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EuGH: Videokonferenz-Livestream des öffentlichen Schulunterrichts fällt in den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO - Online-Unterricht

EuGH
Urteil vom 30.03.2023
C-34/21
Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer beim Hessischen Kultusministerium
gegen
Minister des Hessischen Kultusministeriums


Der EuGH hat entschieden, dass der Videokonferenz-Livestream des öffentlichen Schulunterrichts in den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO fällt.

Der Tenor der Entscheidung:
1. Art. 88 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass eine nationale Rechtsvorschrift keine „spezifischere Vorschrift“ im Sinne von Abs. 1 dieses Artikels sein kann, wenn sie nicht die Vorgaben von Abs. 2 dieses Artikels erfüllt.

2. Art. 88 Abs. 1 und 2 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass nationale Rechtsvorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten von Beschäftigten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext unangewendet bleiben müssen, wenn sie nicht die in ebendiesem Art. 88 Abs. 1 und 2 vorgegebenen Voraussetzungen und Grenzen beachten, es sei denn, sie stellen eine Rechtsgrundlage im Sinne von Art. 6 Abs. 3 DSGVO dar, die den Anforderungen dieser Verordnung genügt.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Der Videokonferenz-Livestream des öffentlichen Schulunterrichts fällt unter die DSGVO

Der Minister des Hessischen Kultusministeriums legte im Jahr 2020 mit zwei Erlassen den rechtlichen und organisatorischen Rahmen des Schulunterrichts während der COVID-19-Pandemie fest. Mit diesem Rahmen wurde insbesondere für Schüler, die nicht am Präsenzunterricht teilnehmen konnten, die Möglichkeit eingerichtet, am Unterricht per Videokonferenz-Livestream teilzunehmen. Zur Wahrung der Rechte der Schüler im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten wurde festgelegt, dass die Zuschaltung zum Videokonferenzdienst nur mit der Einwilligung der Schüler selbst oder – bei Minderjährigen – ihrer Eltern zulässig ist. Dagegen war die Einwilligung der betroffenen Lehrkräfte zu ihrer Teilnahme an dem Videokonferenzdienst nicht vorgesehen.

Der Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer beim Hessischen Kultusministerium hat Klage gegen den für diese Fragen zuständigen Minister erhoben und gerügt, dass es für den Livestreamunterricht per Videokonferenz, wie er in der nationalen Regelung vorgesehen sei, nicht der Einwilligung der betroffenen Lehrkräfte bedurfte. Der Minister hat geltend gemacht, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten beim Livestreamunterricht per Videokonferenz von der nationalen Regelung gedeckt sei, so dass sie ohne Einholung der Einwilligung der betroffenen Lehrkräfte erfolgen könne.

Das zuständige Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass nach dem Willen des hessischen Landesgesetzgebers die nationale Regelung, auf deren Grundlage die Verarbeitung personenbezogener Daten von Lehrkräften erfolge, in die Kategorie der „spezifischeren Vorschriften“ falle, die die Mitgliedstaaten gemäß Art. 88 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung1 zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten von Beschäftigten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext vorsehen könnten2. Dieses Gericht hatte jedoch Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Regelung mit den Voraussetzungen des Art. 88 Abs. 2 DSGVO3. Es hat den Gerichtshof daher um eine Vorabentscheidung ersucht.

Mit seinem Urteil entscheidet der Gerichtshof, dass eine nationale Rechtsvorschrift keine „spezifischere Vorschrift“ im Sinne von Art. 88 Abs. 1 DSGVO sein kann, wenn sie nicht die Vorgaben von Abs. 2 dieses Artikels erfüllt. Der Gerichtshof stellt überdies klar, dass nationale Rechtsvorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten von Beschäftigten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext unangewendet bleiben müssen, wenn sie nicht die in Art. 88 Abs. 1 und 2 DSGVO vorgegebenen Voraussetzungen und Grenzen beachten, es sei denn, die in Rede stehenden Rechtsvorschriften stellen eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung im Sinne eines anderen Artikels der DSGVO dar, die den Anforderungen dieser Verordnung genügt.

Würdigung durch den Gerichtshof

Zunächst stellt der Gerichtshof fest, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten von Lehrkräften beim Videokonferenz-Livestream des von ihnen erteilten öffentlichen Schulunterrichts in den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO fällt. Er stellt sodann klar, dass diese Verarbeitung der personenbezogenen Daten von Lehrkräften, die als Angestellte oder Beamte im öffentlichen Dienst des Landes Hessen stehen, in den persönlichen Anwendungsbereich des Art. 88 DSGVO fällt, der auf die Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext abstellt.

In einem ersten Schritt befasst sich der Gerichtshof mit der Frage, ob eine „spezifischere Vorschrift“ im Sinne von Art. 88 Abs. 1 DSGVO die Vorgaben des Art. 88 Abs. 2 DSGVO erfüllen muss. Aus der Verwendung des Ausdrucks „spezifischere“ im Wortlaut von Art. 88 Abs. 1 DSGVO ergibt sich, dass die Vorschriften im Sinne dieser Bestimmung einen zu dem geregelten Bereich passenden Regelungsgehalt haben müssen, der sich von den allgemeinen Regeln der DSGVO unterscheidet. Ferner ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 88 DSGVO, dass dessen Abs. 2 dem Ermessen der Mitgliedstaaten, die den Erlass „spezifischerer Vorschriften“ nach Abs. 1 dieses Artikels beabsichtigen, einen Rahmen setzt. So dürfen sich diese Vorschriften zum einen nicht auf eine Wiederholung der Bestimmungen der DSGVO beschränken, die die Bedingungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten und die Grundsätze für diese Verarbeitung vorsehen5 oder auf diese Bedingungen und Grundsätze verweisen. Sie müssen auf den Schutz der Rechte und Freiheiten der Beschäftigten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten abzielen und geeignete und besondere Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person umfassen. Zum anderen ist dabei insbesondere im Hinblick auf die Transparenz der Verarbeitung, die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Unternehmen, die eine gemeinsame Wirtschaftstätigkeit ausüben, und die Überwachungssysteme am Arbeitsplatz vorzugehen. Um als „spezifischere Vorschrift“ im Sinne von Art. 88 Abs. 1 DSGVO eingestuft werden zu können, muss eine Rechtsvorschrift folglich die Vorgaben des Art. 88 Abs. 2 DSGVO erfüllen.

