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Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte mit strengeren Vorschriften für Medizinprodukte am 26.05.2021 in Kraft getreten

Am 26.05.2021 sind die Regelungen der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte mit strengeren Regelungen für Medizinprodukte in Kraft getreten.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:

Öffentliche Gesundheit: Strengere Vorschriften für Medizinprodukt

Heute treten neue EU-Vorschriften für Medizinprodukte in Kraft, mit denen ein moderner und robusterer Rechtsrahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Patientensicherheit geschaffen wird. Die neuen Vorschriften werden nun anwendbar, nachdem ihr Geltungsbeginn aufgrund der beispiellosen Herausforderungen der Coronavirus-Pandemie um ein Jahr verschoben worden war, um dem gestiegenen Bedarf an lebenswichtigen Medizinprodukten in der gesamten EU Rechnung zu tragen.

Die Verordnung gilt für Medizinprodukte von Hüftgelenksprothesen bis hin zu Heftpflastern. Mit ihr wird die Transparenz verbessert und das EU-Recht an den technologischen und medizinischen Fortschritt angepasst. Damit verbessert sich die klinische Sicherheit und es entsteht ein fairer Marktzugang für Hersteller.

Stella Kyriakides, Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, erklärte dazu: „Dies ist ein wichtiger Fortschritt für den Schutz der Patientinnen und Patienten in ganz Europa. Die neuen Vorschriften erhöhen die Sicherheit und Qualität von Medizinprodukten, bieten den Patientinnen und Patienten gleichzeitig mehr Transparenz und verringern die Verwaltungslasten für die Unternehmen. Die Verordnung wird die Innovation und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken und sicherstellen, dass wir auf alle neuen und künftigen Herausforderungen vorbereitet sind.“

Kurz gefasst bewirkt die Verordnung über Medizinprodukte:

Bessere Qualität, mehr Sicherheit und größere Zuverlässigkeit von Medizinprodukten: Es werden strengere Kontrollen von Hochrisiko-Produkten wie Implantaten und die Konsultation eines Expertenpools auf EU-Ebene vor dem Inverkehrbringen des Produkts vorgeschrieben. Klinische Bewertungen, Prüfungen und die benannten Stellen, die Bescheinigungen für Medizinprodukte ausstellen dürfen, werden schärfer kontrolliert.
Größere Transparenz und bessere Patientenaufklärung: Wichtige Informationen müssen leicht aufzufinden sein. Die Europäische Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) wird Informationen zu jedem auf dem Markt befindlichen Medizinprodukt enthalten, auch betreffend die Unternehmen und die von den benannten Stellen ausgestellten Bescheinigungen. Jedes Produkt erhält eine einmalige Produktkennung, damit es in EUDAMED zu finden ist. Eine ausführlichere Kennzeichnung und digitale Handbücher werden die Benutzerfreundlichkeit erhöhen. Implantatpatienten erhalten einen Implantationsausweis mit allen wesentlichen Informationen.
Verstärkte Vigilanz und Marktüberwachung: Sobald Produkte auf dem Markt sind, müssen die Hersteller Daten über ihre Leistung erheben. Die EU-Länder werden ihre Vigilanz und Marktüberwachung eng koordinieren.
Hintergrund

In der EU gibt es mehr als 500 000 Arten von Medizinprodukten auf dem Markt. Medizinprodukte sind beispielsweise Kontaktlinsen, Röntgengeräte, Beatmungsgeräte, Schrittmacher, Software, Brustimplantate, künstliche Hüftgelenke oder Heftpflaster.

Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Rettung von Menschenleben, da sie im Gesundheitswesen innovative Lösungen für die Diagnose, Prävention, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von Krankheiten bieten.

Die Verordnung über Medizinprodukte wird durch die Verordnung über In-vitro-Diagnostika (2017/746/EU) ergänzt, die ab dem 26. Mai 2022 gelten wird. In-vitro-Diagnostika dienen dazu, Tests an Proben vorzunehmen, etwa HIV-Bluttests, Schwangerschaftstests, COVID-19-Tests und Blutzucker-Überwachungssysteme für Diabetiker.


