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BGH: Verliert der Löschungsantragsteller im Markenlöschungsverfahren seine Beteiligtenfähigkeit ist der Löschungsantrag als unzulässig zu verwerfen

BGH
Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZB 114/17
Kaffeekapsel II
MarkenG § 82 Abs. 1, § 89 Abs. 4; ZPO § 50


Der BGH hat entschieden, dass ein Löschungsantrag im Markenlöschungsverfahren als unzulässig zu verwerfen ist, wenn der Löschungsantragsteller seine Beteiligtenfähigkeit verliert.

Leitsätze des BGH:
a) Verliert der Löschungsantragsteller oder derjenige, der im Hinblick auf eine IR-Marke einen Schutzentziehungsantrag stellt, seine Beteiligtenfähigkeit, ist der Löschungsantrag beziehungsweise der Schutzentziehungsantrag als unzulässig zu verwerfen.

b) Ist der angefochtene Beschluss des Bundespatentgerichts aufzuheben, weil der Antragsteller des Verfahrens seine Beteiligtenfähigkeit verloren hat, und ist aus diesem Grund eine Sachentscheidung durch das Bundespatentgericht nicht mehr erforderlich, kann der Bundesgerichtshof von einer Zurückverweisung an das Bundespatentgericht absehen und abschließend selbst entscheiden.

BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZB 114/17 - Bundespatentgericht

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: "KÖLNER DOM" kann mangels Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht für Waren die als Reiseandenken oder Reisebedarf in Betracht kommen als Marke eingetragen werden

BGH
Beschluss vom 12.10.2023
I ZB 28/23
KÖLNER DOM
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1


Der BGH hat entschieden, dass die Wortfolge "KÖLNER DOM" mangels Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht für Waren, die als Reiseandenken oder Reisebedarf in Betracht kommen, als Marke eingetragen werden kann.

Leitsätze des BGH:
a) Das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. Nr. 1 MarkenG steht der Eintragung einer Marke für mit einem weiten Warenoberbegriff bezeichnete Waren und Dienstleistungen schon dann entgegen, wenn es hinsichtlich einzelner unter den Oberbegriff fallender Waren und Dienstleistungen vorliegt.

b) Fasst der Verkehr das aus dem Namen einer Sehenswürdigkeit - bestehend aus einer adjektivierten Ortsangabe und einer Bauwerksbezeichnung (hier: Kölner Dom) - gebildete Zeichen im Zusammenhang mit Waren, die als Reiseandenken oder -bedarf in Betracht kommen, nur als Bezeichnung der Sehenswürdigkeit und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft dieser Waren auf, fehlt dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (Festhaltung
BGH, Beschluss vom 8. März 2012 - I ZB 13/11, BGHZ 193, 21 - Neuschwanstein; Abgrenzung zu EuGH, Urteil vom 6. September 2018 - C-488/16, GRUR 2018, 1146 - Bundesverband Souvenir - Geschenke - Ehrenpreise/EUIPO [Neuschwanstein]).

BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2023 - I ZB 28/23 - Bundespatentgericht

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BPatG: Keine Eintragung als Geruchsmarke mangels Bestimmtheit - Geruch von Honig aus Nektar von Besenheideblüten auf Golfbällen

BPatG
Beschluss vom 29.09.2023
29 W (pat) 515/21


Das BPatG hat entschieden, dass der Geruch von Honig aus Nektar von Besenheideblüten auf Golfbällen mangels hinreichender Bestimmtheit nicht als Geruchsmarke eingetragen werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
B. Der Eintragung des angemeldeten sonstigen Zeichens „Geruch von Honig aus Nektar von Besenheideblüten (Cannula Vulgaris) auf Golfbällen“ (richtig: Calluna vulgaris) mit der vorgenannten Beschreibung stehen die Anforderungen an die Darstellbarkeit gem. §§ 3, 8 Abs. 1, 32 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG entgegen. Der Gegenstand des Markenschutzes kann durch die Behörden und das Publikum nicht klar und eindeutig bestimmt werden.

1. Weder § 3 Abs. 1 MarkenG noch Art. 3 der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken (MarkenRL) erwähnen Geruchsmarken ausdrücklich. Zeicheneigenschaft und abstrakte Unterscheidungseignung dürften diesen nicht abzusprechen sein. Auch wenn mitunter im Geruch eine weitgehend subjektiv geprägte Sinneswahrnehmung
gesehen wird, ist die grundsätzliche Eignung eines Geruchs, im Zusammenhang mit Waren oder Dienstleistungen als Zeichen wahrgenommen zu werden, zu bejahen (vgl. Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 3 Rn. 75; Kur in BeckOK MarkenR, 34. Ed. 01.07.2023, MarkenG § 3 Rn. 16).
[...]
a. Die Angabe einer chemischen Formel zur Definition der den betreffenden Geruch aufweisenden Substanz genügt dem ebenso wenig wie die Wiedergabe von Gerüchen im Wege der Gaschromatographie. Zudem gibt es keine allgemein anerkannte internationale Klassifikation von Düften, die – vergleichbar den Klassifizierungssystemen für Farben – eine hinreichend objektive und präzise Bezeichnung erlauben würde. Auch die Hinterlegung einer Geruchsprobe führt daher nicht zur Darstellbarkeit, da ihr die erforderliche Stabilität und Dauerhaftigkeit fehlt. Ebenfalls unzureichend ist die Darstellung eines Geruchs in Form eines nur für Fachleute der Parfümindustrie verständlichen Farbcodes (vgl. u. a. Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 3 Rn. 76 ff.).
b. Doch auch die hier gewählte wörtliche Darstellung der Marke nebst weiterer Beschreibung lässt den Gegenstand des Geruchszeichens nicht klar, präzise, eindeutig und objektiv erkennen.

[...]

bb. Auch im vorliegenden Fall genügt die Darstellung in Textform zusammen mit der Beschreibung den genannten Anforderungen nicht. Bei „Honig aus Nektar der Besenheideblüten“ handelt es sich um eine eher seltene Honigsorte, die in der Regel aufgrund des hohen hierfür notwendigen Arbeitsaufwandes nicht industriell, sondern nur von Imkereien regional in kleineren Mengen hergestellt wird. Daher ist er in Geschmack, Konsistenz und Geruch bei jeder Ernte unterschiedlich (vgl. die mit dem Hinweis vom 14.03.2023 übermittelten Anlagen, Bl. 20 ff. d. A.). Ferner wird der Geruch von Honig aus Besenheideblüten vereinzelt auch als „sehr süß“ beschrieben (vgl. die mit dem Hinweis vom 14.03.2023 übermittelten Anlagen, Bl. 14 Rs. d. A.).

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EuG: Emmentaler kann nicht als Unionsmarke für Käse eingetragen werden da für deutsche Verkehrskreise rein beschreibend für Käsesorte

EuG
Urteil vom 24.05.2023
T-2/21
Emmentaler Switzerland / EUIPO (EMMENTALER)


Das EuG hat entschieden, dass der Begriff "Emmentaler" nicht als Unionsmarke für Käse eingetragen werden kann, da dieser Begriff für deutsche Verkehrskreise rein beschreibend für eine Käsesorte ist.

Die Pressemitteilung des EuG:
Der Begriff „Emmentaler“ kann nicht als Unionsmarke für Käse geschützt werden

Für Emmentaler Switzerland wurde beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum die internationale Registrierung des Wortzeichens EMMENTALER für „Käse mit der geschützten Ursprungsbezeichnung ‚Emmentaler‘“ vorgenommen.

Diese internationale Registrierung wurde dem Europäischen Amt für geistiges Eigentum (EUIPO) angezeigt, jedoch wies die Prüferin die Anmeldung zurück. Emmentaler Switzerland legte daher eine Beschwerde ein, die sodann von der Zweiten Beschwerdekammer mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass die angemeldete Marke beschreibend sei.

Mit seinem Urteil weist das Gericht die gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer gerichtete Klage ab. Es prüft in dieser Rechtssache, ob die Beschwerdekammer, indem sie die angemeldete Marke als beschreibend ansah, gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 verstoßen hat. Außerdem präzisiert das Gericht das Zusammenspiel zwischen Art. 74 Abs. 2 dieser Verordnung, der beschreibenden Zeichen oder Angaben gewidmet ist, die als Kollektivmarken bezeichnet werden können, und Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung, der beschreibende Marken betrifft.

Würdigung durch das Gericht

Was zum einen den beschreibenden Charakter der angemeldeten Marke angeht, ist das Gericht angesichts der von der Beschwerdekammer berücksichtigten Indizien der Auffassung, dass die maßgeblichen deutschen Verkehrskreise das Zeichen EMMENTALER unmittelbar als Bezeichnung für eine Käsesorte verstehen. Da es für die Ablehnung der Eintragung eines Zeichens genügt, dass dieses Zeichen in einem Teil der Union, der gegebenenfalls aus einem einzigen Mitgliedstaat bestehen kann, beschreibenden Charakter hat, ist die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die angemeldete Marke beschreibend ist, ohne dass es erforderlich wäre, Gesichtspunkte zu prüfen, die nicht die Wahrnehmung der maßgeblichen deutschen Verkehrskreise betreffen.

Was zum anderen den Schutz der angemeldeten Marke als Kollektivmarke betrifft, weist das Gericht darauf hin, dass Kollektivmarken nach Art. 74 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 abweichend von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung aus Zeichen oder Angaben bestehen können, die im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der betreffenden Waren oder Dienstleistungen dienen können. Diese Ausnahme ist jedoch eng auszulegen. Von ihrer Reichweite sind somit keine Zeichen erfasst, die als Hinweis auf die Art, die Beschaffenheit, die Menge, die Bestimmung, den Wert, die Zeit der Herstellung oder eine andere Eigenschaft der betreffenden Waren anzusehen sind, sondern lediglich Zeichen, die als eine Angabe der geografischen Herkunft dieser Waren erachtet werden. Da die angemeldete Marke für die maßgeblichen deutschen Verkehrskreise eine Käsesorte beschreibt und nicht als geografische Herkunftsangabe für den betreffenden Käse wahrgenommen wird, kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass sie als Kollektivmarke keinen Schutz genießt.


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OLG Nürnberg: Keine Markenrechtsverletzung durch Verwendung einer Zeichenfolge mit beschreibenden Anklängen als Verzeichnispfad in einer URL - Bewegte Medizin

OLG Nürnberg
Urteil vom 15.02.2022
3 U 2794/21


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass keine Markenrechtsverletzung vorliegt, wenn eine Zeichenfolge mit beschreibenden Anklängen, die als Marke eingetragen istm als Verzeichnispfad in einer URL verwendet wird. Es ging um die Wortfolge "Bewegte Medizin".

Aus den Entscheidungsgründen:
Eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens ist gegeben, wenn es durch Dritte markenmäßig oder - was dem entspricht - als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (BGH, Urteil vom 25.07.2019 - I ZR 29/18, GRUR 2019, 1053, Rn. 27 - ORTLIEB II). Damit die Marke nämlich ihre Aufgabe als wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs erfüllen kann, muss sie die Gewähr bieten, dass alle Waren oder Dienstleistungen, die sie kennzeichnet, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder erbracht worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (EuGH, Urteil vom 12.11. 2002 - Rs. C-206/01, GRUR 2003, 55, Rn. 48 - Arsenal FC).

Maßgeblich ist, ob der angesprochene Verkehr das Zeichen auch als Hinweis auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Betrieb versteht. Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (BGH, Urteil vom 11.04.2019 - I ZR 108/18, GRUR 2019, 1289, Rn. 25 - Damen Hose MO). Abzustellen ist auf die Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (BGH, Urteil vom 09.02.2012 - I ZR 100/10, GRUR 2012, 1040, Rn. 16 - pjur/pure). Die Tatsache, dass ein Zeichen vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen und damit als Marke erkannt wird, muss anhand der Umstände des Einzelfalls positiv festgestellt werden (BGH, Urteil vom 07.03.2019 - I ZR 195/17, GRUR 2019, 522, Rn. 41 - SAM).
II.
15
Im vorliegenden Fall sieht der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher - wie die Mitglieder des Senats als Teil der angesprochenen Verkehrskreise selbst feststellen können - die angegriffene Benutzung auf der Homepage des Beklagten nicht als einen Hinweis auf die Herkunft einer Dienstleistung. Für den Senat ist es unter Berücksichtigung der nachfolgend dargestellten maßgeblichen Umstände des Einzelfalls vielmehr fernliegend, dass die angesprochenen Verkehrskreise beim Lesen des streitgegenständlichen Hinweises auf den in Regensburg gehaltenen Vortrag davon ausgehen, dass dieser Vortrag in Verbindung mit den Klägern als Markeninhabern steht und deshalb mit dem angegriffenen Zeichen einen Herkunftshinweis verbinden.

