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EuG: Bußgeld der EU-Kommission gegen den Steam-Betreiber Valve wegen unzulässigen Geoblockings rechtmäßig

EuG
Urteil vom 27.09.2023
T-172/21
Valve Corporation / Kommission


Das EuG hat entschieden, dass das Bußgeld der EU-Kommission gegen den Steam-Betreiber Valve wegen unzulässigen Geoblockings rechtmäßig war.

Die Pressemitteilung des EuG:
Online-Videospiele: Das Gericht bestätigt einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der Union durch das Geoblocking von Produktschlüsseln für die Plattform Steam

Indem sie dieses Geoblocking bilateral vereinbart haben, haben die Betreiberin der Plattform Steam, Valve, und fünf PC-Videospielverleger den grenzüberschreitenden Absatz bestimmter mit dieser Plattform kompatibler PC-Videospiele unzulässig beschränkt

Nachdem die Kommission Informationen erhalten hatte, dass bestimmte PC-Videospiele auf der Plattform Steam aufgrund des Nutzerstandorts einem Geoblocking unterlagen, leitete sie eine Untersuchung ein. Mit Beschlüssen vom 20. Januar 2021 stellte sie einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der Union durch die Betreiberin der Plattform, Valve, und fünf Spielverleger, nämlich Bandai, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax, fest.

Die Kommission warf Valve und den fünf Verlegern vor, an einem Bündel wettbewerbswidriger Vereinbarungen oder abgestimmter Verhaltensweisen teilgenommen zu haben. Diese hätten darauf abgezielt, den grenzüberschreitenden Absatz bestimmter mit der Plattform Steam kompatibler PC-Videospiele durch die Einrichtung gebietsbezogener Kontrollfunktionen in verschiedenen Zeiträumen zwischen 2010 und 2015 zu beschränken, und zwar insbesondere in den Ländern des Baltikums sowie in bestimmten mittel- und osteuropäischen Ländern.

Valve hat beim Gericht der Europäischen Union Klage auf Nichtigerklärung des sie betreffenden Beschlusses erhoben.

Mit seinem heutigen Urteil weist das Gericht die Klage ab.

Es stellt fest, dass die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass es zwischen Valve und jedem der fünf Verleger eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise gab, die bezweckte, Paralleleinfuhren durch Geoblocking der Schlüssel zu beschränken, mit denen die fraglichen Videospiele auf der Plattform Steam aktiviert und gegebenenfalls genutzt werden konnten, Mit diesem Geoblocking sollte verhindert werden, dass die Videospiele, die in einigen Ländern zu niedrigen Preisen vertrieben werden, von Vertriebshändlern oder Nutzern gekauft werden, die ihren Standort in anderen Ländern haben, in denen die Preise deutlich höher sind.

Das in Rede stehende Geoblocking verfolgte somit nicht das Ziel, die Urheberrechte der Verleger der PC-Videospiele zu schützen, sondern diente dazu, Paralleleinfuhren dieser Videospiele zu unterbinden und das hohe Niveau der von den Verlegern erhobenen Lizenzgebühren und darüber hinaus der von Valve erzielten Margen zu schützen.

Auf verschiedene Argumente von Valve hin äußert sich das Gericht auch zum Verhältnis zwischen dem Wettbewerbsrecht der Union und dem Urheberrecht. Es erinnert insbesondere daran, dass das Urheberrecht den Inhabern der betreffenden Rechte nur die Möglichkeit sichern soll, das Inverkehrbringen oder die Bereitstellung der Schutzgegenstände dadurch kommerziell zu verwerten, dass gegen Zahlung einer Vergütung Lizenzen erteilt werden. Es garantiert ihnen jedoch nicht die Möglichkeit, die höchstmögliche Vergütung zu verlangen oder ein Verhalten an den Tag zu legen, das geeignet ist, zu künstlichen Preisunterschieden zwischen abgeschotteten nationalen Märkten zu führen. Eine solche Abschottung und der
daraus resultierende künstliche Preisunterschied sind mit der Verwirklichung des Binnenmarkts nicht vereinbar.

Auch die Berufung von Valve auf die von ihr behauptete wettbewerbsfördernde Wirkung des fraglichen Geoblocking
ändert nichts an der Gesamtbeurteilung, dass das in Rede stehende, als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestufte kollusive Verhalten ein für den Wettbewerb hinreichend schädliches Ausmaß erreichte.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH-Generalanwalt: Streaminganbieter haftet nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG nicht wenn Nutzer per VPN geografische Zugangssperre umgeht

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 20.10.2022
C‑423/21
Grand Production d.o.o. gegen GO4YU GmbH, DH, GO4YU d.o.o, MTEL Austria GmbH


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass ein Streaminganbieter nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG nicht haftet, wenn der Nutzer per VPN eine geografische Zugangssperre umgeht.

