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LG Köln: Haftung für Filesharing durch Dritte - Anschlussinhaber mit Freifunk-Router muss substantiiert darlegen dass Dritte Zugriff von außen hatten

LG Köln
Urteil vom 23.09.2021
14 S 10/20


Das LG Köln hat entschieden, dass ein Anschlussinhaber mit einem Freifunk-Router substantiiert darlegen muss, dass Dritte Zugriff von außen hatten. Andernfalls haftet der Anschlussinhaber als Täter für Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing, auch wenn dieser keinen eigenen Computer hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2000,00 EUR gemäß § 97 Abs. 2 UrhG i.V.m. §§ 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, 15, 19 a UrhG sowie auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 859,80 EUR gemäß § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F..

a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Klägerin ist von der X Entertainment Inc. als Rechteinhaberin umfassend zur Geltendmachung sämtlicher Ansprüche im Zusammenhang mit Rechtsverletzungen unter anderem in sogenannten Internet-Tauschbörsen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ermächtigt. Dies greift die Beklagte mit der Berufung nicht an.

b) Die streitgegenständlichen Filme sind als Filmwerke gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 UrhG geschützt. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

c) Die Beklagte ist passivlegitimiert.

Nach dem Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass von dem Internetanschluss der Beklagten am 00.00.0000 und am 00.00.0000 jeweils zu den genannten zwei Tatzeitpunkten die beiden Filmwerke über eine Internettauschbörse zum Download angeboten wurden. Dies stellt ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne von § 19 a UrhG dar.

Die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen hat das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu Grunde zu legen, wenn sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten würden. Das Rechtsmittel der Berufung dient in erster Linie der Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils auf korrekte Anwendung des materiellen Rechts sowie auf Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen und Beseitigung etwaiger Fehler. Die vom Gesetzgeber bezweckte Konzentration der Tatsachenfeststellungen in 1. Instanz wird dadurch bewirkt, dass das Berufungsgericht grundsätzlich an die fehlerfrei gewonnenen Erkenntnisse der 1. Instanz gebunden wird (vergleiche etwa BGH, Beschluss vom 24. November 2009 – VII ZR 31/09). Konkrete Anhaltspunkte, die diese Bindung entfallen ließen, bestehen nicht. Ein konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (vergleiche etwa BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 – VI ZR 230/03).

Die Angriffe der Berufung zeigen derartige konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an den Feststellungen des Amtsgerichts nicht auf.

Zutreffend hat das Amtsgericht das Bestreiten der Beklagten als unerheblich angesehen; auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil nimmt die Kammer Bezug. Insbesondere ist im Hinblick auf die jeweils zweifache Erfassung des Internetanschlusses des Beklagten im Rahmen der Ermittlungen der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen ein Indizienbeweis geführt, aufgrund dessen an der Richtigkeit des von der Klägerin vorgetragenen Ermittlungsergebnisses keine vernünftigen Zweifel bestehen (§ 286 ZPO). Dass es kurz nacheinander mehrfach zu Fehlern bei der Erfassung und Zuordnung gekommen sein könnte, liegt so fern, dass Zweifel an der Richtigkeit der Anschlussidentifizierung schweigen, § 286 ZPO (vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.05.2012 – 6 U 239/11, juris Rn. 4 zu mehrfachen Erfassungen unter Zuordnung unterschiedlicher IP-Adressen). Dies gilt auch soweit vorliegend dieselbe IP-Adresse beauskunftet wurde, denn ausweislich des von der Klägerin als Anlage K4 vorgelegten Auskunftsantrags erfolgten zwischen den Erfassungen der IP-Adresse des Beklagten mehrere Ermittlungen zu gesondert erfassten IP-Adressen anderer Anschlussinhaber, welche unabhängig voneinander beauskunftet wurden (vergleiche dazu aus der Rechtsprechung der Kammer etwa das auch schon vom Amtsgericht in Bezug genommene Urteil vom 08.03.2018 – 14 S 28/17).

Vor diesem Hintergrund bestehen vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen der in einem automatisierten Verfahren erfolgenden Beauskunftung zu Fehlfunktionen der Software gekommen sei. Insbesondere hat die Beklagte auf den diesbezüglichen Hinweis des Amtsgerichts und auch in der Berufung dazu keinen weiteren Vortrag in den Rechtsstreit eingeführt.

d) Die Beklagte ist auch täterschaftlich dafür verantwortlich, dass die streitgegenständlichen Filmwerke zu den hier fraglichen Zeitpunkten am 00.00.0000 und 00.00.0000 öffentlich zugänglich gemacht worden sind.

Zwar trägt die Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf (Lizenz-) Schadensersatz sowie auf Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 15.11.2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 - Morpheus; Urteil vom 08.01.2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 - BearShare, Urteil vom 11.06.2015 – I 75/14 – Tauschbörse III; Urteil am 12.05.2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch; Urteil vom 06.10.2016 - I ZR 154/15 Afterlife).

Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss nutzen konnten (BGHZ 200, 76 Rn. 15 - BearShare; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 - Tauschbörse III). Diese tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers kommt auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss - wie bei einem Familienanschluss - regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird (BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 39 - Tauschbörse III; GRUR 2016, 1280 Rn. 34 - Everytime we touch; BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – I ZR 68/16 – Ego Shooter, Rn. 12, juris)

Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht. Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. - BearShare, mwN; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 und 42 - Tauschbörse III; GRUR 2016, 1280 Rn. 33 f. - Everytime we touch; BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 154/15, GRUR 2017, 386 Rn. 15 = WRP 2017, 448 – Afterlife; BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – I ZR 68/16 – Ego Shooter, Rn. 13, juris)

Dabei betrifft die sekundäre Darlegungslast die der Feststellung der Täterschaft vorgelagerte Frage, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Vermutung vorliegen, der Anschlussinhaber sei der Täter. Erst wenn der Anschlussinhaber dieser sekundären Darlegungslast genügt, trifft den Anspruchsteller die Last der dann erforderlichen Beweise; genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast dagegen nicht, so muss er zur Widerlegung der dann für den Anspruchsteller streitenden tatsächlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen (OLG München, Urteil vom 14.01.2016 – 29 U 2593/15 – Loud, juris Rn. 38; BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 – Tauschbörse III; Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch; BGH, Urteil vom 06.10.2016 - Afterlife, juris Rn. 15).

Nach diesen Grundsätzen ist von der Täterschaft der Beklagten auszugehen.

Zutreffend ist das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hat und deshalb nicht davon auszugehen ist, dass die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen von Seiten eines (unbekannten) Dritten begangen wurden.

aa) Dabei ist zunächst die Würdigung des Vortrags der Beklagten durch das Amtsgericht nicht zu beanstanden, die Beklagte habe zu den maßgeblichen Tatzeitpunkten keinen Rechner „besessen“, mit dem sie an einer Tauschbörse hätte teilnehmen können und sei auch mit der Nutzung dieser technischen Geräte nicht vertraut gewesen. Zu Recht hat das Amtsgericht diesen Vortrag nicht als erheblich gewertet. Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass das Vorbringen der Beklagten, keinen für die Teilnahme an Tauschbörsen geeigneten Rechner „besessen“ zu haben, sich jedenfalls vornehmlich auf eigene Rechner bezieht.

Die diesbezügliche Rüge der Beklagten in der Berufung steht dem nicht entgegen. Soweit der Berufungsbegründung zu entnehmen sein sollte, der Vortrag der Beklagten sei „eher“ dahingehend zu verstehen gewesen, dass in ihrem Haushalt überhaupt kein Computer vorhanden gewesen wäre, den sie hätte bedienen können, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Vielmehr hat die Beklagte ausdrücklich angegeben, dass weitere internetfähige Geräte in ihrem Haushalt vorhanden gewesen seien, insbesondere bei ihrem Ehemann und auch bei ihrem Sohn. Die Beklagte erläutert auch nicht, weshalb sie diese Geräte ihrer Familienangehörigen nicht hätte bedienen können, etwa weil sie keinen Zugriff darauf gehabt hätte.

Zutreffend verweist das Amtsgericht zudem auch darauf, dass Filesharing Software regelmäßig automatisiert sowohl den Download auf die eigene Festplatte als auch das Angebot zum Download von der eigenen Festplatte durch einen Dritten und einen anschließenden Upload ausführt. Dies ist der Kammer – und ersichtlich auch dem Amtsgericht – aus zahlreichen gleich gelagerten Fällen und dazu durchgeführten Beweisaufnahmen bekannt. Erhebliches Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung, das diesem Erfahrungssatz des Amtsgerichts entgegenstehen könnte, fehlt.