1. Ein in diesem Zusammenhang zu berücksichtigender Umstand ist die Tatsache, dass die Wortkombination „Bewegte Medizin“ im Rahmen der konkreten Benutzung deutlich beschreibende Anklänge hat.

a) Bei dem Gebrauch einer beschreibenden Angabe kann eine markenmäßige Benutzung grundsätzlich nicht angenommen werden (BGH, Urteil vom 22.01. 2009 - I ZR 139/07, GRUR 2009, 502, Rn. 29 - pcb). Denn bestimmte Arten der Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken können keine Funktionen der geschützten Marke beeinträchtigen (EuGH, Urteil vom 18.06.2009 - C-487/07, GRUR 2009, 756, Rn. 61 - L’Oréal/Bellure). Hat ein Wort beschreibenden Charakter, wird es vom Verkehr eher als Sachhinweis und nicht als Kennzeichen aufgefasst (BGH, Teilurteil vom 03.11.2016 - I ZR 101/15, GRUR 2017, 520, Rn. 26 - MICRO COTTON). Dabei ergibt sich der beschreibende Charakter in erster Linie aus dem Sinngehalt der betreffenden Bezeichnung. Maßgeblich für die Frage, ob der Verkehr das Zeichen nur beschreibend versteht, ist jedoch auch der Kontext, in der die gerügte Benutzungshandlung erfolgte.

b) Im vorliegenden Fall ist der Gesamtbegriff „Bewegte Medizin“ zwar nicht rein beschreibend, sondern weist - wie auch die Eintragung als Marke zeigt - aufgrund der vom Wortlaut keinen Sinn ergebenden Kombination insgesamt Unterscheidungskraft auf. Für die angesprochenen Verkehrskreise enthält er jedoch wegen seiner Einzelbestandteile, die für das Verkehrsverständnis nicht völlig außer Acht gelassen werden dürfen, deutlich beschreibende Anklänge.

Zwar nimmt der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten. Dieser Gesamteindruck wird jedoch geprägt durch die Bestandteile des zusammengesetzten Zeichens. Und im vorliegenden Fall handelt sich bei diesen Einzelbestandteilen - „Bewegte“ und „Medizin“ - um unmittelbar beschreibende Sachaussagen für den darunter veröffentlichten Beitrag zum medizinischen Vortrag des Beklagten. Denn der auf der Website vorgestellte Vortrag des Beklagten setzt sich mit der medizinischen Bedeutung von Bewegung auseinander. Und die Einzelbegriffe „Bewegung“ bzw. „bewegen“ und „Medizin“ sind für diese Thematik als Zusammenfassung des Inhalts aus der Sicht des Verkehrs beschreibend.

Aber auch in der Verknüpfung der Einzelbestandteile zur Kombination „Bewegte Medizin“ entnehmen die angesprochenen Verkehrskreise im konkreten Verwendungsfall - insbesondere vor dem Hintergrund des unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs zwischen der Zeichenverwendung und der Beschreibung der Veranstaltung - einen Bezug zum Inhalt des gehaltenen Vortrags und können somit das Zeichen als Thematisierung der Bedeutung körperlicher Bewegung im Büroalltag verstehen. Die beschreibenden Angaben der einzelnen Worte erfahren durch die Kombination vor diesem Hintergrund nicht eine ungewöhnliche Änderung, die derart weit von der Sachangabe wegführt (vgl. BGH, Beschluss vom 15.05.2014 - I ZB 29/13, GRUR 2014, 1204, Rn. 16 - DüsseldorfCongress), dass die deutlich beschreibenden Anklänge in Wegfall geraten würden.

2. Ein weiterer im Rahmen der Gesamtwürdigung zu beachtender Umstand ist das durch die Art und Weise der Zeichenverwendung hervorgerufene Gesamterscheinungsbild der streitgegenständlichen Anzeige, insbesondere die konkrete Gestaltung der Internetseite.

a) Die Verkehrsauffassung wird auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (BGH, Urteil vom 09.02.2012 - I ZR 100/10, GRUR 2012, 1040, Rn. 19 - pjur/pure). Maßgeblich für die Frage der markenmäßigen Benutzung ist, wie der Verkehr die beanstandete Verwendung des Zeichens auf der Internetseite versteht (OLG Köln, Urteil vom 24.10.2014 - 6 U 211/13, GRUR 2015, 596, Rn. 35 - Kinderstube). Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine kennzeichenmäßige Benutzungshandlung vorliegt, ist somit die Einbettung des Zeichens in sein Umfeld.

Eine blickfangmäßige Herausstellung oder die Verwendung eines Zeichens im Rahmen der Produktkennzeichnung spricht für eine markenmäßige Verwendung (BGH, Teilurteil vom 03.11.2016 - I ZR 101/15, GRUR 2017, 520, Rn. 26 - MICRO COTTON). Erfolgt die Bezeichnung auf dem Produkt in schriftbildlich hervorgehobener und blickfangmäßiger Weise nach Art einer Marke und an einer Stelle, an der eine Produktkennzeichnung erwartet wird, fassen beachtliche Teile des angesprochenen Verkehrs die Bezeichnung als Herkunftshinweis auf (BGH, Urteil vom 09.02.2012 - I ZR 100/10, GRUR 2012, 1040, Rn. 19 - pjur/pure).

Dagegen stellt eine rein titelmäßige Verwendung eines Zeichens regelmäßig keine markenmäßige Benutzung dar. Denn Werktitel dienen grundsätzlich nur zur Unterscheidung eines Werkes von einem anderen Werk; einen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werkes - und damit auf eine bestimmte betriebliche Herkunft - ist ihnen in der Regel nicht zu entnehmen (BGH, Beschluss vom 17.10.2013 - I ZB 65/12, GRUR 2014, 483, Rn. 29 - test). Nur im Falle periodisch erscheinender Druckschriften oder Fernsehserien, die über eine hinreichende Bekanntheit verfügen, kommt einem Werktitel ein weitergehender Schutz gegen die Gefahr der betrieblichen Herkunftstäuschung zu (BGH, Urteil vom 28.04.2016 - I ZR 254/14, GRUR 2016, 1300, Rn. 22, 41 - Kinderstube). Titel von Einzelwerken vermitteln eine derartige Vorstellung hingegen regelmäßig nicht (OLG München, Urteil vom 09.06.2011 - 29 U 79/11, GRUR-RR 2011, 466, juris-Rn. 35 - Moulin Rouge Story I).

b) Im vorliegenden Fall gehen die angesprochenen Verkehrskreise der streitgegenständlichen Unterseite der Homepage des Beklagten davon aus, dass die angegriffene Bezeichnung der Titel eines in Regensburg gehaltenen, medizinischen Vortrags ist, dass also die Darstellung nach Art eines Werktitels erfolgte. Für eine inhaltsbezogene Verwendung ähnlich einem Werktitel spricht insbesondere, dass die Wortkombination „Bewegte Medizin“ als „Hauptüberschrift“ in einen Artikel, welcher den gehaltenen Vortrag näher beschreibt, eingefügt ist.

Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb veranlasst, weil die Wortkombination „Bewegte Medizin“ in leicht größerer Schrift als die vorangegangene Angabe „Die Bedeutung von Bewegung und Gesundheitsvorsorge“ und die nachfolgende Beschreibung „Medizinischer Vortrag in Regensburg“ dargestellt ist. Denn der Verkehr geht aufgrund dieser optischen Hervorhebung davon aus, dass die angegriffene Bezeichnung den schlagwortartigen Haupttitel der in dem Beitrag beschriebenen Veranstaltung darstellt, und die anderen Angaben - wie bei einem Vortrag üblich - im Wege von Zwischenüberschriften weitere Erläuterungen beinhalten.

c) Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise der Verwendung eines Zeichens nach Art eines Werktitels eine herkunfthinweisende Bedeutung zukommt, sind vorliegend nicht gegeben.

Zum einen handelt es sich bei der angegriffenen Verwendung nicht um eine periodisch erscheinende Druckschrift oder bekannte Fernsehserie, bei denen die Rechtsprechung einer werktitelmäßigen Verwendung ausnahmsweise einen weitergehenden Schutz gegen die Gefahr der betrieblichen Herkunftstäuschung zusprach, sondern nach dem Wortlaut der Anzeige um die Beschreibung eines (einmaligen) medizinischen Vortrags in Regensburg. Wissenschaftliche Vorträge werden jedoch üblicherweise nicht mit Marken versehen. Vielmehr bezieht sich gerichtsbekannt der Titel eines Vortrags in der Regel auf dessen Inhalt und nicht auf dessen Herkunft.

Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Webseite www.kardiologie-mit-herz.de, auf welcher die streitgegenständliche Zeichenverwendung erfolgte, vor allem der Vorstellung der Person des Beklagten und der Darstellung seiner Dienstleistungen dient. Vor diesem Hintergrund und bei Beachtung des Textes zum Inhalt des medizinischen Vortrags in Regensburg wird für den durchschnittlichen Verbraucher als Leser der Homepage ohne weiteres ersichtlich, dass mit dem streitgegenständlichen Interneteintrag keine Verbindung zwischen den Klägern als Inhaber der Marke und den Dienstleistungen des Beklagten hergestellt werden sollte.
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d) Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Vortrag in Regensburg tatsächlich unter der Bezeichnung „Bewegte Medizin“ gehalten wurde, kommt es nicht an. Denn selbst wenn - worauf die Kläger nunmehr in der Berufung abstellen - der Vortrag damals einen anderen Titel als „Bewegte Medizin“ hatte, stellt sich dies in dem - hier allein maßgeblichen - angegriffenen Internetbeitrag anders dar. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der durchschnittliche Leser der Werbeanzeige aufgrund anderer Umstände Kenntnis von dem tatsächlichen Titel des gehaltenen Vortrags hatte und aufgrund dessen der hier streitgegenständlichen Verwendung keine Benutzung des Zeichens nach Art eines Werktitels beimessen würde.

3. Bei der Frage der Geeignetheit zur Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion darf schließlich die Tatsache der fehlenden Bekanntheit der Klagemarke nicht vernachlässigt werden.

a) Bei nicht-traditionellen Markenformen kommt es bei der Beurteilung der rechtsverletzenden Benutzung auch darauf an, wie bekannt das Klageform- oder -farbzeichen ist (Hacker, in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 14 Rn. 166). So hängt die Frage, ob der Verkehr ein Motiv nur als dekoratives Element oder (auch) als Herkunftshinweis auffasst, (auch) von der Kennzeichnungskraft und dem Bekanntheitsgrad der Klagemarke ab (BGH, Urteil vom 24.11.2011 - I ZR 175/09, GRUR 2012, 618, Rn. 24 - Medusa). Auch bei dreidimensionalen Marken kann aus dem Umstand, dass ein erheblicher Teil der Verkehrskreise das dargestellte Produkt nur einem bestimmten Unternehmen zuordnet, grundsätzlich auf die Bekanntheit der Warenform auch als Herkunftshinweis geschlossen werden (BGH, Beschluss vom 09.07.2009 - I ZB 88/07, GRUR 2010, 138, Rn. 34 - ROCHER-Kugel). Gleiches gilt bei abstrakten Farbmarken (BGH, Beschluss vom 09.07.2015 - I ZB 65/13, GRUR 2015, 1012, Rn. 34 - Nivea-Blau).

b) Diese Maßstäbe lassen sich auf die angegriffene Bezeichnung übertragen. Zum einen handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz, dass der Verkehr einem Kollisionszeichen eher eine kennzeichnende Funktion beimisst, wenn die Klagemarke über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt (BGH, Urteil vom 23.09.2015 - I ZR 78/14, GRUR 2015, 1201, Rn. 93 - Sparkassen-Rot). Zum anderen handelt es sich auch bei der streitgegenständlichen Benutzung um die Verwendung einer Wortkombination mit deutlich beschreibenden Anklängen, die ähnlich einem Werktitel auf einen konkret gehaltenen Vortrag Bezug nimmt. Da auch in diesem Fall - ähnlich wie bei dreidimensionalen Marken oder Farbmarken - eine markenmäßige Benutzung nur ausnahmsweise in Betracht kommt, setzt die positive Feststellung, dass das Zeichen vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis erkannt wird, eine gewisse Bekanntheit der Klagemarke voraus. Allenfalls unter dieser Voraussetzung könnten die Besucher der Website www.kardiologie-mit-herz.de sowie potentielle Seminarteilnehmer die Vorstellung haben, dass der Vortrag in Verbindung mit den Klägern steht.