Ergebnis der Schlussanträge:

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft

ist dahin auszulegen,

dass ein Betreiber einer Streamingplattform, der eine Fernsehübertragung im Internet weiterverbreitet, das in dieser Bestimmung verankerte ausschließliche Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken nicht verletzt, wenn die Nutzer mittels eines virtuellen privaten Netzwerks (VPN) die geografische Zugangssperre in der Weise umgehen, dass die geschützten Werke in der Europäischen Union zugänglich sind, wofür der Betreiber dieser Plattform keine Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers hat; ein solcher Betreiber verletzt jedoch dieses Recht, wenn die geschützten Werke auf seiner Plattform ohne Beschränkungen in der Europäischen Union zugänglich sind, ohne dass der Urheberrechtsinhaber die Erlaubnis dazu erteilt hat.

2. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29

ist zudem dahin auszulegen,

dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der mit dem Betreiber einer Streamingplattform verbunden ist, auf der urheberrechtlich geschützte Werke zugänglich gemacht werden, der Werbung für diese Plattform macht, Verträge mit Kunden über die von ihrem Betreiber erbrachten Dienstleistungen abschließt und sich um die Kundenpflege kümmert, jedoch weder auf die Inhalte Einfluss hat, die auf der Plattform zugänglich gemacht werden, noch auf die dort angewendeten Zugangsbeschränkungen, die darauf abzielen, die Urheberrechte Dritter zu schützen, keine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vornimmt.

Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:



EU-Kommission: Unzulässiges Geoblocking - Insgesamt 7,8 Mio EURO Geldbußen gegen Steam-Betreiber Valve und Spielepublisher Bandai Namco, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax

Die EU-Kommission hat wegen unzulässigem Geoblocking gegen den Steam-Betreiber Valve und die Spielepublisher Bandai Namco, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax Geldbußen in Höhe von insgesamt 7,8 Mio EURO verhängt.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:

Kartellrecht: Kommission verhängt gegen Valve und fünf PC-Videospieleverlage Geldbußen von 7.8 Mio. EUR wegen Geoblocking-Praktiken

Die Europäische Kommission hat gegen das Unternehmen Valve, das Eigentümer der Online-PC-Spieleplattform „Steam“ ist, und die fünf Spieleverlage Bandai Namco, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax wegen ihrer Zuwiderhandlungen gegen das EU-Kartellrecht Geldbußen von insgesamt 7.8 Mio. EUR verhängt.

Valve und die Verlage beschränkten den grenzüberschreitenden Verkauf bestimmter PC-Videospiele an Nutzer in bestimmten Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Wegen dieser sogenannten Geoblocking-Praktiken wurden Geldbußen von insgesamt mehr als 6 Mio. EUR gegen die Verlage verhängt, die jedoch aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission ermäßigt wurden. Valve hatte beschlossen, nicht mit der Kommission zusammenzuarbeiten, und wurde mit einer Geldbuße von mehr als 1.6 Mio. EUR belegt.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu: „Mehr als die Hälfte aller Menschen in Europa spielen Videospiele. Die Videospielbranche in Europa floriert und hat mittlerweile ein Marktvolumen von mehr als 17 Mrd. EUR. Die heute wegen der Geoblocking-Praktiken von Valve und fünf PC-Videospieleverlagen verhängten Geldbußen dienen als Erinnerung daran, dass es den Unternehmen nach dem EU-Wettbewerbsrecht untersagt ist, den grenzüberschreitenden Verkauf vertraglich zu beschränken. Denn solche Praktiken verhindern, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa die Vorteile des digitalen Binnenmarktes nutzen und sich in der gesamten EU das beste Angebot aussuchen können.“

Steam ist mit einem weltweiten Angebot von 35 000 Spielen eine der größten PC-Videospieleplattformen der Welt. Über diese Plattform können Nutzer nach ihrer Anmeldung PC-Videospiele direkt herunterladen oder streamen. Außerdem können PC-Videospiele, die nicht über Steam, sondern beispielsweise in physischen Verkaufsräumen (z. B. auf DVD) oder über Websites Dritter in digitaler Form gekauft wurden, auf Steam aktiviert und gespielt werden.