In einem zweiten Schritt erläutert der Gerichtshof die Folgen der Feststellung, dass die in Rede stehenden nationalen Bestimmungen nicht mit den in Art. 88 Abs. 1 und 2 DSGVO vorgesehenen Voraussetzungen und Grenzen vereinbar sind.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass es Sache des für die Auslegung des nationalen Rechts allein zuständigen vorlegenden Gerichts ist, zu beurteilen, ob die in Rede stehenden nationalen Bestimmungen die in Art. 88 DSGVO vorgegebenen Voraussetzungen und Grenzen beachten. Die nationalen Bestimmungen, die die Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten davon abhängig machen, dass diese zu bestimmten Zwecken im Zusammenhang mit der Durchführung eines Beschäftigungs- bzw. Dienstverhältnisses erforderlich sein muss, scheinen jedoch die bereits in der DSGVO aufgestellte Bedingung für die allgemeine Rechtmäßigkeit zu wiederholen, ohne eine spezifischere Vorschrift im Sinne von Art 88 Abs. 1 DSGVO hinzuzufügen. Sollte das vorlegende Gericht zu der Feststellung gelangen, dass bei den nationalen Bestimmungen die in Art. 88 DSGVO vorgegebenen Voraussetzungen und Grenzen nicht beachtet sind, hätte es diese Bestimmungen grundsätzlich unangewendet zu lassen. Nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts wird nämlich in Ermangelung spezifischerer Vorschriften, die die in Art. 88 DSGVO vorgegebenen Voraussetzungen und Grenzen beachten, die Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungskontext sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor unmittelbar durch die Bestimmungen der DSGVO geregelt.

nsoweit weist der Gerichtshof darauf hin, dass auf eine Verarbeitung personenbezogener Daten wie der hier vorliegenden andere Bestimmungen der DSGVO Anwendung finden können, wonach die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt, oder für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. In Bezug auf diese beiden Annahmen der Rechtmäßigkeit sieht die DSGVO zum einen vor, dass die Verarbeitung auf dem Unionsrecht oder dem Recht des Mitgliedstaats, dem der Verantwortliche unterliegt, gründen muss und zum anderen der Zweck der Verarbeitung in dieser Rechtsgrundlage festgelegt oder für die Erfüllung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde.

Gelangt das vorlegende Gericht zu der Feststellung, dass bei den nationalen Bestimmungen über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungskontext die in Art. 88 Abs. 1 und 2 DSGVO vorgegebenen Voraussetzungen und Grenzen nicht beachtet sind, muss es folglich noch prüfen, ob diese Bestimmungen eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung nach einem anderen Artikel der DSGVO darstellen, die den Anforderungen dieser Verordnung genügt. Ist dies der Fall, darf die Anwendung dieser nationalen Vorschriften nicht ausgeschlossen werden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Reichweite des Unterlassungsanspruchs gegen in Anspruch genommenes Bundesland bei Urheberrechtsverletzung durch Lehrer auf Schulhomepage

BGH
Urteil vom 22.09.2021
I ZR 83/20
Uli-Stein-Cartoon
GG Art. 34; BGB § 839 Abs. 1; UrhG § 19a, § 97 Abs. 1 Satz 1, § 97a Abs. 3 Satz 1, § 99; ZPO § 264 Nr. 2 und 3


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Reichweite des Unterlassungsanspruchs gegen ein in Anspruch genommenes Bundesland bei einer Urheberrechtsverletzung auf einer Schulhomepage durch einen Lehrer befasst.

Leitsätze des BGH:

a) Macht ein Lehrer im Rahmen der Informatik-Arbeitsgemeinschaft einer öffentlichen Schule, die sich mit der Erstellung der schulischen Internet-Homepage befasst, auf dieser Homepage einen der Auflockerung und Illustration dienenden Cartoon in urheberrechtsverletzender Weise öffentlich zugänglich, erstreckt sich die hierdurch begründete Wiederholungsgefahr regelmäßig auf alle öffentlichen Schulen im Verwaltungsbereich des in Anspruch genommenen Bundeslands.

b) Weist das erstinstanzliche Gericht den Hauptantrag des Klägers ab und gibt seinem Hilfsantrag statt, fällt bei Einlegung der Berufung durch den Beklagten die Entscheidung über den Hauptantrag bei dem Berufungsgericht nicht zur Entscheidung an, sondern erwächst in Rechtskraft, wenn nicht der Kläger Anschlussberufung einlegt. Dieser Grundsatz gilt auch, wenn der Kläger den Rechtsstreit erstinstanzlich hinsichtlich des Hauptantrags einseitig für in der Hauptsache erledigt erklärt und den Hauptantrag hilfsweise - für den Fall, dass die Voraussetzungen der Feststellung seiner Erledigung nicht vorliegen - aufrechterhält.

c) Erklärt der Kläger mit Blick auf eine von dem Beklagten nach Klageerhebung abgegebene Unterwerfungserklärung den Rechtsstreit hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs einseitig für erledigt und erhält diesen Anspruch hilfsweise - für den Fall, dass der Erledigungsfeststellungsantrag nicht begründet ist - aufrecht, kann die Erledigungserklärung regelmäßig nicht dahin ausgelegt werden, dass der Kläger auf den Unterlassungsanspruch verzichtet oder die Parteien sich auf sein Entfallen geeinigt hätten.

BGH, Urteil vom 22. September 2021 - I ZR 83/20 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OVG Münster: Pflicht zum Tragen eine Maske im Schulunterricht nach der Coronabetreuungsverordnung voraussichtlich rechtmäßig

OVG Münster
Beschluss vom 20.08.2020
13 B 1197/20.NE


Das OVG Münster hat entschieden, dass die Pflicht zum Tragen eine Maske im Schulunterricht nach der Coronabetreuungsverordnung voraussichtlich rechtmäßig ist.