Es ist im vorliegenden Fall weder dargetan noch ersichtlich, dass die Klagemarken eine gewisse Bekanntheit genießen. Dies spricht dagegen, dass der Verkehr die angegriffene Verwendung als Herkunftshinweis auffasst.

III. Der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher sieht - wie die Mitglieder des Senats als Teil der angesprochenen Verkehrskreise selbst feststellen können - auch in der Verwendung der URL „www.kardiologie-mit-herz.de/aktuelles/ bewegte-medizin“ keinen Herkunftshinweis.

1. In der Benutzung eines Domainnamens kann eine kennzeichenmäßige Verwendung liegen, wenn der Verkehr darin keine bloße Adressbezeichnung, sondern den Hinweis auf das Unternehmen oder auf die betriebliche Herkunft von Waren oder Dienstleistungen sieht. An einer kennzeichenmäßigen Verwendung der angegriffenen Bezeichnung kann es dagegen fehlen, wenn sie vom Verkehr als beschreibende Angabe und nicht als Hinweis auf ein Unternehmen oder auf eine bestimmte betriebliche Herkunft der im Zusammenhang mit der Bezeichnung angebotenen Produkte verstanden wird (BGH, Urteil vom 13.03.2008 - I ZR 151/05, GRUR 2008, 912, Rn. 19 - Metrosex). Allerdings kommt Domainnamen, die zu einer aktiven, im geschäftlichen Verkehr verwendeten Homepage führen, in der Regel neben der Adressfunktion eine kennzeichnende Funktion zu (BGH, Urteil vom 02.10.2012 - I ZR 82/11, GRUR 2013, 638, Rn. 27 - Völkl). Bei einem derartigen Domainnamen ist daher davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr den Domainnamen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der unter dieser Domain vorgehaltenen Dienstleistungsangebote verstehen wird (OLG Köln, Urteil vom 24.10.2014 - 6 U 211/13, GRUR 2015, 596, Rn. 36 - Kinderstube).

Dagegen liegt bei der Verwendung eines Zeichens in der URL (uniform resource locator) als Post-Domain-Pfad regelmäßig keine kennzeichenmäßige Verwendung vor. Es gibt keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür, dass Internetnutzer Angaben in einer Internetadresse, die sich an den Namen der Top-Level-Domain anschließen auch herkunftshinweisende Bedeutung beimessen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.02.2006 - 20 U 195/05, GRUR-RR 2006, 265, juris-Rn. 20 - Post-DomainPfad). Eine andere Beurteilung kann veranlasst sein, wenn - wie bei der für jeden erkennbaren Nennung einer vollständigen Unternehmensbezeichnung in der URL - der Verwendung nach den konkreten Umständen aus der Sicht des Nutzers eine Kennzeichenfunktion zukommt (OLG Hamburg, Beschluss vom 02.03.2010 - 5 W 17/10, GRUR-RR 2010, 476, juris-Rn. 8 ff. - Kennzeichen in URL).

2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs entnimmt im vorliegenden Fall der angesprochene Verkehr der verwendeten URL keinen Hinweis auf die Herkunft der Dienstleistung aus einem bestimmten Betrieb.

a) Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Begriffskombination „Bewegte Medizin“ nicht als Domainname, sondern als Teil des nachfolgenden Verzeichnispfads - im Anschluss an den der Top-Level-Domain nachfolgenden Begriff „/aktuelles/“ - verwendet wurde. Daher versteht der angesprochene Verkehr die Bezeichnung „Bewegte Medizin“ nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der unter der Domain www.kardiologie-mit-herz.de vorgehaltenen Dienstleistungsangebote.

Wie die Bezeichnung „Pfad“ bereits nahelegt, erfüllt dieser eine rein richtungsweisende Funktion und stellt eine Art Inhaltsverzeichnis der verschiedenen Ebenen der Website dar. Dies zeigt sich bereits daran, dass sich der Pfad - im Gegensatz zur feststehenden Domain - mit Aufruf einer neuen Unterseite verändert. Deshalb nimmt der angesprochene Verkehr den an die Domain anschließenden Pfad lediglich als Darstellung darüber wahr, wie die Daten der besuchten Internetseite innerhalb des Hostrechners organisiert sind.

b) Zwar kann im Einzelfall auch der Verwendung eines Zeichens in der URL im Anschluss an den Domainnamen aus der Sicht des Nutzers eine Kennzeichenfunktion zukommen. Diese Voraussetzungen sind jedoch vorliegend nicht gegeben. Zum einen ist für den Durchschnittsverbraucher nicht erkennbar, dass es sich bei der Wortkombination „Bewegte Medizin“ um ein markenrechtlich geschütztes Zeichen handelt. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Begriffskombination nicht im räumlich unmittelbaren Zusammenhang zum Domainnamen steht, sondern vielmehr als Unterpunkt an die Rubrik „aktuelles“ anschließt. Durch diesen Einschub ist dem Betrachter klar, dass es sich um einen Beitrag unter einer bestimmten Rubrik - hier „Aktuelles“ bzw. sinngemäß aktuelle Meldungen und Artikel - handelt. Schließlich können die bereits erwähnten Umstände wie die beschreibenden Anklänge der Wortkombination „Bewegte Medizin“ im Rahmen der konkreten Benutzung (dazu unter Ziffer C.II.1) und die fehlende Bekanntheit der Klagemarke (dazu unter Ziffer C.II.3) nicht außer Acht gelassen werden.

Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger lässt sich auch aus der von ihnen zitierten Entscheidung des OLG Hamburg (Beschluss vom 02.03.2010 - 5 W 17/10, GRUR-RR 2010, 476 - Kennzeichen in URL) kein Umstand entnehmen, der als Argument für eine kennzeichenmäßige Benutzung der hier streitgegenständlichen Verwendung herangezogen werden kann. Denn für das OLG Hamburg war für die Annahme eines kennzeichenmäßigen Gebrauchs vor allem der Umstand entscheidend, dass ein Unternehmenskennzeichen verwendet wurde, welches für jeden erkennbar - aufgrund der Nennung der Rechtsform „GmbH“, aber auch aufgrund der Angabe des Geschäftsgegenstandes - eine vollständige Firmenbezeichnung darstellte. Eine solche Konstellation ist in dem hier zu entscheidenden Fall jedoch nicht gegeben.

IV. Eine Verletzungshandlung durch den Beklagten kann auch nicht wegen der behaupteten Nutzung des Zeichens im Rahmen eines Title-Tags bzw. Meta-Tags angenommen werden, weil das darauf gestützte streitige Vorbringen erstmals in der Berufungsinstanz erfolgte und weder dargelegt noch ersichtlich ist, warum dieses Angriffsmittel nicht bereits in erster Instanz gebracht wurde.

1. Eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion kann anzunehmen sein, wenn ein als Suchwort verwendetes verwechslungsfähiges Zeichen als Metatag im HTML-Code dazu benutzt wird, das Ergebnis des Auswahlverfahrens in Gestalt der Trefferliste einer Internetsuchmaschine zu beeinflussen und den Nutzer auf diese Weise zu der Internetseite des Verwenders zu führen. Bei den Ergebnissen der Trefferliste wird für den Internetnutzer in der Regel nicht hinreichend deutlich, ob der Verwender eines mit einer geschützten Marke übereinstimmenden Metatags, der identische oder ähnliche Produkte anbietet, im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder vielmehr mit diesem wirtschaftlich verbunden ist. Es besteht die Gefahr, dass der Internetnutzer das Angebot in der Trefferliste auf Grund der dort gegebenen Kurzhinweise mit dem Angebot des Markeninhabers verwechselt und sich näher mit ihm befasst (BGH, Urteil vom 13.1.2011 - I ZR 46/08, MMR 2011, 608, Rn. 25 - Impuls II). Wird der Begriff im Quelltext dagegen allein in einem beschreibenden Zusammenhang verwendet, fehlt es an einer markenmäßigen Benutzung (BGH, Urteil vom 07.10.2009 - I ZR 109/06, GRUR 2009, 1167 Rn. 18 - Partnerprogramm; OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.10.2016 - 6 U 17/14, GRUR-RR 2017, 60, Rn. 17 - scan2net).

2. Im vorliegenden Fall stützen die Kläger ihre markenrechtlichen Ansprüche erstmals mit Berufungserwiderungsschriftsatz vom 23.11.2021 auf die Tatsache, dass der Beklagte die vollständige Markenbezeichnung der Kläger auch in den Title-Tag/Meta-Tag seiner Webseite übernommen habe. Zum Beweis legten die Kläger Screenshots des Quellcodes der Bildersuche bei Bing.com (Anlagenkonvolut BB 1) vor.

Dem widerspricht der Beklagte. Er trägt vor, dass es sich bei dem von den Klägern beanstandeten „Title Tag“ um den anklickbaren Titel einer Website handele, der in der Ergebnisseite der Suchmaschine erscheine. Es handele sich dabei nicht um MetaTags. Außerdem sei die auf dem Anlagenkonvolut BB 1 markierte Verwendung des Zeichens von den Klägern selbst durch die Eingabe in der Suchmaschine generiert worden und nicht auf den Beklagten zurückzuführen.

Beide Parteien stellen ihren Vortrag unter Sachverständigenbeweis.

3. Nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO sind neue Angriffsmittel nur zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Erstmals in der Berufungsinstanz stützen die Kläger ihre markenrechtlichen Ansprüche auf eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion, da die Bezeichnung „bewegte Medizin“ als Metatag im HTML-Code verwendet worden sei. Die dieser rechtlichen Bewertung zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände sind zwischen den Parteien streitig. Bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte den Klägern die Relevanz dieser tatsächlichen Umstände bekannt sein müssen, zu deren Geltendmachung waren sie im ersten Rechtszug auch imstande


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EuG: "ANDORRA" kann nicht als Unionsmarke eingetragen werden da es als Hinweis auf die geografische Herkunft der betreffenden Waren und Dienstleistungen aufgefasst wird

EuG
Urteil vom 23.02.2022
T-806/19
Govern d'Andorra / EUIPO (Andorra)


Das EuG hat entschieden, dass "ANDORRA" nicht als Unionsmarke eingetragen werden kann, da es als Hinweis auf die geografische Herkunft der betreffenden Waren und Dienstleistungen aufgefasst wird und somit ein absolutes Eintragungshindernis besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Das Gericht bestätigt, dass das Bildzeichen ANDORRA nicht als Unionsmarke für mehrere Waren und Dienstleistungen eingetragen werden kann

Die Marke hat beschreibenden Charakter und kann von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Hinweis auf die Herkunft der betreffenden Waren und Dienstleistungen wahrgenommen werden Im Juni 2017 meldete der Govern d’Andorra (Regierung des Fürstentums Andorra) nach der Verordnung über die Unionsmarke beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum
(EUIPO) das folgende Bildzeichen für ein breites Spektrum an Waren und Dienstleistungen als Unionsmarke an:

Das EUIPO wies die Anmeldung im Februar 2018 zurück. Diese Zurückweisung wurde mit einer Entscheidung vom 26. August 2019 bestätigt. Das EUIPO war insbesondere der Ansicht, dass das Zeichen zum einen als Bezeichnung der geografischen Herkunft der betreffenden Waren und Dienstleistungen oder als des Ortes wahrgenommen würde, an dem die Dienstleistungen erbracht werden. Zum anderen sei das Zeichen ANDORRA nicht unterscheidungskräftig, da es lediglich über diese geografische Herkunft informiere, nicht aber über die besondere betriebliche Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen Auskunft gebe.

Der Govern d’Andorra erhob gegen die Entscheidung des EUIPO Klage beim Gericht der Europäischen Union.

Mit seinem heutigen Urteil weist das Gericht die Klage in vollem Umfang ab.

Der Govern d’Andorra macht insbesondere geltend, dass es sich bei Andorra nicht um ein Land handele, das für die Herstellung der betreffenden Waren und die Erbringung der fraglichen Dienstleistungen bekannt sei, so dass für den Verbraucher keine tatsächliche oder potenzielle Beziehung zwischen den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen und der angemeldeten
Marke bestehe, die die Annahme zuließe, dass der Begriff „andorra“ eine geografische Herkunft im Sinne der Verordnung angebe. Das Gericht prüft daher den beschreibenden Charakter der angemeldeten Marke in Bezug auf die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen. Zu diesem Zweck muss es zum einen ermitteln, ob der geografische Begriff, aus dem die angemeldete Marke besteht, von den maßgeblichen Verkehrskreisen als solcher verstanden und erkannt wird. Zum anderen hat es zu prüfen, ob dieser geografische Begriff mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen in Zusammenhang steht oder künftig stehen könnte.

