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OLG Jena: Ist auch die private Nutzung eines betrieblichen E-Mail-Accounts gestattet so darf das Unternehmen im Regelfall nicht darauf zugreifen

OLG Jena
Urteil vom 14.09.2021
7 U 521/21


Das OLG Jena hat entschieden, dass für den Fall, dass die private Nutzung eines betrieblichen E-Mail-Accounts gestattet ist, das Unternehmen im Regelfall nicht darauf zugreifen darf.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der Verfügungskläger kann seine auf eine Unterlassung des Zugriffs der Verfügungsbeklagten auf Daten seines dienstlichen E-Mail-Postfaches gerichteten Eilanträge auf §§ 44 Abs. 1, 88 TKG stützen. Denn die Verfügungsbeklagte hat mit ihrer Einsichtnahme in das dienstliche E-Mail Postfach des Verfügungsklägers, für welches auch die private Nutzung erlaubt war, sowie mit der Verarbeitung der dortigen Daten - wie mit dem Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 15.04.2020 an den Verfügungskläger aufgeführt - gegen das Fernmeldegeheimnis verstoßen. Sie muss sich dabei als Diensteanbieter iSd §§ 88 Abs. 2, 3 Nr. 6 TKG behandeln lassen.

Der Senat ist sich dabei bewusst, dass die Frage der Anwendbarkeit des § 88 TKG auf die betriebsinterne private Nutzung von E-Mails stark umstritten ist. Die wohl (noch) herrschende Auffassung in der Fachliteratur und der Datenschutzbehörden (s. DSK, Orientierungshilfe der Datenschutzaufsichtsbehörden zur datenschutzgerechten Nutzung von E-Mail und anderen Internetdiensten am Arbeitsplatz, abrufbar unter https://www.....de/....pdf) sieht dessen Anwendungsbereich eröffnet (zum Streitstand u.a.: Braun in: Heckmann/Paschke, jurisPK-Internetrecht, 7. Aufl., Kap. 7 (Stand: 01.06.2021), Rn. 141ff.; Jenny in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 88 TKG, Rn. 15f.; Härting in: Härting, Internetrecht, 6. Aufl. 2017, Datenschutzrecht, Rn. 351f., Geppert/Schütz/Bock, 4. Aufl. 2013, TKG § 88 Rn. 24ff., Spindler/Schuster/Eckhardt, 4. Aufl. 2019, TKG § 88 Rn. 26ff.; dagegen MHdB ArbR, § 96 Beschäftigtendatenschutz Rn. 298ff., beck-online).

a) Gemäß § 88 Abs. 2 TKG ist jeder Diensteanbieter zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet. Diensteanbieter nach § 3 Nr. 6 TKG ist jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste für Dritte erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt. Die geschäftsmäßige Erbringung von Telekommunikationsdiensten ist nach § 3 Nr. 10 TKG das nachhaltige Angebot von Telekommunikation für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht. Die Einordnung als Diensteanbieter im Verhältnis des Arbeitgebers zu seinen Mitarbeitern bei Gestattung der Nutzung des dienstlichen E-Mail-Postfachs oder Internetzuganges zu privaten Zwecken wird in Literatur und Rechtsprechung streitig diskutiert.

aa) In der arbeitsgerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist in den vergangenen Jahren eine Tendenz zu beobachten, wonach die Einstufung des Arbeitgebers als Telekommunikationsdienstleister eher abgelehnt wird. Danach unterliege der Zugriff auf E-Mails eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber auch dann nicht dem Fernmeldegeheimnis gemäß § 88 TKG, wenn die private Nutzung der dienstlichen E-Mails gestattet bzw. geduldet sei, da der Arbeitgeber in dieser Situation keine geschäftsmäßigen Telekommunikationsdienstleistungen erbringe (u.a. LAG Niedersachsen, Urteil vom 31.05.2010 - 12 Sa 875/09, BeckRS 2010, 70504; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.02.2011 – 4 Sa 2132/10, NZA-RR 2011, 342, beck-online; dem entgegen jedoch in diesem Punkt unter Hinweis auf die h.M. Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 21.09.2018 – 10 Sa 601/18 –, Rn. 72, juris).

Die Fachliteratur hat diese Rechtsprechung teilweise aufgegriffen und Argumente nachgeliefert. Das TKG diene unter anderem der Umsetzung der sog. ePrivacy-Richtlinie RL 2002/58/EG, die die Regulierung öffentlicher Kommunikationsnetze bezwecke. Die Kommunikationsdienste eines Arbeitgebers seien jedoch nicht öffentlich, sondern nur für Beschäftigte während der Arbeitszeit zugänglich. Sie seien daher nicht im gleichen Maße schutzbedürftig wie die Nutzer öffentlicher Kommunikationsnetze. Beschäftigte könnten nicht darauf vertrauen, dass die Inhalte der Kommunikation stets vertraulich blieben, da bekanntermaßen berechtigte Interessen des Arbeitgebers dem entgegenstehen würden, wie z.B. Archivierungspflichten nach § 238 Abs. 2 HGB. Die Vertraulichkeit der innerbetrieblichen Kommunikation werde dagegen im hinreichenden Maße durch das Datenschutzrecht sichergestellt. Zudem setze § 3 Nr. 10 TKG voraus, dass der Diensteanbieter Telekommunikationsdienstleistungen geschäftsmäßig erbringe. Gemäß § 3 Nr. 24 TKG werden Telekommunikationsdienste „in der Regel gegen Entgelt” erbracht. Diese Regel werde jedoch in ihr Gegenteil verkehrt, wenn man den unentgeltlich leistenden Arbeitgeber als Telekommunikationsanbieter ansehe. Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „geschäftsmäßig” sei der Gesetzeszweck des § 1 TKG zu beachten. Dieser soll den Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation fördern. Die Zielsetzung der Arbeitgeber sei aber gerade nicht die Teilnahme am freien Markt. Zudem erfordere die Praxis, dass Arbeitgeber in bestimmten Fällen die Kommunikation innerhalb des Betriebes auswerten. So müssten beispielsweise E–Mails zur Durchführung von Compliance-Maßnahmen ausgewertet werden, um der Aufsichtspflicht des Arbeitgebers nach §§ 30, 130 OWiG nachzukommen. Dies könne ebenso der Fall sein, um Anordnungen von Aufsichts- und Strafbehörden zur Sachverhaltsaufklärung zu erfüllen. Die Einordnung als Telekommunikationsanbieter führe für den Arbeitgeber daher zu unauflösbaren Konflikten mit seinen gesetzlichen Verpflichtungen. Darüber hinaus beeinträchtige das Verbot der Auswertung innerbetrieblicher Kommunikation die wesentlichen Geschäftsinteressen der Unternehmen in unangemessener Weise. Beispiele seien Fälle längerer Abwesenheiten von Beschäftigten, die wichtige Informationen in Form von E–Mails abgespeichert hätten, auf die der Arbeitgeber bzw. Arbeitskollegen keinen Zugriff hätten. Diese Beschränkung der Kontrollmöglichkeiten führe daher auf verfassungsrechtlicher Ebene zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in berufs- und eigentumsrechtliche Grundrechte des Arbeitgebers (MHdB ArbR, § 96 Beschäftigtendatenschutz Rn. 301, 302, beck-online).