Eilantrag gegen „Maskenpflicht“ im Unterricht erfolglos

Mit Eilbeschluss vom heutigen Tag hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass die in der Coronabetreuungsverordnung angeordnete Pflicht, während des Schulunterrichts grundsätzlich eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, voraussichtlich rechtmäßig ist.

Die Coronabetreuungsverordnung sieht unter anderem vor, dass alle Schüler der weiterführenden und berufsbildenden Schulen, die sich auf dem Schulgelände oder im Schulgebäude aufhalten, verpflichtet sind, auch während des Unterrichts eine sogenannte Alltagsmaske zu tragen. Ausnahmen können aus medizinischen Gründen von der Schulleitung erteilt werden. Zudem können die Masken zeitweise oder in bestimmten Unterrichtseinheiten abgenommen werden, wenn dies aus pädagogischen Gründen erforderlich erscheint. Die drei Antragsteller im Alter zwischen zehn und 15 Jahren besuchen weiterführende Schulen im Kreis Euskirchen. Zur Begründung ihres Eilantrags machen sie im Wesentlichen geltend, dass der Nutzen der Alltagsmaske wissenschaftlich nicht belegt sei. Sie könne allenfalls bei korrekter Anwendung Schutz bieten, diese sei aber bei Kindern bis 14 Jahren nicht zu erwarten. Zudem führe das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung zu Gesundheitsbeeinträchtigungen bei den Schülern, weil sie die Atmung erschwere und bei längerer Tragedauer zu Kopfschmerzen und Konzentrationseinbußen führe. Auch behindere die Maske die Teilnahme am Unterricht, da beispielsweise Wortbeiträge mit höherer Lautstärke vorgetragen werden müssten.

Der 13. Senat hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Verpflichtung, auch während des Unterrichts grundsätzlich eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, sei insbesondere verhältnismäßig. Sie solle dazu beitragen, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus unter den Schülern und Lehrern sowie deren Bezugspersonen zu reduzieren und hierdurch die Virusausbreitung in der Bevölkerung insgesamt einzudämmen. Es sei nicht zu beanstanden, wenn das Land annehme, dass die Wiederaufnahme des regulären Schulbetriebs mit weitgehendem Präsenzunterricht, die dem für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen bedeutsamen Anspruch auf schulische Bildung und Erziehung Rechnung trage, epidemiologisch mit einer erheblichen Gefahrensituation einhergehe. Zwar lasse sich das Infektionsrisiko von Kindern und Jugendlichen sowie deren Relevanz bei der Übertragung des Virus auf andere Personen noch nicht abschließend beurteilen, es habe aber in den letzten Monaten, auch in Nordrhein-Westfalen, immer wieder Ausbrüche an Schulen gegeben. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor bei der Bewertung des Infektionsgeschehens resultiere gegenwärtig daraus, dass kurz vor Beginn des neuen Schuljahres eine nicht unbeträchtliche Zahl von Schülern und Lehrern von Reisen (auch aus sog. Risikogebieten) zurückgekehrt sei.

Die Maskenplicht im Unterricht sei nach den vorliegenden wissenschaftlichen Er-kenntnissen - auch bei Verwendung privat hergestellter textiler Mund-Nase-Bedeckungen - geeignet, die Verbreitung der Viren einzudämmen. Dass das Tragen der Alltagsmaske Gesundheitsgefahren für die Schüler berge, sei nicht feststellbar. Insbesondere sei zu erwarten, dass den Schülern der Umgang mit der Alltagsmaske bereits aufgrund der seit längerem bestehenden Verpflichtung, diese z. B. beim Einkaufen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln zu tragen, geläufig sei. Es lägen auch keine belastbaren Erkenntnisse für die Annahme vor, dass Alltagsmasken die Aufnahme von Sauerstoff oder die Abatmung von Kohlendioxid objektiv in relevanter Weise beeinträchtigten. Die Schulleitung könne auch aus medizinischen Gründen Ausnahmen zulassen. Im Übrigen gelte unbeschadet der Regelungen der Coronabetreuungsverordnung weiterhin die sich aus dem Schulverhältnis ergebende Fürsorgepflicht, sodass erforderlichenfalls auch die Lehrer auf akut auftretende Beeinträchtigungen während des Unterrichts (etwa Atemprobleme) in geeigneter, den Infektionsschutz wahrender Weise reagieren könnten.

Die Maskenpflicht im Unterricht sei angesichts der besonderen, die Infektionsausbreitung strukturell begünstigenden Bedingungen des Schulbetriebs auch erforderlich. So könne das Abstandsgebot wegen der begrenzten Raumkapazitäten in den Schulen regelmäßig nicht eingehalten werden. Die zusätzliche Anmietung von geeigneten Räumen erscheine flächendeckend offenkundig nicht umsetzbar. Andere Regelungsmodelle wie das vor den Sommerferien praktizierte „rollierende“ System oder ein „Schichtbetrieb“ seien nur unter gravierenden Einschränkungen bei den (direkten) Bildungs- und Unterrichtsangeboten möglich und stellten unter dem Aspekt der Bildungsgerechtigkeit den intensiveren Eingriff dar.

Die auf Ende August befristete Pflicht zum Tragen einer Alltagsmaske auch im Unterricht stelle für die betroffenen Schüler nach der Überzeugung des Senats zwar fraglos eine erhebliche Belastung dar. Diese erscheine in der Abwägung mit den damit verfolgten Zielen jedoch derzeit gleichwohl zumutbar. Dies gelte auch, soweit die Verpflichtung zu Beeinträchtigungen des Schulunterrichts und zu erschwerten Unterrichtsbedingungen führe, weil beispielsweise Wortbeiträge mit höherer Lautstärke vorgetragen werden müssten oder die mimische Kommunikation eingeschränkt werde. Die Anordnung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im Unterricht leiste aus virologischer Sicht einen wesentlichen Beitrag dazu, in der gegenwärtigen pandemischen Lage in Nordrhein-Westfalen erneute coronabedingte (Teil-)Schließungen von Schulen so weit wie möglich zu vermeiden.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 13 B 1197/20.NE




OVG Koblenz: Lehrer hat keinen Anspruch auf Entfernung von Fotos seiner Person aus Schuljahrbuch wenn er freiwillig bei entsprechendem Fototermin fotografiert wurde