Nach einer eingehenden Prüfung kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass es dem Govern d’Andorra nicht gelungen ist, die Beurteilungen des EUIPO hinsichtlich des beschreibenden Charakters der angemeldeten Marke in Bezug auf die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen in Frage zu stellen, und dass das EUIPO daher zu Recht die Auffassung vertreten hat, dass diese Marke deshalb nicht als Unionsmarke habe eingetragen werden können. Es handelt sich nämlich um ein absolutes Eintragungshindernis, das für sich genommen dazu führt, dass das Zeichen nicht als Unionsmarke eingetragen werden kann.
Darüber hinaus hat das EUIPO in seiner Entscheidung nach Auffassung des Gerichts weder seine Begründungspflicht noch die Verteidigungsrechte verletzt oder gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen.


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EuG: Wappen des AC Mailand mit Schriftzug AC Milan kann aufgrund der älteren deutschen Wortmarke MILAN nicht als Marke für Schreibwaren und Büroartikel eingetragen werden

EuG
Urteil vom 10.11.2021
T-353/20
AC Milan / EUIPO - InterES (ACM 1899 AC MILAN)


Das EuG hat entschieden, dass das Wappen des AC Mailand mit dem Schriftzug "AC Milan" aufgrund der älteren deutschen Wortmarke MILAN nicht als Marke für Schreibwaren und Büroartikel eingetragen werden kann.

Die Pressemitteilung des EuG:

Das Gericht bestätigt, dass das Zeichen, welches das Wappen des Fußballvereins AC Mailand darstellt, nicht Gegenstand einer internationalen Registrierung als Marke mit Benennung der Europäischen Union für Schreibwaren und Büroartikel
sein kann

Die starke phonetische Ähnlichkeit und die mittlere visuelle Ähnlichkeit dieses Zeichens im Vergleich zur älteren deutschen Wortmarke MILAN rufen eine Gefahr der Verwechslung bei den Verbrauchern hervor, so dass nicht beide Zeichen gleichzeitig in der Union Schutz genießen könne.

Die internationale Registrierung einer Marke mit Benennung der Europäischen Union hat die gleiche Wirkung wie die Eintragung einer Unionsmarke und unterliegt dem gleichen Widerspruchsverfahren wie die Anmeldung einer Unionsmarke.

Im Februar 2017 beantragte der italienische Fußballverein AC Milan (AC Mailand) gemäß der Unionsmarkenverordnung1 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union für das folgende Bildzeichen, und zwar u. a. für Schreibwaren und Büroartikel:

Im April 2017 erhob die deutsche Gesellschaft InterES Handels- und Dienstleistungs Gesellschaft mbH & Co KG Widerspruch gegen die beantragte Registrierung. Zur Begründung verwies sie auf die 1984 angemeldete und 1988 eingetragene deutsche Wortmarke MILAN, die sich u. a. auf Waren bezieht, die mit den vom Antrag des AC Mailand erfassten Waren im Wesentlichen
identisch sind oder ihnen ähneln. Die deutsche Gesellschaft vertritt die Auffassung, dass die Registrierung der angemeldeten Marke aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit der älteren Marke eine Gefahr der Verwechslung beim deutschen Publikum hervorrufen könne.

Mit Entscheidung vom 14. Februar 2020 gab das EUIPO dem Widerspruch vollumfänglich statt. Gegen diese Entscheidung erhob der AC Mailand Klage beim Gericht der Europäischen Union. Mit seinem heute verkündeten Urteil weist das Gericht die Klage in vollem Umfang ab.

Als Erstes stellt das Gericht auf der Grundlage einer Reihe von Beweisen, darunter Rechnungen und Werbematerial in deutscher Sprache, fest, dass die ältere Marke in Deutschland ernsthaft benutzt worden ist.

Als Zweites stellt das Gericht fest, dass die ältere Marke auf dem deutschen Markt sowohl in der eingetragenen Form benutzt worden ist als auch in einer abgewandelten Form, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass ein Bildelement hinzugefügt wurde, das den Kopf einer Art Raubvogel darstellt. In dieser Hinsicht hebt das Gericht hervor, dass das zusätzliche Bildelement zwar nicht ganz vernachlässigbar ist, aber auch nicht als dominierend angesehen werden kann und nicht geeignet erscheint, die Unterscheidungskraft des Wortelements der älteren Marke in ihrer eingetragenen Form zu beeinflussen.

Als Drittes ist das Gericht der Auffassung, dass das maßgebliche Publikum das Bildelement der angemeldeten Marke insbesondere aufgrund seiner Größe und seiner Position zwar nicht ignorieren wird, seine Aufmerksam sich aber nicht darauf konzentrieren wird. Vielmehr wird die Aufmerksamkeit des Publikums von dem Wortelement angezogen, das aus den Buchstaben „AC“ und dem Wort „MILAN“ besteht, da diese in Großbuchstaben und einer stilisierten Schriftart geschrieben sind und das aus ihnen gebildete Element deutlich länger ist als das Bildelement. Folglich ist das Element „AC MILAN“ nach Auffassung des Gerichts das dominierende Element der angemeldeten Marke.

In diesem Zusammenhang stellt das Gericht fest, dass, auch wenn ein Teil des Publikums das Wortelement „AC MILAN“ der angemeldeten Marke als Bezugnahme auf den gleichnamigen Fußballverein der Stadt Mailand (Italien) wahrnehmen kann, die einander gegenüberstehenden Zeichen, die in phonetischer Hinsicht sehr ähnlich sind, beide auf die italienische Stadt Mailand hinweisen.

Soweit der AC Mailand mit der Bekanntheit der angemeldeten Marke in Deutschland argumentiert, die mit der großen Bekanntheit dieses Fußballvereins zusammenhänge, weist das Gericht darauf hin, dass nur die Bekanntheit der älteren Marke, nicht aber die der angemeldeten Marke, zu berücksichtigen ist, um zu beurteilen, ob die Ähnlichkeit der von zwei Marken bezeichneten Waren genügt, um eine Verwechslungsgefahr hervorzurufen. Infolgedessen entscheidet das Gericht, dass die Ähnlichkeiten zwischen den beiden in Rede stehenden Zeichen insgesamt groß genug sind, um eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.


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EuG: Marke Bavaria Weed wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung nicht als Unionsmarke eintragbar

EuG
Urteil vom 12.05.2021
T‑178/20
Bavaria Weed GmbH ./. Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO)


Das EuG hat entschieden, dass die Marke Bavaria Weed wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung nicht als Unionsmarke eintragbar ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Zum Verstoß des fraglichen Zeichens gegen die öffentliche Ordnung

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer die Anmeldung des fraglichen Zeichens ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Begriffs der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001 geprüft hat (vgl. oben, Rn. 20).

Sie hat in diesem Kontext im Wesentlichen festgestellt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise, die aus der Bevölkerung nicht nur aus dem Vereinigten Königreich, Irland und Malta, sondern auch aus Finnland und Schweden bestünden, die die Bedeutung des englischen Begriffs „weed“ verstehe, das fragliche Zeichen als Hinweis darauf wahrnehmen würden, dass die fraglichen Dienstleistungen eine verbotene und illegale Substanz beträfen. So würden in den Mitgliedstaaten, in denen die Herstellung oder der Konsum von Drogen verboten sei, diese im Allgemeinen nicht als bloße Ordnungswidrigkeiten, sondern als strafbare Handlungen behandelt, die sogar mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden könnten, so dass diese Verbote Teil der öffentlichen Ordnung dieser Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001 seien.

Die Klägerin macht geltend, das fragliche Zeichen verstoße nicht gegen die öffentliche Ordnung, im Wesentlichen da es in der Union eine allgemeine Tendenz zur Legalisierung der therapeutischen Nutzung von Cannabis gebe, wie die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. Februar 2019 zum Einsatz von Cannabis in der Medizin (2018/2775[RSP]; ABl. 2020, C 449, S. 115) belege. Diese Nutzung sei bereits in mehreren Mitgliedstaaten gestattet, darunter denjenigen, in denen die maßgeblichen Verkehrskreise ansässig seien und in denen das betreffende Zeichen von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht als besonders anstößig wahrgenommen werde.

Das Gericht hatte bereits Gelegenheit zu der Feststellung, dass der Begriff „öffentliche Ordnung“ in der Verordnung 2017/1001 nicht definiert ist. Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung des derzeitigen Stands des Unionsrechts, das die Nutzung von Produkten aus Betäubungsmitteln nicht regelt, sowie des Wortlauts von Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung, wonach deren Art. 7 Abs. 1 auch dann Anwendung findet, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen, schreibt das Unionsrecht keinen einheitlichen Wertmaßstab vor und erkennt an, dass die Erfordernisse der öffentlichen Ordnung von einem Land zum anderen und im Lauf der Zeit variieren können, wobei es den Mitgliedstaaten im Wesentlichen weiterhin freisteht, den Inhalt dieser Erfordernisse im Einklang mit ihren nationalen Bedürfnissen zu bestimmen. So können die Erfordernisse der öffentlichen Ordnung, auch wenn sie weder den Schutz wirtschaftlicher Interessen noch die bloße Vermeidung von Störungen der gesellschaftlichen Ordnung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, erfassen, den Schutz verschiedener Interessen umfassen, die der betreffende Mitgliedstaat als grundlegend für sein eigenes Wertesystem ansieht (Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 71, vgl. auch entsprechend Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in den verbundenen Rechtssachen K. und H. [Aufenthaltsrecht und mutmaßliche Kriegsverbrechen], C‑331/16 sowie C‑366/16, EU:C:2017:973, Rn. 60 und 63 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

Nicht jeder Verstoß gegen ein Gesetz stellt notwendigerweise einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dar. Es muss nämlich hinzukommen, dass dieser Verstoß ein Interesse berührt, das die betreffenden Mitgliedstaaten nach ihrem eigenen Wertesystem als grundlegend ansehen (Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 73).

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer festgestellt, Marihuana sei eine verbotene Substanz, deren Konsum in zahlreichen Mitgliedstaaten wie Bulgarien, Irland, Frankreich, Ungarn, Polen, der Slowakei, Finnland, Schweden und dem Vereinigten Königreich, somit in einigen der Mitgliedstaaten, in denen die maßgeblichen Verkehrskreise ansässig seien, verboten sei. Wie oben in Rn. 36 ausgeführt, würden die maßgeblichen Verkehrskreise das fragliche Zeichen als Förderung, Bewerbung oder zumindest Verharmlosung des Konsums von Marihuana als verbotene und illegale Substanz wahrnehmen.

Der Kampf gegen die Verbreitung von Marihuana ist jedoch von besonderer Bedeutung, weil er einem Ziel der öffentlichen Gesundheit entspricht, nämlich der Bekämpfung der schädlichen Wirkungen eines solchen Stoffs. Dieses Verbot zielt somit auf den Schutz eines Interesses ab, das diese Mitgliedstaaten nach ihrem eigenen Wertesystem als grundlegend ansehen, so dass die für den Konsum und die Verwendung dieses Stoffs geltende Regelung unter den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 fällt (Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 74).

Des Weiteren ist unter Berücksichtigung der oben in Rn. 19 angeführten Rechtsprechung, wonach für die Anwendung des absoluten Eintragungshindernisses gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001 gegebenenfalls nicht nur auf die besonderen Umstände in den einzelnen Mitgliedstaaten, sondern auch auf die allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Umstände abzustellen ist, darauf hinzuweisen, dass die Bedeutung, die dem Schutz dieses grundlegenden Interesses zukommt, darüber hinaus durch Art. 83 AEUV unterstrichen wird, wonach der illegale Drogenhandel zu den Bereichen besonders schwerer Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension gehört, in denen ein Tätigwerden des Unionsgesetzgebers vorgesehen ist. Zudem sieht Art. 168 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV vor, dass die Union die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Verringerung drogenkonsumbedingter Gesundheitsschäden einschließlich der Informations- und Vorbeugungsmaßnahmen ergänzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 75).

Da sich die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise notwendigerweise in den oben in den Rn. 32 bis 34 und 42 bis 44 beschriebenen sozialen und rechtlichen Kontext einfügt, hat die Beschwerdekammer daher zu Recht festgestellt, dass das fragliche Zeichen gegen die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 verstößt.

Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, dass es in der Union eine „allgemeine Tendenz“ zur therapeutischen Nutzung von Cannabis gebe.