Auch wird gegen eine Anwendbarkeit des § 88 TKG aufgeführt, dass ein derartiges pauschales Verarbeitungsverbot ohne Abwägung betroffener Interessen höchst untypisch für das Datenschutzrecht sei. Dies zeigten beispielsweise die B.-Entscheidung des EuGH und das sog. Detektivurteil des BAG (MHdB ArbR, § 96 Beschäftigtendatenschutz Rn. 298, beck-online).

bb) Hingegen wird in der überwiegenden Literatur eine Anwendbarkeit des TKG in vorliegender Konstellation - auch unter Hinweis auf die Auffassung der Datenschutzbehörden - bejaht. Wer als Arbeitgeber seinen Beschäftigten die Nutzung von Telekommunikation für private Zwecke gestattet, biete damit Dritten nachhaltig (d.h. auf Dauer) Telekommunikation an. Ein Arbeitgeber sei dann als Diensteanbieter i.S.v. § 88 TKG bzw. als geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringendes Unternehmen i.S.d. § 206 StGB anzusehen und an das Fernmeldegeheimnis gebunden. Diese Ansicht könne sich auf die Entstehungsgeschichte der Norm stützen. In den Gesetzesmaterialien zu der Vorläufervorschrift (§ 85 TKG-1996) heiße es wörtlich: „Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen damit [...] Nebenstellenanlagen in Betrieben und Behörden, soweit sie den Beschäftigten zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt sind.“. Neuere Stimmen in der Literatur, die in diesen Konstellationen die Geltung des Fernmeldegeheimnisses anzweifeln, seien daher nicht mit einer historischen Auslegung des Gesetzes in Einklang zu bringen. Soweit sich diese Stellungnahmen auf eine teleologische Auslegung und den Gesetzeszweck des TKG beriefen, sei dem zu entgegnen, dass erstens das TKG in § 2 weitere Ziel- und Zweckbestimmungen enthalte, zu denen gerade auch die Wahrung des Fernmeldegeheimnisses gehöre und zweitens der gesamte siebte Teil des Gesetzes sich nicht mit Wettbewerbsaspekten befasse, sondern mit öffentlicher Sicherheit, Datenschutz und dem Fernmeldegeheimnis. Die Anwendung und Auslegung dieser Bestimmungen wirke sich auf die übergeordneten Gesetzesziele der Wettbewerbsförderung und der Gewährleistung flächendeckender angemessener und ausreichender Telekommunikationsdienstleistungen allenfalls indirekt aus. Auf die Erreichung dieser Gesetzesziele dürfte es keinen spürbaren Einfluss haben, ob und inwieweit Arbeitgeber das Fernmeldegeheimnis beachten müssen (J. in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 88 TKG, Rn. 15).

Zudem sei für eine Anwendung maßgeblich, dass sonst dem Umstand, dass bei erlaubter bzw. geduldeter privater Nutzung eines E-Mail-Accounts der Anschluss nicht mehr ausschließlich nur für eigene Zwecke des Arbeitgebers bereitgestellt werde, nicht ausreichend Rechnung getragen werde. Denn durch die erlaubte bzw. geduldete Privatnutzung bestehe für den privat nutzenden Mitarbeiter dieselbe Schutzbedürftigkeit wie sie auch gegenüber einem „klassischen“ Telekommunikationsunternehmen bestehe und diesem Schutzbedürfnis werde gerade durch §§ 88 TKG, 206 StGB Rechnung getragen. Insbesondere greife auch nicht das zur Stützung der Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte vorgebrachte Argument, dass ein Telekommunikationsdienst gem. § 3 Nr. 24 „in der Regel gegen Entgelt“ erbracht werde. Denn damit werde verkannt, dass die §§ 88 TKG, 206 StGB, 91 ff. TKG nicht auf die Legaldefinition in § 3 Nr. 24 Bezug nähmen und damit dieses Merkmal für deren Anwendung irrelevant sei. Soweit argumentiert werde, dass der Beschäftigte kein Dritter im Sinne von Datenschutzbestimmungen sei, werde ungerechtfertigt ausgeblendet, dass das Datenschutzrecht sehr wohl auch den Beschäftigten schütze, was der Gesetzgeber jedenfalls in der BDSG-Novelle zum 01.09.2009 und durch § 26 BDSG nF klargestellt habe. Möge auch das TKG kein „Arbeitnehmerschutzgesetz“ sein, müsse der Schutz der Vertraulichkeit gegenüber einem Anbieter der Telekommunikation auch in diesen Konstellationen gewährleistet werden (Spindler/Schuster/Eckhardt, 4. Aufl. 2019, TKG § 88 Rn. 31).

cc) Der Senat sieht mit der letztgenannten Auffassung derzeit die besseren Argumente für die Einordnung des Arbeitgebers als Diensteanbieter iSd §§ 88 Abs. 2, 3 Nr. 6 TKG bei Gestattung einer privaten Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts. Insbesondere sind die teilweise vorgebrachten Zweckmäßigkeitserwägungen der Gegenauffassung hinsichtlich eines aus dienstlichen Gründen erforderlichen Zugriffsrechts des Arbeitgebers auf ein persönliches E-Mail-Postfach des Mitarbeiters nicht überzeugend. Denn sofern ein Zugriff zu der dienstlichen Kommunikation des Mitarbeiters für den Arbeitgeber erforderlich ist, kann er u.a. durch Veranlassung sog. Funktionspostfächer eine Abgrenzung zu der Privatsphäre des Mitarbeiters schaffen und organisatorische Maßnahmen zur Eingliederung in den betrieblichen Ablauf ergreifen.

dd) Letztlich bedarf es jedoch vorliegend keiner Entscheidung des Senats in Hinblick auf den vorgenannten Streit. Denn unabhängig von der vorgenannten Auseinandersetzung zur Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 88 TKG liegt im streitgegenständlichen Fall eine Selbstbindung der Verfügungsbeklagten mit Schaffung eines entsprechenden Vertrauenstatbestandes infolge der eigenen Einordnung als Diensteanbieter im Rahmen ihrer Richtlinie zur Nutzung von Internet und E-Mail vor. Hierin führt diese unter 4.1 aus, dass sie durch das Angebot der privaten Nutzung des Internetzuganges und des E-Mail Anschlusses zum Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen werde und somit das Fernmeldegeheimnis zu wahren habe.

(1) Zwar steht die von der Verfügungsbeklagten selbst vorgetragene konkrete Anwendbarkeit dieser Richtlinie auf den Verfügungskläger zwischen den Parteien im Streit und hat die Verfügungsbeklagte hierzu weder hinreichend vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Bei einer nur (einfachen) außervertragliche Genehmigung des Arbeitgebers hinsichtlich einer privaten Nutzung des E-Mail-Postfachs kann dieser aufgrund seines Direktionsrechts die Erlaubnis zwar jederzeit ohne Angabe von Gründen für die Zukunft aufheben. Im Falle einer betrieblichen Übung - wie von Seiten des Verfügungsklägers unbestritten vorgetragen - bestehen dagegen nur eingeschränkte Rücknahmemöglichkeiten (Braun in: Heckmann/Paschke, jurisPK-Internetrecht, 7. Aufl., Kap. 7 (Stand: 01.06.2021), Rn. 89), welche vorliegend nicht ersichtlich sind. Daher kommt auch eine Fiktion einer Einwilligung des Verfügungsklägers nach Ziff. 4.2 in die in der Richtlinie geregelten Kontrollrechte der Verfügungsbeklagten infolge privater Nutzung des E-Mail Anschlusses nicht in Betracht.