OVG Koblenz
Beschluss vom 02.04.2020
2 A 11539/19.OVG


Das OVG Kobenz hat entschieden, dass ein Lehrer keinen Anspruch auf Entfernung von Fotos seiner Person aus einem Schuljahrbuch hat, wenn er freiwillig bei einem entsprechendem Fototermin fotografiert wurde

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Kein Anspruch eines Lehrers auf Beseitigung von Fotos aus Schuljahrbuch

Ein Lehrer, der sich bei einem Fototermin in der Schule freiwillig mit Schulklassen hat ablichten lassen, hat keinen Anspruch auf Entfernung der im Jahrbuch der Schule veröffentlichten Bilder. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Der Kläger ist Studienrat im rheinland-pfälzischen Schuldienst. Bei einem Fototermin in der Schule ließ er sich mit einer Schulklasse und einem Oberstufenkurs fotografieren. Die Schule gab, wie bereits im Jahr zuvor, ein Jahrbuch mit den Abbildungen sämtlicher Klassen und Kurse nebst den jeweiligen Lehrkräften heraus. Nachdem der Kläger sich zunächst erfolglos innerhalb der Schulverwaltung gegen die Veröffentlichung der Fotos gewandt hatte, erhob er Klage vor dem Verwaltungsgericht. Er machte geltend, dass die Publikation sein Persönlichkeitsrecht verletze. Er habe kein Einverständnis zur Veröffentlichung der Bilder erteilt, sondern stehe einer solchen vielmehr ablehnend gegenüber. Er habe sich nur ablichten lassen, weil eine Kollegin ihn überredet habe. Den wahren Verwendungszweck der Fotos habe er nicht gekannt.

Das Verwaltungsgericht Koblenz wies die Klage ab (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Koblenz Nr. 33/2019 vom 23. September 2019). Nach dem Kunsturhebergesetz bedürfe es keiner Einwilligung in die Veröffentlichung der Fotos im Jahrbuch der Schule, weil diese Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte seien. Dies ergebe sich aus der dafür erforderlichen Abwägung der wechselseitigen Interessen. Ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestehe auch bei Veranstaltungen von regionaler oder lokaler Bedeutung. Eine solche Bedeutung hätten die Jahrbücher mit den Klassenfotos für die Angehörigen der Schule. Demgegenüber seien die Rechte des Klägers nur geringfügig beeinträchtigt worden. Er sei im dienstlichen Bereich in einer völlig unverfänglichen, gestellten Situation aufgenommen worden und die Bilder seien in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend. Selbst wenn eine Einwilligung erforderlich gewesen sein sollte, wäre diese aber auch zumindest konkludent erteilt worden, weil der Kläger sich mit den beiden Schülergruppen habe ablichten lassen. Er habe gewusst oder jedenfalls wissen müssen, dass die Schule derartige Klassenfotos bereits in der Vergangenheit für Jahrbücher verwendet habe. Es stelle ein widersprüchliches Verhalten dar, die Veröffentlichung von Fotos einerseits strikt abzulehnen und sich andererseits auf Fotos ablichten zu lassen, die offensichtlich dem Zweck der Veröffentlichung dienten.

Das Oberverwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung und lehnte den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ab. Der Kläger habe keine Gründe dargelegt, warum entgegen der nachvollziehbaren Wertung des Verwaltungsgerichts in der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse und der Persönlichkeitsrechte die klägerischen Belange hätten höher zu bewerten sein müssen. Auch den vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Widerspruch in seinem Verhalten habe er nicht überzeugend auflösen können.

Beschluss vom 2. April 2020, Aktenzeichen: 2 A 11539/19.OVG

VG Koblenz: Lehrer hat keinen Anspruch auf Entfernung von Fotos seiner Person aus Schuljahrbuch wenn er freiwillig bei entsprechendem Fototermin fotografiert wurde

VG Koblenz
Urteil vom06.09.2019
5 K 101/19.KO

Das VG Kobenz hat entschieden, dass ein Lehrer keinen Anspruch auf Entfernung von Fotos seiner Person aus einem Schuljahrbuch hat, wenn er freiwillig bei einem entsprechendem Fototermin fotografiert wurde

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Lehrer hat keinen Anspruch auf Beseitigung von Bildern aus Schuljahrbuch

Ein Lehrer hat keinen Anspruch auf Entfernung von Bildern seiner Person aus einem Schuljahrbuch, wenn er sich freiwillig bei einem entsprechenden Fototermin hat ablich­ten lassen und das Foto im dienstlichen Bereich in einer unverfänglichen, gestellten Situation aufgenommen worden ist. Die entsprechende Klage eines Lehrers wies das Verwaltungsgericht Koblenz ab.

Der als Studienrat an einem rheinland-pfälzischen Gymnasium unterrichtende Kläger ließ sich bei einem Fototermin mit zwei Schulklassen ablichten. In der Folge gab die Schule, wie bereits im Jahr zuvor, ein Jahrbuch mit Abbildungen sämtlicher Klassen und Kurse nebst den jeweiligen Lehrkräften heraus. Der Kläger beanstandete daraufhin ohne Erfolg die Veröffentlichung der beiden Bilder mit dem Argument, seine vorherige Zustimmung sei nicht eingeholt und damit durch die Publikation sein Persönlichkeits­recht verletzt worden. Dieses Begehren verfolgte er zuletzt im Klageverfahren weiter und führte dort ergänzend aus, bei dem Fototermin habe er sich nur ablichten lassen, weil ihn eine Kollegin zur Teilnahme überredet habe; den wahren Verwendungszweck der Bilder habe er jedoch nicht gekannt. Die Fotografin habe ihm zugesichert, dass die Bilder nicht veröffentlicht würden. In dem ersten in der Schule herausgegebenen Jahr­buch für das Jahr 2014/2015 seien keine Bilder von ihm veröffentlicht worden.

Dem trat das beklagte Land mit dem Argument entgegen, der Kläger habe durch seine Teilnahme am Fototermin konkludent in die Veröffentlichung der Bilder eingewilligt. Denn obwohl ihm die Gepflogenheit der Veröffentlichung von Klassenfotos in Jahr­büchern bekannt gewesen und der Termin zuvor angekündigt worden sei, habe er sich ablichten lassen und der Veröffentlichung nicht ausdrücklich widersprochen. Jedenfalls liege kein unverhältnismäßiger Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht vor.