Hierzu hat das Gericht bereits entschieden, dass derzeit zwar viel über die Verwendung von Cannabisprodukten nachgedacht wird, deren Gehalt an Tetrahydrocannabinol (im Folgenden: THC) sie nicht zu Betäubungsmitteln macht, aber auch, soweit es sich um Betäubungsmittel handelt, über ihre Verwendung zu therapeutischen Zwecken oder gar zum Freizeitkonsum. In dieser Hinsicht hat sich nämlich die Gesetzgebung einiger Mitgliedstaaten selbst bereits entwickelt oder ist im Begriff, sich zu entwickeln (Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 48).

Jedoch gibt es derzeit in der Union keine einhellig akzeptierte oder auch nur vorherrschende Tendenz, die Verwendung oder den Konsum von Cannabisprodukten mit einem THC‑Gehalt von mehr als 0,2 % zu legalisieren, sei es zu therapeutischen Zwecken oder zum Freizeitkonsum (Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 51).

Insbesondere die therapeutische Nutzung von Cannabis bleibt ein kontroverses Thema. Dies wird durch die Entschließung des Parlaments vom 13. Februar 2019 zum Einsatz von Cannabis in der Medizin belegt, in deren Abschnitt F festgestellt wird, „dass die EU-Mitgliedstaaten bei ihren jeweiligen Rechtsvorschriften bezüglich Cannabis, einschließlich des Einsatzes von Cannabis in der Medizin, sowie der zulässigen Menge von medizinischem Cannabis und den Höchstwerten bei der THC‑ und Cannabidiol (CBD)-Konzentration sehr unterschiedliche Ansätze verfolgen, was Ländern, die in diesem Bereich einen zurückhaltenderen Ansatz verfolgen, Schwierigkeiten bereiten kann“. Der Unionsgesetzgeber hat auch keine Rechtsvorschriften über die therapeutische Nutzung von Cannabis erlassen.

Im Übrigen bleibt die oben in Rn. 45 dargelegte Schlussfolgerung zutreffend, ungeachtet des Vortrags, den die Klägerin durch die Vorlage mehrerer Dokumente in diesem Sinne als Anlagen zur Klageschrift A.8 bis A.11 erstmals vor dem Gericht eingeführt hat, wonach die therapeutische Nutzung von Cannabis nunmehr in den oben in Rn. 38 genannten Mitgliedstaaten legal geworden sei.

In diesem Zusammenhang ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Klage beim Gericht auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 72 der Verordnung 2017/1001 gerichtet ist, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt zu überprüfen. Somit sind das dahin gehende Vorbringen der Klägerin sowie die Anlagen A.8 bis A.11 zur Klageschrift zurückzuweisen, ohne dass ihre Beweiskraft geprüft zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2016, Karl-May-Verlag/HABM – Constantin Film Produktion [WINNETOU], T‑501/13, EU:T:2016:161, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zweitens ist dieses Vorbringen jedenfalls unerheblich. Zum einen werden nämlich, wie oben in den Rn. 21 bis 36 ausgeführt, die maßgeblichen Verkehrskreise das fragliche Zeichen so wahrnehmen, dass es den Konsum von Marihuana im Allgemeinen, folglich auch zu Freizeitzwecken und somit zu illegalen Zwecken, fördert, bewirbt oder zumindest verharmlost. Zum anderen genügt es, in Übereinstimmung mit den Ausführungen des EUIPO darauf hinzuweisen, dass ein Teil der von der Klägerin vorgelegten Informationen normative Entwicklungen betrifft, die nach dem Zeitpunkt der Markenanmeldung eingetreten sind oder nach diesem Zeitpunkt wirksam werden und daher für den vorliegenden Rechtsstreit nicht maßgeblich sind. Im Übrigen unterliegt in jenen Mitgliedstaaten die therapeutische Nutzung von Cannabis, wenn sie zugelassen ist, weiterhin sehr strengen und ihrem Wesen nach außergewöhnlichen Bedingungen.

Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf das Urteil vom 19. November 2020, B S und C A (Vermarktung von Cannabidiol [CBD]) (C‑663/18, EU:C:2020:938), auf das sie in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen hat, stützen. In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass die Art. 34 und 36 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es verbietet, in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltes Cannabidiol (CBD) zu vermarkten, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird, es sei denn, diese Regelung ist geeignet, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Der Gerichtshof hat jedoch klargestellt, dass auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Daten nicht ersichtlich war, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD, dessen THC‑Gehalt nicht mehr als 0,2 % betrug, psychotrope Wirkungen und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hatte. Dagegen verweist das in der vorliegenden Rechtssache fragliche Zeichen, wie oben in den Rn. 27 bis 29 ausgeführt, mit seinem Wortbestandteil „weed“ auf Marihuana als Betäubungsmittel und nicht auf ein CBD ohne psychotropische Wirkung.

Überdies hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. November 2020, B S und C A (Vermarktung von Cannabidiol [CBD]) (C‑663/18, EU:C:2020:938) ausgeführt, dass, da die Schädlichkeit von Suchtstoffen, einschließlich derjenigen auf Hanfbasis wie Cannabis, allgemein anerkannt ist, ihr Inverkehrbringen in allen Mitgliedstaaten verboten ist; lediglich ein streng überwachter Handel, der der Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke dient, ist davon ausgenommen, wobei diese Rechtslage im Einklang mit verschiedenen völkerrechtlichen Übereinkünften steht, an denen die Mitgliedstaaten mitgewirkt haben oder denen sie beigetreten sind (vgl. Urteile vom 16. Dezember 2010, Josemans, C‑137/09, EU:C:2010:774, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 19. November 2020, B S und C A [Vermarktung von Cannabidiol [(CBD)], C‑663/18, EU:C:2020:938, Rn. 59 und 60).

Schließlich führt der von der Klägerin vorgetragene Umstand, dass das fragliche Zeichen bei den maßgeblichen Verkehrskreisen keinen Anstoß errege, selbst wenn er erwiesen wäre, nicht dazu, dass das Zeichen nicht gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Das Unionsgericht hat zwar betont, dass bestimmte Zeichen, die besonders anstößig oder beleidigend waren, als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten anzusehen waren, unabhängig davon, für welche Waren und Dienstleistungen es angemeldet worden war (Urteil vom 15. März 2018, La Mafia Franchises/EUIPO – Italien [La Mafia SE SIENTA A LA MESA], T‑1/17, EU:T:2018:146, Rn. 40). Das absolute Eintragungshindernis, das auf einem Verstoß des fraglichen Zeichens gegen die öffentliche Ordnung beruht, beschränkt sich jedoch nicht nur auf Zeichen, die für die maßgeblichen Verkehrskreise anstößig oder beleidigend sein können. Es ist vielmehr auch auf solche Zeichen anwendbar, die geeignet sind, die Verletzung eines Interesses zu fördern, zu bewerben oder zumindest zu verharmlosen, das der betreffende Mitgliedstaat nach seinem eigenen Wertesystem als grundlegend ansieht, wie im vorliegenden Fall die Bekämpfung und Vorbeugung des Konsums illegaler Betäubungsmittel. Wie oben in den Rn. 40 und 41 ausgeführt, können nämlich die Erfordernisse der öffentlichen Ordnung den Schutz verschiedener Interessen umfassen, die der betreffende Mitgliedstaat nach seinem eigenen Wertesystem als grundlegend ansieht.

Nach alledem ist der erste Klagegrund folglich als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der guten Verwaltung

Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der guten Verwaltung verstoßen, indem sie die Abweichung von ihrer bisherigen Entscheidungspraxis nicht angemessen begründet habe. Sie beruft sich auch auf nationale Eintragungen, die das Wort „weed“ enthalten. Zudem stehe die angefochtene Entscheidung nicht im Einklang mit der am 1. Februar 2020 in Kraft getretenen neuen Fassung der Prüfungsrichtlinien für Unionsmarken des EUIPO.

Das EUIPO tritt diesem Vorbringen entgegen.

Als Erstes ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Entscheidungen der Beschwerdekammern des EUIPO über die Eintragung eines Zeichens als Unionsmarke gemäß der Verordnung 2017/1001 gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen sind. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen ist daher allein auf der Grundlage dieser Verordnung und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen (vgl. Urteil vom 15. März 2018, La Mafia SE SIENTA A LA MESA, T‑1/17, EU:T:2018:146, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Vorliegend beruft sich die Klägerin darauf, dass die Unionsmarke spektrum cannabis für Dienstleistungen eingetragen sei, von denen einige denen ähnlich seien, die von dem in der vorliegenden Rechtssache fraglichen Zeichen erfasst werden. Zum einen ergibt sich jedoch, wie die Beschwerdekammer in Rn. 31 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, aus der Rechtsprechung, dass Verweise auf erstinstanzliche Entscheidungen des EUIPO dessen Beschwerdekammern und erst recht die Unionsgerichte nicht binden können. Insbesondere würde es der im 30. Erwägungsgrund und in den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 definierten Kontrollaufgabe der Beschwerdekammer zuwiderlaufen, deren Befugnisse auf die Befolgung von Entscheidungen erstinstanzlicher Organe des EUIPO zu beschränken (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zum anderen enthält die Marke den Begriff „Cannabis“, und eine der Bedeutungen dieses Begriffs bezeichnet eine Substanz, deren mögliche therapeutische Verwendung derzeit diskutiert wird (Urteil vom 19. November 2009, Torresan/HABM – Klosterbrauerei Weissenohe [CANNABIS], T‑234/06, EU:T:2009:448, Rn. 19), im Gegensatz zum Begriff „weed“, der sich in seiner umgangssprachlichen Bedeutung auf Marihuana bezieht.

Als Zweites ist zu den nationalen Marken, die das Wort „weed“ enthalten und von der Klägerin in Anlage 12 der Klageschrift angeführt worden sind, festzustellen, dass die Klägerin die von diesen Eintragungen erfassten Waren und Dienstleistungen nicht näher bezeichnet, so dass ihre etwaige Erheblichkeit nicht dargetan worden ist. Jedenfalls ist die Unionsregelung für Marken ein autonomes System, das aus einer Gesamtheit von ihm eigenen, selbstständigen Vorschriften und Zielsetzungen besteht und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist (vgl. Urteil vom 7. Juni 2017, Mediterranean Premium Spirits/EUIPO – G-Star Raw [GINRAW], T‑258/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:375, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ob ein Zeichen als Unionsmarke eingetragen werden kann, ist daher, wie die Beschwerdekammer im Übrigen in Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, allein auf der Grundlage der einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen. Folglich sind weder das EUIPO noch gegebenenfalls die Unionsgerichte durch eine Entscheidung gebunden, die auf der Ebene eines Mitgliedstaats oder gar eines Drittstaats ergangen ist und zulässt, dass das betreffende Zeichen als nationale Marke eingetragen wird (vgl. Urteil vom 9. März 2017, Puma/EUIPO [FOREVER FASTER], T‑104/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:153, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Als Drittes ist festzustellen, dass die Fassung der Prüfungsrichtlinien des EUIPO vom 1. Februar 2020, auf die sich die Klägerin beruft, von einem späteren Zeitpunkt stammt als die angefochtene Entscheidung, die am 22. Januar 2020 erlassen wurde, so dass sie in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar war. Jedenfalls wird gemäß Teil B („Prüfung“) Abschnitt 4 („Absolute Eintragungshindernisse“) Kapitel 7 („Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen [Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der (Verordnung 2017/1001)]“) Punkt 3 („Gute Sitten“) dieser Richtlinien „keine Beanstandung erhoben, wenn das Zeichen auf eine Droge Bezug nimmt, die zu medizinischen Zwecken dient, da die Marke im Prinzip nicht unter das Verbot von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe f [der Verordnung 2017/1001] fallen würde.“ In diesem Passus geht es somit um Zeichen, die eine Bezugnahme auf die medizinische Nutzung einer Droge enthalten, was im vorliegenden Fall aus den Gründen, die in Beantwortung des ersten Klagegrundes dargelegt worden sind, nicht der Fall ist.

Daher ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuG: Auch im zweiten Anlauf - Keine Verwechslungsgefahr zwischen Uni­ons­kol­lek­tiv­mar­ke "HALL­O­U­MI" für Käse aus Zypern und "BB­QLO­U­MI" für Käse

EuG
Urteil vom 20.01.2021
T-328/17
RENV Foundation for the Protection of the Traditional Cheese of Cyprus named Halloumi / EUIPO - M. J. Dairies (BBQLOUMI)


Das EuG hat auch im zweiten Anlauf entschieden, dass zwischen der Uni­ons­kol­lek­tiv­mar­ke "HALL­O­U­MI" für Käse aus Zypern und der Zeichenfolge "BB­QLO­U­MI" für Käse keine Verwechslungsgefahr besteht.