(2) Der Vortrag der Verfügungsbeklagten im hiesigen Verfahren zur Einordnung als Diensteanbieter im Sinne des TKG steht jedoch im Widerspruch zu der gegenüber ihren Mitarbeitern mitgeteilten eigenen Auffassung. Unabhängig von der Frage der Geltung der Richtlinien zwischen den Parteien hat die Verfügungsbeklagte mit ihrer Richtlinie zum Ausdruck gebracht, sich an die Vorgaben des TKG gebunden und zur Einhaltung des Fernmeldegeheimnisses für die auch zur privaten Nutzung gestatteten dienstlichen E-Mail-Accounts verpflichtet zu sehen. Sie hat damit einen Vertrauenstatbestand für ihre Mitarbeiter geschaffen, wonach auch der Verfügungskläger davon ausgehen konnte, dass ohne seine ausdrückliche Zustimmung die Verfügungsbeklagte keinen Zugriff auf sein dienstliches E-Mail-Postfach nehmen wird. Denn als Konsequenz einer fehlenden Zustimmung des Mitarbeiters zur Geltung der Richtlinie sieht diese lediglich dessen Ausschluss von der privaten E-Mail- bzw. Internetnutzung des dienstlichen Accounts vor. An der gegenüber allen Mitarbeitern - so auch gegenüber dem Verfügungskläger - dargestellten eigenen Einordnung der Verfügungsbeklagten als Diensteanbieter mit Bindung an das Fernmeldegeheimnis ändert eine fehlende Zustimmung des Mitarbeiters zu der Richtlinie jedoch nichts.

b) Zutreffend rügt die Berufung auch, das Landgericht habe vorliegend die Reichweite des insoweit geltenden Fernmeldegeheimnisses verkannt, indem es die Daten im E-Mail-Postfach nicht mehr als Teil des Telekommunikationsvorganges ansah, weil die E-Mails in die Unternehmensabläufe einzubeziehen seien.

Streitig ist, ob das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 I GG dann noch einschlägig ist, wenn der eigentliche Übertragungsvorgang abgeschlossen ist und die E-Mail lediglich auf dem Providerserver „ruht“. (LAG Hessen, Urteil vom 21.09.2018 – 10 Sa 601/18, NZA-RR 2019, 130 Rn. 57ff., beck-online m.w.N.).

Zunächst zutreffend schützt das Fernmeldegeheimnis die private Fernkommunikation und gewährleistet deren Vertraulichkeit, wenn die Beteiligten wegen der räumlichen Distanz auf eine Übermittlung durch andere angewiesen sind und deshalb in besonderer Weise einem Zugriff Dritter ausgesetzt sein können. Das Fernmeldegeheimnis schützt insoweit in erster Linie die Vertraulichkeit der ausgetauschten Informationen und damit den Kommunikationsinhalt gegen unbefugte Kenntniserlangung durch Dritte (Braun in: Heckmann/Paschke, jurisPK-Internetrecht, 7. Aufl., Kap. 7 (Stand: 01.06.2021), Rn. 164; BVerfG, Urteil vom 02.03.2006 – 2 BvR 2099/04 –, BVerfGE 115, 166-204).

Der Auffassung, dass der Schutz des Fernmeldegeheimnisses grundsätzlich in dem Moment ende, in dem die Nachricht bei dem Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet sei, ist das Bundesverfassungsgericht jedoch in einer neueren Entscheidung relativierend entgegen getreten. Danach ist der zugangsgesicherte Kommunikationsinhalt in einem E-Mail-Postfach, auf das der Nutzer nur über eine Internetverbindung zugreifen kann, durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützt. Das Fernmeldegeheimnis knüpft an das Kommunikationsmedium an und will jenen Gefahren für die Vertraulichkeit begegnen, die sich gerade aus der Verwendung dieses Mediums ergeben, das einem staatlichem Zugriff leichter ausgesetzt ist als die direkte Kommunikation unter Anwesenden. Die auf dem Mailserver des Providers vorhandenen E-Mails sind nicht im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers, sondern des Providers gespeichert. Sie befinden sich nicht auf in den Räumen des Nutzers verwahrten oder in seinen Endgeräten installierten Datenträgern (BVerfG, Urteil vom 16.06.2009 - 2 BvR 902/06 -, NJW 2009, 2431, beck-online).

Das LAG Hessen verneint in seiner Entscheidung vom 21.09.2018 (a.a.O.) deshalb eine Anwendbarkeit des § 88 TKG, sofern der Sendevorgang abgeschlossen ist und die E-Mails auf einem Ordner abgelegt sind, auf den der Arbeitgeber ohne Zugriff auf das Internet zugreifen kann.

Derartige Feststellungen sind im erstinstanzlichen Urteil jedoch weder getroffen noch ist vorliegend ein solcher Vortrag der Verfügungsbeklagten ersichtlich. Vielmehr ist nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten zum vermeintlichen Ausnutzen von Sicherheitslücken durch den Verfügungskläger im System O. W. A. (u.a. Berufungserwiderung Seite 3, Bl. 480 Bd. III d.A.) davon auszugehen, dass die E-Mails im O.-S. gespeichert und daher nur über das Internet abzurufen waren. Hierfür spricht auch der Umstand, dass der Verfügungskläger von mobilen Endgeräten auf das E-Mail-Postfach zugreifen konnte.

c) Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten kommt es auch nicht darauf an, dass nach ihrem Vortrag lediglich dienstliche E-Mails bzw. deren Zu- und Abgangsdaten im E-Mail-Postfach des Verfügungsklägers kontrolliert wurden. Die fehlende Gestattung der Kontrolle privater E-Mails im dienstlichen E-Mail-Postfach verhindert mittelbar auch die Überwachung dienstlicher E-Mails. Zwar erstreckt sich die Verpflichtung zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses nur auf E-Mails, für die der Arbeitgeber als Diensteanbieter gilt, also nur auf die privaten E-Mails. Wenn sich aber private E-Mails im E-Mail-System nicht klar von dienstlichen E-Mails unterscheiden lassen, müssen auch dienstliche E-Mails wie private behandelt werden. Der Arbeitgeber kann keine Kontrolle der gesamten E-Mails mit der Begründung durchführen, diese richte sich nur auf dienstliche E-Mails. Vielmehr müsste der Arbeitgeber vor jeder Kontrollmaßnahme entscheiden, ob eine dienstliche E-Mail vorliegt. Dies kann allenfalls anhand der Adresse und/oder des Betreffs, oft aber erst durch Prüfung des Inhalts ermittelt werden. Dieses Vorgehen ist indes ohne Einwilligung grundsätzlich unzulässig, so dass bei einer Mischnutzung keine zulässige Differenzierung möglich ist. Bei erlaubter Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts dürfen also auch dienstliche E-Mails nicht kontrolliert werden, es sei denn, der Arbeitnehmer hat sich hiermit einverstanden erklärt, wobei ein solches Einverständnis auch zur Bedingung für eine Erlaubnis der Privatnutzung gemacht werden kann (Braun in: Heckmann/Paschke, jurisPK-Internetrecht, 7. Aufl., Kap. 7 (Stand: 01.06.2021), Rn. 150).

d) Eine Einwilligung des Verfügungsklägers in die Kontrolle seines E-Mail-Postfachs liegt auch nicht vor. Die Verfügungsbeklagte beruft sich hinsichtlich einer Einwilligung des Verfügungsklägers in mögliche Kontrollmaßnahmen auf Ziffer 4.1 RL, welche durch Privatnutzung erfolgt sein soll. Dies würde jedoch zunächst voraussetzen, dass die Anwendung der Richtlinie zwischen den Parteien so vereinbart worden ist. Allein aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers folgt die Anwendbarkeit nicht. Vortrag zu einer konkreten Vereinbarung hat die Verfügungsbeklagte nicht erbracht. Es wird auf obige Ausführungen verwiesen.

e) Ebenso kann sich die Verfügungsbeklagte nicht auf eine ausnahmsweise Rechtfertigung ihres Verhaltens wegen eines konkreten Missbrauchsverdachtes berufen. Eine solche Kontrollmöglichkeit des Arbeitgebers wird zwar in der überwiegenden Literatur vertreten, wenn der konkrete Verdacht einer Straftat oder des Verrats von Geschäftsgeheimnissen besteht. Allerdings ist dieses Ergebnis nach gegenwärtiger Rechtslage kaum schlüssig begründbar. Es fehlt an einem Erlaubnistatbestand i.S.d. § 88 Abs. 3 TKG. § 100 Abs. 3 TKG greift nicht, denn die Verwendung von „Verkehrsdaten zur Aufklärung der Verletzung geschäftlicher Interessen“ des Arbeitgebers als Diensteanbieter ist gem. § 100 Abs. 3 TKG auf telekommunikationsspezifische Missbräuche beschränkt (Braun in: Heckmann/Paschke, jurisPK-Internetrecht, 7. Aufl., Kap. 7 (Stand: 01.06.2021), Rn. 158).