Die Koblenzer Richter wiesen die Klage ab und folgten der Argumentation des Beklag­ten. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch scheitere daran, dass ein rechts­widriger Eingriff in sein Recht am eigenen Bild als spezielle Ausgestaltung des allge­meinen Persönlichkeitsrechtes nicht vorliege. Nach dem Kunsturhebergesetz bedürfe es schon keiner Einwilligung des Klägers in die Veröffentlichung, da die beanstandeten Klassenfotos dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen seien. Dies ergebe sich aus einer Abwägung der wechselseitigen Interessen. Ein Informationsinteresse der Öffent­lichkeit bestehe auch bei Veranstaltungen von regionaler oder lokaler Bedeutung; ent­sprechende Bedeutung hätten Jahrbücher mit Klassenfotos für die Angehörigen einer Schule. Der Kläger sei dagegen lediglich in seiner sogenannten Sozialsphäre betroffen, die einem geringeren Schutz unterliege als die Intim- oder Privatsphäre. Da das Foto nur im dienstlichen Bereich aufgenommen worden sei und den Kläger in einer völlig unverfänglichen, gestellten Situation zeige, seien seine Rechte nur geringfügig beein­trächtigt.

Selbst wenn man nach den Vorschriften des Kunsturhebergesetzes eine Einwilligung des Klägers für erforderlich halten würde, habe er diese nach Auffassung des Gerichtes jedenfalls konkludent erklärt, indem er sich beim Fototermin mit den beiden Schüler­gruppen habe ablichten lassen. Denn dies sei geschehen, obwohl er gewusst habe oder jedenfalls hätte wissen müssen, dass die Schule derartige Klassenfotos bereits in der Vergangenheit für Jahrbücher verwendet habe. Unerheblich sei, dass der Kläger – nach seinem Vortrag – gegenüber der Fotografin einer Veröffentlichung ausdrücklich wider­sprochen habe. Ihm sei bekannt gewesen, dass allein die Schulleitung die Entschei­dung über die Veröffentlichung der Fotografien treffe. Von daher hätte er seinen Wider­spruch dem Schulleiter gegenüber erklären müssen.

Gegen diese Entscheidung können die Beteiligten die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen.

(Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 6. September 2019, 5 K 101/19.KO

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Landesdatenschutzbeauftragter Mecklenburg-Vorpommerns verbietet wegen Verstößen gegen DSGVO das Lehrer-Meldeportal "Neutrale Schule" des AfD-Landesverbands Mecklenburg-Vorpommerns

Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit von Mecklenburg-Vorpommern hat u.a. wegen Verstößen gegen die Vorgaben der DSGVO das Lehrer-Meldeportal "Neutrale Schule" des AfD-Landesverbands Mecklenburg-Vorpommerns verboten.

Aus den Entscheidungsgründen:

Landesdatenschutzbeauftragter verbietet AfD-Portal

Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hat heute das Meldeportal „Neutrale Schule“ des AfD-Landesverbands verboten. Die dort veröffentlichten Textpassagen, in denen Schüler zur Meldung angeblicher Verstöße gegen das Neutralitätsgebot aufgefordert werden, sind bis zum 20. September 2019 zu entfernen, ansonsten droht die Verhängung eines Zwangsgeldes.

„Es darf nicht sein, dass Lehrer durch so ein Portal in ihrer Unterrichtstätigkeit eingeschüchtert werden“, erklärt Behördenchef Heinz Müller. „Genau das ist die Aussage der hier zur Anwendung kommenden datenschutzrechtlichen Vorschriften. Selbstverständlich ist es die Aufgabe der Lehrer, für die Demokratie, das Grundgesetz und die darin gewährleistete Menschenwürde einzutreten. Dabei sollen sie keine Angst haben, von selbsternannten AfD-Aufpassern behelligt zu werden.“

Der Landesverband der AfD erhebt in seinem Portal, anders als in seiner Pressemitteilung vom 2. September 2019 angegeben, nicht nur die personenbezogenen Daten der Schüler, die eine Meldung verfassen, sondern sammelt ganz gezielt auch die politischen Meinungen der gemeldeten Lehrer. Als besondere Kategorie personenbezogener Daten steht die politische Meinung jedoch unter besonderem rechtlichen Schutz.

In seiner Stellungnahme stützt der AfD-Landesverband die Datenverarbeitung auf sein berechtigtes Interesse nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DS-GVO. „Hierbei wird verkannt“, so Müller, „dass die Verarbeitung von Daten, aus denen die politische Meinung hervorgeht, nach Artikel 9 Absatz 1 DS-GVO grundsätzlich untersagt ist.“ Eine solche Verarbeitung sei nur ausnahmsweise, unter den Voraussetzungen des Artikels 9 Absatz 2 DS-GVO, erlaubt. Doch die seien hier nicht gegeben.

Zwar hole der Landesverband der AfD die ausdrückliche Einwilligung der Verfasser einer Meldung in die „Nutzung ihrer Daten zu Zwecken der Arbeit der AfD Mecklenburg-Vorpommern“ ein. Doch sei diese Einwilligungserklärung viel zu unbestimmt und daher unwirksam. Mit Blick auf die gemeldeten Lehrer scheide eine Verarbeitung auf der Grundlage einer Einwilligung von vornherein aus. „Dem AfD-Landesverband ist es nicht gelungen, die Rechtmäßigkeit der von ihm zu verantwortenden Datenverarbeitung nachzuweisen“, sagt Müller. „Ein Verbot war daher angebracht.“

Mit Blick auf die Rechte der Betroffenen fügt Müller hinzu: „Übrigens kann jeder vom AfD-Landesverband nach Artikel 15 DS-GVO Auskunft darüber verlangen, ob ihn betreffende Daten verarbeitet werden. Ein formloses Schreiben genügt!“



VG Berlin: Verbreitung heimlich erstellter Fotos und Videos von Lehrkräften auf Instagram rechtfertigt vorläufige Suspendierung des Schülers vom Schulunterricht

VG Berlin
Beschlüsse vom 07.06.2019
VG 3 L 357.19 und VG 3 L 363.19


Das VG Berlin hat entschieden, dass die Verbreitung heimliche erstellter Fotos und Videos von Lehrkräften auf Instagram die vorläufige Suspendierung des Schülers vom Schulunterricht rechtfertigt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Heimliche Fotos und Videos von Lehrkräften auf Instagram: Vorläufige Suspendierung vom chulunterricht gerechtfertigt

Zwei Schüler einer zehnten Klasse einer Integrierten Gesamtschule in Berlin dürfen vorläufig vom Unterricht suspendiert werden, weil sie heimlich Videos und Fotos von Lehrkräften angefertigt und an einen Mitschüler weitergeleitet haben, der sie auf Instagram verbreitet und teilweise mit sexistischen und beleidigenden Kommentaren versehen hat.

Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in zwei Eilverfahren entschieden.

Die Schulleiterin habe die beiden Schüler vorläufig für neun Schultage vom Unterricht suspendieren dürfen. Einer der beiden Schüler hatte zugegeben, heimlich Bilder eines Lehrers aus dem Unterricht angefertigt und an den Betreiber des Instagram-Accounts weitergeleitet zu haben. Der andere Schüler hatte jedenfalls nicht bestritten, dem Mitschüler solche Fotos und Videosequenzen geschickt zu haben. Die Schulleiterin habe davon ausgehen dürfen, dass die beiden Schüler zumindest in Kauf genommen hätten, dass der Mitschüler das Bild- und Videomaterial auf seiner Instagram-Seite veröffentlichen und mit beleidigenden und sexistischen Inhalten versehen würde. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass sie nicht gewusst hätten, was der Mitschüler mit dem Bild- und Videomaterial machen würde, zumal einer der Schüler selber einen solchen Account betreibe.

Es liege auch auf der Hand, dass bei der hier nahe liegenden Weiterverbreitung und Kommentierung in den so genannten sozialen Medien durch einen Mitschüler das geordnete Schulleben beeinträchtigt werde und dadurch das Vertrauen der Schülerschaft in einen regelgeleiteten und friedlichen schulischen Rahmen fortwährend erschüttert sei. Das gelte in besonderem Maße, wenn die weiterverbreiteten Inhalte geeignet seien, die betroffenen Lehrkräfte in der Öffentlichkeit bloßzustellen.

Gegen die Entscheidungen kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Beschlüsse der 3. Kammer vom 7. Juni 2019 (VG 3 L 357.19 und VG 3 L 363.19)



OLG Frankfurt: Land haftet für Urheberrechtsverletzung durch Lehrer auf Schulhomepage auf Unterlassung und Schadensersatz - Amtspflichtverletzung

OLG Frankfurt am Main
Urteil vom 09.05.2017
11 U 153/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass das Land für Urheberrechtsverletzungen durch Lehrer auf einer Schulhomepage auf Unterlassung und Schadensersatz haftet. Es liegt insoweit ein Amtspflichtverletzung vor, für die das Land haftet.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main: Land haftet für Urheberrechtsverletzung seiner Lehrer auf Schulhomepage

Mit Urteil vom 09.05.2017 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) das Land Hessen verpflichtet, die Veröffentlichung eines Cartoons mit schulbezogenem Inhalt eines deutschlandweit bekannten Cartoonisten auf einer Schulhomepage zu unterlassen. Soweit ersichtlich, hat sich erstmals ein Oberlandesgericht konkret mit dieser Materie beschäftigt.

Die Klägerin nimmt die Verwertungsrechte des Cartoonisten S. wahr. Ein hessischer Lehrer hatte auf der Homepage seiner Grundschule eine Zeichnung dieses Cartoonisten ohne Lizenz veröffentlicht.

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land zum einen Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung. Zum anderen begehrt sie, dass das beklagte Land zukünftig jegliche Veröffentlichung dieses Cartoons unterlässt. Das Land weist die Verantwortlichkeit dagegen allein dem kommunalen Schulträger zu. Für diesen hafte es nicht.

Das Landgericht hat das Land zur Schadensersatzzahlung und zum Unterlassen verpflichtet. Das beklagte Land hafte für vergleichbare Urheberrechtsverletzungen seiner Lehrer und aller seiner Bediensteten in den Landesbehörden.

Auf die Berufung des Landes hat das OLG die Haftung dem Grunde nach bestätigt, den Umfang der Unterlassungsverpflichtung jedoch eingeschränkt. Das OLG teilt die Ansicht des Landgerichts, dass das beklagte Land grundsätzlich für den Inhalt einer Schulhomepage einstehen muss, die von einem ihrer Dienstaufsicht unterstehenden Lehrer betreut wird. Die Ausgestaltung eines schulbezogenen Internetauftritts berühre den Bereich des vom Land wahrzunehmenden staatlichen Bildungsauftrags (§ 92 HSchulG). Die schulische Internetpräsenz stelle eine Art „virtuelle Visitenkarte“ der Schule dar, die ihr individuelles Gesicht vermittele. Prägend seien pädagogische Aspekte, etwa das Schulprofil und besondere Lern-und/oder Förderangebote. Diese Inhalte unterfielen dem Verantwortungsbereich des Landes und nicht dem des kommunalen Schulträgers. Zu dessen Aufgaben zähle allein die räumliche und sachliche Ausstattung der Schulgebäude, u.a. mit einem Internetanschluss.

Das OLG hat den Umfang der Unterlassungsverpflichtung jedoch auf Urheberrechtsverstöße beschränkt, für welche im Hinblick auf die erfolgte Veröffentlichung zukünftig eine Wiederholungsgefahr anzunehmen ist. Der explizit schulbezogene Inhalt des Cartoons und die Veröffentlichung auf einer Schulhomepage grenzten dies auf das schulische Umfeld ein. Die Verpflichtung erstrecke sich dagegen nicht auf sämtliche dem beklagten Land unterstehenden Behörden und deren Mitarbeiter.