Die Pressemitteilung des EuG:

Das Gericht bestätigt das Fehlen einer Verwechslungsgefahr zwischen der den Mitgliedern eines zyprischen Verbands vorbehaltenen Kollektivmarke HALLOUMI und dem Zeichen „BBQLOUMI“ für Waren einer bulgarischen Gesellschaft

Die Foundation for the Protection of the Traditional Cheese of Cyprus named Halloumi ist Inhaberin der für Käse eingetragenen Unionskollektivmarke HALLOUMI. Eine Unionskollektivmarke ist eine besondere Unionsmarke, mit der Waren und Dienstleistungen der Mitglieder des Verbands, der Markeninhaber ist, von denen anderer Unternehmen unterschieden werden können.

Die Markeninhaberin erhob unter Berufung auf die besagte Kollektivmarke Widerspruch gegen die Eintragung des folgenden Bildzeichens mit dem Wortbestandteil „BBQLOUMI“ als Unionsmarke, das von der bulgarischen Gesellschaft M. J. Dairies Eood unter anderem für Waren wie Käse, Fleischextrakte, Nahrungsmittel mit Käsegeschmack und Restaurationsdienstleistungen angemeldet worden war:

Das mit der Prüfung von Unionsmarkenanmeldungen betraute Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) wies den Widerspruch namentlich mit der Begründung zurück, für die Verbraucher bestehe keine Verwechslungsgefahr zwischen dem Bildzeichen „BBQLOUMI“ und der älteren Kollektivmarke HALLOUMI. Der Verband focht daraufhin diese Entscheidung des EUIPO vor dem Gericht der Europäischen Union an, das wegen der Bezeichnung einer besonderen Käsesorte durch den Begriff „halloumi“ auf eine schwache Kennzeichnungskraft der Marke HALLOUMI entschied und deshalb ebenfalls eine Verwechslungsgefahr verneinte.

In seinem auf ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts ergangenen Urteil vom 5. März 2020 stellte der Gerichtshof fest, dass das Gericht von der Prämisse ausgegangen war, dass bei schwacher Kennzeichnungskraft der älteren Marke das Bestehen von Verwechslungsgefahr auszuschließen sei, sobald sich erweise, dass die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken für sich genommen nicht den Nachweis einer solchen Gefahr ermögliche. Der Gerichtshof befand diese Prämisse für falsch, da die schwache Kennzeichnungskraft einer älteren Marke das Vorliegen von Verwechslungsgefahr nicht ausschließt. Deshalb hob er das Urteil des Gerichts auf und verwies die Rechtssache an das Gericht zurück, damit es prüft, ob für die Verbraucher hinsichtlich der Herkunft der mit dem Zeichen „BBQLOUMI“ gekennzeichneten Waren eine Verwechslungsgefahr besteht.

Mit seinem heutigen Urteil weist das Gericht die Klage des zyprischen Verbands ab, da das EUIPO seiner Ansicht nach zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen keine Verwechslungsgefahr besteht.

Das Gericht erinnert zunächst daran, dass eine Verwechslungsgefahr sowohl eine Identität oder Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken als auch eine Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen voraussetzt. Was den Vergleich der Waren und Dienstleistungen betrifft, verneint es hinsichtlich der mit der
angemeldeten Marke beanspruchten Fleischextrakte und Restaurationsdienstleistungen eine Verwechslungsgefahr, da sie weder mit den von der älteren Marke erfassten Waren identisch noch ihnen ähnlich sind. In Bezug auf die übrigen Waren wie Käse, die in unterschiedlichem Grad den mit der älteren Marke gekennzeichneten Waren ähnlich sind, kann dagegen eine
Verwechslungsgefahr nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Zur Ähnlichkeit der in Rede stehenden Zeichen führt das Gericht aus, dass den einander gegenüberstehenden Zeichen der Bestandteil „loumi“ gemeinsam ist, der für einen großen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise, welcher ihn als einen möglichen Hinweis auf den Halloumi-Käse verstehen wird, schwache originäre Kennzeichnungskraft aufweist. Das Anfangselement „bbq“ des Wortbestandteils wird indes bei den Verkehrskreisen wegen seiner Stellung größere Beachtung finden als das Schlusselement „loumi“, so dass Letzteres sehr wenig zur Kennzeichnungskraft der angemeldeten Marke beiträgt. Somit wird der schwache Grad an Ähnlichkeit der fraglichen Zeichen kaum zu einer Verwechslungsgefahr beitragen.

Außerdem spielt auch der Bildbestandteil der angemeldeten Marke eine differenzierende Rolle, da es sich bei der älteren Marke um eine Wortmarke handelt. Dieser Bildbestandteil bezieht sich mehr auf die Vorstellung von einem Barbecue als auf die Vorstellung von in mediterraner Umgebung hergestelltem Käse, weil nicht eindeutig gesagt werden kann, dass die dargestellten Nahrungsmittel Stücke von Halloumi-Käse sind.

Sodann untersucht das Gericht den Grad der Kennzeichnungskraft der älteren Kollektivmarke und stellt fest, dass dieser gering ist. In Anbetracht dessen, dass die ältere Marke eher auf den Gattungsnamen dieser Käsesorte verweist als auf die betriebliche Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Waren, da diese von den Mitgliedern des zyprischen Verbands oder
gegebenenfalls von wirtschaftlich mit ihnen oder dem Verband verbundenen Unternehmen stammen, werden die Verbraucher sie nämlich nicht mit etwas anderem als mit Halloumi-Käse in Verbindung bringen.

Schließlich sieht das Gericht keine Verwechslungsgefahr für die maßgeblichen Verkehrskreise hinsichtlich der betrieblichen Herkunft der Waren, die mit der angemeldeten Marke versehen sind. Selbst wenn nämlich die Verbraucher ihre Aufmerksamkeit auf das Element „loumi“ richten – was angesichts seiner nachgeordneten Stellung wenig wahrscheinlich ist – und den Bildbestandteil als einen möglichen Hinweis auf gegrillten Halloumi-Käse wahrnehmen, werden sie keine Verbindung zwischen den beiden Marken herstellen, da sie zum einen allenfalls die ältere Marke mit HalloumiKäse in Verbindung bringen werden und zum anderen die einander gegenüberstehenden Marken insgesamt gesehen nur einen geringen Grad an Ähnlichkeit aufweisen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Markenrecht - Zweiter Teil des Markenrechtsmodernisierungsgesetzes tritt am 01.05.2020 in Kraft - Änderungen Verfallsverfahren und Nichtigkeitsverfahren

Der zweite Teil des Markenrechtsmodernisierungsgesetzes (Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc und Nummer 33) tritt am 1. Mai in Kraft.

Weitere Erläuterungen des DPMA zu den Änderungen finden Sie hier:

Änderungen im Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren ab 1. Mai 2020

Die Pressemitteilung des DPMA:

"Effizient, zügig und kostengünstig": Gesetzesänderungen stärken Rechte von Markeninhabern
Zweiter Teil des Markenrechtsmodernisierungsgesetzes tritt am 1. Mai in Kraft – DPMA-Präsidentin: Regelungen bringen mehr Rechtssicherheit

München. Vom 1. Mai an stärken Gesetzesänderungen die Rechte von Markeninhabern: In Nichtigkeitsverfahren, die bisher ausschließlich vor den ordentlichen Gerichten verhandelt werden mussten, können nun auch die Fachleute des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) entscheiden. Zudem können Verfallsverfahren vollständig beim DPMA durchgeführt werden. "Mit den neuen Regelungen werden Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren für Markeninhaber effizienter, zügiger und kostengünstiger. Das stärkt ihre Rechte und schafft mehr Rechtssicherheit", kommentierte DPMA-Präsidentin Cornelia Rudloff-Schäffer.

Nichtigkeitsverfahren und Verfallsverfahren jetzt beim DPMA möglich
Eine neue Regelung gibt es zum einen bei Anträgen auf Nichtigkeit und Löschung einer eingetragenen Marke aufgrund eines entgegenstehenden älteren Rechts: Wollte ein Rechteinhaber – wenn er seine älteren Rechte verletzt sah – ein solches Nichtigkeitsverfahren gegen eine jüngere Marke einleiten, so konnte er dies bisher nur bei den ordentlichen Gerichten tun. Ab 1. Mai 2020 können Inhaber der in den §§ 9 bis 13 MarkenG genannten älteren Rechte Nichtigkeitsverfahren auch direkt beim DPMA durchführen lassen. Der Antrag kann dabei auch auf mehrere ältere Rechte gestützt werden (§ 51 Abs. 1 MarkenG). Allerdings ist die Erklärung der Nichtigkeit aufgrund entgegenstehender älterer Rechte in bestimmten Fällen ausgeschlossen – etwa, wenn der Inhaber der älteren Rechte die jüngere Marke geduldet oder seine eigene Marke nicht benutzt hat (§ 51 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 MarkenG). Widerspricht der Inhaber der angegriffenen Marke dem Antrag auf Nichtigerklärung innerhalb von zwei Monaten, so wird das Nichtigkeitsverfahren durchgeführt. Widerspricht er dem Antrag nicht, so wird seine Marke für nichtig erklärt und gelöscht.

Auch Verfallsverfahren können ab 1. Mai vollständig im DPMA durchgeführt werden. Eingetragene Marken werden auf Antrag für verfallen erklärt und gelöscht, wenn sie innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht benutzt wurden, sie inzwischen geeignet sind, das Publikum zu täuschen oder wenn der Inhaber nicht mehr die in § 7 MarkenG genannten Voraussetzungen erfüllt. Für Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken bestehen weitere Verfallsgründe.

Bisher mussten Antragsteller Verfallsverfahren bei den ordentlichen Gerichten weiterverfolgen, wenn der Markeninhaber dem Antrag auf Erklärung des Verfalls und Löschung seiner Marke widersprach. Künftig können solche Verfahren komplett beim DPMA zum Abschluss gebracht werden. Auch hier gilt, dass ein Verfahren nur dann durchgeführt wird, wenn der Inhaber der angegriffenen Marke dem Nichtigkeitsantrag innerhalb von zwei Monaten widerspricht. Zusätzlich setzt die Durchführung des Verfahrens voraus, dass der Antragsteller innerhalb einer bestimmten Frist die Weiterverfolgungsgebühr bezahlt. Widerspricht der Inhaber der angegriffenen Marke dem Nichtigkeitsantrag nicht, wird seine Marke für verfallen erklärt und gelöscht.

Sowohl Nichtigkeitsverfahren als auch Verfallsverfahren können weiterhin bei den ordentlichen Gerichten eingeleitet werden, der Antragsteller hat also die Wahl. Eine Klage ist aber dann unzulässig, wenn bereits ein Antrag zu demselben Streitgegenstand beim DPMA gestellt wurde. Umgekehrt ist ein Antrag beim DPMA unzulässig, wenn über denselben Streitgegenstand eine Klage vor einem Gericht rechtshängig ist. Im Vergleich zu Gerichtsverfahren können die Verfahren beim DPMA für den Antragsteller wegen der niedrigeren Gebühren kostengünstiger sein. Zudem bleibt das Verfahren bei einer Institution, was eine einheitliche Rechtsanwendung erleichtert und zu mehr Rechtssicherheit beitragen kann. Beim DPMA besteht für Verfahrensbeteiligte mit Wohnsitz, Geschäftssitz oder Niederlassung in Deutschland auch kein Anwaltszwang.

Die gesetzlichen Änderungen gehen auf die europäische Markenrechtsrichtlinie zurück, die bereits seit 2016 gilt und die zum 1. Mai 2020 abschließend umzusetzen ist. Die weiteren durch die Richtlinie vorgesehenen Regelungen sind bereits mit dem Markenrechtsmodernisierungsgesetz zum 14. Januar 2019 in Kraft getreten.

Weitere Informationen zu den Neuerungen ab Mai 2020 und zu den jeweils anfallenden Gebühren finden Sie auf unserer Internetseite Änderungen im Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren.

Das Deutsche Patent- und Markenamt
Erfindergeist und Kreativität brauchen wirksamen Schutz. Das DPMA ist das deutsche Kompetenzzentrum für alle Schutzrechte des geistigen Eigentums – für Patente, Gebrauchsmuster, Marken und Designs. Als größtes nationales Patentamt in Europa und fünftgrößtes nationales Patentamt der Welt steht es für die Zukunft des Erfinderlandes Deutschland in einer globalisierten Wirtschaft. Seine fast 2 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an drei Standorten – München, Jena und Berlin – sind Dienstleister für Erfinder und Unternehmen. Sie setzen Innovationsstrategien des Bundes um und entwickeln die nationalen, europäischen und internationalen Schutzsysteme weiter.