Darüber hinaus ist vorliegend jedoch auch ein konkreter Missbrauchsverdacht im Vorfeld des hier streitgegenständlichen Eingriffs für die Verfügungsbeklagte nicht ersichtlich. Vielmehr hat sich diese erst durch den unzulässigen Zugriff auf den E-Mail-Account selbst mögliche Verdachtsmomente geschaffen. Die Ableitung eines konkreten Missbrauchsverdachtes zuvor wegen der Umstände um die fehlende Herausgabe des USB-Sticks durch den Verfügungskläger trägt hingegen nicht. Denn dieser hatte hierzu unbestritten vorgetragen, dass sich auf dem USB-Stick Daten zu seinen persönlichen finanziellen Verhältnissen befanden, die wiederum seine Privatsphäre betrafen.

f) Aufgrund des bestehenden Anspruchs des Verfügungsklägers aus §§ 44, 88 TKG bedarf es einer weiteren Auseinandersetzung des Senats mit möglichen Ansprüchen des Verfügungsklägers gem. §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 202a, 206 StGB bzw. DSGVO und BDSG nicht.

3. Auch der erforderliche Verfügungsgrund ist vorliegend gegeben.

Bei der Frage, ob der Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist, sind die schutzwürdigen Interessen beider Seiten im Rahmen des gerichtlichen Beurteilungsspielraums gegeneinander abzuwägen. Es muss eine Dringlichkeit gegeben sein, die bei zu langem Zuwarten des Erlassantrages widerlegt werden kann. In persönlichkeitsrechtlichen Streitigkeiten ist ein Verfügungsgrund für eine auf Unterlassung gerichtet einstweilige Verfügung regelmäßig zu bejahen, wenn keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, insbesondere durch Zuwarten, gegeben ist. (OLG Dresden, Beschluss vom 06. Januar 2021 – 4 U 1928/20 –, Rn. 7, juris m.w.N.).

Der Antrag auf einstweilige Verfügung ist durch den Verfügungskläger unmittelbar nach Bekanntwerden der Einsichtnahme in sein E-Mail-Postfach durch Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 15.04.2020 am 11.05.2020 gestellt worden. Diese Frist ist nach Auffassung des Senats noch ausreichend, zumal der Verfügungskläger bereits mit Schreiben vom 23.04.2020 sein Rechtsschutzziel gegenüber der Verfügungsbeklagten mit Geltendmachung seiner Rechte nach DSGVO deutlich machte. Auf die Frage einer fehlenden Vollstreckung der zunächst erlassenen einstweiligen Verfügung kommt es nicht an.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH: Weinerzeuger darf seinen Weinbaubetrieb auch dann angeben wenn die Kelterung in fremden Betriebsräumern unter seiner Leitung und ständigen Überwachung erfolgt

EuGH
Urteil vom 23.11.2023
C-354/22


Der EuGH hat entschieden, dass ein Weinerzeuger seinen Weinbaubetrieb auch dann angeben darf, wenn die Kelterung in fremden Betriebsräumern aber unter seiner Leitung und ständigen Überwachung erfolgt.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Weinbereitung und -etikettierung: Ein Weinerzeuger darf seinen eigenen Weinbaubetrieb auch dann angeben, wenn die Kelterung in den Betriebsräumen eines anderen Weinerzeugers erfolgt

Dies setzt allerdings voraus, dass während der erforderlichen Zeit nur der namensgebende Weinerzeuger die angemietete Kelteranlage nutzt und die Kelterung unter seiner Leitung und seiner engen und ständigen Überwachung stattfindet.

Ein Weinerzeuger der deutschen Moselregion verwendet die Angaben „Weingut“ und „Gutsabfüllung“ für Wein, den er aus Trauben erzeugt, die von Rebflächen stammen, die er etwa 70 km von seinem eigenen Betrieb entfernt gepachtet hat. Aufgrund eines Vertrags werden die angepachteten Rebflächen von ihrem Eigentümer nach den Vorgaben des namensgebenden Weinerzeugers angebaut. Nach der Weinlese steht eine angemietete Kelteranlage für einen Zeitraum von 24 Stunden ausschließlich für die Verarbeitung der Trauben von den gepachteten Rebflächen nach den önologischen Vorgaben des namensgebenden Weinerzeugers zur Verfügung. Dieser befördert anschließend den hergestellten Wein zu seinen Betriebsräumen.

Nach Auffassung des Landes Rheinland-Pfalz darf der namensgebende Weinerzeuger die fraglichen Angaben nicht für den in den Betriebsräumen des anderen Weinerzeugers hergestellten Wein verwenden. Damit bestimmte Angaben, die wie beispielsweise „Weingut“ auf einen namensgebenden Weinbaubetrieb verweisen, verwendet werden dürfen, verlangt das Unionsrecht1 nämlich, dass das Weinbauerzeugnis ausschließlich aus Trauben gewonnen wird, die von Rebflächen dieses Betriebs stammen, und die Weinbereitung vollständig in diesem Betrieb erfolgt.

Das deutsche Verwaltungsgericht, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist, hat den Gerichtshof zu der zuletzt genannten Voraussetzung befragt.

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass nach dem Unionsrecht die fraglichen Angaben, die eine höhere Qualität gewährleisten sollen, Weinbauerzeugnissen mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g. U.) oder geschützter geografischer Angabe (g. g. A.) vorbehalten sind. Das Verwaltungsgericht hat zu prüfen, ob die Rebflächen, die in 70 km Entfernung von dem namensgebenden Weinbaubetrieb angepachtet wurden, von dessen g. U. oder g. g. A. erfasst sind.

Des Weiteren stellt der Gerichtshof fest, dass der Begriff des Betriebs und damit die Verwendung der fraglichen Angaben nicht auf die Flächen beschränkt ist, die im Eigentum des namensgebenden Weinerzeugers stehen oder sich in deren Nähe befinden. Sie können sich auch auf Rebflächen erstrecken, die an einem anderen Ort gepachtet sind, sofern die Arbeiten der Bewirtschaftung und Ernte der Trauben unter der tatsächlichen Leitung, der engen und ständigen Überwachung und der Verantwortung des namensgebenden Weinerzeugers erfolgen.

Wenn diese Voraussetzungen bei der Kelterung in einer für einen kurzen Zeitraum bei einem anderen Betrieb angemieteten Kelteranlage erfüllt sind und diese Kelteranlage für die erforderliche Zeit ausschließlich dem namensgebenden Weinbaubetrieb zur Verfügung gestellt wird, dann kann davon ausgegangen werden, dass die Weinbereitung vollständig im namensgebenden Weinbaubetrieb erfolgt ist.