Die heutige Entscheidung kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof angefochten werden, sofern der Bundesgerichtshof einen Wert des Beschwerdegegenstands von über 20.000 € festsetzt.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.05.2017, Az. 11 U 153/16
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.10.2016, Az. 2-6 O 175/16)



OLG Celle: Land haftet für Urheberrechtsverletzung durch Lehrer auf Schulwebseite - Amtshaftung

OLG Celle
Beschluss vom 09.11.2015
13 U 95/15


Das OLG Celle hat entschieden, dass das jeweilige Bundesland für Urheberrechtsverletzungen haftet, wenn ein Lehrer auf einer Schulwebseite Bilder ohne entsprechende Lizenzen veröffentlicht.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die widerrechtliche und schuldhafte Verletzung der Urheberrechte des Klägers nach §§ 13, 15, 72 UrhG durch den Schulleiter des …-Gymnasiums G. oder durch eine von diesem beauftragte Lehrkraft steht außer Streit. Die - implizite - Feststellung dieser Urheberrechtsverletzung durch das Landgericht ist nicht angegriffen und begegnet keinen Bedenken.

2. Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass das beklagte Land nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG passivlegitimiert ist.

Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Dabei trifft die Verantwortlichkeit nach Art. 34 Satz 1 GG grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Diensten er steht, wenn er die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes verletzt. Dieser Anspruchsübergang erfasst auch den urheberrechtlichen Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG (BGH, Urteil vom 16. Januar 1992 - I ZR 36/90, juris Tz. 17 ff.; Urteil vom 20. Mai 2009 - I ZR 239/06, juris Tz. 10 ff.; von Wolff in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 4. Aufl., § 97 UrhG Rn. 20).

Das beklagte Land räumt ein, dass die Gestaltung der schulischen Homepage von dem Schulleiter im Regelfall an eine oder mehrere Lehrkräfte delegiert wird. Dass dies vorliegend anders gewesen wäre, macht es nicht geltend. Bei dem Schulleiter und den Lehrkräften des …-Gymnasiums G. handelt es sich um Beamte im staatsrechtlichen, jedenfalls aber im haftungsrechtlichen Sinn, deren Anstellungskörperschaft das beklagte Land ist.

Das Landgericht hat weiter zutreffend erkannt, dass der jeweilige Beamte, der das von dem Kläger gefertigte Lichtbild zur Bewerbung der an dem …-Gymnasium G. angebotenen Fremdsprache Spanisch auf die Internet-Seiten dieser Schule eingestellt hat, dabei in Ausübung seines öffentlichen Amtes gehandelt hat.

Ob ein bestimmtes Verhalten einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen ist, bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinne die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist, und ob bejahendenfalls zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dementsprechend handelt in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes jeder, der ihm übertragene Aufgaben der gesetzgebenden und rechtsprechenden Gewalt oder Hoheitsaufgaben auf dem Gebiet der vollziehenden Gewalt wahrnimmt. Wahrnehmung von Hoheitsaufgaben der vollziehenden Gewalt sind alle dienstlichen Tätigkeiten auf diesem Gebiet mit Ausnahme der Wahrnehmung bürgerlich-rechtlicher (fiskalischer) Belange auf dem Boden des bürgerlichen Rechts (BGH, Urteil vom 16. Januar 1992 - I ZR 36/90, juris Tz. 20 m. w. N.; Wöstmann in: Staudinger [Neubearb. 2013], § 839 Rn. 80 f. m. w. N.). Insbesondere bei behördlichen Realakten ist in erster Linie auf die Zielsetzung der betreffenden Tätigkeit abzustellen. Erforderlich ist insoweit eine Diensthandlung des Beamten, die mit der hoheitlichen Zielsetzung in einem so engen äußeren und inneren Zusammenhang steht, dass sie aus dem Bereich der hoheitlichen Betätigung nicht herausgelöst werden kann (Wöstmann, a. a. O. Rn. 83). Ist die eigentliche Zielsetzung, in deren Dienst der Beamte tätig wurde, eine hoheitliche, so ist „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ nicht nur die unmittelbare Verwirklichung, sondern auch eine entferntere (vorangehende, begleitende oder nachfolgende) dienstliche Betätigung, wenn ein solcher Zusammenhang besteht, dass die vorangehende oder nachfolgende Tätigkeit ebenfalls noch als dem Bereich der hoheitlichen Betätigung zugehörend anzusehen ist (Wöstmann, a. a. O. Rn. 85 m. w. N.).

Der hiernach erforderliche enge Bezug der Nutzung des Lichtbildes des Klägers auf den Internet-Seiten der Schule zum Zwecke der Werbung für deren Fremdsprachenangebot mit einer hoheitlichen Tätigkeit besteht. Der Schulbetrieb an öffentlichen Schulen ist eine hoheitliche Aufgabe und für Lehrer die Ausübung eines vom Staat anvertrauten öffentlichen Amtes (Wöstmann a. a. O. Rn. 778 m. w. N.). Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Werbung für das Fremdsprachenangebot der Schule im vorliegenden Fall weder eine Lehrtätigkeit als solche darstellte, die den Kernbereich des hoheitlichen Schulbetriebs darstellt, noch vergleichbar eng mit dieser Lehrtätigkeit verbunden war, wie beispielsweise die Zurverfügungstellung von Lehrmaterialien oder Computerprogrammen zur Nutzung während des Studiums, die Gegenstand der vorzitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 1992 und vom 20. Mai 2009 waren. Dennoch besteht der erforderliche enge Zusammenhang. Die als hoheitlich einzuordnende Tätigkeit von Lehrkräften und Beamten der Schulverwaltung geht über den eigentlichen Lehrbetrieb hinaus und umfasst den gesamten Schulbetrieb. Die Bewerbung eines Fremdsprachenangebots stellt sowohl formal als auch materiell Teil des Schulbetriebes dar. Sie soll einerseits die Nachfrage nach entsprechenden Fremdsprachenkursen steigern und damit deren Angebot ermöglichen. Als dergestalt der eigentlichen Lehrtätigkeit vorgelagerte Handlung steht sie weiter auch in der Sache mit dieser im engen Zusammenhang, weil sie auf die in der Lehrveranstaltung zu vermittelnden Inhalte bezogen ist. Sie ist insbesondere nicht mit Fiskalmaßnahmen wie der Beschaffung von Verwaltungshilfsmitteln (z. B. Schreibmaterial) vergleichbar, die nicht Ausübung öffentlicher Gewalt sind (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 16. Januar 1992, a. a. O., Tz. 20 a. E.). Solche nicht als hoheitlich einzuordnenden Fiskalmaßnahmen sind regelmäßig Maßnahmen, die nur die wirtschaftlichen oder technischen Voraussetzungen für die eigentliche hoheitliche Tätigkeit schaffen (BGH, Urteil vom 4. März 1982 - III ZR 150/80, juris Tz. 8). Hierüber geht die Bewerbung des fachlichen Angebots einer Schule aus den vorgenannten Gründen hinaus.