Valve stellt mit seinen Aktivierungsschlüsseln die technischen Mittel bereit, mit denen die Videospiele der Verlage auf Steam aktiviert und gespielt werden können, auch wenn sie nicht auf Steam gekauft wurden. Die Verlage weisen diese Schlüssel ihren PC-Videospiele zu, sodass die betreffenden Spiele nur mit diesen Schlüsseln aktiviert werden können. Anschließend werden die PC-Videospiele von Drittanbietern im EWR verkauft. Valve bietet den Verlagen zudem eine Gebietskontrollfunktion, sodass die Aktivierung der PC-Videospiele geografisch beschränkt werden kann. Wenn die Nutzung von Steam-Aktivierungsschlüsseln mit der Gebietskontrollfunktion verknüpft wird, kann die Aktivierung von PC-Videospielen abhängig vom geografischen Standort des Nutzers blockiert werden (Geoblocking).

Die Videospieleverlage erteilten Valve eine nichtausschließliche Lizenz für die weltweite Verwertung bestimmter PC-Videospiele, die auch für den gesamten EWR galt. Im Gegenzug erhielten die Verlage von Valve eine Lizenz für die Nutzung der Steam-Aktivierungsschlüssel für den Vertrieb dieser Spiele außerhalb von Steam. Die Verlage forderten Valve auf, geografische Beschränkungen durch die Bereitstellung geoblockierter Steam-Aktivierungsschlüssel zu ermöglichen. Diese Schlüssel stellten sie dann ihren Vertriebshändlern für den Verkauf und Vertrieb der PC-Videospiele in den betreffenden Mitgliedstaaten zur Verfügung. So wurden außerhalb bestimmter Mitgliedstaaten ansässige Nutzer daran gehindert, bestimmte PC-Videospiele mit Steam-Aktivierungsschlüsseln zu aktivieren.

Die Kommission stellte fest, dass Valve und die einzelnen Verlage durch ihre bilateralen Vereinbarungen zum Geoblocking bestimmter PC-Videospiele außerhalb bestimmter Gebiete den EWR-Markt abschotteten und damit gegen das EU-Kartellrecht verstießen. In dem heutigen Beschluss wird festgestellt, dass Valve und die Verlage die folgenden Geoblocking-Praktiken anwandten:

Bilaterale Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Valve und jedem der fünf Verlage: Diese wurden durch geoblockierte Steam-Aktivierungsschüssel umgesetzt, mit denen bei unaufgeforderten Kaufanfragen bzw. Bestellungen („passiver Verkauf“) die Aktivierung bestimmter PC-Videospiele dieser Verlage außerhalb von Tschechien, Polen, Ungarn, Rumänien, der Slowakei, Estland, Lettlandsund Litauen verhindert wurde. Diese Praktiken erstreckten sich zwischen September 2010 und Oktober 2015 über Zeiträume von ein bis fünf Jahren.

Geoblocking-Praktiken im EWR in Form von bilateralen Lizenz- und Vertriebsvereinbarungen zwischen vier der fünf Verlage (Bandai, Focus Home, Koch Media und ZeniMax) und einigen Anbietern ihrer PC-Videospiele im EWR (ausgenommen Valve): Die Vereinbarungen enthielten Klauseln, durch die der grenzüberschreitende Verkauf der betreffenden PC-Videospiele innerhalb des EWR einschließlich der oben genannten mittel- und osteuropäischen Länder beschränkt wurde. Diese Praktiken wurden in der Regel über längere Zeiträume von drei bis elf Jahren (entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen) zwischen März 2007 und November 2018 angewandt.

Die Geoblocking-Praktiken betrafen rund 100 PC-Videospiele unterschiedlicher Genres (z. B. Sport-, Simulations- und Actionspiele). Dadurch wurden Verbraucher daran gehindert, PC-Videospiele, die sie bei Vertriebshändlern der Verlage auf physischen Medien wie DVDs oder in digitaler Form gekauft hatten, zu aktivieren und zu spielen. Somit wurden europäischen Verbrauchern durch diese Geschäftspraktiken die Vorteile des digitalen Binnenmarkts verwehrt, und zwar insbesondere die Möglichkeit, in verschiedenen Mitgliedstaaten das beste Angebot auszuwählen.

Die Kommission hat daher festgestellt, dass Valve und die fünf Verlage mit ihren illegalen Praktiken den EWR-Markt abgeschottet und gegen das EU-Kartellrecht verstoßen haben.

[...]

Die Geldbußen wurden auf der Grundlage der Leitlinien der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 (siehe auch Pressemitteilung und MEMO) festgesetzt.