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für die Nutzung der Filesharing Software und die damit verbundene Rechtsverletzung kein Vorsatz erforderlich; einfache Fahrlässigkeit genügt, von der bei der Nutzung von Filesharing Software regelmäßig auszugehen ist, wie das Amtsgericht zum Verschulden zutreffend ausgeführt hat.

cc) Zutreffend hat das Amtsgericht das Vorbringen der Beklagten nicht zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast ausreichen lassen, als die Beklagte ihre Familienmitglieder nicht benannt hat. Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung anderer Auffassung ist (Seite 4 der Berufungsbegründung, Bl. 264 der Akte), steht dies nicht entgegen. Vielmehr umfasst die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers sehr wohl die Angabe des Namens auch ihres volljährigen Kindes, das nach dem Vorbringen der Beklagten als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommt (vergleiche BGH, Urteil vom 30.03.2017 – I ZR 19/16 – Loud). Verzichtet sie auf die Angabe, erfüllt sie ihre sekundäre Darlegungslast nicht und haftet selbst, wobei es sich um einen aus der gesetzlichen Wertung des § 138 Abs. 3 ZPO folgenden Nachteil handelt (vergleiche BGH, Urteil vom 30.03.2017 – I ZR 19/16 – Loud).

dd) Hinzu kommt, dass das Amtsgericht zutreffend das Vorbringen der Beklagten bereits in 1. Instanz berücksichtigt hat, dass diese davon ausgeht, dass ihre Familienmitglieder die Rechtsverletzungen nicht begangen haben. Dies wiederholt die Beklagte auch in der Berufungsbegründung und führt – erneut – aus, dass nach ihrer Auffassung nur Nutzer ihres – angeblichen – Freifunk-Knotens als Täter in Betracht kämen. Angesichts dessen scheiden die Familienmitglieder der Beklagten schon aus diesem Grunde als Täter aus.

ee) Unerheblich ist auch das Vorbringen der Beklagten in der Berufung zur Würdigung von § 8 TMG durch das Amtsgericht.

Das Amtsgericht hat vielmehr zutreffend die Voraussetzungen für die Haftungsprivilegierung nach § 8 TMG verneint. Im Ausgangspunkt zutreffend sieht auch die Beklagte es nach der Rechtsprechung des BGH als erforderlich an, dass der Anschlussinhaber die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit darlegen muss, dass ein Dritter die Tat begangen hat. Dies ist allerdings mit der bloßen Behauptung der Beklagten, sie habe einen Freifunk-Knoten eingerichtet, indem sie Freifunk-Firmware auf ihren (einzigen) Router aufgespielt habe, nicht gegeben.

Insbesondere kann sich die Beklagte dabei nicht auf die Grundsätze aus der Entscheidung des BGH vom 26.07.2018 – I ZR 64/17 – Dead Island – berufen. Denn nur wenn feststeht, dass Dritte über WLAN den Anschluss der Beklagten nutzen konnten (so auch die Beklagte auf Seite 5 der Berufungsbegründung, Bl. 265 der Akte), mag das Haftungsprivileg aus § 8 TMG eingreifen. Das Amtsgericht hat jedoch zutreffend angenommen, dass auch auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten gerade nicht feststeht, dass Dritte auf den Anschluss der Beklagten zugreifen konnten, sei es über WLAN, sei es über einen Freifunk-Knoten oder auf sonstige Weise, die ernsthaft als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kämen.

Auf diesbezüglich erforderliches Vorbringen der Beklagten hatte das Amtsgericht bereits in der Verfügung vom 19.08.2019 zutreffend hingewiesen. Erheblicher Vortrag der Beklagten ist dazu nicht erfolgt. Zwar hat die Beklagte behauptet, dass sie Freifunk Firmware auf ihrem Router installiert habe. Zu Recht ist jedoch das Amtsgericht davon ausgegangen, dass dies für sich allein genommen nicht ausreicht, sondern auch der tatsächliche Zugriff durch Dritte erforderlich gewesen wäre. Dazu fehlt es an Vortrag der Beklagten.

Dass ein tatsächlicher Zugriff durch Dritte bzw. zumindest die Erreichbarkeit des Freifunkknotens von beliebigen Personen im öffentlichen Raum erforderlich ist, ergibt sich auch aus der Kontrollüberlegung, dass andernfalls die bloße Installation der Freifunk Firmware bereits die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG begründen würde. Hiermit könnte also durch einseitige Entscheidung des Anschlussinhabers ein „Schutzschild“ gegen die Haftung für Rechtsverletzungen über seinen Internetanschluss geschaffen werden. Unter diesem Schutzschild könnte sowohl der Anschlussinhaber als auch jeder Nutzer seines Anschlusses, der sich mit Erlaubnis des Inhabers im Signalbereich seines Anschlusses befindet, nach Belieben Rechtsverletzungen begehen, insbesondere Filesharing betreiben. Es kann ersichtlich nicht Sinn und Zweck der Vorschriften des TMG sein, ein solches Verhalten zu privilegieren. Demnach ist neben der subjektiven Entscheidung des Anschlussinhabers, seinen Anschluss beliebigen Dritten als Diensteanbieter zur Verfügung zu stellen, auch eine objektive Nutzung des Anschlusses durch Dritte zu fordern. Dies wiederum ist nach den Regeln der ZPO festzustellen.

Deshalb hat das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beklagte noch nicht einmal vorgetragen hat, dass das – angebliche – Freifunk-Signal eine solche Stärke besessen hat, dass Dritte, die von außen auf den Router zugreifen, die streitgegenständlichen Verletzungen hätten vornehmen können. Konkreter Vortrag hierzu ist jedoch bereits grundlegende Voraussetzung für die Eröffnung des Anwendungsbereichs von § 8 TMG, worauf das Amtsgericht in der Verfügung vom 19.08.2019 zurecht hingewiesen hatte. Da die Beklagte den von ihr in der Berufungsbegründung vermissten richterlichen Hinweis gemäß § 139 ZPO somit erhalten hat, scheidet ein des Amtsgerichts gegen die gerichtliche Hinweispflicht schon aus diesem Grunde aus.

Selbst wenn man aber unterstellen wollte, dass das Amtsgericht auf dieses Detail der Signalstärke gesondert hätte hinweisen müssen, ist dies jedenfalls im Urteil des Amtsgerichts erfolgt. Die Beklagte hätte dann jedoch in der Berufung eine entsprechende Rüge erheben müssen, was voraussetzt, dass die Partei im Einzelnen vorträgt, welcher Hinweis zu erteilen gewesen wäre und wie sie auf den unterbliebenen richterlichen Hinweis hin reagiert hätte (§§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO; vergleiche etwa Musielak/Voit/Stadler, 18. Aufl. 2021 Rn. 4, ZPO § 139 Rn. 4).

Auch daran fehlt es indes. So ist die Beklagte zwar in ihrer Berufungsbegründung (Seite 6, Bl. 266 der Akte) darauf eingegangen, dass das Amtsgericht offenbar weiteren Vortrag zu dieser Frage erwartet habe. Die Beklagte hat jedoch nicht dargelegt, wie sie auf den unterbliebenen richterlichen Hinweis hin in ausreichender Weise reagiert hätte. Insbesondere genügt es nicht, wenn die Beklagte vorträgt, sie hätte „vermutlich den bereits angebotenen Zeugen, einen Freifunker, der den Knoten eingerichtet hatte, zu diesen Themen benennen können.“

Mit diesem offenbar wörtlichen Zitat (vgl. Mantz in MMR 2020, 636, 640) ist gerade nicht vorgetragen, dass – unterstellt, die sogenannte Freifunk Firmware wäre tatsächlich auf dem Router der Beklagten aktiv gewesen – das Signal eine ausreichende Stärke gehabt hätte, die es Dritten ermöglicht hätte, auf diese Weise über den Internetanschluss der Beklagten die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen zu begehen. Vielmehr hat die Beklagte damit allenfalls eine noch zu verifizierende Vermutung geäußert. Erforderlich sind jedoch Erklärungen über tatsächliche Umstände, die vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben sind, § 138 Abs. 1 ZPO; unbestätigte Vermutungen genügen diesen Anforderungen nicht.

Genauso wenig hat sie damit ein taugliches Beweisangebot gemacht, denn ob tatsächlich ein Zeuge für eine bestimmte Tatsache benannt wird, bleibt auch nach der Berufungsbegründung offen.

Damit hat die Beklagte ihre sekundäre Darlegungslast dazu, dass ein Dritter ernsthaft als Täter der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen in Betracht kommt, nicht erfüllt. Ohne die Erfüllung ihrer sekundären Darlegungslast greift jedoch die tatsächliche Vermutung ihrer Haftung als Anschlussinhaber ein (vergleiche etwa BGH, Urteil vom 30.03.2017 – I ZR 19/16 – Loud).

Infolgedessen bedurfte es auch nicht eines weiteren Hinweises durch das Berufungsgericht. Denn das Amtsgericht hat wie vorstehend dargestellt die erforderlichen Hinweise erteilt, die Beklagte ist darauf nicht ausreichend eingegangen.

e) Aus diesem Grunde ist auch nicht davon auszugehen, dass überhaupt die Haftungsprivilegierung aus § 8 TMG in der Fassung vom 26.02.2007, die zu den hier maßgeblichen Verletzungszeitpunkt im Jahr 2015 Gültigkeit hatte, eingreift. Denn solange eben nicht feststeht, dass die Beklagte über ihren – behaupteten – Freifunk-Knoten Dritten Zugang zum Internet gewährt (hat), scheidet eine Einordnung der Beklagten als ein Diensteanbieter in diesem Sinne aus.

f) Es kommt auch nicht darauf an, dass § 8 TMG im Jahr 2017 geändert worden ist und eine Haftungsprivilegierung auch für Unterlassungsansprüche gegen Diensteanbieter eingerichtet worden ist. Unterlassungsansprüche sind nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Vielmehr ist Gegenstand des Rechtsstreits lediglich ein Anspruch auf materiellen Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 UrhG sowie auf Erstattung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten gemäß § 97a UrhG.