Das Landgericht hat weiter zutreffend erkannt, dass ein Beamter, der in Ausübung seines öffentlichen Amtes eine unerlaubte Handlung auch i. S. d. § 97 UrhG begeht, dadurch zugleich eine ihm dem Träger des Rechts oder Rechtsguts gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1992, a. a. O. Tz. 21).

Dass Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz nicht die Anstellungskörperschaft, sondern der Schulträger ist, ist für die Beurteilung des Anspruchsübergangs nach § 839 BGB, Art. 34 GG unerheblich."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Magdeburg: Bundesland haftet für illegale DVD-Kopien eines Lehrers nach Grundsätzen der Amtshaftung als Anstellungskörperschaft

LG Magdeburg
Urteil vom 30.04.2014
7 O 1088/13


Das LG Magdeburg hat entschieden, dass das Bundesland Sachsen-Anhalt für illegale DVD-Kopien eines Lehrers nach Grundsätzen der Amtshaftung als Anstellungskörperschaft auf Schadensersatz haftet. Der Lehrer hatte mehrere DVDs für den Schulbetrieb zu Ansicht erhalten und diese dann für Unterrichtszwecke rechtswidrig kopiert.

Verfassungsbeschwerde gegen spickmich.de-Entscheidung des BGH gescheitert

BVerfG
Beschluss vom 16.08.2010
1 BvR 1750/09
spickmich.de


Die Verfassungsbeschwerden gegen die spickmich.de-Entscheidung des BGH (Urteil vom 23.2009 - VI ZR 196/08 mit kurzer Anmerkung) ist, was wenig überrascht, gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Eine Begründung enthält der Beschluss nicht.

BGH: Urteil des BGH zur Bewertung von Lehrern im Internet liegt im Volltext vor - spickmich.de

BGH
Urteil vom 23.06.2009
VI ZR 196/08
BDSG § 29; § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1; § 41 Abs. 1; GG Art. 1, 2, 5
www.spickmich.de


Das Urteil des BGH zu. Wir hatten die Entscheidung bereits hier kommentiert.

Leitsatz des BGH:

Zur Zulässigkeit der Erhebung, Speicherung und Übermittlung von personengebundenen Daten im Rahmen eines Bewertungsforums im Internet (www.spickmich.de).

BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Bewertung von Lehrern im Internet zulässig - spickmich.de

BGH
Urteil vom 23.06.2009
VI ZR 196/08
spickmich.de


Der BGH hat mit diesem Urteil wenig überraschend entschieden, dass Bewertungsportale im Internet grundsätzlich zulässig sind. Vorliegend ging es um das Portal spickmich.de, wo Schüler die Möglichkeit haben, ihre Lehrer zu bewerten. Entscheidend ist - so der BGH - eine Abwägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Bewerteten und des Rechts auf freien Meinungsaustausch der Nutzer. Dabei ist dem Recht auf freien Meinungsaustausch regelmäßig dann der Vorzug zu geben, wenn die Bewertung die berufliche Tätigkeit des Bewerteten betreffen und die Daten frei zugänglich sind. Einzelne Bewertungen sind natürlich weiterhin angreifbar, wenn sie unwahre Tatsachenbehauptungen oder unzulässige Schmähkritik enthalten.


In der Pressemitteilung heißt es:

"Unter den Umständen des Streitfalls hat der BGH die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten trotz der fehlenden Einwilligung der Klägerin für zulässig gehalten. Zwar umfasst der Begriff der personenbezogenen Daten nicht nur klassische Daten wie etwa den Namen oder den Geburtsort, sondern auch Meinungsäußerungen und Beurteilungen, die sich auf einen bestimmten oder bestimmbaren Betroffenen beziehen. Für die Erhebung, Speicherung und Übermittlung solcher Daten in automatisierten Verfahren gelten grundsätzlich die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes. Die Erhebung und Speicherung von Daten zur Übermittlung an Dritte ist auch ohne Einwilligung des Betroffenen nach § 29 BDSG u.a. dann zulässig, wenn ein Grund zu der Annahme eines schutzwürdigen Interesses an dem Ausschluss der Datenerhebung und –speicherung nicht gegeben ist. Ein entgegenstehendes Interesse der Klägerin hat der BGH nach Abwägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung einerseits und des Rechts auf freien Meinungsaustausch andererseits für nicht gegeben erachtet. Die Bewertungen stellen Meinungsäußerungen dar, die die berufliche Tätigkeit der Klägerin betreffen, bei der der Einzelne grundsätzlich nicht den gleichen Schutz wie in der Privatsphäre genießt."

Die vollständige Pressemitteilng des BGH finden Sie hier: "BGH: Bewertung von Lehrern im Internet zulässig - spickmich.de" vollständig lesen

LG Köln: Benotung von Lehrern im Internet zulässig

Das LG Köln hat mit Urteil vom 11.07.2007 - 28 O 263/07 völlig zu Recht entschieden, dass die Benotung von Lehrern in einem Internetportal zulässig ist. Es handelt sich dabei um eine zulässige Meinungsäußerung, solange keine falschen Tatsachenbehauptungen oder unzulässige Schmähkritik verbreitet wird. Ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften liegt nicht vor, wenn Name, Schule und unterrichtete Fächer angegeben werden, da es sich dabei um allgemein zugängliche Informationen handelt.

LG Köln, Urteil vom 11.07.2007 - 28 O 263/07

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
"LG Köln: Benotung von Lehrern im Internet zulässig" vollständig lesen