Dieselben Voraussetzungen gelten darüber hinaus dann, wenn Mitarbeiter des die Kelteranlage vermietenden Weinbaubetriebs die Kelterung durchführen. Dieser Vorgang muss nach den eigenen Vorgaben des namensgebenden Weinbaubetriebs erfolgen. Dieser Betrieb darf sich nicht darauf beschränken, auf etwaige Anweisungen des die Kelteranlage vermietenden Weinbaubetriebs zu verweisen

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 der Kommission vom 17. Oktober 2018 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Anträge auf Schutz von Ursprungsbezeichnungen, geografischen Angaben und traditionellen Begriffen im Weinsektor, das Einspruchsverfahren, Einschränkungen der Verwendung, Änderungen der Produktspezifikationen, die Löschung des Schutzes sowie die Kennzeichnung und Aufmachung in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2021/1375 der Kommission vom 11. Juni 2021 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

der Umstand, dass die Kelterung der von gepachteten Rebflächen stammenden Trauben in einer Anlage stattfindet, die der namensgebende Weinbaubetrieb für einen kurzen Zeitraum bei einem anderen Weinbaubetrieb anmietet, nicht ausschließt, dass die Weinbereitung als im Sinne dieser Bestimmung vollständig im namensgebenden Weinbaubetrieb erfolgt anzusehen ist, sofern diese Anlage für die für den Keltervorgang erforderliche Zeit ausschließlich dem namensgebenden Weinbaubetrieb zur Verfügung gestellt wird und dieser zuletzt genannte Betrieb die tatsächliche Leitung, die enge und ständige Überwachung und die Verantwortung für diesen Vorgang übernimmt.

2. Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 der Delegierten Verordnung 2019/33 in der durch die Delegierte Verordnung 2021/1375 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

eine Weinbereitung selbst dann vollständig im Sinne dieser Bestimmung im namensgebenden Weinbaubetrieb erfolgt, wenn der Vorgang der Kelterung von Mitarbeitern des dem namensgebenden Weinbaubetrieb die Kelteranlage vermietenden Weinbaubetriebs durchgeführt wurde, sofern der Inhaber des namensgebenden Weinbaubetriebs die tatsächliche Leitung, die enge und ständige Überwachung und die Verantwortung für diesen Vorgang übernimmt. Für die Frage, ob davon ausgegangen werden kann, dass die Weinbereitung im namensgebenden Weinbaubetrieb erfolgt, ist es irrelevant, dass der Weinbaubetrieb, der die Kelteranlage vermietet, ein Eigeninteresse an der Art und Weise der Durchführung der Kelterung hat, insbesondere aufgrund einer Vertragsklausel über einen ertrags- und qualitätsabhängigen Zuschlag je Hektoliter Wein.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Schleswig-Holstein: Nach Abgabe einer Unterlassungserklärung wegen eines nicht klickbaren Links auf OS-Plattform genügt Kontrolle der Funktionsfähigkeit des Links einmal pro Monat

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 09.03.2023
6 U 36/22


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass es genügt, wenn der Unterlassungsschuldner nach Abgabe einer Unterlassungserklärung wegen eines nicht klickbaren Links auf die OS-Plattform die Funktionsfähigkeit des Links einmal pro Monat kontrolliert.

Aus den Entscheidungsgründen:
cc) Aus der Aussage der Zeugin K1 hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagte alles Erforderliche unternommen hat, um ihrer Verpflichtung aus der Unterlassungsvereinbarung nachzukommen.

aaa) Die Beklagte ist zunächst nach der Abmahnung im erforderlichen Umfang tätig geworden. Wie die Zeugin bekundet hat, hat sie für die Beklagte am 19.08.2021 einen klickbaren Link auf der über E-Bay aufrufbaren Website der Beklagten eingerichtet und auf seine Funktionsfähigkeit überprüft. Sie habe, so hat sie ausgesagt, diese Prüfung danach noch einmal von einem Mobilgerät aus über ihr privates E-Bay-Konto vorgenommen.

Der Senat glaubt der Zeugin. Die Zeugin hat nachvollziehbar erklärt, weshalb sie nach über 1 1/2 Jahren noch mit Sicherheit bekunden konnte, dass und wann genau sie entsprechend tätig geworden ist. Sie hat erläutert, dass sie dergleichen gewohnheitsmäßig notiere. Nachvollziehbar war auch ihre Erklärung, dass die Beklagte zur Vermeidung von Vertragsstrafenzahlungen die Unterlassungserklärung erst abgegeben habe, nachdem die Beanstandungen abgearbeitet worden seien.

Die Beklagte hat es nicht bei der Einrichtung des Links bewenden lassen, sondern seine Funktionstüchtigkeit auch später noch einmal von der Zeugin überprüfen lassen. Auch dies hat die Zeugin bekundet. Ihrer Aussage zufolge werden die Angaben auf der Website etwa alle zwei bis sechs Wochen überprüft. Sie könne definitiv sagen, dass sie auch die Funktionsfähigkeit des Links in der Zeit zwischen 19.08.2021 und dem 23.09.2021 noch einmal überprüft habe. Wann dies gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Sie sei sicher, dass sie dies auch hier jedenfalls vor Antritt ihres Urlaubs am 22.09.2021 getan habe.

Der Senat glaubt der Zeugin auch insoweit. Es spricht für ihre Glaubwürdigkeit, dass sie eingeräumt hat, das Datum der Überprüfung nicht mehr zu erinnern. Zugleich ist ihre Begründung dafür, weshalb sie gleichwohl mit Sicherheit eine Überprüfung bestätigen könne, nachvollziehbar und glaubhaft. Sie konnte hierfür nicht nur allgemein auf die routinemäßigen Kontrollabstände verwiesen. Sie konnte vielmehr eine Kontrolle vor dem 23.09.2021 auch damit plausibel machen, dass sie vor ihrem Urlaub noch habe sicherstellen wollen, dass währenddessen alles reibungslos funktioniere und sie nicht zwischendurch tätig werden müsse oder die Shops offline geschaltet werden müssten. Dass die Zeugin berechtigt diese Sorge haben konnte, zeigt der weitere Verlauf. Nach der neuerlichen Beanstandung erhielt sie tatsächlich im Urlaub einen Anruf des Geschäftsführers der Beklagten. Auch wurde die Website offline genommen.

bbb) Mehr als das Einrichten eines klickbaren Links, dessen anschließende Überprüfung und eine weitere Überprüfung im Rahmen routinemäßiger Kontrollen konnte von der Beklagten nicht verlangt werden. Auch die Kontrolldichte war ausreichend. Da die Zeugin nur von einer einmaligen Kontrolle im Zeitraum zwischen dem 19.08. und dem 23.09.2021 berichtet hat, ist allerdings nur ein einmonatiger Kontrollrhythmus erwiesen. Dies war hinsichtlich der betreffenden Angabe aber auch ausreichend.

Der Senat legt dieser Bewertung im Ausgangspunkt zugrunde, dass die Beklagte ernsthaft dafür Sorge tragen musste, einen klickbaren Link einzurichten und dessen Funktionstüchtigkeit zu überwachen. Dies folgt schlicht daraus, dass sie sich vertraglich dazu verpflichtet hatte, auf ihrer Website einen klickbaren Link zur Verfügung zu stellen. In welchem Umfang die Beklagte Maßnahmen zur Umsetzung und Kontrolle der Verpflichtung tätig zu treffen hatte, muss sich maßgeblich danach bemessen, welche Bedeutung die Verpflichtung für den lauteren Geschäftsverkehr, dessen Durchsetzung die Unterlassungsvereinbarung dient, und für den Schutz der Verbraucher hat, ferner welche Gefahr von einer pflichtwidrigen Unterlassung ausginge und nicht zuletzt, wie hoch die Gefahr eines nachträglichen Funktionsverlusts des Links einzuschätzen war.