4. Zu den Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 97 Abs. 2 UrhG kann im Übrigen und vor allem auch zur Höhe auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden, die sich die Kammer zustimmend zu eigen macht; diese werden mit der Berufung inhaltlich auch nicht angegriffen.

Gleiches gilt für den Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten gemäß § 97a UrhG.

Der Schriftsatz vom 19.07.2021 der Beklagten hat vorgelegen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Die Kammer weicht mit dieser Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab, noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung oder ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (543 Abs. 2 ZPO).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Frankfurt: Online-Marktplatz wie eBay muss bei Verstößen gegen Produktsicherheitsvorschriften eigenständig Rechtsverstöße bereits auffällig gewordener Händler verhindern

OLG Frankfurt
Urteil vom 24.06.2021
6 U 244/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Online-Marktplatz wie eBay bei Verstößen gegen Produktsicherheitsvorschriften eigenständig Rechtsverstöße bereits auffällig gewordener Händler verhindern muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

ebay muss bei Verstößen gegen Produktsicherheitsvorschriften eigenständig Rechtsverstöße bereits auffällig gewordener Händler verhindern

Der Betreiber eines Online-Marktplatzes muss nach dem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung das konkrete Angebot unverzüglich sperren. Darüber hinaus muss er nach der heutigen Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren Verstößen der beanstandeten Händler-Accounts kommt. Das OLG verpflichtete deshalb die Betreiberin von ebay.de, es zu unterlassen, ihren Marktplatz gewerblichen Verkäufern trotz mehrfacher Hinweise auf rechtswidrige Angebote für den Vertrieb von Schwimmhilfen zur Verfügung zu stellen, sofern die Angebote wiederum nicht rechtmäßig gekennzeichnete Waren betreffen.

Die Klägerin produziert und vertreibt Schwimmscheiben u.a. als mehrfarbige Oberarmschwimmhilfen, die aus permanent schwimmfähigem Material gefertigt und so gestaltet sind, dass eine optimale Arm- und Bewegungsfreiheit gewährleistet wird. Die Schwimmhilfen tragen die Marke der Klägerin, eingeprägte Sicherheitshinweise, Name und Anschrift der Klägerin sowie ein CE-Kennzeichen.

Die Beklagte betreibt in Deutschland den Internetmarktplatz ebay.de. Dort wurden von gewerblichen Verkäufern Schwimmscheiben chinesischer Herkunft angeboten, die weder über eine Herstellerkennzeichnung noch eine CE-Kennzeichnung, EU-Konformitätserklärung und Baumusterprüfbescheingigung verfügten. Die Klägerin beanstandete dies wegen Verstoßes gegen die Produktsicherheitsvorschriften mehrfach schriftlich gegenüber der Beklagten.

Das Landgericht hat die auf Unterlassung gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung hatte vor dem OLG überwiegend Erfolg. Die Beklagte habe es zu unterlassen, auf ihrer Handelsplattform Angebote bereits angezeigter Verkäufer zu schalten, bei denen auf den Lichtbildern das Fehlen der CE-Kennzeichnung und der Hersteller-Angaben zu erkennen sei, urteilte das OLG. Gemäß der EU-Verordnung über persönliche Schutzausrüstungen dürften diese nur dann auf den Markt bereitgestellt werden, wenn sie der Verordnung entsprechen und nicht die Gesundheit oder Sicherheit von Personen gefährden. Entgegen den Anforderungen der Verordnung verfügten die angebotenen Schwimmhilfen jedoch weder über eine CE-Kennzeichnung noch eine Herstellerkennzeichnung. Die Angebote erfüllten zudem nicht die Anforderungen nach dem Produktsicherheitsgesetz, da sowohl Angaben zum Namen und der Kontaktanschrift des Herstellers als auch die vorgeschriebene CE-Kennzeichnung fehlten.

Die Beklagte sei für diese Verstöße verantwortlich. Sie müsse nicht nur konkrete Angebote unverzüglich sperren, wenn sie auf klare Rechtsverletzungen - wie hier - hingewiesen wurde (sog. „notice an take down“-Prinzip). Vielmehr müsse sie auch darüber hinaus Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren Verstößen der beanstandeten Händler-Accounts komme. Sie treffe deshalb jedenfalls bei der Verletzung von Produktsicherheitsvorschriften die Verpflichtung, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Durch ihr gefahrerhöhendes Verhalten bestehe eine „Erfolgsabwendungspflicht“. Daraus folgende Prüfungspflichten seien ihr zumutbar, da die Produkte leicht identifizierbar seien. Die Verpflichtung führe auch nicht zu einer Gefährdung oder unverhältnismäßigen Erschwerung des Geschäftsmodells der Beklagten. Sie könne vielmehr eine Filtersoftware einsetzen, mit welcher Schwimmscheiben-Angebote derjenigen Accounts ermittelt werden, bei denen in der Vergangenheit rechtsverletzende Angebote bereits angezeigt wurden.

Nicht zumutbar wäre allerdings die Überprüfung, ob die Kennzeichnung zu Recht angebracht und die Sicherheitsanforderungen tatsächlich erfüllt wurden. Dies sei jedoch auch nicht streitgegenständlich.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision vor dem BGH begehrt werden.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.6.2021, Az. 6 U 244/19
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.10.2019, Az. 2-6 O 77/19)


LG Frankenthal: Mangels Schöpfungshöhe kein urheberechtlicher Schutz für Produktbeschreibung bei eBay-Kleinanzeigen die Funktionsweise eines Spurhalteassistenten beschreibt

LG Frankenthal
Urteil vom 03.11.2020
6 O 102/20


Das LG Frankenthal hat entschieden, dass eine einfache Produktbeschreibung bei eBay-Kleinanzeigen, welche die Funktionsweise eines Spurhalteassistenten beschreibt, mangels Schöpfungshöhe nicht urheberrechtlich geschützt ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

a) Die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs gemäß § 97 Abs. 1 UrhG sind nicht erfüllt. Es kann vorliegend dahinstehen, ob der Kläger Urheber des streitgegenständlichen Textes ist, da es bereits an einem schutzwürdigen Schriftwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG fehlt.

Schriftwerke sind Sprachwerke, bei denen der sprachliche Gedankeninhalt durch Schriftzeichen oder andere Zeichen äußerlich erkennbar gemacht wird (BGH Urt. v. 21.11.1980 - I ZR 106/78, GRUR 1981, 352, 353 - Staatsexamensarbeit). Vom Urheberrechtsschutz sind aufgrund des seit langem anerkannten Schutzes der "kleinen Münze" auch einfache, aber gerade noch geschützte geistige Schöpfungen mit nur geringem Schöpfungsgrad umfasst (BGH Urt. v. 26.09.1980 - I ZR 17/78, GRUR 1981, 267, 268 - Dirlada).

Trotz der geringen Anforderungen an den Schöpfungsgrad ist aber ein Werk, das als persönlich geistige Schöpfung zu bewerten ist, erforderlich. Hierbei erlangen frei erfundene Sprachwerke leichter Urheberrechtsschutz als solche Texte, bei denen der Stoff durch organisatorische Zwecke oder wissenschaftliche und andere Themen vorgegeben ist, da diesen durch die übliche Ausdrucksweise vielfach die urheberrechtschutzfähige eigenschöpferische Prägung fehlt (LG Stuttgart Urt. v. 04.11.2010 - 17 O 525/20, ZUM-RD 2011, 649). Solche Texte können aber aufgrund einer eigenschöpferischen Gedankenformung und -führung des dargestellten Inhalts und/oder der besonders geistvollen Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs schutzfähig sein (BGH Urt. v. 29.03.1984 - I ZR 32/82, GRUR 1984, 659, 660 - Ausschreibungsunterlagen). Werbeslogans oder Werbetexte müssen über die üblichen Anpreisungen hinausgehen, um Urheberrechtsschutz zu erlangen (Dreier/Schulze/Schulze, 6. Aufl. 2018, UrhG § 2 Rn. 106). Die Urheberrechtsschutzfähigkeit erfordert bei Gebrauchszwecken dienendem Schriftgut grundsätzlich ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials (BGH Urt. v. 10.10.1991 - I ZR 147/89, GRUR 1993, 34, 36 - Bedienungsanweisung). Gebrauchstexte, deren Formulierungen zwar in ihrer Art und Weise ansprechend sind, aber sich ansonsten durch nichts von den üblicherweise in Modekatalogen und Bestellprospekten von Versandhäusern verwendeten Beschreibungen unterscheidet, genießen keinen urheberrechtlichen Schutz (LG Stuttgart Urt. v. 04.11.2010 - 17 O 525/20, ZUM-RD 2011, 649). Je länger ein Text ist, desto größer sind die Gestaltungsmöglichkeiten, so dass umso eher eine hinreichende eigenschöpferische Prägung anzuerkennen ist (OLG Köln Urt. v. 30.09.2011 - 6 U 82/11, ZUM-RD 2012, 35).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass dem streitgegenständlichen Text kein Urheberrechtsschutz zuzusprechen ist. Bei diesem Text handelt es sich um das Angebot und die Beschreibung von Spurhalteassistenten, wobei sowohl der Spurhalteassistent an sich als auch die Aktivierung eines solchen durch den Kläger beworben wird. Zwar ist zumindest nach der Länge des Textes ein urheberrechtlicher Schutz in Betracht zu ziehen. Dem Gesamteindruck der konkreten Textgestaltung nach lässt sich die erforderliche schöpferische Eigenart jedoch nicht feststellen. Der Text besteht überwiegend aus kurzen Sätzen, mit denen zum größten Teil lediglich die Funktion und die Vorteile eines Spurhalteassistenten unter Verwendung einfacher Formulierungen und üblicher Werbefloskeln beschrieben werden. Der letzte Teil des Textes besteht sodann lediglich aus der Aufzählung von Fahrzeugtypen.