BGH: Bei Prüfung der Unterscheidungskraft im Rahmen einer Markenanmeldung sind vom DPMA sämtliche wahrscheinliche Verwendungsarten der angemeldeten Marke zu prüfen

BGH
Urteil vom 30.01.2020
I ZB 61/17
#darferdas? II
Richtlinie 2008/95/EG Art. 3 Abs. 1 Buchst. b; Richtlinie 2015/2436/EU Art. 4 Abs. 1 Buchst. b; MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1


Der BGH hat entschieden, dass bei der Prüfung der Unterscheidungskraft im Rahmen einer Markenanmeldung vom DPMA sämtliche wahrscheinliche Verwendungsarten der angemeldeten Marke zu prüfen sind.

Leitsätze des BGH:

a) Die Unterscheidungskraft eines als Marke angemeldeten Zeichens muss unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen und Umstände, einschließlich sämtlicher wahrscheinlicher Verwendungsarten der angemeldeten Marke, geprüft werden. Sind in der maßgeblichen Branche mehrere Verwendungsarten praktisch bedeutsam, müssen bei der Prüfung der Unterscheidungskraft alle diese verschiedenen Verwendungsarten berücksichtigt werden.

b) Die Prüfung der Unterscheidungskraft kann nur in den Fällen auf die wahrscheinlichste Verwendung der angemeldeten Marke beschränkt werden, in denen in der betreffenden Branche nur eine Verwendungsart praktisch bedeutsam ist und der Anmelder keine konkreten Anhaltspunkte geliefert hat, die eine in der fraglichen Branche unübliche Verwendungsart in seinem Fall wahrscheinlich machen.

BGH, Beschluss vom 30. Januar 2020 - I ZB 61/17 - Bundespatentgericht

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH: Es kann Verwechslungsgefahr zwischen der Kollektivmarke HALLOUMI und dem Zeichen BBQLOUMI für Käse bestehen

EuGH
Urteil vom 05.03.2020
C-766/18 P
Foundation for the Protection of the Traditional Cheese of Cyprus named Halloumi / EUIPO


Der EuGH hat entschieden, dass Verwechslungsgefahr zwischen der Kollektivmarke HALLOUMI und dem Zeichen BBQLOUMI für Käse bestehen kann. Dies muss von der Vorinstanz erneut geprüft werden.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Der Gerichtshof hebt das Urteil des Gerichts auf, wonach die den zyprischen Käseherstellern vorbehaltene Kollektivmarke HALLOUMI der Eintragung des Zeichens „BBQLOUMI“ für Käse eines bulgarischen Herstellers als Unionsmarke nicht entgegensteht

Die Rechtssache wird an das Gericht zurückverwiesen, das zu prüfen haben wird, ob für die Verbraucher hinsichtlich der Herkunft der mit dem Zeichen „BBQLOUMI“ gekennzeichneten Waren eine Verwechslungsgefahr besteht.

Die Foundation for the Protection of the Traditional Cheese of Cyprus named Halloumi ist Inhaberin der für Käse eingetragenen Unionskollektivmarke HALLOUMI. Eine Unionskollektivmarke ist eine besondere Unionsmarke, die bei ihrer Anmeldung als solche bezeichnet wird und dazu dienen kann, Waren und Dienstleistungen der Mitglieder des Verbands, der Markeninhaber ist, von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Die Inhaberin dieser Kollektivmarke erhob Widerspruch gegen das von einer Gesellschaft mit Sitz in Bulgarien unter anderem für Käse als Unionsmarke angemeldete Bildzeichen mit dem Wortbestandteil „BBQLOUMI“. Das mit der Prüfung von Unionsmarkenanmeldungen betraute Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, zwischen der angemeldeten Marke BBQLOUMI und der älteren Kollektivmarke HALLOUMI bestehe keine Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Herkunft der Waren. Die Inhaberin der Kollektivmarke focht daraufhin diese Entscheidung des EUIPO vor dem Gericht der Europäischen Union an, das feststellte, dass die Kollektivmarke eine schwache Unterscheidungskraft habe, da der Begriff „halloumi“ eine Käsesorte bezeichne, und deshalb
ebenfalls eine Verwechslungsgefahr verneinte.

In seinem Urteil vom 5. März 2020, Foundation for the Protection of the Traditional Cheese of Cyprus named Halloumi/EUIPO (C-766/18 P), hat sich der mit einem Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts befasste Gerichtshof zunächst zur Anwendbarkeit der Rechtsprechung zu den Kriterien für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung über die Unionsmarke2 bei Unionsindividualmarken auf Rechtssachen geäußert, die
eine ältere Kollektivmarke betreffen.

Der Gerichtshof hat hierzu entschieden, dass im Fall einer älteren Kollektivmarke, deren wesentliche Funktion darin besteht, die Waren oder Dienstleistungen der Mitglieder des Verbands, der Markeninhaber ist, von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden, die Verwechslungsgefahr die Gefahr bezeichnet, dass die Verkehrskreise glauben könnten, die von der älteren Marke und die von der angemeldeten Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen stammten alle von Mitgliedern des Verbands, der Inhaber der älteren Marke ist, oder gegebenenfalls von wirtschaftlich mit diesen Mitgliedern oder diesem
Verband verbundenen Unternehmen. Auch wenn im Fall eines auf eine Kollektivmarke gestützten Widerspruchs die wesentliche Funktion von Kollektivmarken berücksichtigt werden muss, um zu klären, was unter „Verwechslungsgefahr“ zu verstehen ist, ist die Rechtsprechung zu den Kriterien, anhand deren bei Unionsindividualmarken konkret zu beurteilen ist, ob eine solche Gefahr besteht, gleichwohl auf Rechtssachen übertragbar, die eine ältere Kollektivmarke betreffen.

Keines der Merkmale von Unionskollektivmarken rechtfertigt es nämlich, im Fall eines auf eine solche Marke gestützten Widerspruchs von den Kriterien für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr abzuweichen, die sich aus dieser Rechtsprechung ergeben.

Sodann hat die Inhaberin der fraglichen Kollektivmarke geltend gemacht, die Unterscheidungskraft der älteren Marke sei anders zu beurteilen, wenn es sich um eine Unionskollektivmarke handele.

Der Gerichtshof hat dieses Vorbringen unter Hinweis darauf zurückgewiesen, dass das Erfordernis der Unterscheidungskraft auch für Unionskollektivmarken gilt. Die Unionskollektivmarken betreffenden Art. 67 bis 74 der Verordnung über die Unionsmarke enthalten nämlich keine abweichende Bestimmung. Folglich müssen solche Marken in jedem Fall Unterscheidungskraft besitzen, sei es originär oder durch Benutzung.

Ferner hat der Gerichtshof klargestellt, dass Art. 66 Abs. 2 der Verordnung keine Ausnahme vom Erfordernis der Unterscheidungskraft darstellt. Nach dieser Bestimmung können zwar, abweichend von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung , Zeichen, die zur Bezeichnung der geografischen Herkunft von Waren oder Dienstleistungen dienen können, als Unionskollektivmarken eingetragen werden; solchen Zeichen darf jedoch nicht die Unterscheidungskraft fehlen. Meldet ein Verband ein Zeichen, das eine geografische Herkunft bezeichnen kann, als Unionskollektivmarke an, muss er sich vergewissern, dass dieses Zeichen Bestandteile aufweist, die es dem Verbraucher ermöglichen, die Waren oder Dienstleistungen seiner Mitglieder von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Schließlich hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass das Bestehen einer Verwechslungsgefahr umfassend, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, zu beurteilen ist.

Das angefochtene Urteil zeigt aber, dass sich das Gericht auf die Prämisse gestützt hat, dass bei schwacher Unterscheidungskraft der älteren Marke das Bestehen von Verwechslungsgefahr auszuschließen sei, sobald sich erweise, dass die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken für sich genommen nicht den Nachweis einer solchen Gefahr ermögliche. Der Gerichtshof hält diese Prämisse für falsch, da die schwache Unterscheidungskraft einer älteren Marke das Vorliegen von Verwechslungsgefahr nicht ausschließt. Somit hätte geprüft werden müssen, ob der geringe Ähnlichkeitsgrad der einander gegenüberstehenden Marken durch den höheren Ähnlichkeitsgrad oder die Identität der mit ihnen gekennzeichneten Waren ausgeglichen wird. Da die vom Gericht vorgenommene Beurteilung dem Erfordernis einer umfassenden, der Wechselbeziehung zwischen den relevanten Faktoren Rechnung tragenden Beurteilung nicht genügt, hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen. Infolgedessen hat der Gerichtshof das Urteil des Gerichts aufgehoben und die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen, damit es das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr erneut prüft.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH: EUIPO muss erneut über Eintragung der Unionsmarke "Fack Ju Göhte" entscheiden - Titel wird von der deutschsprachigen Öffentlichkeit nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen

EuGH
Urteil vom 27.02.2020
C-240/18 P
Constantin Film Produktion / EUIPO


Der EuGH hat entschieden, dass das EUIPO erneut über Eintragung der Unionsmarke "Fack Ju Göhte" entscheiden muss. Der Titel bzw. die Wortfolge wird von der deutschsprachigen Öffentlichkeit nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen.

(siehe zur Vorinstanz EuG: Zeichenfolge Fack Ju Göhte kann nicht als Unionsmarke eingetragen werden - Verstoß gegen die guten Sitten )

Die Pressemitteilung des EuGH:

Das EUIPO muss erneut über das von Constantin Film als Unionsmarke angemeldete Zeichen Fack Ju Göhte entscheiden

Das EUIPO und das Gericht, die das Zeichen für sittenwidrig hielten, haben nicht hinreichend berücksichtigt, dass dieser Titel einer Filmkomödie von der deutschsprachigen breiten Öffentlichkeit offenbar nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen wurde.

Die von Constantin Film produzierte deutsche Filmkomödie „Fack Ju Göhte“ aus dem Jahr 2013 wurde in Deutschland von knapp 7,4 Millionen Zuschauern gesehen. Sie zählt mit ihren Fortsetzungen „Fack Ju Göhte 2“ und „Fack Ju Göhte 3“ aus den Jahren 2015 und 2017 zu den erfolgreichsten deutschen Kinofilmen. Auch in Österreich war der Film sehr erfolgreich.

Im Jahr 2015 meldete Constantin Film beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das Wortzeichen Fack Ju Göhte für verschiedene Waren und Dienstleistungen als Unionsmarke an, u. a. für Kosmetikartikel, Schmuck, Schreibwaren, Reise- und Sportartikel, Spiele, Lebensmittel und Getränke.

Das EUIPO lehnte es ab, dem Zeichen Markenschutz zu gewähren, weil es gegen die guten Sitten verstoße. Nach Auffassung des EUIPO erkennen die deutschsprachigen Verkehrskreise in den Wörtern „Fack Ju“ den (lautschriftlich ins Deutsche übertragenen) vulgären und anstößigen englischen Ausdruck „Fuck you“. Durch die Hinzufügung des Elements „Göhte“ (mit dem der Name des deutschen Dichters Goethe lautschriftlich übertragen werde) könne die Wahrnehmung der Beleidigung „Fack Ju“ nicht wesentlich abgeändert werden.

Die von Constantin Film gegen diese Zurückweisung vor dem Gericht der Europäischen Union erhobene Klage blieb erfolglos; sie wurde mit Urteil vom 24. Januar 2018 abgewiesen. Daraufhin legte Constantin Film gegen das Urteil des Gerichts Rechtsmittel beim Gerichtshof ein.

Mit seinem Urteil von heute hebt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts und die Entscheidung des EUIPO, die weitgehend dieselben Fehler enthalten, auf. Das EUIPO muss somit erneut über die Markenanmeldung von Constantin Film entscheiden.

Nach Auffassung des Gerichtshofs haben das Gericht und das EUIPO nicht hinreichend berücksichtigt, dass verschiedene Begleitumstände übereinstimmend darauf hinweisen, dass der Titel der in Rede stehenden Filmkomödien trotz der Gleichsetzung der Wörter „Fack Ju“ mit dem englischen Ausdruck „Fuck you“ von der deutschsprachigen breiten Öffentlichkeit nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen wurde.