Im Hinblick auf die Bedeutung der Linksetzung ist einerseits zu berücksichtigen, dass das Fehlen des klickbaren Links im Rahmen einer wettbewerblichen Unterlassungsklage als spürbarer Wettbewerbsverstoß i. S. d. § 3a UWG hätte gelten müssen, weil die Verpflichtung unionsrechtlich geregelt ist. Andererseits teilt die Beklagte anlässlich der Information zur Online-Streitbeilegung ausdrücklich mit, dass sie zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren nicht verpflichtet und nicht bereit sei (Anl. K 2 Bl. 3). Diese Mitteilung ist zulässig und wurde von dem Kläger dementsprechend auch nicht angegriffen. Die Bereitstellung des Link ist zwar verpflichtend (Art. 14 Abs. 1 VO (EU) Nr. 524/2013), die Teilnahme an der Online-Streitbeilegung aber nicht (vgl. Erwägungsgrund 26 ebd.). Angesichts der unmissverständlichen Positionierung der Beklagten erscheint es schon fraglich, dass Verbraucher in nennenswerter Zahl den Link überhaupt anklicken. Es käme jedenfalls auch dann aller Voraussicht nach nicht zu dem gewünschten Ziel der außergerichtlichen Streitbelegung. Insofern sind im vorliegenden Fall die Bedeutung des funktionstüchtigen Links nicht zu hoch. Entsprechend gering ist der Nachteil zu gewichten, der dem Verbraucher durch die Funktionsuntüchtigkeit des Links entsteht.

Entscheidend fällt vor Allem aber ins Gewicht, dass die Beklagte nicht mit Änderungen an den von ihr gemachten Angaben rechnen musste. Auch der Kläger trägt keine Anhaltspunkte dafür vor, weshalb sie mit einem nachträglichen Wegfall der Funktionalität hätte rechnen müssen. Die Zeugin K1 hat anschaulich beschrieben, dass sie die bei Einrichtung eines Online-Shops auf E-Bay notwendigen Händlerangaben gemacht habe, nachdem sie sich auf der Plattform für die Beklagte angemeldet habe. Es ist nicht erkennbar, wer außer der Beklagten Zugriff auf diese Angaben nehmen und sie verändern könnte. Dies unterscheidet den Fall grundlegend von demjenigen, den das Landgericht Berlin in dem von dem Kläger in Bezug genommenen Urteil zu entscheiden hatte (Schriftsatz vom 12.01.2022 S. 2 f mit Anl. K 11). Das Landgericht Berlin vertrat die Auffassung, dass bei E-Bay gemachte Angaben mehrmals täglich überprüft werden müssten. Streitgegenständlich dort war aber die Überprüfung der eingestellten Angebote im Hinblick auf inhaltliche Änderungen an Angaben, die von Dritten vorgenommen werden konnten. Konkret ging es um die Gestaltung von Grundpreisangaben. Insoweit hatte die dortige Beklagte eine Überprüfungspflicht nicht einmal bestritten und sich auf tägliche Kontrollen berufen. Hier aber steht nicht die inhaltliche Gestaltung der Angebote in Rede, sondern die Funktionstüchtigkeit eines nach Anmeldung namens der Beklagten gesetzten Links. Auch bei einer solchen Angabe besteht zwar eine Kontrollpflicht. Es kann nie ausgeschlossen werden, dass der Link durch nicht vorhersehbare nicht vorhersehbare äußere Einflüsse seine Funktionstüchtigkeit verliert. Da aber keine konkrete Gefährdungssituation bestand und zudem die Bedeutung der Angabe aus den dargestellten Gründen eher gering zu veranschlagen ist, erscheint eine routinemäßige monatliche Kontrolle als noch ausreichend.


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BGH: Formulare für Patientenaufklärung unterliegen nicht der AGB-Kontrolle - Es gelten Grundsätze des BGH zur ärztlichen Aufklärung

BGH
Urteil vom 02.09.2021
III ZR 63/20
BGB § 307 Abs. 3 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass Formulare für die Patientenaufklärung nicht der AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308, 309 BGB unterliegen. Es gelten vielmehr die Grundsätze des BGH zur ärztlichen Aufklärung.

Leitsatz des BGH:

Formulare, die eine ärztliche Aufklärung und die Entscheidung des Patienten, ob er eine angeratene Untersuchung vornehmen lassen will, dokumentieren sollen, unterliegen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht einer Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308, 309 BGB, da für die ärztliche Aufklärung durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte eigenständige Regeln gelten, die auch das Beweisregime erfassen.

BGH, Urteil vom 2. September 2021 - III ZR 63/20 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

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BGH: Schwarzwälder Schinken muss nicht zwingend im Schwarzwald geschnitten und verpackt werden - Erfordernis nicht produktspezifisch gerechtfertigt

BGH
Beschluss vom 03.09.2020
I ZB 72/19
Schwarzwälder Schinken II
VO (EU) Nr. 1151/2012 Art. 7 Abs. 1 Buchst. e


Der BGH hat in Umsetzung des Urteils des EuGH vom 19.12.2018 - C‑367/17 entschieden, dass Schwarzwälder Schinken nicht zwingend im Schwarzwald geschnitten und verpackt werden muss. Dieses Erfordernis ist - so der BGH - nicht produktspezifisch gerechtfertigt

Leitsätze des BGH:

a) Eine Änderung der Spezifikation, die die Zuerkennung einer geschützten geografischen Angabe an die Aufmachung im Erzeugungsgebiet knüpft, ist nur gerechtfertigt, wenn einer der drei in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 genannten Rechtfertigungsgründe - Qualitätswahrung oder Ursprungsgewährleistung oder Kontrollgewährleistung - vorliegt.

b) Bei der Prüfung, ob die Wahrung der Qualität des in Rede stehenden Erzeugnisses (hier: von der geschützten geografischen Angabe "Schwarzwälder Schinken" erfasster Schinken) das Erfordernis der Aufmachung (hier: das Schneiden und Verpacken) im Erzeugungsgebiet (hier: im Schwarzwald) erfordert, kommt es darauf an, ob dieses Erfordernis produktspezifisch gerechtfertigt ist. Eine produktspezifische Rechtfertigung liegt nur vor, wenn das betreffende Erzeugnis bei einer Verarbeitung außerhalb des Erzeugungsgebiets im Vergleich zu anderen vergleichbaren Erzeugnissen erhöhten Risiken ausgesetzt ist, denen mit den vorgesehenen Maßnahmen wirksam begegnet werden kann.

c) Das Erfordernis der Aufmachung im Erzeugungsgebiet ist unter dem Gesichtspunkt der Ursprungsgarantie und der Rückverfolgbarkeit des Erzeugnisses nur gerechtfertigt, wenn die Spezifikation zur Gewährleistung des Ursprungs des Erzeugnisses Kontrollen vorsieht, die innerhalb des Erzeugungsgebiets effektiver als außerhalb dieses Gebiets vorgenommen werden können.

d) Das Erfordernis der Aufmachung eines von einer geschützten geografischen Angabe erfassten Erzeugnisses im Erzeugungsgebiet ist gerechtfertigt, wenn es dem Ziel dient, eine wirksame Kontrolle der Spezifikation für diese geschützte geografische Angabe zu gewährleisten. Dabei muss es sich um Kontrollen handeln, die außerhalb des Erzeugungsgebiets weniger Garantien für die Qualität und Echtheit dieses Erzeugnisses geben als Kontrollen, die im Erzeugungsgebiet unter Einhaltung der in der Spezifikation vorgesehenen Verfahren durchgeführt werden.