Die fünf Verlage arbeiteten mit der Kommission zusammen, indem sie Beweismittel vorlegten, die für die Untersuchung einen zusätzlichen Nutzen boten, und indem sie den Sachverhalt sowie die Zuwiderhandlungen gegen das EU-Kartellrecht ausdrücklich anerkannten.

Daher wurden den Unternehmen – abhängig von ihrer jeweiligen Zusammenarbeit mit der Kommission – Geldbußenermäßigungen von 10 % (Bandai, Focus Home, Koch Media und ZeniMax) bzw. 15 % (Capcom) gewährt.

Gegen die einzelnen Verlage wurden folgende Geldbußen verhängt:

Videospieleverlag

Ermäßigung für die Zusammenarbeit

Geldbuße (in EUR)

Bandai Namco

10 %

340 000 EUR

Capcom

15 %

396 000 EUR

Focus Home

10 %

2 888 000 EUR

Koch Media

10 %

977 000 EUR

ZeniMax

10 %

1 664 000 EUR

Valve beschloss, nicht mit der Kommission zusammenzuarbeiten. Daher erließ die Kommission gegen Valve einen Verbotsbeschluss nach dem Standardkartellverfahren und belegte das Unternehmen mit einer Geldbuße von insgesamt 1 624 000 EUR.

Hintergrund der Untersuchung

Die Kommission hatte am 2. Februar 2017 ein förmliches Kartellverfahren eingeleitet, um die bilateralen Vereinbarungen zwischen der Valve Corporation und den fünf PC-Videospieleverlagen zu untersuchen.

Am 5. April 2019 übermittelte sie Valve und den fünf Verlagen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die das Geoblocking von PC-Videospielen betraf.

Dies ist ein eigenständiges, unabhängiges Verfahren, in dem jedoch einige der in der Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel ermittelten Probleme aufgegriffen werden.

Die Untersuchungen bezüglich des Geoblockings bei PC-Videospielen ergänzen die Verordnung (EU) 2018/302 über Maßnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking, die seit dem 3. Dezember 2018 in der ganzen EU anwendbar ist.

Hintergrundinformationen zum Verfahren

Nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt verhindern, einschränken oder verfälschen, verboten.

Wenn Unternehmen wegen Zuwiderhandlungen gegen die EU-Kartellvorschriften Geldbußen zahlen müssen, fließen diese als nicht zweckgebundene Mittel in den Gesamthaushalt der EU ein.Dadurch sinken die Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt im darauffolgenden Jahr um den entsprechenden Betrag. Somit tragen die Geldbußen zur Finanzierung der EU bei und entlasten die Steuerzahler.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden weitere Informationen zu diesem Kartellfall unter den Nummern AT.40413, AT.40414, AT.40420, AT.40422 und AT.40424 im öffentlich zugänglichen Register der Kommission auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb veröffentlicht.

Schadensersatzklagen

Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verordnung 1/2003 des Rates sind Beschlüsse der Kommission ein bindender Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Selbst wenn die Kommission gegen die Kartellbeteiligten Geldbußen verhängt hat, kann Schadensersatz zuerkannt werden. Die von der Kommission verhängte Geldbuße wird dabei nicht mindernd angerechnet.

Die Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen, die die Mitgliedstaaten bis zum 27. Dezember 2016 in nationales Recht umsetzen mussten, erleichtert es Opfern von Kartellrechtsverstößen, Schadensersatz zu erhalten. Weitere Informationen über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen sowie einen praktischen Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs finden Sie hier.




OLG Frankfurt: E-Book-Internet-Plattform für in den USA gemeinfreie Werke haftet für Urheberrechtsverletzung durch Veröffentlichung von in Deutschland noch nicht gemeinfrei gewordener Werke

OLG Frankfurt
Urteil vom 30.04.2019
11 O 27/18

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine international ausgerichtete E-Book-Internet-Plattform für in den USA gemeinfreie Werke für Urheberrechtsverletzungen durch Veröffentlichung von in Deutschland noch nicht gemeinfrei gewordener Werke haftet.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Internationale Internet-Plattform für literarische Werke haftet für Urheberrechtsverletzung von in Deutschland noch nicht gemeinfreien Werken

Die Betreiberin einer international ausgerichteten Internet-Plattform, auf der kostenfrei literarische Werke veröffentlicht werden, haftet für Urheberrechtsverletzungen in Deutschland, wenn die in deutscher Sprache angebotenen Werke nach deutschem Urheberrecht noch nicht gemeinfrei sind und die Betreiberin sich die von Dritten auf der Plattform eingestellten Werke „zu eigen“ gemacht hat. Der Geschäftsführer haftet ebenfalls, wenn er lediglich eine Prüfung US-amerikanischen Urheberrechts veranlasst, trotz der bestimmungsgemäßen Ausrichtung der Webseite auch auf deutsche Nutzer.

