfalls für den oberen und seitlichen Bereich des V-förmigen Elements eine Abgrenzung im Sinne der vom EuGH aufgestellten Kriterien zu bejahen. Dies reicht nicht aus, um die Entstehung des Klagegeschmacksmusters 1 zu bejahen. Hervorzuheben ist, dass der Teilbereich, für den die Klägerin Musterschutz beansprucht, nicht nur aus dem V-förmigen Element der Fronthaube und einem mittig aus diesem Element herausragenden, in Längsrichtung angeordneten, flossenartigen Element („Strake“) besteht, sondern die Klägerin auch den in die Stoßstange integrierten, zweischichtigen Frontspoiler sowie den mittigen vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) in das Klagegeschmacksmuster 1 einbezogen wissen will. Damit dringt sie nicht durch. Der Senat verkennt nicht, dass der EuGH die Kriterien der Einheitlichkeit und Geschlossenheit der Form für nicht maßgeblich erachtet. Vor dem Hintergrund, dass es ausweislich der Erwägungsgründe 6 und 7 GGV Ziel des Verordnungsgebers ist, einen verbesserten Schutz für gewerbliche Geschmacksmuster zu erreichen, der zur Innovation und zur Entwicklung ermutigt, ist es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch uneinheitliche, nicht zusammenhängende und/oder zu einem gewissen Grad nicht geschlossene Teilbereiche einer komplexen Erscheinungsform dem Schutz als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster zugänglich sind. Im Sinne der EuGH-Rechtsprechung ist jedoch - ohne damit allzu hohe Hürden für die Erfüllung der formellen Entstehungsvoraussetzungen von nichteingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern aufzustellen - zu fordern, dass die einzelnen Teilbereiche eines komplexen Erzeugnisses, für die Musterschutz beansprucht wird, in ihrer Gesamtheit und ihrem Zusammenspiel in der Wahrnehmung des informierten Benutzers klar und präzise von der Gestaltung im Übrigen abgrenzbar sind. Mithin müssen wenigstens die äußeren Grenzen des Teilbereichs eindeutig erkennbar entlang von Gestaltungselementen - wie Linien, Konturen, Farben oder Oberflächenstruktur - verlaufen. Dies ist hier nicht der Fall.

(1) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht fehlt es bereits an hinreichend klar erkennbaren Merkmalen, die eine in der äußeren Linienführung sicher abgrenzbare Verbindung zwischen dem V-förmigen Bereich der Fronthaube einerseits und dem Frontspoiler andererseits schaffen. Soweit die Klägerin in dem vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) ein geeignetes Verbindungselement zwischen Fronthaube und Frontspoiler erblickt, ist dem nicht zu folgen. Die Klägerin trägt selbst vor, dass der Verbindungssteg („Philtrum“) durch seine Form von der übrigen Gestaltung klar abgegrenzt sei. Hierzu verweist sie auch auf das erste Foto der Pressemitteilung, welches das Fahrzeug von der Seite zeigt und führt aus, dass der Verbindungssteg unter der Fronthaube abgesetzt sei und sich in seiner Gestalt als längliches, lotgerecht nach unten weisendes Element deutlich von der Fronthaube abgrenze. Dies berücksichtigend, erschließt sich nicht, weshalb der informierte Benutzer den vertikalen Verbindungssteg als Teil des Bereichs wahrnehmen soll, für den die Klägerin insgesamt Schutz beansprucht. Die Klägerin irrt, wenn sie meint, die von ihr vorgenommenen Grenzziehungen würden in diesem Bereich entlang von Strukturen, Konturen und Farbgrenzen verlaufen. Auf dem Lichtbild (Anlage rop 20) ist zu sehen, dass die vordere Kante der Fronthaube in seiner Struktur auskragend mit einer Unterkante ausgearbeitet ist, die etwas hervorsteht („Oberlippe“) und den durch das V-förmige Element erzeugten Eindruck einer optischen Verlängerung des Fahrzeugs nach vorne verstärkt. Eine Einbeziehung des vertikalen Verbindungsstegs („Philtrum“) in den V-förmigen Bereich der Fronthaube findet nicht statt. Im Gegenteil: Die „Oberlippe“ stellt sich als Gestaltungselement dar, das den vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) aus der Sicht des informierten Benutzers deutlich wahrnehmbar von der Fronthaube trennt. Diese Unterbrechung in der Linienführung und Struktur wird zusätzlich noch dadurch verstärkt, dass sich die „Oberlippe“ über die von der Klägerin vorgenommene Bereichsbestimmung hinaus als Bauteil weiter seitlich fortsetzt. Angesichts dieser Umstände und vor dem Hintergrund, dass der V-förmige Bereich zweifarbig ausgestaltet ist, reicht es für eine Einbeziehung des vertikalen Verbindungsstegs („Philtrum“) in den Bereich des V-förmigen Elements der Fronthaube nicht aus, dass dieser in der Grundfarbe des Fahrzeugs lackiert ist. Eine präzise und sicher erkennbare Abgrenzung von der übrigen Gestaltung folgt daraus nicht. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Übergangsbereich von der Fronthaube zum vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) in seinem ästhetischen Gehalt durch die sich auf der Fronthaube befindlichen silbernen Kontraststreifen als besonderes Gestaltungselement eine besondere Betonung erfährt. Die Kontraststreifen erfassen aber gerade nicht den Bereich der „Oberlippe“. Der V-förmige Bereich mag zwar, auch wenn er „abgeschnitten“ ist, den Blick des Betrachters pfeilmäßig auf den darunter liegenden Frontspoiler lenken. Allein dies bewirkt aber keine ausreichende Abgegrenztheit zur übrigen Gestaltung.

(2) Hinzu kommt, dass der vertikale Verbindungssteg („Philtrum“) unstreitig über eine Bauteilnaht verfügt, die nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin gut erkennbar ist. Diese Bauteilnaht steht der der Bereichsbestimmung der Klägerin zugrundeliegenden Annahme, das V-förmige Element der Fronthaube sei mit dem zweischichtigen Frontspoiler verbunden, entgegen. Es gelingt insbesondere auch nicht, den V-förmigen Bereich der Fronthaube mit dem oberen Bereich des Frontspoilers mittels der silbernen, auf den vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) zulaufenden Kontraststreifen zu verbinden und auf diese Weise von der übrigen Gestaltung klar erkennbar abzugrenzen. Denn die Kontraststreifen enden - wie dargetan - an der vorderen Kante der Fronthaube und setzen sich gerade nicht in den Bereich des Frontspoilers fort.

(3) Schließlich lässt sich auch die von der Klägerin mit dem Klagegeschmacksmuster 1 im Bereich des Frontspoilers vorgenommene äußere Grenzziehung nicht präzise und klar erkennbar anhand von Gestaltungsmerkmalen nachzuvollziehen. Sie verläuft nicht entlang der vom Europäischen Gerichtshof für maßgeblich erachteten Linien, Konturen, Farben, Gestaltungselementen oder Strukturen; ein aus der Sicht des informierten Benutzers eindeutig umrissenes Muster liegt daher nicht vor.