BGH, Beschluss vom 3. September 2020 - I ZB 72/19 - Bundespatentgericht

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EuGH: Schwarzwälder Schinken muss nur dann im Schwarzwald geschnitten und verpackt werden wenn dies zur Einhaltung der Vorgaben erforderlich ist

EuGH
Urteil vom 19.12.2018
C‑367/17


Der EuGH hat entschieden, dass Schwarzwälder Schinken nur dann im Schwarzwald geschnitten und verpackt werden muss, wenn dies zur Einhaltung und Kontrolle der Vorgaben der geschützte geografische Angabe erforderlich ist.

Tenor der Entscheidung:

Art. 4 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel in Verbindung mit Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1898/2006 der Kommission vom 14. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 510/2006 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel sind dahin auszulegen, dass das Erfordernis der Aufmachung eines von einer geschützten geografischen Angabe erfassten Erzeugnisses in dem geografischen Gebiet, in dem es erzeugt wird, gemäß dem besagten Art. 4 Abs. 2 Buchst. e gerechtfertigt ist, wenn es ein erforderliches und verhältnismäßiges Mittel darstellt, um die Qualität des Erzeugnisses zu wahren oder dessen Ursprung oder die Kontrolle der Spezifikation für die geschützte geografische Angabe zu gewährleisten. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob dieses Erfordernis, was die geschützte geografische Angabe „Schwarzwälder Schinken“ betrifft, durch eines der vorstehend genannten Ziele gebührend gerechtfertigt ist.

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LG Bonn: Bei unzulässigen Inhalten im Internet müssen auch Branchenbucheinträge-Einträge kontrolliert und ggf entfernt werden - Falsche Bezeichnung als Architekt

LG Bonn
Urteil vom 01.06.2016
1 O 354/15


Das LG Bonn hat entschieden, dass bei unzulässigen Inhalten im Internet auch Branchenbucheinträge-Einträge im Internet kontrolliert und die Inhalte ggf. entfernt werden müssen. Vorliegend ging es um die falsche Bezeichnung als Architekt. Der Beklagte hatte zwei strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben und wurde jeweils zur Zahlung von zwei Vertragsstrafen verurteilt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Beklagte hat zunächst die Vertragsstrafe gemäß der Unterlassungserklärung vom 19.09.2007 in Höhe von 2.000 € verwirkt.

Die Internetrecherche seitens der Klägerin hat ergeben, dass der Beklagte auf den Internetseiten N-su.branchen-info.net und www.branchenbuch##.com sowie www.Y2.com weiterhin als Architekt aufgeführt wird, obwohl es ihm aufgrund der Unterlassungserklärung von 19.09.2007 untersagt war, im Wettbewerb handelnd die Bezeichnung „Architekt“ zu verwenden.

Die Bejahung eines Verstoßes gegen die Unterlassungspflicht widerspricht entgegen der Ansicht des Beklagten nicht dem Wortlaut des Vertragsstrafeversprechens. Die Auslegung eines Unterlassungsvertrages richtet sich nach den allgemeinen, für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen. Maßgeblich ist somit in erster Linie der gewählte Wortlaut und der diesem zu entnehmende objektive Parteiwille (vgl. BGH Urteil vom 13.11.2013 – I ZR 77/12GRUR 2014, 595 f, mwN). Nach dem Sinn und Zweck der Unterlassungserklärung ist in Anlehnung an § 5 UWG davon auszugehen, dass die Parteien verhindern wollten, dass der Beklagte durch die weitere Verwendung des Begriffs „Architekt“ eine irreführende geschäftliche Bezeichnung verwendet, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen. Der Passus „im Wettbewerb handelnd“ ist mit dem in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG genannten Begriff der „geschäftlichen Handlung“ vergleichbar. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Parteien mit der Unterlassungserklärung eine geringere Verpflichtung des Beklagten annehmen wollten, als es ihm nach dem UWG auferlegt wird. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Dadurch, dass auf den streitgegenständlichen Seiten der Begriff „Architekt“ im Zusammenhang mit dem Namen des Beklagten und seiner Anschrift aufgeführt ist, wird suggeriert, dass der Beklagte als Architekt weiterhin tätig ist, mithin noch im Wettbewerb handelt. Dies gilt auch für das soziale Netzwerk Y2, in denen Mitglieder neben ihren privaten gerade auch ihre beruflichen Kontakte verwalten.

Dass die streitgegenständlichen Einträge letztlich auf den ursprünglich zutreffenden Registereinträgen des Beklagten als Architekt beruhen und er die jetzt noch vorhandenen und sich verbreitenden Einträge selbst nicht mehr unmittelbar veranlasst hat, steht einer Zahlungspflicht aus der Unterlassungserklärung nicht entgegen. Der Beklagte ist aufgrund der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 19.09.2007 vielmehr verpflichtet, die Löschung der streitgegenständlichen Einträge der Branchendienste und Suchportale zu veranlassen. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs muss nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige andauernde Verletzungen zu verhindern oder rückgängig zu machen. Zwar hat er für das selbstständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten des Dritten hat. Insoweit kann sich der Schuldner nicht darauf berufen dass der Verstoß ohne sein Zutun erfolgt ist (BGH Urteil vom 13.11.2013 – I ZR 77/12GRUR 2014, 595 f, mwN.)

Der Beklagte musste nach der Löschung aus der Architektenliste damit rechnen, dass die Einträge im Internet nach wie vor bestehen, sich ggf. verbreiten und ihm wirtschaftlich zugutekommen. Folglich war er aufgrund der von ihm übernommenen Unterlassungsverpflichtung gehalten, unverzüglich eigene Recherchen über die weitere Verwendung der ihm untersagten Begriffe durchzuführen. Hierbei kann der Beklagte zwar nicht dazu verpflichtet werden, unbegrenzt das Internet auf entsprechende Einträge hin zu durchsuchen. Zur erforderlichen Sorgfalt gehört jedoch ein regelmäßiges Durchsuchen des Internets auf noch vorhandene Einträge, vor allem dann, wenn er durch die Klägerin darauf hingewiesen wird.

Darüber hinaus war der Beklagte hier verpflichtet jedenfalls die Betreiber der gängigsten Dienste wie Branchenbuch ## zu veranlassen, die Berufsbezeichnung Architekt zu entfernen. Der Beklagte hat vorliegend lediglich vorgetragen, dass er sich nach Bekanntwerden der Einträge sofort gekümmert und alles ihm Mögliche zur Bereinigung veranlasst hat. Das Gericht ist sich hierbei dessen bewusst, dass bei Einträgen im Netz zum einen die Schwierigkeit besteht, den Urheber der Einträge ausfindig zu machen und zum anderen, aufgrund der globalen Natur des Internets, zeitnah eine Löschung eines Eintrags zu bewirken. Dennoch kann es dem Beklagten zugemutet werden beim Auffinden eines Eintrags konkrete Löschungsbemühungen anzustellen. So ist beispielsweise ein Löschungsantrag auf der jeweiligen Homepage, soweit vorhanden, auszufüllen und abzusenden. Ansonsten ist – vor allem bei ausländischen Betreibern – ein Gesuch zur Löschung über den Postweg oder zumindest per Email zu senden. Der Beklagte hat hier in keiner Weise dargelegt, wie seine konkreten Bemühungen ausgesehen haben, die Einträge zu löschen bzw. löschen zu lassen. Etwaige Löschungsanfragen per Brief oder Email hat er nicht dargetan.

Die dargelegten Grundsätze gelten auch hinsichtlich des Eintrages als Architekt auf der Internetseite www.Y2.com. Hierbei kann nach Auffassung der Kammer dahinstehen, ob der Beklagte für die Eintragung selbst verantwortlich war oder ein Mitarbeiter die Angaben ohne Auftrag des Beklagten vorgenommen hat. Spätestens nach dem Schreiben der Klägerin vom 23.04.2015, in welchem sie explizit auf den Eintrag hinwies, war er nach den oben genannten Grundsätzen gehalten, den Eintrag zu löschen.