Die Klägerin ist ein Verlag und gibt u.a. Werke von Thomas Mann, Heinrich Mann und Alfred Döblin heraus. Die Beklagte ist eine „non-for-profit-Corporation“ nach US-amerikanischem Recht. Sie betreibt eine auch in Deutschland abrufbare Webseite, deren Ziel die Veröffentlichung von in den USA gemeinfreien Werken ist. Auf der Homepage sind über 50.000 Bücher als E-Books kostenlos abrufbar, u.a. 18 Werke der genannten drei Autoren auch in deutscher Sprache. Die Bücher werden von freiwillig für die Beklagte tätigen Dritten (sog. volunteers) auf der Plattform eingestellt. Die Beklagte veranlasst vor der Veröffentlichung eine Prüfung ausschließlich nach US-amerikanischem Urheberrecht.

Die Klägerin meint, die Beklagte verletze die ihr zustehenden Urheberrechte an den 18 Werken. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassen in Anspruch. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die deutschen Gerichte seien international zuständig, da die Inhalte der Webseite auch in Deutschland abgerufen werden können, stellt das OLG zunächst klar. Anwendbar sei deutsches Recht. Nach den Regelungen des internationalen Privatrechts richte sich die Frage, ob Ansprüche wegen der Verletzung von Urheberrechten bestehen, nach dem Recht des sog. Schutzlandes, also hier der Bundesrepublik Deutschland.
Die Beklagte verletze ausschließliche urheberrechtliche Nutzungsrechte der Klägerin. Die Klägerin habe nachweisen können, dass ihr in Deutschland an den streitgegenständlichen Werken ausschließliche Nutzungsrechte zustünden. Nach deutschem Recht seien die Werke - noch - nicht gemeinfrei (anders als in den USA).

Die Beklagte hafte für die über ihre Plattform abrufbaren Werke auch als sog. Täterin. Der Betreiber einer Internetplattform sei für dort zugänglich gemachte Inhalte nicht nur verantwortlich, wenn er die Inhalte selbst geschaffen habe. Es genüge, dass er sich die Inhalte „zu eigen“ gemacht habe. Das sei hier der Fall. So bezeichne die Beklagte die von den sog. volunteers auf ihrer Plattform eingestellten Werke als „our books“; zudem verweise sie auf eine mit der angebotenen Literatur verbundene „Project ... License“. Schließlich habe sie willentlich an dem Angebot ihrer Webseite für deutsche Nutzer festgehalten, auch nachdem die Klägerin sie auf den noch bestehenden Urheberschutz in Deutschland hingewiesen hatte. Die fehlende Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten sei für die Frage einer unzulässigen öffentlichen Wiedergabe ohne Bedeutung.

Der zudem in Anspruch genommene Geschäftsführer der Beklagten hafte ebenfalls für die Urheberrechtsverletzungen. Grundsätzlich treffe einen Geschäftsführer zwar nicht die Verpflichtung, „jedwedes deliktische Verhalten – also im urheberrechtlichen Bereich jede Urheberrechtsverletzung – zu verhindern, die aus dem von ihm geleiteten Unternehmen heraus begangen werden“. Beruhe aber die Rechtsverletzung auf einer Maßnahme der Gesellschaft, die typischerweise auf Geschäftsführerebene entschieden werde, sei davon auszugehen, dass sie von dem Geschäftsführer veranlasst worden sei. Hier habe der Geschäftsführer das Konzept der Beklagten, literarische Werke vor ihrer Veröffentlichung lediglich nach US-amerikanischen Urheberrecht zu prüfen, obwohl sich die Seite bestimmungsgemäß auch an deutsche Nutzer richtete, selbst herausgearbeitet und praktiziert.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 30.04.2019, Az. 11 O 27/18
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 09.02.2018, Az. 2-03 O 494/14)

Des Urteils nicht rechtskräftig. Es kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH die Zulassung der Revision begehrt werden.