(a) Von maßgebender Bedeutung ist zunächst, dass die Klägerin seitlich sowie weiter hinten liegende Bereiche des Frontspoilers ausweislich der Abbildung auf Seite 14 des Schriftsatzes vom 24. Oktober 2020 willkürlich aus der Bereichsbestimmung ausklammert. So knüpft die seitliche Beschneidung der „Unterlippe“ nicht an Merkmale an, die eine klar erkennbare und damit aus Sicht des informierten Benutzers sichere Abgrenzung dieses Bereichs in Optik und Struktur erlauben. Zutreffend weist die Klägerin zwar darauf hin, dass sich die von ihr vorgenommene Grenzziehung, was die außen liegende Grenzen betrifft, an der Farbgebung orientiert. Der Farbwechsel (von silber zu schwarz) ist aber in der Gesamtbetrachtung als Abgrenzungsmerkmal ungeeignet, weil er nicht den Strukturen und Linien dieses Bauteils folgt. Die „Unterlippe“ setzt sich an den äußeren Enden mit nach oben weisenden Flügeln fort, die die Klägerin durch das Klagegeschmacksmuster 1 ausdrücklich nicht geschützt wissen will.

(b) Soweit die Klägerin ausweislich ihres Berufungsantrages zu Ziffer I. davon ausgeht, dass die obere Schicht des zweischichtigen Frontspoilers in die untere Schicht eingebettet sei, indem beide Schichten eine durchgehende Oberfläche bilden, ist dies nicht nachvollziehbar. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin ist in sich widersprüchlich. So verweist sie nämlich zur Begründung ihres zweiten Hilfsantrages auf Seite 19 des Schriftsatzes vom 20. Oktober 2022 auf eine Bauteilnaht, von der sie unter Hinweis auf eine Abbildung auf Seite 20 desselben Schriftsatzes selbst behauptet, dass diese gut erkennbar sei. Von einer einheitlichen, durchgehenden Oberflächenstruktur der Bereiche, die die Klägerin als Einheit begreift, kann bei dieser Sachlage nicht die Rede sein.

b. Im Übrigen kann bei wertender Betrachtung aller besonderen Umstände des Streitfalles nicht davon ausgegangen werden, dass die Erscheinungsform des Teilbereichs des Gesamterzeugnisses, für den die Klägerin Schutz beansprucht, selbst einen sichtbaren Gesamteindruck hervorruft. Das Klagegeschmacksmuster 1 geht in seiner Wirkung bei umfassender Würdigung des Zusammenspiels von Linien, Konturen, Farben und Gestalt aus der Sicht des informierten Benutzers im Gesamterzeugnis vollständig unter.

aa. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass die Front des PKW A. vom Betrachter als „Gesicht“ gelesen werde. Hierzu hat der Senat hat bereits mit Urteil vom 06. Dezember 2018 (dort auf Seite 36) ausgeführt, dass jeder Betrachter in die Einheit „Gesicht“, der die Klägerin selber ausdrücklich die „Augenbrauen“ zurechnet, auch die von der Klägerin textlich nicht gekennzeichneten und bei der Bestimmung ihrer Einheit außer Betracht gelassenen Bestandteile „Augen“ (Scheinwerfer) und „Kiefer“ (seitliche Enden des Frontspoilers) einbeziehe. Beide geben einem „Gesicht“ schon grundsätzlich ein maßgebliches Gepräge und das hier umso mehr, als beide ausgesprochen markant sind. Dies gilt insbesondere für die Scheinwerfer („Augen“) in ihrer schlitzartigen, für den Straßenverkehr nicht tauglichen Form. So finden die „kleinen Scheinwerfer-Schlitzer“ in der von der Klägerin in Bezug genommenen Berichterstattung auf der Internetseite autobild.de in einem Artikel vom 03. Dezember 2014 ausdrückliche Erwähnung. An diesen Erwägungen, die die Klägerin in der Sache auch nicht zu entkräften vermocht hat, hält der Senat fest. Die Nichteinbeziehung sowohl der schlitzartigen Scheinwerfer („Augen“) als auch der seitlichen Enden des Frontspoilers („Kiefer“) hat zur Folge, dass die Erscheinungsform des Teilerzeugnisses beim Betrachter keinen Gesamteindruck im Sinne eines „Gesichts“ hervorruft.

bb. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht erzeugt die Erscheinungsform des Teilerzeugnisses beim Betrachter auch keinen Gesamteindruck im Sinne eines „Greifvogelkopfes“. Assoziationen an einen „Greifvogelkopf“ können - wenn überhaupt -nur durch die Variante des PKW A. geweckt werden, bei der der v-förmige Bereich der Fronthaube in schwarzer Lackierung bis an die Vorderkante der Fronthaube heruntergezogen ist. Diese Variante ist jedoch nicht Gegenstand der Offenbarung. Auch nach Auffassung der Klägerin ist schutzbegründend für das Klagegeschmacksmuster 1 das untere Foto auf Seite 1 der Anlage rop 20, auf dem das V-förmige Element der Fronthaube mit einer etwas abgestumpften Spitze ausgestaltet ist. Bei einem „abgeschnittenen“ V fehlt es an dem für einen „Greifvogelkopf“ charakteristischen und prägenden Merkmal des spitzen Schnabelendes. Darauf hat der Senat bereits mit Urteil vom 06. Dezember 2022 hingewiesen, ohne dass die Klägerin dem im weiteren Gang des Verfahrens inhaltlich entgegengetreten ist.

cc. Ohne Erfolg trägt die Klägerin betreffend den Gesamteindruck vor, die Gestaltung des beanspruchten mittleren Bereichs lehne sich an ein Flugzeug an. Der informierte Benutzer erkennt in den von der Klägerin in Bezug genommenen Lichtbildern (vgl. Seite 8 ihres Schriftsatzes vom 16. November 2016), auf denen Flugzeuge abgebildet sind, eine ganz andere Formensprache, die sich deutlich von der Gestaltung des beanspruchten mittleren Bereichs unterscheidet. In dem doppelschichtigen Frontspoiler in Kombination mit dem vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) sowie dem mittig aus dem V-förmigen Element der Fronthaube herausragenden, in Längsrichtung angeordneten flossenartigen Element („Strake“) findet sich keine Entsprechung zu einem Cockpit ebenso wenig wie ein Pendant zu den Flügeln.

dd. Schlussendlich folgt der Senat der Klägerin auch nicht darin, wenn diese ausführt, der Teil des PKW A., für den sie Schutz beanspruche, erinnere in charakteristischer Weise an die Front eine Formel-1-Rennwagens. Um Assoziationen an einen Formel-1-Rennwagen hervorzurufen, genügt es nicht, dass der Spoiler bloß am Mittelsteg „aufgehängt“ ist. Die Anmutung an einen Formel-1-Rennwagen knüpft nach der Wahrnehmung des informieren Benutzers entscheidend an die freien Enden des Frontspoilers mit den nach oben weisenden Flügeln an, denn diese Gestaltungsmerkmale verleihen dem Fahrzeug den sportlich-schnittigen, dynamischen Charakter und pflegen das Image eines rasanten Formel-1-Rennwagens. Genau diesen Bereich hat die Klägerin jedoch aus dem Klagegeschmacksmuster 1 ausgeklammert.