Der Text zeichnet sich weder durch eine besonders ansprechende Formulierung aus noch begründet die teilweise falsche Orthographie eine besondere schöpferische Eigenart. Vielmehr ist die einfache Aneinanderreihung von technischen Informationen zumeist begrifflich vordefiniert und eröffnet keinerlei sprachlichen Gestaltungsspielraum. Eine spezielle, von kaufpsychologischen Überlegungen getragene Anordnung der Sätze vermag die Kammer nicht zu erkennen. Eine "Suchmaschinenoptimierung" des Textes im Hinblick auf die Verwendung auf Internetplattformen wurde von der Klägerseite nicht vorgetragen. Zudem liegt gerade keine unverwechselbare Wortfolge vor, da sich die gewählte Reihenfolge der Sätze variieren lässt, ohne dass ein erheblicher inhaltlicher Unterschied entstünde. Eine eigenschöpferische Gedankenführung ist ebenso wie eine besonders geistvolle Form und Art nicht ersichtlich. Vielmehr entspricht der Text nach seinem Gesamteindruck einem üblichen Beschreibungstext für Fahrzeugausstattungen mit gängigen technischen Formulierungen. Im Hinblick auf die oben dargestellten Anforderungen stellt der Text somit kein urheberrechtlich geschütztes Werk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG dar, weswegen keine Urheberrechtsverletzung vorliegt.

b) Ebenso kommt kein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG in Betracht. Zwar können Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus einem Schutzrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen (BGH Urt. v. 12.05.2011 - I ZR 53/10, GRUR 2012, 58, 63 - Seilzirkus), jedoch fehlt es vorliegend gerade an solchen besonderen Umständen, die außerhalb des Bereiches urheberechtlich geschützter Tatbestände liegen. Der streitgegenständliche Text ist mangels wettbewerblicher Eigenart nicht dazu geeignet, eine Herkunftstäuschung gemäß § 4 Nr. 3 UWG bei Verbrauchern hervorzurufen, da die konkrete Textausgestaltung nicht ausreicht, um die angesprochenen und interessierten Verkehrskreise auf dessen betriebliche Herkunft hinzuweisen. Eine gezielte Behinderung des Klägers durch die Textnutzung des Beklagten gemäß § 4 Nr. 4 UWG ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Zudem führt der Beklagte zurecht aus, dass die Parteien keine Mitbewerber gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG sind, da sich die geschäftlichen Aktivitäten der Parteien in räumlicher Hinsicht nicht überschneiden. Dabei kommt es darauf an, ob sich die Gebiete decken oder überschneiden, in denen die Beteiligten Kunden haben oder zu gewinnen suchen, wobei sich die Ermittlung des räumlich relevanten Marktes nach der Geschäftstätigkeit des jeweiligen Unternehmers richtet (BGH, Urt. v. 05.10.2000 - I ZR 237/98, GRUR 2001, 260, 261). Der Kläger ist nach eigenen Angaben lediglich in einem Umkreis von 100 km um Ort tätig, während der Beklagte in Ort gewerblich aktiv ist. Die Luftlinie von Ort nach Ort beträgt ca. 470 km. Eine Überschneidung ist daher nicht ersichtlich.

2. Aufgrund der fehlenden Urheberrechtsverletzung steht dem Kläger auch der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG nicht zu.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Volltext BGH-Entscheidung zur möglichen Störerhaftung des Access-Providers bei Urheberrechtsverletzungen als ultima ratio liegt vor

BGH
Urteil vom 26.11.2015
I ZR 174/14
Störerhaftung des Access-Providers
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Art. 10 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 ; EU-Grundrechtecharta
Art. 7, Art. 8, Art. 11 Abs. 1, Art. 16, Art. 17 Abs. 2; InformationsgesellschaftsRL Art. 8 Abs. 3;
DurchsetzungsRL Abs. 11 Satz 3 UrhG §§ 85, 97 Abs. 1; TKG § 95


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Access-Provider kann als ultima ratio als Störer für Urheberrechtsverletzungen Dritter haften und zur Sperrung des Zugangs zu Webseiten verpflichtet sein" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Ein Telekommunikationsunternehmen, das Dritten den Zugang zum Internet bereitstellt, kann von einem Rechteinhaber als Störer darauf in Anspruch genommen werden, den Zugang zu Internetseiten zu unterbinden, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden. In die im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung vorzunehmende Abwägung sind die betroffenen unionsrechtlichen und nationalen Grundrechte des Eigentumsschutzes der Urheberrechtsinhaber, der Berufsfreiheit der Telekommunikationsunternehmen und der Informationsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung der Internetnutzer einzubeziehen.

b) Eine Störerhaftung des Vermittlers von Internetzugängen kommt nur in Betracht, wenn der Rechteinhaber zunächst zumutbare Anstrengungen unternommen hat, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die - wie der Betreiber der Internetseite - die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder - wie der Host-Provider - zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben. Nur wenn die Inanspruchnahme dieser Beteiligten scheitert oder ihr jede Erfolgsaussicht fehlt und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde, ist die Inanspruchnahme des Zugangsvermittlers als Störer zumutbar. Bei der Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten hat der Rechteinhaber in zumutbarem Umfang Nachforschungen anzustellen.

c) Bei der Beurteilung der Effektivität möglicher Sperrmaßnahmen ist auf die Auswirkungen der Sperren für den Zugriff auf die konkret beanstandete Internetseite abzustellen. Die aufgrund der technischen Struktur des Internets bestehenden Umgehungsmöglichkeiten stehen der Zumutbarkeit einer Sperranordnung nicht entgegen, sofern die Sperren den Zugriff auf rechtsverletzende Inhalte verhindern oder zumindest erschweren.

d) Eine Sperrung ist nicht nur dann zumutbar, wenn ausschließlich rechtsverletzende Inhalte auf der Internetseite bereitgehalten werden, sondern bereits dann, wenn nach dem Gesamtverhältnis rechtmäßige gegenüber rechtswidrigen Inhalten nicht ins Gewicht fallen. Dass eine Sperre nicht nur für den klagenden Rechteinhaber, sondern auch für Dritte geschützte Schutzgegenstände erfasst, zu deren Geltendmachung der Rechteinhaber nicht ermächtigt ist, steht ihrer Zumutbarkeit nicht entgegen.

BGH, Urteil vom 26. November 2015 - I ZR 174/14 - OLG Köln - LG Köln

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LG Köln: Google haftet als Störer auf Unterlassung wenn rechtswidrige Inhalte nach Inkenntnissetzung nicht gelöscht und Suchergebnisse nicht blockiert werden

LG Köln
Urteil vom 16.09.2015
28 O 14/14


Das LG Köln hat entschieden, dass Suchmaschinenbetriber (hier: Google ) als Störer auf Unterlassung haften, wenn diese rechtswidrige Inhalte nach Inkenntnissetzung nicht löschen bzw. entsprechende Suchergebnisse nicht blockieren. Damit lehnt das Gericht Haftungsprivilegien für Suchmaschinen ab und stellt Suchmaschinen mit einem Hostprovider gleich, was leider nicht mit der besonderen Rolle von Suchmaschinen zu vereinbaren ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Kläger haben einen Unterlassungsanspruch aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 GG gegenüber der Beklagten zu 1) im Hinblick auf die Anzeige der angegriffenen Suchergebnisse – gegenüber der Beklagten zu 2) besteht ein solcher Anspruch hingegen nicht.

a) Die Anwendbarkeit deutschen Rechts ergibt sich dabei daraus, dass die Kläger ihr Bestimmungsrecht zu Gunsten des deutschen Rechts gem. Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB in der Klageschrift ausgeübt haben und der nach dieser Norm maßgebliche Erfolgsort in Deutschland liegt, da die Kläger, die in Deutschland leben, hier in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen sind (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10).

b) Soweit die Kläger hinsichtlich des Antrags IX. auch die Beklagte zu 2) auf Unterlassung in Anspruch nehmen, fehlt es nach Auffassung der Kammer jedoch an der notwendigen Passivlegitimation.

Die Kläger haben nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt, inwiefern die Beklagte zu 2) als selbstständige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1) für die Suchmaschine und aus ihr herrührenden Störungen ihres Persönlichkeitsrechts verantwortlich zu machen ist. Insofern tritt unstreitig – auch in ihrem Impressum - allein die Beklagte zu 1) als Betreiberin der Suchmaschinen auf, während die Beklagte zu 2) ausweislich des Handelsregisterauszugs (Anlage K 20) lediglich einen daran anknüpfenden Geschäftsgegenstand verfolgt, mithin in keiner Beziehung zu der Suchmaschine steht und nicht die erforderliche Einwirkungsmöglichkeit auf diese hat.

Nichts anderes folgt nach Auffassung der Kammer auch aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13.5.2014 ( EuGH, C-131/12 „H Spain“). Auch dieser hat ausweislich der Entscheidung lediglich die Beklagte zu 1) als Verantwortliche im Sinne des Datenschutzrechts angesehen und ihre Tochtergesellschaft lediglich zur Bestimmung der räumlichen Reichweite der Richtlinie und zur Begründung deren Anwendbarkeit in Beziehung zur Beklagten zu 1) herangezogen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.7.2015 I-20 U 74/15 m.w.N.). Eine für den hiesigen Fall relevante Aussage darüber hinaus, die es ermöglichen würde, einen tatsächlich nicht Verantwortlichen als Störer heranzuziehen, ergibt sich insofern aus der Entscheidung nicht.

c) Ein Anspruch auf Unterlassung besteht jedoch hinsichtlich der Beklagten zu 1), da diese als Störerin haftet.

Zwar besteht keine Haftung der Beklagten zu 1) als Betreiberin einer Suchmaschine für das Auffindbarmachen von Internetseiten Dritter bzw. den dort enthaltenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen als unmittelbare Störerin im äußerungsrechtlichen Sinne. Denn durch die automatisch ablaufende Indexierung und Darstellung der Suchergebnisse (nebst etwaiger Snippets) wird grundsätzlich weder eine eigene Behauptung der Beklagten zu 1) getroffen, noch macht diese sich die Äußerungen eines Dritten auf einer Internetseite zu Eigen. Denn insofern versteht der Nutzer der Suchmaschine diese Äußerungen – soweit sie überhaupt bei der Darstellung der Suchergebnisse auftauchen - nicht als Bekundungen des Suchmaschinenbetreibers. Nicht direkt anwendbar sind insofern auch die Erwägungen des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung „autocomplete“ (BGH, Urteil vom 14.5.2013 - VI ZR 269/12). Denn in diesem Fall stellte der Bundesgerichtshof darauf ab, dass bei der Autovervollständigung nicht lediglich Informationen für den Zugriff durch Dritte bereitgestellt werden, sondern die Beklagte zu 1) durch ihre Software bewusst Begriffsverbindungen bilde und hierfür direkt verantwortlich ist, also als unmittelbarer Störer durch Unterlassen hafte (vgl. OLG Köln, Urteil vom 8.4.2014 – 15 U 199/11). Eine solche aktive Tätigkeit ist in dem periodischen Auslesen des Internets nebst Indexieren hingegen nicht zu erkennen.

Nach Auffassung der Kammer haftet die Beklagte zu 1) als Betreiberin einer Suchmaschine jedoch als echte Störerin.

Auf den Suchmaschinenbetreiber grundsätzlich übertragbar sind insofern die Erwägungen des Bundesgerichtshofs zur Haftung nur mittelbar an einer Persönlichkeitsrechtsverletzung Beteiligter (BGH, Urteil vom 25. 10. 2011 GRUR 2012, S. 311 – Blog-Eintrag; BGH, Urteil vom 30.6.2009 - VI ZR 210/08, Verpächter einer Domain). Danach ist als Störer verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt (BGH, Urteil vom 25.10.2011 m.w.N.). Der Beitrag des Suchmaschinenbetreibers, für den ein Verschulden nicht erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14.5.2013 – VI ZR 269/12), besteht dabei in der Eröffnung der grundlegenden Möglichkeit zur Kenntnisnahme entsprechender Äußerungen für Nutzer der Suchmaschine. Im vorliegenden Fall könnten ohne Zutun der Beklagten zu 1) oder anderer Suchmaschinen die auf den Forenseiten getätigten Äußerungen lediglich von denjenigen wahrgenommen werden, welche die entsprechenden Internetseiten selbst regelmäßig aufsuchen und durchsuchen. Die Aufnahme in den Suchindex der Suchmaschine und die Zuordnung zu den betreffenden Personen und Schlagworten ermöglicht dahingegen die Kenntnisnahme einer Vielzahl weiterer Personen. Zudem ermöglicht die Indexierung die Auffindbarkeit der Seite auch für diejenigen Personen, welche nur vage Informationen über den Ort der Internetseite und den Inhalt der Aussagen haben. Diese Funktionsweise der Suchmaschine stellt auf der einen Seite das nicht grundlegend zu kritisierende Geschäftsmodell der Beklagten zu 1) dar, welches im positiven Sinne den Nutzern des Internets zugutekommt. Gleichzeitig besteht jedoch auch – wie hier – die Möglichkeit, dass somit an einer Aufrechterhaltung und passiven Verbreitung durch Dritte getätigter Persönlichkeitsrechtsverletzungen mitgewirkt wird. Vor diesem Hintergrund besteht ein Bedürfnis, die grundsätzliche Störerhaftung auch auf Suchmaschinenbetreiber für die Indexierung von Internetseiten anzunehmen.

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt daher die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten voraus, deren Umfang sich danach bestimmt, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat, eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 25.10. 2011 GRUR 2012, S. 311 – Blog-Eintrag, m.w.N.).

Voraussetzung einer Haftung des Betreibers einer Suchmaschine ist daher nach Auffassung der Kammer eine Verletzung von Prüfungspflichten. Deren Bestehen wie deren Umfang richtet sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Überspannte Anforderungen dürfen im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Betrieb einer Suchmaschine um eine erlaubte Teilnahme am geschäftlichen Verkehr handelt, nicht gestellt werden. Der Betreiber einer Suchmaschine ist danach grundsätzlich nicht verpflichtet, die nach Eingabe eines Suchbegriffs angezeigten Suchergebnisse generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Dies würde den Betrieb einer Suchmaschine mit dem Ziel einer schnellen Recherchemöglichkeit der Nutzer unzumutbar erschweren. Eine Verantwortlichkeit kommt jedoch dann in Betracht, wenn der Suchmaschinenbetreiber Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt, welche durch die eigene Indexierung auffindbar gemacht wird. Weist ein Betroffener den Suchmaschinenbetreiber auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch Dritte hin, kann der Suchmaschinenbetreiber wie ein Hostprovider als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass der Betreiber einer Suchmaschine im Gegensatz etwa zu einem Blogbetreiber, für den der Bundesgerichtshof ein Anhörungsverfahren statuiert hat, regelmäßig in keiner Beziehung zu dem Dritten steht, somit von ihm auch nicht die Einholung einer Stellungnahme verlangt werden kann. Damit obliegt es regelmäßig dem Suchmaschinenbetreiber, über die Begründetheit des Löschungsgesuchs auf Grundlage des einseitigen Inkenntnissetzungsvortrags zu entscheiden. Damit ist der Hinweis jedoch so konkret zu fassen, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – d.h. ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann. Dabei hängt das Ausmaß des insoweit von dem Suchmaschinenbetreiber zu verlangenden Prüfungsaufwands von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Suchmaschinenbetreibers auf der anderen Seite.

Nach diesen Grundsätzen ist aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalls hier von einer hinreichenden Inkenntnissetzung auszugehen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat die Beklagte zu 1) in die Lage versetzt, das Vorliegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung zu prüfen. Denn hier hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schreiben vom 27.10.2011, auf das er bei späteren Schreiben Bezug nahm, sowohl bildlich dargestellt, dass die von ihm angegriffenen Verlinkungen im Suchindex der Beklagten zu 1) enthalten sind und mithin die Links einzeln – auch später zusätzlich per E-Mail - aufgeführt. Zudem hat er die betreffenden Passagen aus den Zielseiten ebenfalls bildlich in seinen Schriftsatz übertragen und dabei die von ihm als relevant angesehenen Stellen durch Fettdruck hervorgehoben. Hierzu hat er sodann erläutert, inwiefern die Äußerungen auf den Forenseiten die Rechte der Kläger verletzen. Dies stützt er zum einen auf die unwahre Behauptung, dass der Kläger zu 2) Betreiber des Forums sei. Zum anderen greift er die in diesem Zusammenhang auf den Seiten geäußerten Verleumdungen und Beleidigungen an. Hierzu legt er als eidesstattliche Versicherungen bezeichnete Erklärungen der Kläger bei. Zwar ist grundsätzlich – wie die Beklagten meinen - zu fordern, dass im Rahmen der Inkenntnissetzung möglichst konkret auf die angegriffenen Formulierungen Bezug genommen wird (vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.7.2013 – 15 U 21/13). Dies ist grundsätzlich notwendig, damit der Suchmaschinenbetreiber beurteilen kann, ob der einseitige Vortrag die Annahme einer Persönlichkeitsrechtsverletzung trägt. Hierbei kann etwa dem Umstand, ob es sich um eine zulässige Meinungsäußerung mit oder ohne Tatsachenkern oder eine Tatsachenbehauptung handelt, entscheidende Bedeutung zukommen. Gleichzeitig sind jedoch auch an den Betroffenen keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Mithin kommt es auch bei der wechselseitigen Inkenntnissetzungs- bzw. Prüfungslast auf die Umstände des Einzelfalls an.

Danach erscheint im vorliegenden Fall eine verhältnismäßig allgemein gehaltene Inkenntnissetzung als ausreichend. Überspannte Anforderungen an die Form der Inkenntnissetzung sind insofern jedenfalls dann nicht angezeigt, je offensichtlicher die Rechtsverletzung im Gesamtkontext des Veröffentlichungszusammenhangs erscheint. Hier war insofern zu berücksichtigen, dass die Beiträge in den Foren bereits nach ihrer äußeren Form dem Ziel der Anprangerung des Klägers zu 2) und seiner damaligen Lebensgefährtin, der Klägerin zu 1) dienten, die Äußernden sich gleichzeitig weitestgehend anonym mitteilten. Die von den Klägern angegriffenen Seiten haben insofern allesamt gemein, dass auf Grundlage des von den Klägern auch explizit in dem ersten Inkenntnissetzungsschreiben als unwahr dargestellten Zusammenhangs zwischen ihnen und dem Fighterclub-Forum verschiedene abträgliche Handlungen durch deren Mitglieder dargestellt und dem Kläger zu 2) unter Verwendung von abträglichen Formulierungen wie „Stalker“, „Krimineller“, „Terrorist“, „Bande“, „Schwerstkriminialität“, „Stalkerbandenanführer“ „kriminieller Stalkerhaushalt“, „krimineller Schuft“ etc. zugerechnet werden. Der Kläger zu 2) wird dabei nicht nur namentlich genannt, sondern auch dessen Bildnis und seine Kontaktdaten – ebenso diejenigen der Klägerin zu 1) -, sein Wohnort, sowie der Name des von ihm betriebenen Unternehmens verbreitet. Teilweise ist auch ein Banner auf den Seiten eingestellt, welches offensichtlich in erheblichem Maße der Erzeugung einer Prangerwirkung dienen soll. Die Beiträge zeigen zugleich, dass der maßgebliche Beleg für eine Beteiligung des Klägers zu 2) an dem Forum die von ihm selbst zugestandene E-Mail sei, ohne dass weitere konkret mit dem Kläger zu 2) zusammenhängende Anhaltspunkte mitgeteilt werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass in den Beiträgen teilweise darauf hingewiesen wird, dass durch gezieltes Vervielfältigen der Beiträge und damit durch Beeinflussung der Suchmaschine der Beklagten zu 1) eine Kenntnisnahme möglichst vieler Internetnutzer aus dem Bekanntenkreis des Klägers zu 2) erreicht werden soll. Vor diesem Hintergrund einer Vervielfältigung der abträglichen Eintragungen – welche entsprechend auch zu dem Bedürfnis einer hohen Anzahl von Meldungen geführt hat – sind die Anforderungen an die Inkenntnissetzung ebenfalls nicht zu überhöhen. Aufgrund der fehlenden tatsächlichen Verantwortlichkeit der Kläger für das Forum, die anprangernde Art und die verwendeten Formalbeleidigungen liegen jeweils im Ergebnis Persönlichkeitsrechtsverletzungen vor."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Access-Provider kann als ultima ratio als Störer für Urheberrechtsverletzungen Dritter haften und zur Sperrung des Zugangs zu Webseiten verpflichtet sein

BGH
Urteile vom 26.11.2015
I ZR 3/14
I ZR 174/14
Haftung des Accessproviders


Der BGH hat entschieden, dass auch der Access-Provider grundsätzlich bei Urheberrechtsverletzungen von einem Rechteinhaber als Störer darauf in Anspruch genommen werden, den Zugang zu Internetseiten zu unterbinden, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt aber nur dann, wenn der Rechteinhaber alle ihm zumutbaren Maßnahmen gegen den Betreiber der Webseite bzw. den Hostprovider unternommen hat.

Für den Rechteinhaber ist insbesondere auch die Beauftragung einer Detektei, eines Unternehmens, das Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchführt, bzw. die Einschaltung der staatlichen Ermittlungsbehörden zumutbar. Die Sperrung durch den Access-Provider steht dabei nur als letztes Mittel zur Verfügung um Rechtsschutzlücken zu verweisen.

Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht erfüllt.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zur Haftung von Access-Providern für Urheberrechtsverletzungen Dritter

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in zwei Verfahren über die Haftung von Unternehmen, die den Zugang zum Internet vermitteln (Access-Provider), für Urheberrechtsverletzungen Dritter entschieden.

Die Klägerin im Verfahren I ZR 3/14 ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt für Komponisten, Textdichter und Musikverleger urheberrechtliche Nutzungsrechte an Musikwerken wahr. Die Beklagte ist Deutschlands größtes Telekommunikationsunternehmen. Sie war Betreiberin eines zwischenzeitlich von einer konzernverbundenen Gesellschaft unterhaltenen Telefonnetzes, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erhielten. Als sogenannter Access-Provider vermittelte die Beklagte ihren Kunden auch den Zugang zu der Webseite "3dl.am".

Nach Darstellung der Klägerin konnte über diese Webseite auf eine Sammlung von Links und URLs zugegriffen werden, die das Herunterladen urheberrechtlich geschützter Musikwerke ermöglichten, die bei Sharehostern wie "RapidShare", "Netload" oder "Uploaded" widerrechtlich hochgeladen worden waren. Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung der von ihr wahrgenommenen Urheberrechte. Sie macht geltend, die Beklagte habe derartige Rechtsverletzungen zu unterbinden. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, über von ihr bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite "3dl.am" zu ermöglichen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Die Klägerinnen im Verfahren I ZR 174/14 sind Tonträgerhersteller. Die Beklagte ist Betreiberin eines Telekommunikationsnetzes, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erhalten. Als Access-Provider vermittelte die Beklagte ihren Kunden auch den Zugang zu der Webseite "goldesel.to".

Nach Darstellung der Klägerinnen konnte über diese Webseite auf eine Sammlung von zu urheberrechtlich geschützten Musikwerken hinführenden Links und URLs zugegriffen werden, die bei dem Filesharing-Netzwerk "eDonkey" widerrechtlich hochgeladen worden waren. Die Klägerinnen sehen hierin eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte gemäß § 85 UrhG*. Die Klägerinnen haben die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, über von ihr bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite "goldesel.to" zu ermöglichen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.

Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen in beiden Verfahren zurückgewiesen.

Ein Telekommunikationsunternehmen, das Dritten den Zugang zum Internet bereitstellt, kann von einem Rechteinhaber grundsätzlich als Störer darauf in Anspruch genommen werden, den Zugang zu Internetseiten zu unterbinden, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden. Als Störer haftet bei der Verletzung absoluter Rechte (etwa des Urheberrechts oder eines Leistungsschutzrechts) auf Unterlassung, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt, sofern er zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat. Das deutsche Recht ist vor dem Hintergrund des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG über das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft** richtlinienkonform auszulegen und muss deshalb eine Möglichkeit vorsehen, gegen Vermittler von Internetzugängen Sperranordnungen zu verhängen.

In der Vermittlung des Zugangs zu Internetseiten mit urheberrechtswidrigen Inhalten liegt ein adäquat-kausaler Tatbeitrag der Telekommunikationsunternehmen zu den Rechtsverletzungen der Betreiber der Internetseiten "3dl.am" und "goldesel.to". In die im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung vorzunehmende Abwägung sind die betroffenen unionsrechtlichen und nationalen Grundrechte des Eigentumsschutzes der Urheberrechtsinhaber, der Berufsfreiheit der Telekommunikationsunternehmen sowie der Informationsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung der Internetnutzer einzubeziehen. Eine Sperrung ist nicht nur dann zumutbar, wenn ausschließlich rechtsverletzende Inhalte auf der Internetseite bereitgehalten werden, sondern bereits dann, wenn nach dem Gesamtverhältnis rechtmäßige gegenüber rechtswidrigen Inhalten nicht ins Gewicht fallen. Die aufgrund der technischen Struktur des Internet bestehenden Umgehungsmöglichkeiten stehen der Zumutbarkeit einer Sperranordnung nicht entgegen, sofern die Sperren den Zugriff auf rechtsverletzende Inhalte verhindern oder zumindest erschweren.

Eine Störerhaftung des Unternehmens, das den Zugang zum Internet vermittelt, kommt unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit allerdings nur in Betracht, wenn der Rechteinhaber zunächst zumutbare Anstrengungen unternommen hat, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die - wie der Betreiber der Internetseite - die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder - wie der Host-Provider - zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben. Nur wenn die Inanspruchnahme dieser Beteiligten scheitert oder ihr jede Erfolgsaussicht fehlt und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde, ist die Inanspruchnahme des Access-Providers als Störer zumutbar. Betreiber und Host-Provider sind wesentlich näher an der Rechtsverletzung als derjenige, der nur allgemein den Zugang zum Internet vermittelt. Bei der Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten hat der Rechtsinhaber in zumutbarem Umfang - etwa durch Beauftragung einer Detektei, eines Unternehmens, das Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchführt, oder Einschaltung der staatlichen Ermittlungsbehörden - Nachforschungen vorzunehmen. An dieser Voraussetzung fehlt es in beiden heute entschiedenen Fällen.

Im Verfahren I ZR 3/14 hat die Klägerin gegen den Betreiber der Webseite "3dl.am" eine einstweilige Verfügung erwirkt, die unter der bei der Domain-Registrierung angegebenen Adresse nicht zugestellt werden konnte. Den gegen den Host-Provider gerichteten Verfügungsantrag hat die Klägerin zurückgenommen, da sich auch seine Adresse als falsch erwies. Mit der Feststellung, dass die Adressen des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers falsch waren, durfte sich die Klägerin nicht zufriedengeben, sondern hätte weitere zumutbare Nachforschungen unternehmen müssen.

Im Verfahren I ZR 174/14 ist die Klage abgewiesen worden, weil die Klägerinnen nicht gegen den Betreiber der Webseiten mit der Bezeichnung "goldesel" vorgegangen sind. Dessen Inanspruchnahme ist unterblieben, weil dem Vortrag der Klägerinnen zufolge dem Webauftritt die Identität des Betreibers nicht entnommen werden konnte. Die Klägerinnen haben nicht vorgetragen, weitere zumutbare Maßnahmen zur Aufdeckung der Identität des Betreibers der Internetseiten unternommen zu haben.

Vorinstanzen:

I ZR 3/14

LG Hamburg - Urteil vom 12. März 2010 - 308 O 640/08

OLG Hamburg - Urteil vom 21. November 2013 - 5 U 68/10

und

I ZR 174/14 - Haftung des Accessproviders

LG Köln - Urteil vom 31. August 2011 - 28 O 362/10

OLG Köln - Urteil vom 18. Juli 2014 - 6 U 192/11

Karlsruhe, den 26. November 2015

85 Urheberrechtsgesetz:

Verwertungsrechte

(1) Der Hersteller eines Tonträgers hat das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. (…)

**Artikel 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG:

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden.

LG Hamburg: Hostprovider haftet ab Kenntnis für Urheberrechtsverletzung durch Link auf gehosteter Seite - Kundenseite muss ggf. deaktiviert werden

LG Hamburg
Beschluss vom 18.08.2015
308 O 293/15

Das LG Hamburg hat entschieden, dass ein Hostprovider ab Kenntnis für Urheberrechtsverletzungen durch Links auf gehosteten Seiten als Störer haftet. Der Provider muss die Kundenseite muss ggf. deaktiviert werden

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Antragsgegnerin ist jedenfalls als Störerin für die Rechtsverletzung verantwortlich.

Als Störer kann nach der Rechtsprechung des BGH bei der Verletzung absoluter Rechte grundsätzlich auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Diese Voraussetzung liegt hier vor. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Hostprovider-Dienstleistungen die Linksammlung www.[...] speichert und an das Internet anbindet. Dadurch trägt die Antragsgegnerin zur rechtswidrigen öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Musikaufnahmen durch Dritte bei. Denn erst durch die Veröffentlichung des Links auf der Linksammlung www.[…].to sind die bei dem Filehosting-Dienst.net gespeicherten Musiktitel rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht worden (vgl. dazu BGH zum Az. I ZR 18/11, Rz 16 - Alone in the Dark, s. NJW 2013, 784; Hans. OLG zum Az. 5 U 87/09).

Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung als Störer die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten voraus. Die Antragsgegnerin hat hier solche Verhaltenspflichten verletzt. Die Antragsgegnerin ist mit Schreiben vom 31.7.2015 aufgefordert worden, Maßnahmen zur Beendigung der Rechtsverletzung zu ergreifen (Anlage Ast 5). Die Antragsgegnerin war ab diesem Zeitpunkt dazu verpflichtet, die Rechtsverletzung durch ihren Kunden [...].to zu unterbinden. Eine entsprechende Einwirkung auf ihren Kunden wäre der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehung möglich gewesen. Sie hätte die Internetseite ihres Kunden letztlich auch abschalten können. Gegen ihre Verhaltenspflichten hat die Antragsgegnerin verstoßen."


LG Hamburg: Filehoster muss rechtswidrige Inhalte und Dateien ab Inkenntnissetzung und nicht erst ab Kenntnisnahme von der Rechtsverletzung löschen

LG Hamburg
Urteil vom 02.10.2014
310 O 464/13


Das LG Hamburg hat entschieden, dass ein Filehoster rechtswidrige Inhalte und Dateien ab Inkenntnissetzung und nicht erst ab tatsächlicher Kenntnisnahme von der Rechtsverletzung löschen muss.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Für die Auslösung der Handlungspflichten des Betreibers eines Filehosting-Dienstes kommt es entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht darauf an. wann sie den Hinweis auf die Rechtsverletzungen tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Eine solche Kenntnis des Betreibers eines Filehosting-Dienstes hielt auch der BGH in der diesbezüglich oben bereits zitierten Entscheidung (BGH. Urteil vom 15.08.2013. I 2R 79/12 .Prüfpflichten') für nicht erforderlich Vielmehr reicht es aus. dass der Antragsgegnerin der Hinweis im Sinne des § 130 BGB zugegangen ist Der Hinweis soll den Betreiber des Filehosting-Dienstes in die Lage zu versetzen, in der Vielzahl der ohne seine Kenntnis von Nutzern hochgeladenen Dateien diejenigen auffinden zu können, die Rechte Dritter verletzen.
"

LG Hamburg: Volltext in Sachen Max Mosley ./. Google - Suchmaschinenbetreiber muss Vorschaubilder löschen

LG Hamburg
Urteil vom 24.01.2014
324 O 264/11


Wir hatten bereits in dem Beitrag "LG Hamburg: Max Mosley gegen Google - Suchmaschinenbetreiber Google darf Vorschaubilder von verfänglichen Fotos und Videos nicht weiter verbreiten" über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:

"aa) Die Regelungen des TMG schließen eine Inanspruchnahme der Beklagten nicht aus. Die Beklagte ist Diensteanbieter iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 TMG. Es kann offen bleiben, ob die von ihr aufgrund einer Suchanfrage eines Nutzers angezeigten Suchergebnisse als eigene oder fremde Inhalte anzusehen sind, denn in beiden Fällen wäre die Beklagte nicht von einer Haftung befreit. Soweit die angezeigten Suchergebnisse als eigene Inhalte betrachtet werden (bejahend für Sucherwortergänzungsvorschlägen, BGH, Urteil v. 14.05.2013, VI ZR 269/12 – Juris Abs. 20), da die Bilder auf den Servern der Beklagten gespeichert und bei entsprechender Suchanfrage angezeigt werden, liegt kein Zugänglichmachen und/ oder Präsentieren von Fremdinhalten vor, für die ein Diensteanbieter nach §§ 8-10 TMG nur eingeschränkt verantwortlich ist (Köhler-Bornkamm UWG, 31. Aufl. , § 8 Rz. 2.25). Es handelt sich bei dieser Sichtweise vielmehr um eigene Inhalte, für die die Beklagte gemäß § 7 TMG nach den allgemeinen Gesetzen haftet.

[...]
Auch wenn die Beklagte auf ihren Servern „eigene“ Vorschaubilder speichert, um im Rahmen der Bildervorschau dem Nutzer effizient Suchergebnisse anzeigen zu können, gibt sie lediglich die ursprünglichen Bilder, die von Dritten eingestellt wurden, auf Anfragen von Nutzern wieder. Inhaltlich handelt es sich aufgrund des technischen Ablaufs des Crawlings, der Indexierung und der Anzeige von Suchergebnissen um die Wiedergabe der Inhalte Dritter. Auch der typische Nutzer der Suchmaschine erkennt dies, da er weiß, dass die Beklagte mit dem Bildersuchdienst lediglich Verknüpfungen zwischen einer eingegebenen Suchanfrage und dem „Inhalt des Internets“ anbietet.
[...]
Bei der Bestimmung des Umfangs der Prüf- und Kontrollmaßnahmen ist zunächst zu beachten, dass weder der Einsatz einer Software zum Betreiben der Suchfunktion noch das Abspeichern der Bilder auf eigenen Servern der Beklagten vorzuwerfen ist. Die von ihr betriebene Suchmaschine ist nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt, denn überwiegend wird der Bildersuchdienst der Beklagten für legale Zwecke genutzt und erfüllt einen für die Nutzung des Internets wichtigen Beitrag, dies nimmt auch der Kläger nicht in Abrede. Ferner kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die Gefahr der rechtswidrigen Nutzung ihres Dienstes durch eigene Maßnahmen fördert, während diese Annahme bei anderen Geschäftsmodellen naheliegen könnte und möglicherweise entsprechend zu berücksichtigen wäre (BGH Urteil v. 15.08.2013, I ZR 80/12, Juris Abs. 36 ff).
[...]
Das Löschen einzelner Bilder unter den von dem Kläger benannten URLs hat den der Beklagten möglichen und zumutbaren Prüfpflichten in Anbetracht des schweren Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht genügt, da hierdurch weitere gleichartige Rechtsverletzungen nicht verhindert wurden. Denn die Suchmaschine der Beklagten nahm die entsprechenden Bilder zumindest über andere URLs in die Vorschau ihrer Suchmaschine wieder auf. Dies war auch für die Beklagte nicht überraschend, denn für die Bildersuchmaschine wird nach ihrem eigenen Vortrag das Internet regelmäßig durchsucht und die gefundenen Informationen entsprechend abgespeichert. Danach kommt es auch dazu, dass ein Bild über eine andere Seite wieder aufgefunden und als Thumbnail gespeichert wird, obgleich zuvor eine URL, die dieses Bild ebenfalls beinhaltete, gelöscht wurde."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:






OLG Stuttgart: Betreiber eines Online-Portals haftet erst ab Kenntnis von der Rechtsverletzung für Urheberrechtsverletzungen durch User-Generated-Content - hier: Lichtbilder

OLG Stuttgart
Beschluss vom 22.10.2013
4 W 78/13

Das OLG Stuttgart hat in Einklang mit der inzwischen ganz herrschenden Rechtsprechung entschieden, dass der Betreiber eines Online-Portals erst ab Kenntnis von der Rechtsverletzung haftet, wenn Nutzer durch hochgeladene Fotos oder Bilder die Rechte Dritter verletzen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist jeder anzusehen, der die Rechtsverletzung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Sind bei einer Beeinträchtigung mehrere Personen beteiligt, so kommt es für die Frage, ob ein Unterlassungsanspruch gegeben ist, grundsätzlich nicht auf Art und Umfang des Tatbeitrags oder auf das Interesse des einzelnen Beteiligten an der Verwirklichung der Störung an. Im allgemeinen ist ohne Belang, ob er sonst nach der Art seines Tatbeitrags als Täter oder Gehilfe anzusehen wäre. Als (Mit-) Störer kann auch jeder haften, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, sofern der in Anspruch genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Dem negatorischen Unterlassungsbegehren steht nicht entgegen, dass dem in Anspruch genommenen die Kenntnis der Tatbestandsmäßigkeit und der die Rechtswidrigkeit begründenden Umstände fehlt. Ebenso ist ein Verschulden nicht erforderlich (zum Ganzen: BGH GRUR 2013, 751 Tz. 24 - Autocomplete-Funktion- mit weiteren Nachweisen; BGH GRUR 2011, 311 Tz. 21). Um die Störerhaftung nicht über Gebühr auszudehnen und auf das Zumutbare zu begrenzen, setzt sie darüber hinaus die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten voraus (BGH GRUR 2011, 311 Tz. 22 und GRUR 2013, 751 Tz. 29).

Ein Host-Provider wie der Betreiber eines Blogs und mithin auch die Klägerin ist aber nicht verpflichtet, die von den Nutzern bzw. Mitgliedern ins Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen (BGH GRUR 2011, 311 Tz. 24 und GRUR 2012, 751 Tz.19). Ihn trifft vielmehr eine Prüfungspflicht erst dann, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt (BGH, jeweils ebenda). Weist ein Betroffener den Betreiber (Host-Provider) auf eine Rechtsverletzung hin, ist dieser verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern, wenn der Hinweis hinreichend konkret ist (BGH GRUR 2012, 311 Tz. 24 - 27; BGH GRUR 2012, 751 Tz. 19; BGH GRUR 2013, 751 Tz. 30). Er wird mithin erst dann zum Störer, wenn er trotz Kenntniserlangung den rechtsverletzenden Inhalt nicht löscht bzw. sperrt (vgl. BGH GRUR 2012, 751 Tz. 20).

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landgericht zu Recht eine Störereigenschaft der Klägerin verneint."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Hamburg: Max Mosley gegen Google - Suchmaschinenbetreiber Google darf Vorschaubilder von verfänglichen Fotos und Videos nicht weiter verbreiten

Wie der Online-Presse zu entehmen ist, hat das LG Hamburg den Suchmaschinenbetreiber Google verurteilt, es zukünftig zu unterlassen, verfängliche Vorschaubilder von Fotos und Videos des Ex-Motorsport-Bosses Max Mosley zu verbreiten. Google hat angekündigt Berufung einzulegen.

BGH: Fremde Informationen im Sinne von § 9 TMG (früher § 10 TDG) und damit keine Haftung, nur wenn Anbieter weder Kenntnis noch Kontrolle über die Inhalte hat - Terminhinweis mit Kartenausschnitt

BGH
Urteil vom 04.07.2013
I ZR 39/12
Terminhinweis mit Kartenausschnitt
UrhG § 15 Abs. 2 Nr. 2, § 19a

Leitsätze des BGH:


a) Es stellt eine eigene urheberrechtliche Nutzungshandlung dar, wenn der Betreiber einer Internetseite für deren Nutzer einen Terminkalender bereithält und ihnen über einen Link Einladungsschreiben Dritter zugänglich macht, die er in einem eigenen Download-Center abgelegt hat (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 14 f. - Paperboy).

b) Fremde Informationen im Sinne von § 10 TDG sind ausschließlich durch den Nutzer eines Teledienstes eingegebene Informationen, von denen der Anbieter des Dienstes keine Kenntnis hat und über die er auch keine Kontrolle besitzt.

BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - I ZR 39/12 - LG Berlin - AG Berlin-Charlottenburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Ebay muss Angebote auf Schutzrechtsverletzungen überprüfen - erhöhte Kontrollpflicht bei bekannten Verstößen - Kinderhochstühle im Internet II

BGH
Urteil vom 16.05.2013
I ZR 216/11
Kinderhochstühle im Internet II
BGB § 830 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2; TMG § 7 Abs. 2 Satz 1; UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2; ZPO § 137 Abs. 3 Satz 1, § 253 Abs. 2 Nr. 2

Leitsätze des BGH


a) Im Klageantrag und in der Urteilsformel braucht nicht schon zum Ausdruck zu kommen, dass das Verbot auf die Verletzung von Prüfpflichten gestützt ist; vielmehr reicht es aus, dass sich dies mit ausreichender Deutlichkeit aus der Klagebegründung und den Entscheidungsgründen ergibt.

b) Hat der Betreiber einer Internetplattform Anzeigen im Internet geschaltet, die über einen elektronischen Verweis unmittelbar zu schutzrechtsverletzenden Angeboten führen, treffen ihn erhöhte Kontrollpflichten. Ist der Plattformbetreiber in diesem Zusammenhang auf klare Rechtsverletzungen hingewiesen worden, muss er die über die elektronischen Verweise in seinen Anzeigen erreichbaren Angebote auf problemlos und zweifelsfrei erkennbare Schutzrechtsverletzungen überprüfen.

BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - I ZR 216/11 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:







Rapidshare-Entscheidung des BGH liegt im Volltext vor - Haftung des Filehosters für Urheberrechtsverletzungen

BGH
Urteil vom 12.07.2012
I ZR 18/11
Alone in the Dark
UrhG § 97; TMG § 7 Abs. 2, § 10


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Filehoster Rapidshare haftet nach den Grundsätzen der Störerhaftung für Urheberrechtsverletzungen durch gehostete Dateien" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Ein File-Hosting-Dienst, der im Internet Speicherplatz zur Verfügung stellt, kann als Störer haften, wenn urheberrechtsverletzende Dateien durch Nutzer seines Dienstes öffentlich zugänglich gemacht werden, obwohl ihm zuvor ein Hinweis auf die klare Rechtsverletzung gegeben worden ist. Nach einem solchen Hinweis muss der File-Hosting-Dienst im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren verhindern, dass derselbe oder andere Nutzer das ihm konkret benannte, urheberrechtlich geschützte Werk Dritten erneut über seine Server anbieten.

b) Die Eignung eines Wortfilters mit manueller Nachkontrolle für die Erkennung von Urheberrechtsverletzungen wird nicht dadurch beseitigt, dass er mögliche Verletzungshandlungen nicht vollständig erfassen kann.

c) Zur Vermeidung einer Störerhaftung kann ein File-Hosting-Dienst auch verpflichtet sein, im üblichen Suchweg eine kleine Anzahl einschlägiger Linksammlungen manuell darauf zu überprüfen, ob sie Verweise auf bestimmte bei ihm gespeicherte urheberrechtsverletzende Dateien enthalten.

BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 18/11 - OLG Düsseldorf -LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Rapidshare gegen Atari - Pressemitteilung des BGH zur Haftung von Filehostingdiensten liegt vor

Nunmehr liegt auch die Pressemitteilung des BGH in Sachen Rapdishare gegen Atari zur Haftung von Filehostingdiensten bei Urheberrechtsverletzungen durch gehostete Dateien vor. Wir hatten heute bereits in dem Beitrag "BGH: Filehoster Rapidshare haftet nach den Grundsätzen der Störerhaftung für Urheberrechtsverletzungen durch gehostete Dateien" darüber berichtet. "Rapidshare gegen Atari - Pressemitteilung des BGH zur Haftung von Filehostingdiensten liegt vor" vollständig lesen