EU-Kommission: Bußgeld von knapp 40 Mio. EURO gegen Modeunternehmen Guess wegen Unterbindung grenzüberschreitender Verkäufe

Die EU-Kommission hat gegen das Modeunternehmen Guess eine Geldbuße in Höhe von knapp 40 Mio. Euro wegen der Unterbindung grenzüberschreitender Verkäufe verhängt.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission

Kommission bestraft Modeunternehmen Guess wegen Unterbindung grenzüberschreitender Verkäufe
Die Europäische Kommission hat heute gegen Guess eine Geldbuße in Höhe von knapp 40 Mio. Euro verhängt, weil das Bekleidungsunternehmen Online-Werbung und Online-Verkäufe an Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten verhindert („Geoblocking“) und damit gegen EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen hat.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: „Guess hat versucht, Verbraucher in der EU daran zu hindern, in anderen Mitgliedstaaten einzukaufen, indem es in den Vertriebsvereinbarungen mit Einzelhändlern die Werbung und den Verkauf über Grenzen hinweg untersagte. So konnte das Unternehmen künstlich hohe Endkundenpreise aufrechterhalten, insbesondere in den mittel- und osteuropäischen Ländern. Diese Vorgehensweise von Guess haben wir heute mit Sanktionen belegt. Unser Fall ergänzt die Geoblocking-Vorschriften, die am 3. Dezember in Kraft getreten sind. In beiden Fällen geht es um Verkaufsbeschränkungen, die nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar sind.“

Guess entwirft und vertreibt – auch mittels Lizenzvergabe – unter zahlreichen Marken wie „GUESS?“ und „MARCIANO“ Bekleidung und Accessoires. Im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) praktiziert das Unternehmen ein selektives Vertriebssystem, in dem Vertragshändler auf der Grundlage von Qualitätskriterien ausgewählt und zugelassen werden.

Den im EWR ansässigen Unternehmen ist es grundsätzlich erlaubt, ihr Vertriebssystem nach eigenen Wünschen zu gestalten. Zulässig sind auch selektive Vertriebssysteme, in denen die Produkte nur von vorab ausgewählten, zugelassenen Verkäufern verkauft werden dürfen. Geltendes EU-Wettbewerbsrecht ist allerdings einzuhalten. Insbesondere haben Verbraucher das Recht, Waren bei jedem von einem Hersteller zugelassenen Händler zu erwerben, auch wenn letzterer in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Gleichzeitig muss es den zugelassenen Einzelhändlern freistehen, die unter den Vertriebsvertrag fallenden Produkte über das Internet anzubieten, für sie auch in anderen Mitgliedstaaten zu werben und sie grenzüberschreitend zu verkaufen. Ihre Weiterverkaufspreise müssen sie dabei frei festsetzen können.

Im Juni 2017 hatte die Kommission eine förmliche kartellrechtliche Untersuchung der Vertriebsverträge und -praktiken von Guess eingeleitet, um zu prüfen, ob Guess seine Einzelhändler rechtswidrig am grenzüberschreitenden Verkauf an Verbraucher innerhalb des EU-Binnenmarktes hinderte.

Die Untersuchung der Kommission hat ergeben, dass die Vertriebsverträge von Guess zugelassene Einzelhändler an folgenden Handlungen hinderten:

Verwendung der Markennamen und Warenzeichen von Guess für die Zwecke der Werbung auf Online-Suchmaschinen;
Online-Verkauf ohne vorherige ausdrückliche Genehmigung durch Guess. Das Unternehmen verfügte über einen uneingeschränkten Ermessensspielraum für diese Genehmigung, die nicht auf bestimmten Qualitätskriterien basierte;
Verkauf an Verbraucher außerhalb der zugewiesenen Händlergebiete;
Querverkauf zwischen zugelassenen Großhändlern und Einzelhändlern;
unabhängige Festsetzung der Einzelhandelspreise für Guess-Produkte.
Diese Verträge ermöglichten es Guess, die europäischen Märkte voneinander abzuschotten. Die Kommission stellte fest, dass die Einzelhandelspreise für Guess-Produkte in Mittel- und Osteuropa (Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Ungarn und Tschechien) im Durchschnitt um 5-10 Prozent über dem westeuropäischen Niveau liegen.

Auf dieser Grundlage kam die Kommission zu dem Schluss, dass die rechtswidrigen Verhaltensweisen, die Guess bis zum 31. Oktober 2017 ausübte, den europäischen Verbrauchern einen der wichtigsten Vorteile des europäischen Binnenmarkts vorenthielten, nämlich die Möglichkeit, grenzüberschreitende Einkaufsmöglichkeiten für mehr Auswahl und günstigere Angebote zu nutzen.

Zusammenarbeit mit Guess

Guess hat über seine rechtlichen Verpflichtungen hinaus mit der Kommission zusammengearbeitet. Insbesondere hat das Unternehmen einen der Kommission damals noch nicht bekannten Verstoß gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften aufgedeckt: das Verbot der Verwendung von Guess-Marken und -Warenzeichen für die Zwecke der Online-Suchmaschinenwerbung. Zudem hat das Unternehmen Beweismittel mit erheblichem Mehrwert vorgelegt und den Sachverhalt sowie die Zuwiderhandlungen gegen das EU-Kartellrecht ausdrücklich anerkannt.