B. (Klagegeschmacksmuster 2)

Die Berufung der Klägerin bleibt auch in Bezug auf den von ihr formulierten Hilfsantrag erfolglos. Das Klagegeschmacksmuster 2 ist nicht entstanden, denn es nicht in einer den Kriterien der EuGH-Rechtsprechung entsprechenden Art und Weise durch Linien, Konturen, Farben, die Gestalt oder eine besondere Oberflächenstruktur klar erkennbar abgegrenzt (siehe unter 1.) und zudem aus der Sicht eines informierten Benutzers nicht geeignet, selbst einen "Gesamteindruck" hervorzurufen (siehe unter 2.).

1. Die Musterfähigkeit des Klagegeschmacksmusters 2 - bestehend aus dem vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) sowie einem im Berufungsantrag zu Ziffer II. näher beschriebenen Teilbereich des zweischichtigen Frontspoilers - scheidet aus. Die von der Klägerin sowohl im Bereich des vertikalen Verbindungstegs („Philtrum“) als auch im Bereich des Frontspoilers vorgenommene äußere Grenzziehung verläuft weder präzise noch klar erkennbar anhand der vom EuGH für maßgeblich erachteten Gestaltungsmerkmale. Die Klägerin trägt selbst vor, dass der Verbindungssteg problemlos als durch seine Gestalt abgegrenztes Element wahrgenommen werden könne. Dies zu Gunsten der Klägerin als zutreffend unterstellt, ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht, wieso der informierte Benutzer den vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) zusammen mit dem in Rede stehenden Teilbereich des zweischichtigen Frontspoilers als klar erkennbar abgegrenzten, präzise umrissenen Bereich erkennen soll. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die vorstehenden Ausführungen des Senat verwiesen, mit denen dargelegt worden ist, dass die von der Klägerin vorgenommenen äußeren Grenzziehungen keine Entsprechung in Linien, Konturen, Farben oder Strukturen finden, die aus der Sicht des informierten Benutzers ein eindeutig umrissenes Muster definieren. Die Klägerin beansprucht mit dem Klagegeschmacksmuster 2 Schutz für einen letztlich willkürlich festgelegten Teilbereich des Gesamterzeugnisses. Eine solche Vorgehensweise findet in Art. 11 Abs. 2 GGV keine Stütze.

2. Darüber hinaus ist der zweischichtige Frontspoiler, so wie er von der Klägerin in seinen Merkmalen im Berufungsantrag zu Ziffer II. beschrieben worden ist, nicht geeignet, selbst einen Gesamteindruck hervorzurufen. Es handelt sich - wie dargetan - um einen in seinen äußeren Grenzen willkürlich festgelegten Teilbereich, der vollständig in dem Gesamterzeugnis untergeht. Insbesondere erinnert das Klagegeschmacksmusters 2 - bestehend aus dem vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) sowie einem im Berufungsantrag zu Ziffer II. näher beschriebenen Teilbereich des zweischichtigen Frontspoilers - aus den bereits dargelegten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, nicht an einen Formel-1-Rennwagen.

C. (Klagegeschmacksmuster III)

Ohne Erfolg stützt die Klägerin ihre Ansprüche höchst hilfsweise auf ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das ausweislich des Berufungsantrages zu Ziffer III. den gesamten Frontspoiler umfasst.

Dahinstehen kann, ob die Klägerin in Anwendung der vom EuGH formulierten Kriterien ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster an dem Klagegeschmacksmuster 3 erlangt hat. Selbst wenn dies zu Gunsten der Klägerin unterstellt wird, so sind ihre Rechte durch das Angebot und den Vertrieb des „Front kits“ der Beklagten, das die Teile eines Spoilers enthält, nicht verletzt.

1. Dem (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 3 kommt ein durchschnittlicher Schutzbereich zu, denn die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers des PKW A. war in Bezug auf den Frontspoiler aufgrund der Musterdichte beschränkt.

2. Der Abstand des Klagegeschmacksmusters 3 zum vorbekannten Formenschatz ist beträchtlich. Es gab zwar - wie aus der Anlage HPR 13 ersichtlich - bereits doppelschichtige Frontspoiler. Die mit dem (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 3 verwirklichte Kombination des doppelschichtigen Frontspoilers mit einem mittleren Verbindungssteg und den nach oben gezogenen äußeren Enden war aber unbekannt.

3. Die von der Klägerin angegriffene Ausführungsform fällt nicht in den Schutzbereich des (unterstellten) Klagegeschmacksmusters 3, denn der Frontspoiler der Beklagten erzeugt nicht denselben Gesamteindruck.

3.1. Gemäß Art. 10 Abs. 1 GGV sind für die Frage der Übereinstimmung des Gesamteindrucks die Übereinstimmungen und Unterschiede in den einzelnen Merkmalen zu gewichten und so der Gesamteindruck zu beurteilen. Maßstab für die Prüfung des hervorgerufenen Gesamteindrucks ist der informierte Benutzer (vgl. EuGH GRUR 2012, 506 Rn. 57 - PepsiCo). Hierbei handelt es sich um eine Person, die das Produkt, welches das Geschmacksmuster verkörpert, zu dem für dieses Produkt vorgesehenen Zweck benutzt (vgl. EuG GRUR Int 2011, 746 Rn. 51 - Sphere Time), verschiedene Geschmacksmuster, die es in dem betreffenden Wirtschaftsbereich gibt, kennt, über gewisse Kenntnisse über die Gestaltungselemente, die die Geschmacksmuster regelmäßig aufweisen, verfügt und die Produkte mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit nutzt (vgl. EuGH GRUR 2012, 506 Rn. 59 - PepsiCo; BGH GRUR 2013, 285 Rn. 55 - Kinderwagen II). Bei Sportwagen - wie hier - schenkt der informierte Benutzer dem Produktdesign eine hohe Aufmerksamkeit und nimmt die Details - sowohl was die Gemeinsamkeiten als auch was die Unterschiede angeht - entsprechend wahr.