Der Beklagte hat zudem die weitere Vertragsstrafe gemäß der Unterlassungserklärung 13.03.2012 in Höhe von 4.000 € verwirkt.

Hierbei kann dahinstehen, ob der Beklagte die Unterlassungserklärung wirksam gekündigt hat, da eine etwaige Kündigung das Vertragsverhältnis nur ex nunc beendet hätte. Die Klage stützt sich jedoch auf Handlungen, die vor der im Zuge der Klageerwiderung ausgesprochenen Kündigung liegen; das Vertragsversprechen würde daher für eine Verpflichtung des Beklagten als Rechtsgrund fortbestehen.

Dem Beklagten war es auf Grund der Unterlassungsverpflichtung vom 13.03.2012 verwehrt, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung „Architekturbüro“ zu verwenden. Infolgedessen stellt es einen schuldhaften Verstoß gegen die Unterlassungserklärung dar, wenn der Beklagte auf der Internetseite www.stadbranchenbuch-N.de mit dem Begriff „Architektur“ und auf der Seite www.firmenwissen.de mit dem Hinweis „Architekturbüro“, sowie auf den Seiten www.branchenverz.org. und immobilienT##.de mit dem Hinweis „Planungsbüro für Architektur in N“ aufgeführt wird.

Die Formulierung „im geschäftlichen Verkehr verwenden“ ist hier ebenfalls in Anlehnung an den Begriff der „geschäftlichen Handlung im Sinne des „ 2 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 5 UWG auszulegen. Entsprechend den obigen Ausführungen sollte nach dem Sinn und Zweck der Verpflichtungserklärung gerade vermieden werden, dass der nicht mehr in der Architektenliste eingetragene Beklagte weiterhin suggeriert, ein Architekturbüro als eingetragener Architekt zu führen. Der Hinweis „Architekturbüro“ lässt aber gerade nach der allgemeinen Verkehrsanschauung die Leistung eines in der Architektenliste eingetragenen Architekten erwarten.

Gleiches gilt für die Bezeichnung „Architektur“ und „Planungsbüro für Architektur“. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des OLG Hamm (4 U 140/03 = IBR 2005, 211) nicht als irreführend anzusehen, wenn ein Dipl.-Ing., der nicht Mitglied der Architektenkammer ist, auf seinem Briefkopf die Bezeichnung „Diplom-Ingenieur (TU) für Architektur“ verwendet. Der Beklagte war auf den entsprechenden Seiten jedoch im Zusammenhang mit den Begriffen „Architektur“ und „Planungsbüro für Architektur“ aufgeführt. Im Unterschied zur zitierten Entscheidung des OLG Hamm wird der Begriff „Architekt“ auf den streitgegenständlichen Seiten daher isoliert verwendet und es wird nicht ausdrücklich klargestellt, dass es sich bei dem Betroffenen „lediglich“ um einen Ingenieur und nicht um einen eingetragenen Architekten handelt.

Der Beklagte war nach den oben genannten Grundsätzen auch gehalten, Löschungsbemühungen anzustellen. Konkrete Bemühungen hat der Beklagte auch hier nicht vorgewiesen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 2 ZPO.


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BGH: Frist wird durch Übergabe der Postmappe an den zuständigen Mitarbeiter des Gerichts nicht gewahrt, wenn dieser den Schriftsatz versehentlich mit der Mappe zurückgibt

BGH
Beschluss vom 22.05.2014
I ZR 70/14
ZPO § 233 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass eine Frist durch Übergabe der Postmappe an den zuständigen Mitarbeiter des Gerichts nicht gewahrt wird, wenn der Poststellenmitarbeiter des Gerichts den Schriftsatz versehentlich mit der Mappe zurückgibt. Abermals entscheidet der BGH zu Lasten der Anwaltschaft, auch wenn der Fehler in der Sphäre des Gerichts liegt. Immerhin gewährt der BGH in einem solchen Fall die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den in den vorigen Stand.

Leitsatz des BGH:
Ein Schriftstück, mit dem eine bei einem Gericht zu wahrende Frist eingehalten werden sollte, gelangt nicht schon zu dem Zeitpunkt fristwahrend tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Gerichts, zu dem der mit der Annahme von Schriftstücken beauftragte Mitarbeiter des Gerichts die ihm von einem Rechtsanwalt oder einem Mitarbeiter einer Rechtsanwaltskanzlei übergebene Postmappe zum Zwecke der Anbringung des Eingangsstempels auf den Schriftstücken und Einbehaltung der für das Gericht bestimmten Exemplare annimmt.

BGH, Beschluss vom 22. Mai 2014 - I ZR 70/14 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

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OLG Hamm: Saunabetreiber ist nicht verpflichtet Gesundheitszustand der Saunabesucher regelmäßig und ständig zu überwachen

OLG Hamm
Urteil vom 29.08.2012
I-12 U 52/12


Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Saunabetreiber nicht verpflichtet ist, den Gesundheitszustand der Saunabesucher regelmäßig und ständig zu überwachen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das Land­ge­richt hat zu­tref­fend aus­ge­führt, dass eine um­fas­sen­de und alle Ge­fah­ren er­fas­sen­de Be­auf­sich­ti­gung des Sau­na­be­reichs weder mög­lich noch zu­mut­bar ist.

Der Ge­sund­heits­zu­stand der Sau­na­nut­zer ist dem Be­trei­ber re­gel­mä­ßig nicht be­kannt. In­so­weit ist es ihm nicht mög­lich, Ge­fah­ren etwa in Bezug auf Herz-/Kreis­lauf der Sau­na­nut­zer ver­läss­lich ein­zu­schät­zen. Es blie­be hier­nach zur Ver­mei­dung jeg­li­cher Ge­fahr nur eine durch­ge­hen­de Be­auf­sich­ti­gung der Sauna. Selbst die von den Klä­gern vor­ge­schla­ge­nen Kont­roll­in­ter­val­le von 30 Mi­nu­ten wären je­den­falls bei Ein­zel­nut­zung der Sauna nicht stets aus­rei­chend, um jeg­li­cher ab­s­trak­ter Ge­fahr mit letz­ter Si­cher­heit zu be­geg­nen."


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BGH: Betreiber eines Internetmartkplatzes muss keine manuelle Bildkontrolle durchführen, um Markenrechtsverletzungen zu verhindern

BGH
Urteil vom 22. Juli 2010
I ZR 139/08
Kinderhochstühle im Internet
BGB § 823 Abs. 1 Ai; MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5; TMG § 7 Abs. 2 Satz 1; UWG § 6 Abs. 2 Nr. 6, § 8 Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2


Leitsätze des BGH:
a) Der Betreiber eines Internetmarktplatzes, der Dritten dort die Möglichkeit eröffnet, Verkaufsangebote ohne seine Kenntnisnahme in einem vollautomatischen Verfahren einzustellen, ist nicht verpflichtet, sämtliche Verkaufsange bote, die die Marken eines Markeninhabers anführen, einer manuellen Bildkontrolle darauf zu unterziehen, ob unter den Marken von den Originalerzeugnissen abweichende Produkte angeboten werden.
b) Der Betreiber eines Internetmarktplatzes haftet regelmäßig nicht nach §§ 3, 6 Abs. 2 Nr. 6, § 8 Abs. 1 UWG als Täter oder Teilnehmer, wenn in Angeboten mit Formulierungen "ähnlich" oder "wie" auf Marken eines Markeninhabers Bezug genommen wird.
c) Die Grundsätze der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung nach § 823 Abs. 1 BGB sind auf die wettbewerbsrechtliche Abmahnung nicht übertragbar.

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