Daher gewährte die Kommission Guess eine Geldbußenermäßigung von 50 Prozent als Gegenleistung für diese Zusammenarbeit. Weitere Informationen über diese Art der Zusammenarbeit finden Sie auf der Website der GD Wettbewerb.

Geldbußen

Die Geldbuße wurde auf der Grundlage der Geldbußenleitlinien der Kommission von 2006 (siehe Pressemitteilung und Memo) festgesetzt. Bei der Höhe der Geldbuße berücksichtigte die Kommission insbesondere den Wert der von dem Verstoß betroffenen Verkäufe, die Schwere des Verstoßes und seine Dauer sowie den Umstand, dass Guess während der Untersuchung mit der Kommission zusammengearbeitet hatte.

Die von der Kommission verhängte Geldbuße beläuft sich auf 39 821 000 Euro. Der Verstoß gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften dauerte vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Oktober 2017.

Hintergrund

Die Vereinbarungen von Guess verstießen gegen Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der Vereinbarungen zwischen Unternehmen verbietet, welche den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt verhindern, einschränken oder verfälschen.

Weitere Informationen zu diesem Kartellfall können auf der Website der Generaldirektion WettbewerbDiesen Link in einer anderen Sprache aufrufenEN••• über das öffentlich zugängliche Register unter der Nummer AT.40428 eingesehen werden.

Die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel

In ihrem Abschlussbericht über die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel vom 10. Mai 2017 hatte die Kommission festgestellt, dass mehr als 10 Prozent der befragten Einzelhändler bereits mit Einschränkungen des Auslandsverkaufs in ihren Vertriebsverträgen konfrontiert waren. Dieser Bericht wurde im Rahmen der Halbzeitbewertung der Strategie der Kommission für einen digitalen Binnenmarkt veröffentlicht.

Dank der Erkenntnisse aus der Sektoruntersuchung konnte die Kommission die Durchsetzung ihrer Wettbewerbsregeln auf die am weitesten verbreiteten und problematischsten Geschäftspraktiken im elektronischen Handel konzentrieren, die sich negativ auf den Wettbewerb und den grenzüberschreitenden Handel und damit auf das Funktionieren des digitalen Binnenmarkts der EU auswirken könnten.

Der Guess-Beschluss geht auf die Ergebnisse der Sektoruntersuchung zurück. Die Guess-Untersuchung wurde von der Kommission als eigenständiges, von der Sektoruntersuchung unabhängiges Verfahren eingeleitet.

Die Geoblocking-Verordnung

Außerdem ergänzt der heutige Beschluss die Verordnung 2018/302 über ungerechtfertigtes Geoblocking, die seit dem 3. Dezember 2018 gilt.

Die Verordnung verbietet Geoblocking und andere Beschränkungen auf geografischer Grundlage, die den Online-Einkauf und den Verkauf über Grenzen hinweg beeinträchtigen und damit die Möglichkeiten von Verbrauchern und Unternehmen, von den Vorteilen des Online-Handels zu profitieren, einschränken.

Gemäß der Verordnung darf ein Anbieter einem Einzelhändler nicht vertraglich untersagen, auf nicht angeforderte Kundenanfragen zu reagieren (die sogenannten „passiven Verkäufe“), wenn spezifische, in der Verordnung aufgeführte Voraussetzungen vorliegen. Die Verhaltensweisen von Guess, mit denen der passive Verkauf an Verbraucher eingeschränkt wurde, sind mittlerweile auch durch die Geoblocking-Verordnung verboten.

Nicht durch die Verordnung verboten sind hingegen Beschränkungen des „aktiven Verkaufs“, d. h. der aktiven Annäherung an einzelne Kunden, z. B. durch Werbung. Allerdings müssen auch Beschränkungen des aktiven Verkaufs mit den EU‑Wettbewerbsregeln vereinbar sein. Das war in dieser Sache, wie die Kommission in ihrem Beschluss feststellte, nicht der Fall.

Schadensersatzklagen

Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verordnung 1/2003 des Rates sind Beschlüsse der Kommission ein bindender Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Schadensersatz kann auch dann gewährt werden, wenn die Kommission gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen verhängt hat. Die von der Kommission verhängte Geldbuße wird dabei nicht mindernd angerechnet.