OLG Hamm: Alltagsmaske in Form einer textilen Mund-Nasen-Bedeckung ist kein Medizinprodukt im Sinne des Medizinproduktegesetzes (MPG)

OLG Hamm
Beschluss vom 15.12.2020
I-4 W 116/20


Das OLG Hamm hat entschieden, dass eine Alltagsmaske in Form einer textilen Mund-Nasen-Bedeckung kein Medizinprodukt im Sinne des Medizinproduktegesetzes (MPG) ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Oberlandesgericht Hamm: Handelt es sich bei einer „Alltagsmaske“ in Form einer „textilen Mund-Nasen-Bedeckung“ um ein Medizinprodukt?

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hatte sich in einem Beschluss vom 15.12.2020 (Az. I-4 W 116/20) mit der Frage zu befassen, ob eine „Alltagsmaske“ in der Form einer „textilen Mund-Nasen-Bedeckung“ ein Medizinprodukt ist und – falls dies nicht der Fall wäre – hierauf klarstellend hingewiesen werden müsste.

Das antragstellende Unternehmen aus Isernhagen verlangt in einem Eilverfahren von einer Großhändlerin aus Drensteinfurt, eine zur Bedeckung von Mund und Nase geeignete „Stoffmaske“ sowie eine „Mund- und Nasenmaske“ nicht mehr zu vertreiben.

Das zunächst mit der Sache befasste Landgericht Münster hat mit Beschluss vom 06.11.2020 (Az. 025 O 89/20) dem Unternehmen aus Drensteinfurt den Vertrieb der „Mund- und Nasenmaske“ untersagt. Den weitergehenden Antrag in Bezug auf die „Stoffmaske“ hat es zurückgewiesen. Dagegen wendet sich das antragstellende Unternehmen aus Isernhagen mit der sofortigen Beschwerde.

Ohne Erfolg! Dem Vertrieb der Maske – so der Senat – stünde das Medizinproduktegesetz (MPG), das den Verkehr mit Medizinprodukten regeln und dadurch für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz insbesondere der Patienten und Benutzer der Produkte sorgen soll, nicht entgegen. Denn bei der „Stoffmaske“ handele es sich schon nicht um ein Medizinprodukt im Sinne von § 3 Nr. 1 MPG. Für die Beurteilung, ob ein Produkt – wie für die Einordnung als Medizinprodukt erforderlich – einem medizinischen Zweck diene, komme es auf die (subjektive) Bestimmung des Herstellers an, wie sie sich aus den Angaben ergebe, die der Kennzeichnung, der Gebrauchsanweisung oder der Werbung entnommen werden könnten. Die Maske selbst sei nicht mit einem Hinweis auf eine Verwendbarkeit zu medizinischen Zwecken versehen. Auch nach ihrer Gestaltung und Aufmachung könne nicht von einer Verwendbarkeit zu medizinischen Zwecken ausgegangen werden: Die Maske sei mit einer – im Stile einer Comic-Zeichnung gehaltenen – Zeichnung eines geöffneten Mundes mit lückenhaftem Gebiss auf grünem Hintergrund bedruckt. Die Verpackung der Maske enthalte ebenfalls keine Hinweise auf eine Verwendbarkeit zu medizinischen Zwecken. Dass die Maske im Einzelhandel möglicherweise zusammen mit medizinisch anmutenden Gesichtsmasken ausgestellt worden sei, sei weder dem Hersteller oder Importeur noch der Großhändlerin aus Drensteinfurt zuzurechnen. Im Sprachgebrauch der derzeit geltenden infektionsschutzrechtlichen Regelungen zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus handele sich bei der in Rede stehenden Maske um nicht mehr als um eine sogenannte „Alltagsmaske“ in Form einer „textilen Mund-Nasen-Bedeckung“ (vgl. § 3 Abs. 1 der aktuell geltenden nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung). Dass einer solchen „Alltagsmaske“ nach Auffassung der Wissenschaft, des infektionsschutzrechtlichen Verordnungsgebers und des angesprochenen Verkehrs eine Schutzwirkung vor der Verbreitung des Coronavirus beigemessen werde, ändere nichts daran, dass sie nach der Bestimmung des Herstellers keinem medizinischen Zweck diene. Auch Wasser und Seife würden nicht deshalb zu „Medizinprodukten“, weil regelmäßiges Händewaschen nach allgemeiner Auffassung und Empfehlung der zuständigen Behörden eine Schutzwirkung vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus habe.