3.2. Mit dieser Maßgabe fehlt es an einem übereinstimmenden Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Ausführungsformen. Der Senat verkennt nicht, dass eine Vielzahl der von der Klägerin die in ihrem Antrag beschriebenen Merkmale übereinstimmend verwirklicht sind (siehe auch Seite 8 des Schriftsatzes vom 10. Januar 2023). Es bestehen jedoch auch ganz erhebliche und aus der Sicht eines informierten Benutzers deutlich wahrnehmbare Unterschiede, insbesondere in der Farbgebung und Linienführung, die als Ausdruck eines bestimmten - ganz unterschiedlichen - Designkonzepts zu verstehen ist. Die Darstellung der Klägerin, der einzige Unterschied bestehe darin, dass bei der Verletzungsform die seitlichen Flaps der zweiten/oberen Schicht hochgezogen seien, greift zu kurz.

a. Auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass beim (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 3 die zweite Schicht des Frontspoilers teilweise in einer Kontrastfarbe lackiert ist. Es wird der silberne Farbton aufgegriffen, in dem auch die Kontraststreifen auf der Fronthaube gehalten sind. Diese Farbe kontrastiert markant und einprägsam mit der schwarzen Lackierung des sich in einer dritten Schicht darunter befindlichen Splitters. Aus der Sicht des informierten Betrachters ergibt sich somit ein farblicher Dreiklang aus rot, schwarz und silber, der für den Gesamteindruck des (unterstellten) Klagegeschmacksmusters mitprägend ist. Die beschriebene Farbgebung lenkt das Augenmerk des Betrachters ganz gezielt auf den silberfarbenen Bereich des Frontspoilers, der durch die aufgebrachte Beschriftung - links: Kennung „A.“ und rechts: Kundenwunschnummer - in der Wahrnehmung des Betrachters eine zusätzliche Hervorhebung erfährt, so dass dieser Bereich des Fahrzeugs als echter „Hingucker“ zu bewerten ist. Dies gilt nicht in vergleichbarer Weise für das vermeintliche Verletzungsmuster. Der angegriffenen Frontspoiler verfügt über keine Kontrastfarbe; er ist schwarz und knüpft damit an die ebenfalls schwarze Lackierung des darunter liegenden Splitters an. Prägend für die angegriffene Gestaltung ist der farbliche Zweiklang aus schwarz und gelb kennzeichnend, der den Frontspoiler deutlich zurückhaltender, harmonischer und eher sanft wirken lässt. Im Gegensatz dazu macht das (unterstellte) Klagegeschmacksmuster 3 einen kantigeren Eindruck und erzielt beim Betrachter eine aggressiv-sportliche Wirkung. Aus der Sicht des informierten Benutzers weicht die Formensprache der sich gegenüberstehenden Muster in ihrem ästhetischen Gehalt daher deutlich voneinander ab.

b. Im Rahmen der Vergleichsbetrachtung ist weiterhin zu berücksichtigen, dass das (unterstellte) Klagegeschmacksmuster 3 in erheblichem Maße durch die im vorbekannten Formenschatz so nicht ersichtliche Gestaltung des äußeren Bereich des Frontspoilers charakterisiert wird. An den äußeren Enden knickt der in diesem Bereich silberfarbene Frontspoiler jeweils im stumpfen Winkel nach oben ab und bildet mit dem darunter angeordneten schwarz lackierten Splitter eine von den Beklagten als „Double flaps“ bezeichnete, parallele Anordnung, die durchaus einprägsam ist. Auch weil der Frontspoiler vor den Kotflügeln angeordnet ist, prägt diese Gestaltung den Gesamteindruck des Klagegeschmacksmusters 3 erheblich mit. Die angegriffene Gestaltung weicht gerade in diesem Bereich der äußeren, seitlichen Enden deutlich vom (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 3 ab. Die äußeren Enden sind ausweislich Anlage rop 4, Bild 1 nicht- wie beim (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 3 - im stumpfen Winkel nach oben abgeknickt; sie münden auch nicht in einer parallelen Linienführung zu dem darunter angebrachten Splitter, sondern sind relativ weit um die Fahrzeugfront herum- sowie hochgezogen. Sie steigen sodann in einem spitzen Winkel bis zur Frontschürze auf, in die sie nach einer weiteren Abkantung münden. Zusammen mit dem Kotflügel, der seinerseits nach unten geknickt ist und bis an den Frontspoiler reicht, bilden die Enden des Frontspoilers bei der angegriffenen Gestaltung einen verhältnismäßig großen Luftdurchlass, der auf dem Kotflügel vor dem Vorderrad endet. Der Eindruck, der durch das vermeintliche Verletzungsmuster erzeugt wird, speist sich maßgeblich daraus, dass die hochgezogenen Spoiler-Enden die Wirkung eines geschlossenen Rahmens um den Kühlergrill haben. Der Spoiler sitzt auch nicht - wie beim (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 3 - vor dem Fahrzeug, insbesondere nicht vor dem Kotflügel, sondern ist harmonisch und dezent in die Fahrzeugfront integriert. Diese Wirkung wird zusätzlich noch durch die auf den Vorderkanten der Spoiler-Enden platzierten LEDs und den etwas zurückgesetzten Verbindungssteg verstärkt. In der Gesamtwirkung erscheint die angegriffene Gestaltung auch aufgrund dieser Merkmale sanfter und weniger sportlich aggressiv als die des Klagegeschmacksmusters 3. Während das (unterstellte) Klagegeschmacksmuster 3 mit Assoziationen an kompromisslose Hochgeschwindigkeit spielt, orientiert sich die angegriffene Gestaltung eher an der für Sportwagen traditionellen Formensprache und verwirklicht damit ein gänzlich anderes Designkonzept als das (unterstellte) Klagegeschmacksmuster 3.

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BGH: Zur Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters an einem Bauelement eines Fahrzeugs durch Veröffentlichung eines Fotos des Fahrzeugs

BGH
Urteil vom 10.03.2022
I ZR 1/19
Front kit II
Verordnung (EG) Nr. 6/2002 Art. 3 Buchst. c, Art. 4 Abs. 2 Buchst. b, Art. 6 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1 und 2 Satz 1


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung zur Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters an einem Bauelement eines Fahrzeugs durch Veröffentlichung eines Fotos des Fahrzeugs geäußert.

Leitsätze des BGH:
a) Durch die Veröffentlichung der Fotografie eines Fahrzeugs wird ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster an einem Bauelement des Fahrzeugs als komplexem Erzeugnis im Sinne von Art. 3 Buchst. c und Art. 4 Abs. 2 GGV der Öffentlichkeit gemäß Art. 11 GGV zugänglich gemacht, sofern die Erscheinungsform dieses Bauelements eindeutig erkennbar ist (Anschluss an EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2021 - C-123/20, GRUR 2021, 1523 [juris Rn. 52] = WRP 2022, 42 - Ferrari).

b) Die Erscheinungsform des Bauelements hat Eigenart im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GGV, wenn es einen sichtbaren Teilbereich des Fahrzeugs darstellt, der durch Linien, Konturen, Farben, die Gestalt oder eine besondere Oberflächenstruktur klar abgegrenzt ist. Dies setzt voraus, dass die Erscheinungsform des Bauelements geeignet sein muss, selbst einen "Gesamteindruck" hervorzurufen, und nicht vollständig in dem Gesamterzeugnis untergeht (Anschluss an EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2021 - C-123/20, GRUR 2021, 1523 [juris Rn. 50] = WRP 2022, 42 - Ferrari). Auf die Merkmale einer gewissen Eigenständigkeit und Geschlossenheit der Form kommt es nicht an.

BGH, Urteil vom 10. März 2022 - I ZR 1/19 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

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LG Frankfurt: Streitigkeiten im Zusammenhang mit eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern sind Handelssachen gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) GVG

LG Frankfurt
Beschluss vo 19.05.2022
2-03 O 94/22


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass Streitigkeiten im Zusammenhang mit eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern Handelssachen gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) GVG sind.

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsstreit ist nach § 98 ZPO auf Antrag der Antragsgegnerin an die Kammer für Handelssachen zu verweisen.

Der Antrag gehört nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) GVG (ggf. in analoger Anwendung) vor die Kammer für Handelssachen. Handelssachen sind nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in denen durch die Klage ein Anspruch aus den „Rechtsverhältnissen, die sich auf den Schutz der Marken und sonstigen Kennzeichen sowie der eingetragenen Designs beziehen“, geltend gemacht wird. Es ist davon auszugehen, dass auch Ansprüche, die ihre Grundlage auf ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach der VO (EG) Nr. 6/2002 (nachfolgend: GGV) haben, als Handelssachen anzusehen sind. Der Wortlaut steht dem nicht entgegen. Denn die Begriffe „Design“ und „Geschmacksmuster“ sind synonym zu verstehen. Dies ergibt bereits die Gegenüberstellung der entsprechenden Definitionen in § 1 DesignG und Art. 3 Buchst. a) GGV. In § 1 DesignG (bzw. § 1 GeschmMG a.F.) wird bzw. wurde in Nr. 1 ein „Design“ (bzw. ein „Muster“) als „die zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt“, definiert. Nach Art. 3 Buchst. a) GGV ist ein Geschmacksmuster „die Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur und/oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst und/oder seiner Verzierung ergibt“. Dass es zwischen den beiden Begriffen einen Unterschied geben soll, ist nicht ersichtlich. So gesehen kann auch ein Anspruch aus einem eingetragen Gemeinschaftsgeschmacksmuster grundsätzlich als ein Anspruch aus einem Rechtsverhältnis, das sich auf den Schutz der eingetragenen Designs bezieht, subsumiert werden. Denn der Wortlaut des GVG stellt nicht auf die Begrifflichkeiten wie „Designstreitsache“ oder „Gemeinschaftsgeschmacksmusterstreitsache“ ab. Im Übrigen wird – insbesondere zur historischen Auslegung – auf den Beitrag Bomba, GRUR-Prax 2014, 452 ff. verwiesen, den sich die Kammer zu eigen macht.

Der Verweisungsantrag ist nach § 101 GVG rechtzeitig gestellt worden. Da die Antragsgegnerin bei Erlass der einstweiligen Verfügung nicht angehört worden ist, ist der Verweisungsantrag mit dem Widerspruch rechtzeitig.




EuG: Löschung des LEGO-Geschmacksmusters durch EUIPO war unrichtig - Legobaustein bleibt jedenfalls zunächst als Geschmackmuster eingetragen

EuG
Urteil vom 24.03.2021
T-515/19
Lego A/S / EUIPO und Delta Sport Handelskontor GmbH


Das EuG hat entschieden, dass die Löschung des LEGO-Geschmacksmusters durch das EUIPO unrichtig war. Der Legobaustein bleibt jedenfalls zunächst als Geschmackmuster eingetragen

Die Pressemitteilung des EuG:

Das EUIPO hat ein Geschmacksmuster eines Bausteins des LEGO-Spielbaukastens zu Unrecht für nichtig erklärt

Das EUIPO hat weder geprüft, ob die von dem Unternehmen Lego geltend gemachte Ausnahmeregelung anwendbar ist, noch alle Erscheinungsmerkmale des Bausteins berücksichtigt Das Unternehmen Lego ist Inhaber des folgenden am 2. Februar 2010 für „Bausteine eines Spielbaukastens“ eingetragenen Geschmacksmusters:

[...]

Im Rahmen eines Verfahrens über einen Nichtigkeitsantrag des Unternehmens Delta Sport Handelskontor vertrat die Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) mit Entscheidung vom 10. April 2019 die Auffassung, dass alle Erscheinungsmerkmale des von dem angefochtenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses
ausschließlich durch dessen technische Funktion, nämlich den Zusammenbau mit anderen Bausteinen des Spiels und die Zerlegung zu ermöglichen, bedingt seien. Das EUIPO erklärte das fragliche Geschmacksmuster daher gemäß den Bestimmungen der Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster für nichtig. Das Unternehmen Lego hat vor dem Gericht der Europäischen Union Klage auf Aufhebung dieser Entscheidung erhoben.

Die Beschwerdekammer ermittelte folgende Erscheinungsmerkmale des Erzeugnisses: erstens die Noppenreihe auf der Oberseite des Bausteins, zweitens die Reihe kleinerer Kreise auf der Unterseite des Bausteins, drittens die beiden Reihen größerer Kreise auf der Unterseite des Bausteins, viertens die rechteckige Form des Bausteins, fünftens die Dicke der Wände des Bausteins und sechstens die zylindrische Form der Noppen. Alle diese Merkmale seien ausschließlich durch die technische Funktion des Bausteins bedingt, nämlich um den Zusammenbau mit anderen Bausteinen des Spiels und die Zerlegung zu ermöglichen. In seinem heutigen Urteil weist das Gericht zunächst darauf hin, dass ein Geschmacksmuster nach der Verordnung nicht an Erscheinungsmerkmalen eines Erzeugnisses besteht, die zwangsläufig in ihrer genauen Form und ihren genauen Abmessungen nachgebildet werden müssen, damit das Erzeugnis, in das das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, mit einem anderen Erzeugnis mechanisch verbunden oder in diesem, an diesem oder um dieses herum angebracht werden kann, so dass beide Erzeugnisse ihre Funktion erfüllen können. Ausnahmsweise können jedoch die mechanischen Verbindungselemente von Kombinationsteilen ein wichtiges Element der innovativen Merkmale von Kombinationsteilen bilden und einen wesentlichen Faktor für das Marketing darstellen und sollten daher schutzfähig sein. Ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster besteht somit an einem Geschmacksmuster, das dem Zweck dient, den Zusammenbau oder die Verbindung einer Vielzahl von untereinander austauschbaren Erzeugnissen innerhalb eines modularen Systems zu ermöglichen.

Das Gericht stellt fest, dass die Beschwerdekammer nicht geprüft hat, ob die von dem Unternehmen Lego erstmals vor ihr geltend gemachte Ausnahmeregelung anwendbar ist. Das Gericht hat daher zunächst zu klären, ob die Beschwerdekammer des EUIPO die Anwendungsvoraussetzungen dieser Ausnahmeregelung prüfen und damit beurteilen musste, ob diese erstmals vor ihr geltend gemacht werden konnte.

Da weder in der Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster noch in der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des EUIPO die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmungen über die fragliche Ausnahmeregelung festgelegt sind, kann nach Ansicht des Gerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die erstmalige Berufung von Lego auf diese Vorschrift vor der Beschwerdekammer verspätet war.

Das Gericht fügt hinzu, dass die Beschwerdekammer des EUIPO in Anbetracht der Erscheinungsmerkmale des von dem streitigen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses zu prüfen hatte, ob dieses die Voraussetzungen für die fragliche Ausnahmeregelung erfüllt. Da sie dies unterlassen hat, ist ihr ein Rechtsfehler unterlaufen.

Das Gericht führt sodann aus, dass ein Geschmacksmuster für nichtig zu erklären ist, wenn alle Merkmale seiner Erscheinung ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses, auf das es sich bezieht, bedingt sind, dass aber das fragliche Geschmacksmuster nicht für nichtig erklärt werden kann, wenn zumindest eines der Erscheinungsmerkmale des von einem
angefochtenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses nicht ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt ist. Der fragliche Baustein weist jedoch auf zwei Seiten der viernoppigen Reihe auf der Oberseite eine glatte Oberfläche auf, und dieses Merkmal gehört, wie das Gericht feststellt, nicht zu den von der Beschwerdekammer
ermittelten Merkmalen, obwohl es sich um ein Erscheinungsmerkmal des Erzeugnisses handelt.

Das Gericht fügt hinzu, dass es Sache des Antragstellers des Nichtigkeitsverfahrens ist, nachzuweisen, und Sache des EUIPO, festzustellen, dass alle Erscheinungsmerkmale des von dem angefochtenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses ausschließlich durch die technische Funktion dieses Erzeugnisses bedingt sind. Es gelangt zu dem Schluss, dass die Beschwerdekammer gegen die Bestimmungen der Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster verstoßen hat, da sie nicht alle Erscheinungsmerkmale des von dem angefochtenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses ermittelt und erst
recht nicht festgestellt hat, dass alle diese Merkmale ausschließlich durch die technische Funktion dieses Erzeugnisses bedingt waren.


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BGH legt EuGH vor: Können durch Offenbarung einer Gesamtabbildung eines Erzeugnisses nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster an einzelnen Teilen entstehen

BGH
Beschluss vom 30. Januar 2020
I ZR 1/19
Front kit
Verordnung (EG) Nr. 6/2002 Art. 4 Abs. 2 Buchst. b, Art. 6 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1 und 2 Satz 1

Leitsatz des BGH:


Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 11 Abs. 1 und 2
Satz 1 sowie der Art. 4 Abs. 2 Buchst. b, Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG)
Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster
(ABl. L 3 vom 5. Januar 2002) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Können durch die Offenbarung einer Gesamtabbildung eines Erzeugnisses gemäß Art. 11 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster an einzelnen Teilen des Erzeugnisses entstehen?

2. Für den Fall, dass die Frage 1 bejaht wird:
Welcher rechtliche Maßstab ist im Rahmen der Prüfung der Eigenart nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 bei der Ermittlung des Gesamteindrucks im Falle eines Bauelements anzulegen, das - wie etwa ein Teil einer Fahrzeugkarosserie - in ein komplexes Erzeugnis eingefügt wird? Darf insbesondere darauf abgestellt werden, ob die Erscheinungsform des Bauelements in der Wahrnehmung des informierten Benutzers nicht vollständig in der Erscheinungsform des komplexen Erzeugnisses untergeht, sondern eine gewisse Eigenständigkeit und Geschlossenheit der Form aufweist, die es ermöglicht, einen von der Gesamtform unabhängigen ästhetischen Gesamteindruck festzustellen?

BGH, Beschluss vom 30. Januar 2020 - I ZR 1/19 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

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EuG: Geschmacksmuster für Zhejiang-Motorroller verletzt nicht die Rechte von Piaggio am Motorroller Vespa LX - unterschiedlicher Gesamteindruck

EuG
Urteil vom 24.09.2019
T-219/18
Piaggio & C. SpA / EUIPO und Zhejiang Zhongneng Industry Group Co. Ltd


Das EuG hat enstchieden, dass das Geschmacksmuster für den Zhejiang-Motorroller nicht die Rechte von Piaggio am Motorroller Vespa LX verletzt. Das EuG sieht einen unterschiedlichen Gesamteindruck.

Die Pressemitteilung des EuG:

Piaggios Rechte des geistigen Eigentums an dem Motorroller Vespa LX wurden nicht verletzt

Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster des Motorrollers des chinesischen Unternehmens Zhejiang bleibt eingetragen

Im Jahr 2010 erwirkte das chinesische Unternehmen Zhejiang Zhongneng Industry Group beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) die Eintragung des folgenden Gemeinschaftsgeschmacksmusters (im Folgenden: Zhejiang-Motorroller):

Im Jahr 2014 stellte das italienische Unternehmen Piaggio & C. beim EUIPO einen Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit dieses Geschmacksmusters und wies darauf hin, dass es ihm in Bezug auf das der Öffentlichkeit ab 2005 zugänglich gemachte Geschmacksmuster „Vespa LX“ (im Folgenden: Motorroller Vespa LX, vgl. Abbildungen unten) mit den Konturen und Formmerkmalen des berühmten Kraftrads („Vespa“), einer italienischen Design-Ikone seit 1945, an Neuheit und Eigenart fehle. Außerdem sei der Motorroller Vespa LX in Italien als nicht eingetragene dreidimensionale Marke sowie in Frankreich und in Italien als schöpferisches Werk urheberrechtlich geschützt. Das EUIPO wies den von Piaggio gestellten Antrag auf Nichtigerklärung mit einer Entscheidung aus dem Jahre 2015 zurück. Auf eine von Piaggio eingelegte Beschwerde hin wurde diese Entscheidung im Jahr 2018 bestätigt.

Mit seinem heutigen Urteil weist das Gericht der Europäischen Union die Klage von Piaggio auf Aufhebung der Entscheidung des EUIPO ab und bestätigt somit deren Rechtmäßigkeit. Das Gericht weist vorab darauf hin, dass der Schutz eines Geschmacksmusters nach der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung nur gewährleistet wird, soweit es neu ist und Eigenart hat. Es stellt zunächst fest, dass Piaggio zum einen die fehlende Neuheit des ZhejiangMotorrollers nicht mehr geltend gemacht und zum anderen nur den Motorroller Vespa LX im Vergleich zum vorbestehenden Formschatz älterer Geschmacksmuster herausgegriffen hat, und führt aus, dass das EUIPO zutreffend festgestellt hat, dass der Zhejiang-Motorroller und der Motorroller Vespa LX einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorriefen und der Erstgenannte im Verhältnis zum Zweitgenannten Eigenart besitze. Während nämlich beim
Zhejiang-Motorroller im Wesentlichen eckige Konturen vorherrschen, stehen beim Motorroller Vespa LX runde Linien im Vordergrund. Auch finden sich die dem Motorroller Vespa LX eigenen Formmerkmale beim Zhejiang-Motorroller nicht wieder, während die trennenden Unterschiede zwischen den beiden zahlreich und signifikant sind und der Aufmerksamkeit des informierten Benutzers nicht entgehen werden.

Das Gericht führt weiter aus, dass das EUIPO auf der Grundlage des Vorbringens von Piaggio nicht feststellen konnte, dass der Zhejiang-Motorroller die nicht eingetragene dreidimensionale Marke hinsichtlich des Motorrollers Vespa LX benutzt habe. Insoweit betont das Gericht, dass die relevanten Verkehrskreise, die für den Kauf eines Motorrollers in Frage kommen und einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad aufweisen, den Stil, die Konturen und das Erscheinungsbild, die den Motorroller Vespa LX auszeichnen, visuell anders wahrnehmen als den Stil, die Konturen und das Erscheinungsbild des Zhejiang-Motorrollers. Aufgrund der unterschiedlichen Eindrücke, die durch die beiden Motoroller vermittelt werden, besteht keine Verwechslungsgefahr bei den maßgeblichen Verkehrskreisen.

Schließlich bestätigt das Gericht die Auffassung des EUIPO, dass eine Verletzung der Urheberrechte von Piaggio an dem Motorroller Vespa LX in Italien wie in Frankreich ausgeschlossen sei. Der Motorroller Vespa LX – der durch italienisches und französisches Urheberrecht als konkrete Ausformung des schöpferischen Kerngedankens der Ur-„Vespa“ insoweit geschützt ist, als er deren Formmerkmale und ihr spezifisches Gesamterscheinungsbild im Sinne eines „rundlichen, femininen Vintage-Charakters“ verkörpert – wurde durch den Zhejiang Motorroller nämlich nicht unerlaubt in Anspruch genommen.

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BGH: Zur Anwendung der Schutzschranke gemäß Art. 110 Abs. 1 GGV auf Felgen von Kraftfahrzeugen

BGH
Urteil vom 26. Juli 2018
I ZR 226/14
Kraftfahrzeugfelgen II
GGV Art. 110 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass die Schutzschranke gemäß Art. 110 Abs. 1 GGV grundsätzlich auch auf Felgen von Kraftfahrzeugen anwendbar ist.

Leitsätze des BGH:

a) Die Schutzschranke gemäß Art. 110 Abs. 1 GGV ist grundsätzlich auf Felgen von Kraftfahrzeugen anwendbar, die farblich und in der Größe den Originalfelgen entsprechen, wenn die Verwendung der Felgen notwendig ist, um ein Kraftfahrzeug zu reparieren, das etwa aufgrund des Abhandenkommens der Originalfelgen oder deren Beschädigung schadhaft geworden ist.

b) Der Anbieter solcher Kraftfahrzeugfelgen kann sich auf die Schutzschranke gemäß Art. 110 Abs. 1 GGV nur dann mit Erfolg berufen, wenn er Sorgfaltspflichten erfüllt, die sich auf die Einhaltung der in Art. 110 Abs. 1 GGV geregelten Voraussetzungen durch die nachgelagerten Benutzer beziehen. c) Danach obliegt es dem Hersteller und dem Anbieter, den nachgelagerten Benutzer mit einem klaren, gut sichtbaren Hinweis auf dem Erzeugnis, auf dessen Verpackung, in den Katalogen oder in den Verkaufsunterlagen darüber zu informieren,
- dass in die betreffende Felge ein Geschmacksmuster aufgenommen ist, dessen Inhaber er nicht
ist, und
- dass diese Felge ausschließlich dazu bestimmt ist, mit dem Ziel verwendet zu werden, die Reparatur des Kraftfahrzeugs zu ermöglichen, um diesem wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu verleihen.

Der Hinweis muss in den Sprachen gegeben werden, die in den Ländern allgemein verständlich sind, an deren Einwohner sich das Angebot bestimmungsgemäß richtet.

d) Der Hersteller und der Anbieter haben zudem mit geeigneten Mitteln, insbesondere vertraglicher Art,
dafür zu sorgen, dass die nachgelagerten Benutzer die Felgen ausschließlich mit dem Ziel der Reparatur des Kraftfahrzeugs verwenden.

e) Weiß der Hersteller oder der Anbieter, dass der nachgelagerte Benutzer die Felgen nicht ausschließlich mit dem Ziel der Reparatur des Kraftfahrzeugs verwendet, oder müssen Hersteller oder Anbieter dies bei Würdigung aller maßgeblichen Umstände vernünftigerweise annehmen, muss ein Verkauf unterbleiben.

BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 - I ZR 226/14 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

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BGH: Im Internet angebotene Produkte gehören zum vorbekannten Formenschatz - Bei Prüfung von Schutzumfang eines Geschmacksmusters zu beachten

BGH
Urteil vom 11.01.2018
I ZR 187/16
Ballerinaschuh
VO (EG) Nr. 6/2002 Art. 10 Abs. 2; BGB § 823 Abs. 1, § 826


Der BGH hat entschieden, dass Im Internet zum Kauf angebotene Produkte zum vorbekannten Formenschatz gehören und bei der Prüfung des Schutzumfangs eines Geschmacksmusters zu beachten sind.

Leitsätze des BGH:

a) Modelle, die über eine Internetseite dem allgemeinen Publikum zum Kauf angeboten werden, gehören zum vorbekannten Formenschatz, von dem der interessierte Benutzer Kenntnis nehmen kann, und sind bei der Prüfung des Schutzumfangs eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters zu berücksichtigen.

b) Umstände, die den Schutzumfang eines Geschmacksmusters zu schmälern geeignet sind, gehören grundsätzlich nicht zu den Tatsachen, die der klagende Schutzrechtsinhaber von sich aus offenbaren muss. Es obliegt vielmehr dem aus dem Geschmacksmuster in Anspruch genommenen Beklagten, hierzu vorzutragen.

c) Stellt derjenige, der unberechtigt wegen einer Schutzrechtsverletzung abgemahnt worden ist, infolge der Verwarnung den Vertrieb des beanstandeten Produkts ein, ist wegen des in der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung liegenden Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch der Schaden ersatzfähig, der dem Verwarnten infolge der Vertriebseinstellung nach Erhebung einer Klage wegen der Schutzrechtsverletzung entsteht.

BGH, Urteil vom 11. Januar 2018 - I ZR 187/16 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

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EuG: Geschmacksmuster der Crocs Inc. hinsichtlich Crocs-Schuhe ist mangels Neuheit zu löschen

EuG
Urteil vom 14.03.2018
T-651/16
Crocs, Inc. / EUIPO


Das EuG hat entschieden,d ass das Geschmacksmuster der Crocs Inc. hinsichtlich der Crocs-Schuhe mangels Neuheit zu löschen ist.

Das Gericht bestätigt die Nichtigerklärung der Eintragung des Geschmacksmusters von Crocs, weil es vor seiner Eintragung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde

Eine Verordnung der Union sieht den Schutz eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters vor, soweit es neu ist und Eigenart hat. Ein Geschmacksmuster gilt u. a. dann nicht als neu, wenn es vor den zwölf Monaten, die dem in Anspruch genommenen Prioritätstag vorausgehen, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde , es sei denn, dass dies den in der Europäischen Union tätigen Fachkreisen nicht bekannt sein konnte.

Am 22. November 2004 meldete die Western Brands LLC beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das unten abgebildete Geschmacksmuster als Gemeinschaftsgeschmacksmuster für Schuhe an und nahm die Priorität einer am 28. Mai 2004 in den Vereinigten Staaten von Amerika eingereichten Patentanmeldung in Anspruch.

Das Geschmacksmuster wurde am 8. Februar 2005 als Gemeinschaftsgeschmackmuster eingetragen. Am 3. November 2005 wurde das Gemeinschaftsgeschmackmuster auf das Unternehmen Crocs übertragen.

Im Jahr 2013 reichte das französische Unternehmen Gifi Diffusion beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung des Geschmacksmusters ein, weil es ihm an Neuheit fehle. Gifi trägt vor, das Geschmacksmuster sei der Öffentlichkeit vor dem 28. Mai 2003, d. h. vor dem Zeitraum von zwölf Monaten vor dem in Anspruch genommenen Prioritätstag (d. h. dem Zeitpunkt der Einreichung einer Patentanmeldung in den Vereinigten Staaten von Amerika) zugänglich gemacht worden.

Mit Entscheidung vom 6. Juni 2016 erklärte das EUIPO das Geschmacksmuster mit der Begründung für nichtig, dass es vor dem 28. Mai 2003 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei und es ihm daher an Neuheit fehle. Nach Ansicht des EUIPO war die Offenbarung i) mit der Präsentation auf der Website von Crocs ii) mit einer Präsentation anlässlich einer Nautikmesse in Fort Lauderale in Florida (USA) und iii) damit erfolgt, dass die nach dem Geschmacksmuster gestalteten Schuhe hätten erworben werden können. Crocs wandte sich mit einer Klage beim Gericht der Europäischen Union gegen diese Entscheidung. Das Unternehmen stützt sich insbesondere darauf, dass die Offenbarung im Internet Handlungen betreffe, die den in der Union tätigen Fachkreisen des betroffenen Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht hätten bekannt sein können. Mit seinem heutigen Urteil weist das Gericht die Klage von Crocs ab und bestätigt die Entscheidung des EUIPO.

Das Gericht weist in Bezug auf die Frage, ob das Geschmacksmuster vor dem 28. Mai 2003 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, darauf hin, dass Crocs nicht bestritten hat, dass die drei vom EUIPO festgestellten Offenbarungshandlungen tatsächlich stattgefunden haben. In diesem Zusammenhang stellt das Gericht fest, dass die Handlungen, die eine Offenbarung
darstellen, nicht unbedingt im Unionsgebiet erfolgt sein müssen. Daher entscheidet das Gericht, dass das EUIPO rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt ist, dass zumindest durch diese drei Offenbarungshandlungen zusammen das streitige Geschmacksmuster der Öffentlichkeit vor dem 28. Mai 2003 zugänglich gemacht worden ist.

Zudem hat Crocs nach Ansicht des Gerichts nicht nachgewiesen, dass die drei vom EUIPO festgestellten Offenbarungshandlungen den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs (d. h. den Fachkreisen für Schuhverkauf und -erzeugung) im normalen Geschäftsverlauf nicht hätten bekannt sein können.

Das Gericht führt insbesondere aus, dass Crocs weder rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass ihre Website von Schuherzeugern, die außerhalb der USA tätig seien, nicht habe gefunden werden können, noch dass diese Fachkreise von der Nautikmesse in Fort Lauderdale keine Kenntnis gehabt hätten, in Anbetracht des internationalen Charakters und des großen Erfolgs, den die Präsentation der betreffenden Schuhe dort verzeichnete. Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass die Schuhe damals in einer großen Anzahl amerikanischer Bundestaaten vermarktet wurden und es somit in Anbetracht der Wichtigkeit der Geschäftstrends auf dem amerikanischen Markt für den Unionsmarkt wenig wahrscheinlich ist, dass diese Vermarktung den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs nicht aufgefallen wäre.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Düsseldorf: Dr. Oetker verliert erneut Puddingstreit Paula ./. Flecki - auch keine Patentverletzung

LG Düsseldorf
Urteil vom 20.11.2012
4b O 141/12


Dr. Oetker hat - wenig überraschend und völlig zu Recht - erneut im Puddingstreit Paula ./. Flecki eine Niederlage kassiert (siehe dazu auch ( OLG Düsseldorf: Paula gegen Flecki - Dr. Oetker unterliegt im Puddingstreit gegen Aldi ). In diesem Verfahren hatte der Markenherstelle nunmehr eine Patentverletzung bei der Herstellung gerügt. Allerdings stellte das LG Düsseldorf fest, dass bei der Herstellung im technischen Ablauf erhebliche Unterschiede bestehen.



OLG Düsseldorf: Paula gegen Flecki - Dr. Oetker unterliegt im Puddingstreit gegen Aldi

OLG Düsseldorf
Urteil vom 24.07.2012
Paula ./. Flecki


Das OLG Düsseldorf hat völlig zu Recht entschieden, das der von Aldi vertrieben Pudding "Flecki" keine unlautere Nachahmung des Dr. Oetker-Puddings "Paula" ist und auch nicht Rechte von Oetker an dem vom Puddinghersteller eingetragen Geschmacksmuster verletzt.


LG Düsseldorf: Pudding Flecki ist keine unlautere Nachahmung des Puddings Paula - Dr. Oetker ./. Aldi

LG Düsseldorf
Urteil vom 01.03.201
214c O 302/11
Paula ./. Flecki


Das LG Düsseldorf hat im Rechtsstreit zwischen der Dr. Oertker und Aldi entschieden, dass der von Aldi vertrieben Pudding "Flecki" keine unlautere Nachahmung des Puddings "Paula" ist. Aldi hat - so das Gericht - alles Erforderliche getan um eine Herkunftstäuschung zu verhindern. Auch eine Verletzung des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters lehnte das Gericht ab.


Die vollständige Pressemitteilung des LG Düsseldorf finden Sie hier:
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