Die Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen, die die Mitgliedstaaten bis zum 27. Dezember 2016 in innerstaatliches Recht umsetzen mussten, macht es für die Opfer von Kartellrechtsverstößen einfacher, Schadensersatz zu erhalten. Weitere Informationen über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen sowie einen praktischen Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs finden Sie hierDiesen Link in einer anderen Sprache aufrufenEN•••.

Instrument für Whistleblower

Die Kommission hat ein System eingerichtet, über das Einzelpersonen die Kommission leichter über wettbewerbswidriges Verhalten informieren können, ohne ihre Identität preisgeben zu müssen. Das Instrument wahrt die Anonymität von Whistleblowern über ein spezielles verschlüsseltes Mitteilungssystem, das wechselseitige Kommunikation ermöglicht. Das Tool kann über diesen Link aufgerufen werden.


Europäisches Parlament verabschiedet Portabilitätsverordnung - Streaming im Ausland nach dem Wohnsitzprinzip ohne Geoblocking

Das Europäische Parlament hat die Portabilitätsverordnung verabschiedet.

Die Pressemitteilung des Europäischen Parlaments:

Online-Filme und -Fernsehen im Ausland schauen

EU-Bürger mit Abonnements für Online-Filme und -Fernsehen können bald auch bei vorübergehenden Aufenthalten in anderen EU-Ländern auf diese Inhalte zugreifen.

Zugriff auf abonnierte Online-Inhalte bei Aufenthalten in anderen EU-Ländern

Überprüfungen des ständigen Wohnsitzes des Nutzers, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern Gewährleistung des Schutzes der Privatsphäre und des Datenschutzes

EU-Bürger, die ein anderes EU-Land besuchen, werden dort oft daran gehindert, auf Online-Inhalte wie Filme, Fernsehserien, Musik, Spiele oder Sportveranstaltungen zuzugreifen, für die sie in ihrem Heimatland Abonnementgebühren bezahlen.

Die am Donnerstag verabschiedete neue Regelung, die bereits im Februar 2017 informell mit den Verhandlungsführern des Rates vereinbart wurde, wird diese Beschränkungen beseitigen, sodass EU-Bürger bald auch bei Ferien-, Studien- oder Geschäftsaufenthalten im EU-Ausland Online-Dienste wie Netflix, HBO Go, Amazon Prime, Spotify oder Deezer nutzen können.

Die neuen Regeln wurden mit 586 Stimmen angenommen, bei 34 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen.

Wohnsitzüberprüfungen und Datenschutz

Dienstleister für Online-Inhalte können „wirksame und zumutbare“ Maßnahmen ergreifen, um zu überprüfen, ob der Abonnent nicht dauerhaft in ein anderes EU-Land umgezogen ist, da sich die erforderlichen Urheberrechtslizenzen von Land zu Land unterscheiden können. Eine Liste zulässiger Methoden umfasst Überprüfungen von Personalausweisen, Zahlungsdetails, öffentlich verfügbaren Steuerinformationen, Postanschriften oder IP-Adressen. Die Dienstleister müssen sicherstellen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten verhältnismäßig ist und Schutzvorkehrungen einrichten, insbesondere für Überprüfungen von IP-Adressen.

Die neuen Regeln werden nur für kostenpflichtige Dienste gelten. Aber auch Anbieter kostenloser Dienstleistungen können ihre Inhalte EU-weit übertragbar machen, sofern sie die Vorschriften bezüglich der Wohnsitzüberprüfungen einhalten.

Zitat

„Die europäischen Bürger haben lange auf diese Regeln gewartet, die einen Schritt zu einem gemeinsamen digitalen Markt darstellen. Die neuen Vorschriften erhöhen die Mobilität und bieten den Nutzern europäischer Online-Inhalte Portabilität, ohne das Urheberrecht zu zu verletzen”, sagte der Berichterstatter Jean-Marie Cavada (ALDE, FR).

Die nächsten Schritte

Der Gesetzesentwurf muss noch formell vom EU-Ministerrat gebilligt werden. Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung haben die Mitgliedstaaten 9 Monate Zeit, um die neuen Regeln zur Anwendung zu bringen.

Hintergrundinformationen

Einer Umfrage der EU-Kommission zufolge haben im Jahr 2016 64% der Europäer das Internet genutzt, um Spiele, Bilder, Filme oder Musik herunterzuladen. In Deutschland waren es sogar rund 70%. Viele von ihnen erwarten, dies auch während ihrer Reisen in der EU tun zu können. Die Zahlen werden voraussichtlich steigen, da EU-Bürger mit der Abschaffung der Roaming-Gebühren am 15. Juni 2017 weniger zahlen werden, um auch in anderen EU-Ländern über ihre Mobilgeräte auf das Internet zuzugreifen.