Die in Anspruch genommene Großhändlerin habe bei dem Vertrieb der „Stoffmaske“ auch nicht klarstellen müssen, dass es sich nicht um ein „Medizinprodukt“ handele. Abwegig sei insbesondere, dass der angesprochene Verkehr die konkret in Rede stehende „Alltagsmaske“ einer unter Verbraucherschutz-, Infektionsschutz-, Gesundheitsschutz- oder Sicherheitsaspekten gesetzlich besonders geregelten Produktkategorie zurechne.

Nicht anfechtbarer Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15.12.2020 (Az. I-4 W 116/20, OLG Hamm)

Der Beschluss ist in anonymisiertem Volltext unter www.nrwe.de in Kürze abrufbar.


Hinweise der Pressestelle:

1. § 3 Nr. 1 Medizinproduktegesetz (MPG) lautet wie folgt:

Medizinprodukte sind alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der vom Hersteller speziell zur Anwendung für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmten und für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinproduktes eingesetzten Software, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke

a ) der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten,

b) der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen,

c) der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs oder

d) der Empfängnisregelung

zu dienen bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.

2. § 3 Abs. 1 der nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung lautet wie folgt:

Eine Alltagsmaske im Sinne dieser Verordnung ist eine textile Mund-Nasen-Bedeckung (einschließlich Schals, Tüchern und so weiter) oder eine gleich wirksame Abdeckung von Mund und Nase aus anderen Stoffen (OP-Maske und so weiter).



LG Karlsruhe: Grundsatz des fliegenden Gerichtsstandes gilt nicht für wettbewerbsrechliche Unterlassungsansprüche wegen fehlender Pflichtinformationen beim Vertrieb von Waren nach dem MPG

LG Karlsruhe
Urteil vom 09.03.2020
14 O 72/19 KfH

Das LG Karlsruhe hat entschieden, dass der Grundsatz des fliegendes Gerichtsstandes nicht für wettbewerbsrechliche Unterlassungsansprüche wegen fehlender Pflichtinformationen beim Vertrieb von Waren nach dem Medizinproduktegesetz gilt.


OLG Schleswig-Holstein: Verkauf von Gleitsichtbrillen im Internet zulässig und keine Gesundheitsgefährdung der Kunden im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 29.09.2014
6 U 2/14


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass der Verkauf von Gleitsichtbrillen über das Internet zulässig ist. Es liegt kein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG (Gesetz über Medizinprodukte) vor. Es besteht kein begründeter Verdacht, dass durch Nutzen von Gleitsichtbrillen, die nach nur über das Internet eingegebenen Angaben hergestellt werden, eine Gesundheitsgefährdung der Kunden zu befürchten ist.

Das Gericht urteilte zudem, dass das streitgegenständliche Angebot mit "hochwertig" und "individuell" beworben werden darf. Es liegt insofern keine Irreführung vor.




BGH: Zur Abgrenzung von Medizinprodukt und (Funktions-)Arzneimittel - Photodynamische Therapie

BGH
Urteil vom 24.06.2010
I ZR 166/08
Photodynamische Therapie
RL 2001/83/EG Art. 1 Nr. 2 Buchst. b, Art. 2 Abs. 2; RL 93/42/EWG Art. 1
Abs. 2 Buchst. a; AMG § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 7; MPG § 3 Nr. 1 Buchst. a
und Nr. 1 aE

Leitsatz des BGH:

Bei der im jeweiligen Einzelfall zu treffenden Entscheidung, ob ein Erzeugnis ein (Funktions-)Arzneimittel oder ein Medizinprodukt ist, sind neben seinen unmittelbaren Wirkungen auch seine Neben- und Folgewirkungen zu berücksichtigen und führen diese, soweit sie auf immunologischem, metabolischem oder pharmakologischem Gebiet liegen, zu seiner Einordnung als Arzneimittel.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Vertrieb von Teststreifen zur Blutzuckerbestimmung nur mit Gebrauchsanweisung und Etikettierung in deutscher Sprache

BGH
Urteil vom 12.05.2010
I ZR 185/07
UWG § 4 Nr. 11; MPG § 6 Abs. 1 Satz 1


Leitsatz des BGH:

In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung dürfen im Inland nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie eine Gebrauchsanweisung und eine Etikettierung in deutscher Sprache enthalten, die vorab in einem (erneuten oder ergänzenden) Konformitätsbewertungsverfahren überprüft worden sind.


BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 185/07

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: