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LG Berlin: Kein Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen Recherche nach einer Adresse bei Google Maps - Adresse allein fehlt es schon am Personenbezug

LG Berlin
Urteil vom 27.01.2022
26 O 177/21


Das LG Berlin hat entschieden, dass kein Anspruch auf Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen der Recherche nach einer Adresse bei Google Maps besteht. Der Adresse allein fehlt es schon am Personenbezug

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die Klägerin hat keinen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO.

Gemäß Art. 82 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

Es fehlt bereits an einem Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung. Insbesondere hat der Beklagte weder personenbezogene Daten entgegen Art. 5 DSGVO nicht rechtmäßig verarbeitet noch liegt eine unzulässige Übermittlung von personenbezogenen Daten in einen Drittstaat und damit ein Verstoß gegen Art. 44 DSGVO vor.

Es ist bereits unklar, welche genauen Adressdaten die Richterin bei Google Maps eingegeben hat. Auch wenn bereits die Angabe „...straße, ... Berlin“ ausreichen könnte, um dann zu dem entsprechenden Hausgrundstück mit der Nr. ... in Google Maps zu „wandern“, mag hier unterstellt werden, dass die Richterin die Daten „...straße ..., ... Berlin“ eingegeben hat. Doch auch bei der bloßen Nutzung der Anschrift „...straße ..., ... Berlin“ auf der Website von Google fehlt es an einem personenbezogenen Datum.

„Personenbezogene Daten“ sind gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.

In der bloßen Eingabe einer (puren) Adresse ist noch kein personenbezogenes Datum zu erblicken. Denn die bloße Adresse ohne Bezugnahme auf eine Person – sei es durch namentliche Nennung, sei es durch die Bezugnahme auf ein diese Adresse betreffendes Eigentums-, Besitz- oder Mietverhältnis o.ä. – stellt keinen hinreichenden Personenbezug dar. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Zweck der DSGVO der Schutz der Grundrechte natürlicher Personen bei der Verarbeitung der ihnen zugeordneten Daten ist, nicht ein wie auch immer gearteter Schutz der Daten selbst oder wirtschaftlicher oder anderer Interessen der datenverarbeitenden Organisationen. Die Begriffsbestimmungen und andere Regelungen der DSGVO sind daher immer vor dem Hintergrund des möglichen Effekts der Verarbeitung von personenbezogenen Daten auf die betroffenen Personen zu verstehen (Ehmann/Selmayr/Klabunde, 2. Aufl. 2018, DSGVO Art. 4 Rn. 7).

Ohne dass dies entscheidungserheblich wäre, gesteht die Klägerin im Übrigen auf S. 5 f. ihres Schriftsatzes vom 26. Juli 2021 selbst zu, dass die „zugänglichen Luftbildaufnahmen (Google Maps oder Google Earth) der Kreuzungssituation … schon keine personenbezogenen Daten“ darstellen. Ein rechtlich relevanter Unterschied der dort abgerufenen Luftbilder einer Kreuzung in Nordrhein-Westfalen, die auch über die Eingabe der an die Kreuzung angrenzenden Adresse in Google Maps lokalisiert worden sein dürfte, und der hier abgerufenen Luftbilder in Berlin erschließt sich nicht. Soweit die Klägerin hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass im dortigen Fall auch nicht die Adresse eines Verfahrensbeteiligten „gegoogelt“ worden sei, stellt sich die datenschutzrechtliche Situation hier nicht anders dar. Denn auch hier wurde von der Richterin am Amtsgericht Pankow/Weißensee nicht ein Bezug zwischen Verfahrensbeteiligung/-stellung einer Person und der eingegebenen Adresse hergestellt.

II. Auch ein Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB, Art. 34 GG ist nicht gegeben, weil es bereits an einer Amtspflichtverletzung durch die Richterin am Amtsgericht Pankow-Weißensee fehlt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Urheberrechtsverletzung einer Behörde durch Veröffentlichung von urheberechtlich geschützten Kartenmaterials im Internet in Unterlagen im Rahmen eines Bauplanungsverfahrens

BGH
Urteil vom 21.01.2021
I ZR 59/19
Kastellaun
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2, §§ 5, 19a, 45 Abs. 1 und 3


Der BGH hat entschieden, dass eine Urheberrechtsverletzung einer Behörde durch Veröffentlichung von urheberechtlich geschützten Kartenmaterials im Internet in Unterlagen im Rahmen eines Bauplanungsverfahren vorliegt.

Leitsätze des BGH:
a) Die Stellungnahme eines privaten Bauinteressenten in einem bauplanungsrechtlichen Verfahren, die die Behörde im Zuge der Beteiligung der Öffentlichkeit im Vorfeld einer bauplanungsrechtlichen Entscheidung mittels Verlinkung auf ihren Internetauftritt öffentlich zugänglich macht, ist kein amtliches Werk im Sinne des § 5 UrhG.

b) Macht eine Behörde im Rahmen eines Verfahrens der Bauleitplanung eine bei ihr eingegangene Stellungnahme eines privaten Bauinteressenten im Internet mittels Verlinkung auf ihren Internetauftritt öffentlich zugänglich, handelt es sich um eine nach § 45 Abs. 1 und 3 UrhG zulässige Verwendung in einem Verfahren vor einer Behörde, wenn die Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht nach § 4a Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB vorliegen und ein hinreichender sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zum bauplanungsrechtlichen Verfahren besteht.

c) Im Falle der öffentlichen Zugänglichmachung über das Internet ist der nach § 45 UrhG erforderliche hinreichende sachliche Zusammenhang zum behördlichen Verfahren gegeben, wenn sie mittels einer Verlinkung auf den behördlichen Internetauftritt erfolgt und durch die Art der Präsentation ein Bezug zum konkreten Verwaltungsverfahren hergestellt wird. Der erforderliche anfängliche zeitliche Zusammenhang besteht jedenfalls, wenn das behördliche
Verfahren bereits begonnen hat. Mit dem Abschluss des behördlichen Verfahrens endet die Zulässigkeit der von § 45 UrhG erfassten Handlungen.

BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 - I ZR 59/19 - OLG Zweibrücken - LG Frankenthal

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




EuGH: Manchego - Gebrauch von Bildzeichen das auf geografisches Gebiet anspielt kann Verletzung einer geschützten Ursprungsbezeichnung sein

EuGH
Urteil vom 02.05.2019
C-614/17
Fundación Consejo Regulador de la Denominación de Origen Protegida Queso Manchego / Industrial Quesera Cuquerella SL und Juan Ramón Cuquerella Montagud


Der EuGH hat entschieden, dass der Gebrauch von Bildzeichen, die auf ein geografisches Gebiet anspielen, eine Verletzung einer geschützten Ursprungsbezeichnung sein kann.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Der Gebrauch von Bildzeichen, die auf das geografische Gebiet anspielen, das mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung (g. U.) verbunden ist, kann eine rechtswidrige Anspielung auf diese darstellen

Die Industrial Quesera Cuquerella SL (im Folgenden: IQC) vermarktet drei ihrer Käsesorten mit Etiketten, die das Bild eines Reiters, der den gewöhnlichen Darstellungen von Don Quijote de la Mancha ähnelt, eines abgemagerten Pferdes und von Landschaften mit Windmühlen und Schafen sowie die Begriffe „Quesos Rocinante“ enthalten. Diese Bilder und der Begriff „Rocinante“ beziehen sich auf den Roman Don Quijote de la Mancha von Miguel de Cervantes, wobei „Rocinante“ der Name des von Don Quijote gerittenen Pferdes ist. Die fraglichen Käse fallen nicht unter die geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) „queso manchego“, die die Käse erfasst, die in der Mancha (Spanien) mit Schafmilch unter Beachtung der Bedingungen ihrer Produktspezifikation hergestellt werden.

Die Fundación Consejo Regulador de la Denominación de Origen Protegida Queso Manchego (Stiftung Kontrollrat für die geschützte Ursprungsbezeichnung Queso Manchego, im Folgenden: Stiftung) ist damit beauftragt, diese g.U. zu verwalten und zu schützen. Deshalb erhob sie Klage gegen IQC und Herrn Juan Ramón Cuquerella Montagud auf Feststellung, dass die Etiketten, die zur Unterscheidung und Vermarktung dieser drei nicht von der g.U. „queso manchego“ erfassten Käsesorten verwendet werden, sowie der Gebrauch der genannten Begriffe einen Verstoß gegen die in Rede stehende g.U. darstellen. Die Stiftung ist nämlich der Auffassung, dass diese Etiketten und Begriffe eine rechtswidrige Anspielung im Sinne der Verordnung zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel darstellen.

Die spanischen Gerichte der ersten und zweiten Instanz waren der Auffassung, dass die von IQC zur Vermarktung dieser Käse verwendeten Zeichen und Bezeichnungen auf die Mancha anspielten, nicht aber unbedingt auf den von der g.U. erfassten Käse „queso manchego“. Das mit der Sache befasste Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) fragt den Gerichtshof zum
einen, ob die Anspielung auf eine eingetragene Bezeichnung durch den Gebrauch von Bildzeichen möglich ist, und zum anderen, ob die Verwendung solcher Zeichen, die auf das geografische Gebiet anspielen, mit dem eine g.U. verbunden ist, eine Anspielung auf diese auch dann darstellen kann, wenn diese Bildzeichen von einem Erzeuger verwendet werden, der in dieser Gegend ansässig ist, dessen Erzeugnisse aber nicht von dieser g.U. erfasst werden.

Mit seinem heutigen Urteil entscheidet der Gerichtshof, dass die Anspielung auf eine eingetragene Bezeichnung durch den Gebrauch von Bildzeichen erfolgen kann. Er stellt zunächst fest, dass die Verordnung eingetragene Bezeichnungen vor „jeder Anspielung“ schützt und dass der Gebrauch des Wortes „jede“ den Willen widerspiegelt, eingetragene Bezeichnungen zu schützen, indem in Betracht gezogen wird, dass eine Anspielung durch einen Wort- oder Bildbestandteil erfolgt. Das entscheidende Kriterium für die Feststellung, ob ein Element auf die eingetragene Bezeichnung anspielt, besteht darin, ob dieses Element geeignet ist, dem Verbraucher das Erzeugnis, das diese Bezeichnung trägt, gedanklich unmittelbar in Erinnerung zu rufen. Zudem wird das Ziel, zu gewährleisten, dass der Verbraucher über klare, knappe und glaubhafte Auskünfte über die Herkunft des Erzeugnisses verfügt, umso besser sichergestellt, wenn auf die eingetragene Bezeichnung nicht mittels Bildzeichen angespielt werden darf. Es ist Sache des nationalen Gerichts, konkret zu beurteilen, ob die fraglichen Bildzeichen geeignet sind, dem Verbraucher die Erzeugnisse, die eine g.U. tragen, gedanklich unmittelbar in Erinnerung zu rufen.

Der Gerichtshof stellt sodann fest, dass die Verwendung von Bildzeichen, die auf das geografische Gebiet anspielen, mit dem eine Ursprungsbezeichnung verbunden ist, eine Anspielung auf diese auch dann darstellen kann, wenn die Bildzeichen von einem in dieser Gegend ansässigen Erzeuger verwendet werden, dessen Erzeugnisse, die den von dieser Ursprungsbezeichnung geschützten Erzeugnissen ähnlich oder mit ihnen vergleichbar sind, aber nicht von dieser erfasst werden.

Die Verordnung sieht nämlich keinen Ausschluss zugunsten eines Erzeugers vor, der in einem der g.U. entsprechenden geografischen Gebiet ansässig ist und dessen Erzeugnisse, ohne von dieser g.U. geschützt zu sein, den von dieser geschützten ähnlich oder mit ihnen vergleichbar sind. Es ist daher Sache des Tribunal Supremo, zu prüfen, ob es eine hinreichend unmittelbare und eindeutige begriffliche Nähe zwischen den von IQC verwendeten Bildzeichen und der g.U. „queso manchego“
gibt, die auf das geografische Gebiet verweist, mit dem sie verbunden ist, nämlich die Mancha.

Das nationale Gericht wird sich vergewissern müssen, dass diese Bildzeichen, insbesondere die Bilder einer Don Quijote de la Mancha ähnelnden Person, eines abgemagerten Pferdes und von Landschaften mit Windmühlen und Schafen enthalten, eine begriffliche Nähe zu der g.U. „queso manchego“ herstellen können, so dass der Verbraucher gedanklich einen unmittelbaren Bezug zu dem Erzeugnis herstellt, das diese g.U. trägt. Dabei wird das Tribunal Supremo auch zu beurteilen haben, ob sämtliche Bild- und Wortbestandteile, die auf den in Rede stehenden Erzeugnissen abgebildet sind, zusammen zu berücksichtigen sind, um eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, in der allen Gesichtspunkten, die ein Anspielpotenzial haben, Rechnung getragen wird.

Das Tribunal Supremo fragt den Gerichtshof außerdem, ob der Begriff des „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“, auf dessen Wahrnehmung das nationale Gericht bei der Beurteilung abzustellen hat, ob eine „Anspielung“ im Sinne der Verordnung vorliegt, auf die europäischen Verbraucher Bezug nimmt oder nur auf die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Erzeugnis hergestellt wird, das zur Anspielung auf die geschützte Bezeichnung Anlass gibt oder mit dem diese Bezeichnung geografisch verbunden ist, und in dem das Erzeugnis überwiegend konsumiert wird.

Der Gerichtshof betont, dass dieser Begriff so auszulegen ist, dass ein effektiver und einheitlicher Schutz der eingetragenen Bezeichnungen vor jeder Anspielung im gesamten Unionsgebiet sichergestellt wird. Er ist daher der Auffassung, dass dieser Begriff dahin aufzufassen ist, dass er auf die europäischen Verbraucher einschließlich der Verbraucher des Mitgliedstaats
Bezug nimmt, in dem das Erzeugnis hergestellt wird, das zu der Anspielung auf die geschützte Bezeichnung Anlass gibt oder mit dem diese Bezeichnung geografisch verbunden ist, und in dem das Erzeugnis überwiegend konsumiert wird. Daraus schließt der Gerichtshof, dass das Tribunal Supremo zu beurteilen hat, ob die Bild- und Wortzeichen, die sich auf das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis, das in Spanien hergestellt und überwiegend dort konsumiert wird, beziehen, bei den Verbrauchern dieses Mitgliedstaats gedanklich das Bild einer eingetragenen Bezeichnung hervorrufen, die, sollte dies der Fall sein, gegen eine Anspielung in einem beliebigen Teil des Unionsgebiets zu schützen ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Stadtplan-Abmahnungen für Euro-Cities AG durch Wiedorfer Rechtsanwälte - Abmahnung wegen unlizenzierter Nutzung von Kartenausschnitte, Stadtplänen und Landkarten

Seit vielen Jahren ein Dauerbrenner sind Abmahnungen für die Euro-Cities AG (derzeit durch Wiedorfer Rechtsanwälte) wegen der unberechtigten Nutzung von Stadplan - / Landkarten - und Kartenausschnitten.

Gegenstand der Abmahnungen können nicht nur Kartenausschnitte sein, die herkömmlich in einer Webseite integriert sind. Auch Stadtplanausschnitte in Flash-Animationen, PDF-Dateien, Printpublikationen sowie nur per Direkteingabe der URL aufrufbare Stadtpläne können Gegenstand einer Abmahnung sein.

Dabei werden neben Abmahnkosten auch ganz erhebliche Schadensersatzansprüche geltend gemacht.

Die Abmahnungen sind auf jeden Fall ernst zu nehmen, da andernfalls noch höhere Kosten drohen.

Auch wer bislang noch nicht anwaltlich vertreten ist, sollten nicht zögern, sich fundiert juristisch beraten lassen. So sind bei der Abgabe einer Unterlassungserklärung zahlreiche Haftungsfallen zu beachten, die schnell zur vermeidbaren Zahlung einer erheblichen Vertragsstrafe führen können.

Zudem kommt es immer wieder vor, dass die streitgegenständlichen Stadtpläne von Dienstleistern (z.B. Web- und Werbeagenturen) für den Seitenbetreiber für die Webseite zur Verfügung gestellt bzw. beschafft wurden, ohne dass eine entsprechende Lizenz vorliegt. Regelmäßig bestehen in einem solchen Fall Regressansprüche.


BGH: Ausstellung einer Ersatzkarte durch Bank nach Sperrung wegen Verlust oder Diebstahls ist kostenlos - Entgeltklausel in Banken-AGB unwirksam

BGH
Urteil vom 20.10.2015
XI ZR 166/14


Der BGH hat entschieden, dass die Ausstellung einer Ersatzkarte durch die Bank nach Sperrung wegen Diebstahls oder Verlust kostenlos ist. Eine Klausel in den AGB einer Bank, die hierfür ein Entgelt vorsieht, ist unwirksam.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof erklärt Entgeltklausel für die Ausstellung einer Ersatzkarte in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen einer Bank für unwirksam

Der unter anderem für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbands entschieden, dass die Entgeltklausel für die Ausstellung einer Ersatzkarte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam ist.

Die beklagte Bank verwendet in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis in Bezug auf Zahlungsverkehrskarten eine Klausel, wonach das Entgelt für eine "Ersatzkarte auf Wunsch des Kunden (Entgelt für Ausstellung der Karte)" 15 € beträgt und dieses Entgelt "nur zu entrichten [ist], wenn die Notwendigkeit der Ausstellung der Ersatzkarte ihre Ursache nicht im Verantwortungsbereich der Bank hat."

Der XI. Zivilsenat hat der Unterlassungsklage, die in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben war, auf die Revision des Klägers stattgegeben. Zur Begründung hat er ausgeführt, die angegriffene Klausel halte der gerichtlichen Inhaltskontrolle nicht stand:

Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen unter anderem solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle, durch die von Rechtsvorschriften abweichende Regelungen vereinbart werden. Das trifft auf die beanstandete Klausel zu. Die Auslegung der umfassend formulierten Regelung - die sich ihrem eindeutigen Wortlaut nach auf sämtliche Fälle bezieht, in denen der Kunde bei der Beklagten wegen der Ausstellung einer Ersatzkarte vorstellig wird - ergibt, dass die Bank hiernach auch dann die Zahlung des Entgelts in Höhe von 15 € verlangen kann, wenn die Ausgabe der Ersatzkarte wegen der vereinbarungsgemäß erfolgten Sperrung der Erst- bzw. Originalkarte nach § 675k Abs. 2 BGB notwendig geworden ist, deren Verlust oder Diebstahl - als nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten fallende Vorgänge - der Kunde gemäß § 675l Satz 2 BGBangezeigt hat. Mit der Bepreisung einer vom Kunden in diesen Fällen begehrten Ersatzkarte weicht die Beklagte von § 675k Abs. 2 Satz 5 BGB** ab. Nach dieser Vorschrift trifft den Zahlungsdienstleister (Bank) nach der Sperrung der Erstkarte und Wegfall der Sperrgründe die gesetzliche Nebenpflicht, dem Kunden ein neues Zahlungsauthentifizierungsinstrument (Zahlungskarte) auszustellen, wenn - wie im Falle des Abhandenkommens oder des Diebstahls der Erstkarte - die bloße Entsperrung nicht in Betracht kommt. Für die Erfüllung dieser gesetzlichen Nebenpflicht kann der Zahlungsdienstleister mangels gesetzlicher Anordnung im Sinne von § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB kein Entgelt verlangen. Für eine Differenzierung nach "Verantwortungsbereichen", wie die Beklagte sie mit der streitigen Klausel vornimmt, bietet § 675k Abs. 2 Satz 5 BGB keine Grundlage. Außerdem wälzt die Beklagte mittels der beanstandeten Klausel Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten auf ihre Kunden ab. Gemäß § 675l Satz 2 BGB hat der Zahler (Kunde) dem Zahlungsdienstleister oder einer von diesem benannten Stelle den Verlust, den Diebstahl, die missbräuchliche Verwendung oder die sonstige nicht autorisierte Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments unverzüglich anzuzeigen, nachdem er hiervon Kenntnis erlangt hat. Der Zahlungsdienstleister ist gemäß § 675m Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB verpflichtet, jede Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments zu verhindern, sobald eine Anzeige nach § 675l Satz 2 BGB erfolgt ist. Das kann im Falle einer Zahlungskarte nur durch deren Sperrung erreicht werden. Die danach erforderliche Ausgabe einer Ersatzkarte ist zumindest in den Fällen des Verlusts oder Diebstahls der Erstkarte zwangsläufige Folge der Erfüllung dieser Pflicht.

Die vom Kläger beanstandete Klausel ist nicht nur kontrollfähig, sondern auch unwirksam. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die zum Nachteil des Kunden gegen (halb-)zwingendes Recht verstoßen, benachteiligen ihn zugleich mit der Folge ihrer Unwirksamkeit unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Von den Vorgaben des § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB darf von Gesetzes wegen nicht zum Nachteil eines Verbrauchers als Zahlungsdienstnutzers abgewichen werden.

Landgericht Köln - Urteil vom 23. Januar 2013 - 26 O 306/12

Oberlandesgericht Köln - Urteil vom 19. März 2014 - 13 U 46/13 (WM 2014, 1338 ff.)

Karlsruhe, den 20. Oktober 2015

* § 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 675k BGB

Nutzungsbegrenzung

(1) In Fällen, in denen die Zustimmung mittels eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments erteilt wird, können der Zahler und der Zahlungsdienstleister Betragsobergrenzen für die Nutzung dieses Zahlungsauthentifizierungsinstruments vereinbaren.

(2) Zahler und Zahlungsdienstleister können vereinbaren, dass der Zahlungsdienstleister das Recht hat, ein Zahlungsauthentifizierungsinstrument zu sperren, wenn

1. sachliche Gründe im Zusammenhang mit der Sicherheit des Zahlungsauthentifizierungsinstruments dies rechtfertigen,

2. der Verdacht einer nicht autorisierten oder einer betrügerischen Verwendung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments besteht oder

3. bei einem Zahlungsauthentifizierungsinstrument mit Kreditgewährung ein wesentlich erhöhtes Risiko besteht, dass der Zahler seiner Zahlungspflicht nicht nachkommen kann.

In diesem Fall ist der Zahlungsdienstleister verpflichtet, den Zahler über die Sperrung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments möglichst vor, spätestens jedoch unverzüglich nach der Sperrung zu unterrichten. In der Unterrichtung sind die Gründe für die Sperrung anzugeben. Die Angabe von Gründen darf unterbleiben, soweit der Zahlungsdienstleister hierdurch gegen gesetzliche Verpflichtungen verstoßen würde. Der Zahlungsdienstleister ist verpflichtet, das Zahlungsauthentifizierungsinstrument zu entsperren oder dieses durch ein neues Zahlungsauthentifizierungsinstrument zu ersetzen, wenn die Gründe für die Sperrung nicht mehr gegeben sind. […]

***§ 675l BGB

Pflichten des Zahlers in Bezug auf Zahlungsauthentifizierungsinstrumente

Der Zahler ist verpflichtet, unmittelbar nach Erhalt eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Er hat dem Zahlungsdienstleister oder einer von diesem benannten Stelle den Verlust, den Diebstahl, die missbräuchliche Verwendung oder die sonstige nicht autorisierte Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments unverzüglich anzuzeigen, nachdem er hiervon Kenntnis erlangt hat.

****§ 675f BGB

Zahlungsdienstevertrag

(1) […]

(2) […]

(3) […]

(4) Der Zahlungsdienstnutzer ist verpflichtet, dem Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Für die Erfüllung von Nebenpflichten nach diesem Untertitel hat der Zahlungsdienstleister nur dann einen Anspruch auf ein Entgelt, sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart worden ist; dieses Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.

(5) […]

*****§ 675m BGB

Pflichten des Zahlungsdienstleisters in Bezug auf Zahlungsauthentifizierungsinstrumente; Risiko der Versendung

(1) Der Zahlungsdienstleister, der ein Zahlungsauthentifizierungsinstrument ausgibt, ist verpflichtet,

1. […]

2. […]

3. […]

4. jede Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments zu verhindern, sobald eine Anzeige gemäß § 675l Satz 2 erfolgt ist. […]

(2) […]

LG München: Nintendo erhält 1 Mio EURO Schadensersatz von Shop-Betreiber wegen des Vertriebs von Slot-1-Karten für Nintendo DS

LG München
Urteil vom 20.06.2012
21 O 22196/08


Das LG München hat dem Spielkonsolenhersteller Nintentdo Schadensersatz in Höhe von 1 Millionen EURO zugesprochen und einen Online-Händler, der sogenannte Slot-1-Karten für die Konsole Nintendo DS verkauft hatte, zur Zahlung verurteilt. Mit den Slot-1-Karten war es möglich den Kopierschutz zu umgehen und Raukopien auf der Konsole zu verwenden. Bereits mit Urteil vom 14. Oktober 2009 · 21 O 22196/08 hatte das LG München den Händler zur Unterlassung und Auskunftserteilung verurteilt.

OLG Hamburg: Urheberrechtsverletzung durch einen nicht verlinkten Kartenausschnitt, der nur durch Direkteingabe des Links aufrufbar ist

OLG Hamburg
Beschluß vom 8.2.2010
5 W 5/10
Nicht mit der Homepage verlinkter Kartenausschnitt



Häufig wird nach einer Abmahnung wegen der urheberrechtswidrigen Verwendung von Stadplänen, Kartenausschnitten, Fotos und Bildern der Fehler gemacht, dass lediglich der Link auf der Webseite entfernt wird. Das OLG Hamburg hat sich mit der Frage befasst, ob ein öffentliches zugängliche machen im Sinne von § 19a UrhG auch dann vorliegt, wenn eine Datei nicht auf der Homepage verlinkt ist, sondern nur (noch) durch Direkteingabe aufrufbar ist. Nach Ansicht des OLG Hamburg liegt auch dann eine Urheberrechtsverletzung vor.

In den Entscheidungsgründen heißt es:

"Nichts anderes kann gelten, wenn ein Kartenausschnitt zu keinem Zeitpunkt mit der Homepage des Verletzers verlinkt war, sondern nur durch Eingabe der URL erreichbar war. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, reicht die abstrakte Möglichkeit der Erreichbarkeit durch Eingabe der URL für § 19a UrhG aus. Diese Bestimmung setzt lediglich voraus, dass Dritten der Zugriff auf das betreffende Werk faktisch eröffnet wird ( Senat GRUR-RR 2008,383 ). Eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass ein tatsächlicher Zugriff realistisch ist, wird nicht verlangt und kann entgegen der Auffassung des LG Berlin ( GRUR-RR 2008, 387 ) auch nicht aus § 15 Abs.3 UrhG gefolgert werden."

Diese Entscheidung verdeutlicht wieder einmal, dass es nach einer Abmahnung bzw. gerichtlichen Entscheidung wichtig ist, die streitigen Inhalte komplett vom Server zu löschen und auch sicherzustellen, dass diese bei einem Backup nicht versehentlich wiederhergestellt werden. Andernfalls droht z.B. nach Abgabe einer Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafe.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
"OLG Hamburg: Urheberrechtsverletzung durch einen nicht verlinkten Kartenausschnitt, der nur durch Direkteingabe des Links aufrufbar ist" vollständig lesen