Trotz der mit dem großen Erfolg dieser Filmkomödien einhergehenden großen Sichtbarkeit ihres Titels hat dieser offenbar nicht zu einem Meinungsstreit bei diesem Publikum geführt. Im Übrigen wurden zu den Filmkomödien mit diesem Titel, die im schulischen Umfeld spielen, jugendliche Zuschauer zugelassen. Darüber hinaus haben diese Filme Fördermittel verschiedener Organisationen erhalten und wurden überdies vom Goethe-Institut zu Unterrichtszwecken v erwendet.

Weiter stellt der Gerichtshof fest, dass die Wahrnehmung des englischen Ausdrucks „Fuck you“durch das deutschsprachige Publikum, obwohl er diesem bekannt ist und es seine Bedeutung kennt, nicht zwangsläufig dieselbe wie die eines englischsprachigen Publikums ist. In der Muttersprache könne die Empfindlichkeit nämlich wesentlich stärker als in einer Fremdsprache sein. Aus dem gleichen Grund nehme das deutschsprachige Publikum diesen englischen Ausdruck auch nicht zwangsläufig ebenso wahr, wie es dessen deutsche Übersetzung wahrnehmen würde. Darüber hinaus bestehen der Titel der fraglichen Komödien und damit die angemeldete Marke nicht aus diesem englischen Ausdruck als solchem, sondern aus dessen lautschriftlicher Übertragung ins Deutsche, ergänzt um das Element „Göhte“.

Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass kein konkreter Aspekt vorgetragen wurde, um plausibel zu erklären, weshalb das allgemeine deutschsprachige Publikum das Wortzeichen „Fack Ju Göhte“ als Verstoß gegen grundlegende moralische Werte und Normen der Gesellschaft wahrnähme, wenn es als Marke verwendet würde, obwohl dasselbe Publikum den Titel der gleichnamigen Komödien offenbar nicht für sittenwidrig hielt, stellt der Gerichtshof fest, dass das EUIPO nicht rechtlich hinreichend dargetan hat, dass die angemeldete Marke nicht eingetragen werden kann.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuG: Keine Eintragung als Unionsmarke für Zeichen das auf Marihuanakonsum anspielt - Verstoß gegen öffentliche Ordnung - Cannabis Store Amsterdam

EuG
Urteil vom 12.12.2019
T-683/18
Santa Conte / EUIPO


Das EuG hat entschieden, dass ein Zeichen, das auf Marihuanakonsum anspielt, nicht als Unionsmarke eingetragen werden kann. Es liegt ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung vor. Es ging um ein Logo mit der Wortfolge "Cannabis Store Amsterdam".

Die Pressemitteilung des EuG:
.
Ein Zeichen, das auf Marihuanakonsum anspielt, darf beim gegenwärtigen Stand des Rechts nicht als Unionsmarke eingetragen werden.

Ein solches Zeichen verstößt gegen die öffentliche Ordnung.

Im Jahr 2016 meldete Frau Santa Conte folgendes Bildzeichen beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) als Unionsmarke für Lebensmittel, Getränke und Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen an:

[...]

Das EUIPO wies ihre Anmeldung zurück, weil es die Auffassung vertrat, das Zeichen verstoße gegen die öffentliche Ordnung. Frau Conte erhob daraufhin Klage auf Aufhebung der Entscheidung des EUIPO beim Gericht der Europäischen Union.

Mit seinem heutigen Urteil weist das Gericht die Klage ab, wodurch die Entscheidung des EUIPO bestätigt wird.

Das Gericht stellt fest, das EUIPO habe zu Recht die Ansicht vertreten, dass die stilisierte Darstellung des Cannabisblatts das mediale Symbol für Marihuana sei und das Wort „amsterdam“ auf die Tatsache Bezug nehme, dass es in der Stadt Amsterdam Verkaufsstellen für dieses aus Cannabis gewonnene Rauschgift gebe, da sein Vertrieb unter bestimmten Voraussetzungen in den Niederlanden geduldet werde. Darüber hinaus bewirke die Erwähnung des Wortes „store“, das üblicherweise Laden oder Geschäft bedeute, dass die Verkehrskreise erwarten könnten, die unter diesem Zeichen vertriebenen Waren und Dienstleistungen entsprächen jenen, die ein Rauschgiftladen anbiete. Daher kommt das Gericht, obwohl es einräumt, dass Hanf unterhalb eines bestimmten Tetrahydrocannabinolgehalts nicht als Rauschgiftsubstanz gilt, zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall das fragliche Zeichen gerade durch die Verbindung dieseverschiedenen Elemente die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf sich zieht, die nicht unbedingt genaue wissenschaftliche oder technische Kenntnisse zu Cannabis als einer in
zahlreichen EU-Ländern illegalen Rauschgiftsubstanz besitzen.

Hinsichtlich des Begriffs „öffentliche Ordnung“ merkt das Gericht an, dass zwar derzeit die Frage der Legalisierung von Cannabis zu Therapie- und sogar Erholungszwecken in vielen Mitgliedstaaten diskutiert wird, aber beim gegenwärtigen Stand des Rechts sein Konsum und seine Verwendung oberhalb eines bestimmten Tetrahydrocannabinolgehalts in den meisten
Mitgliedstaaten rechtswidrig sind. Daher wird in diesen Staaten mit dem Kampf gegen die Verbreitung der aus Cannabis gewonnenen Rauschgiftsubstanz ein Ziel der öffentlichen Gesundheit verfolgt, mit dem die schädlichen Wirkungen bekämpft werden sollen. Die geltende Regelung für den Konsum und die Verwendung dieser Substanz fällt demnach unter den Begriff
„öffentliche Ordnung“. Darüber hinaus sieht der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vor, dass die Union die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Verringerung drogenkonsumbedingter Gesundheitsschäden einschließlich der Informations- und Vorbeugungsmaßnahmen ergänzt und illegaler Drogenhandel zu den Bereichen besonders schwerer Kriminalität zählt, die eine grenzüberschreitende Dimension haben und für die ein Tätigwerden des Unionsgesetzgebers vorgesehen ist. Angesichts dieses grundlegenden Interesses ist nach Ansicht des Gerichts der Umstand, dass das fragliche Zeichen von den relevanten Verkehrskreisen als ein Hinweis aufgefasst wird, dass die von der Markenanmeldung erfassten Lebensmittel und Getränke sowie entsprechenden Dienstleistungen Rauschgiftsubstanzen enthalten, die in mehreren Mitgliedstaaten verboten sind,
hinreichend, um zum Ergebnis zu gelangen, dass es gegen die öffentliche Ordnung verstößt.

Das Gericht betont, dass, da eine der Funktionen einer Marke darin besteht, die betriebliche Herkunft der Ware oder Dienstleistung zu identifizieren, um es dem Verbraucher zu ermöglichen, jeweils seine Entscheidung zu treffen, das fragliche Zeichen, indem es in der oben beschriebenen Weise aufgefasst wird, implizit, aber zwangsläufig zum Kauf solcher Waren und
Dienstleistungen anregt oder zumindest deren Konsum banalisiert.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




EuGH-Generalanwalt: Wortfolge Fack Ju Göhte kann von Constantin Film Produktion GmbH als Unionsmarke eingetragen werden und verstöß nicht gegen die guten Sitten

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge des Generalanwalts vom 02.07.2019
C-240/18 P
Constantin Film Produktion GmbH / Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO)


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Erhebnis, dass die Wortfolge "Fack Ju Göhte" von der Constantin Film Produktion GmbH als Unionsmarke eingetragen werden kann, da die Marke insbesondere nicht gegen die guten Sitten verstößt.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Generalanwalt Bobek: Die Entscheidung, mit der das EUIPO die Eintragung der Marke „Fack Ju Göhte“ abgelehnt hat, sollte aufgehoben werden

Die beleidigende und vulgäre Natur der Marke wurde nicht in Bezug auf einen speziellen sozialen Kontext zu einer bestimmten Zeit nachgewiesen

Im Jahr 2015 meldete die Constantin Film Produktion GmbH (Constantin Film) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das dem Titel eines erfolgreichen deutschen Films entsprechende Wortzeichen „Fack Ju Göhte“ zur Eintragung als Unionsmarke für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen an. Die Anmeldung wurde zurückgewiesen, weil das Wortzeichen gegen die „guten Sitten“ verstoße. Das EUIPO war der Ansicht, die Wörter „Fack Ju“ würden genauso ausgesprochen wie der englische Ausdruck „fuck you“ und stellten daher eine geschmacklose, anstößige und vulgäre Beleidigung dar, durch die der hochangesehene Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe posthum beleidigt werde.

Im Jahr 2017 erhob Constantin Film Klage beim Gericht der Europäischen Union und beantragte, die Entscheidung des EUIPO aufzuheben. Das Gericht hat die Klage abgewiesen.

Gegen das Urteil des Gerichts hat Constantin Film beim Gerichtshof der Europäischen Union Rechtsmittel eingelegt und rügt Fehler bei der Auslegung und der Anwendung der Unionsmarkenverordnung, nach der Unionsmarken, die „gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen“, von der Eintragung ausgeschlossen sind, sowie einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Rechtssicherheit und der guten Verwaltung.

In seinen heutigen Schlussanträgen schlägt Generalanwalt Bobek dem Gerichtshof vor, das Urteil des Gerichts und die Entscheidung des EUIPO aufzuheben.

Der Generalanwalt weist darauf hin, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung im Markenrecht Anwendung finde, auch wenn der Schutz dieses Rechts nicht das vorrangige Ziel der Marken sei, sondern es im Markenrecht im Wesentlichen darum gehe, gegenüber den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten.

Das EUIPO spiele beim Schutz der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten zwar eine Rolle, doch handele es sich dabei nicht um seine Hauptaufgabe.

Hinsichtlich der Begriffe „öffentliche Ordnung“ und „gute Sitten“, auf die in der Verordnung Bezug genommen wird, bestehe zwar eine gewisse Überschneidung, jedoch sei zwischen beiden Begriffen zu unterscheiden und bei ihrer jeweiligen Beurteilung seien unterschiedliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Möchte das EUIPO, wie im vorliegenden Fall, insbesondere auf das absolute Eintragungshindernis der guten Sitten abstellen, müsse es darlegen, weshalb ein bestimmtes Zeichen gegen diesen Grundsatz verstoßen würde. Diese Beurteilung müsse sich unbedingt auf einen bestimmten sozialen Kontext stützen und es dürften keine tatsächlichen Beweise außer Acht gelassen werden, die die eigenen Ansichten des EUIPO darüber, was zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Gesellschaft den guten Sitten entspricht oder nicht entspricht, entweder bestätigen oder möglicherweise in Frage stellen. Mit anderen Worten: Diese Beurteilung kann nicht allein unter Berücksichtigung des Wortzeichens, isoliert von seiner allgemeineren Wahrnehmung in der Gesellschaft und seinem Kontext vorgenommen werden. Für die vorliegende Rechtssache gelangt der Generalanwalt zu dem Ergebnis, dass die vom Gericht bestätigte Beurteilung durch das EUIPO diesen Anforderungen nicht genüge.

Der Generalanwalt setzt sich insoweit mit der Bewertung bestimmter von Constantin Film vorgebrachter Aspekte durch das EUIPO und das Gericht auseinander; dazu gehören etwa der Erfolg des Films „Fack Ju Göhte“, der trotz seines Titels nicht umstritten gewesen sei, die ordnungsgemäße Genehmigung des Filmtitels und die Freigabe des Films für Jugendliche sowie dessen Einbeziehung in das Lernprogramm des Goethe-Instituts. Zwar sei keiner dieser Aspekte als solcher entscheidend für die Beurteilung im Sinne der Verordnung, doch gehe von ihnen eine starke Indizwirkung für die soziale Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in Bezug auf die guten Sitten aus. Daher hätten das EUIPO und das Gericht erheblich überzeugendere Argumente dafür anführen müssen, weshalb ihrer Meinung nach eine gleichnamige Marke wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten gegenüber genau denselben Verkehrskreisen gleichwohl nicht eintragungsfähig sei.

Schließlich weist der Generalanwalt darauf hin, dass das Gericht rechtsfehlerhaft nicht beanstandet habe, dass das EUIPO die Abweichung von seiner bisherigen Entscheidungspraxis nicht angemessen begründet habe oder keinen schlüssigen Grund dafür angegeben habe, warum über die Anmeldung des Zeichens „Fack Ju Göhte“ anders zu entscheiden gewesen sei als in einem ähnlichen Fall , auf den Constantin Film das EUIPO zur Unterstützung ihrer Anmeldung hingewiesen hatte.