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BGH legt EuGH Fragen zum urheberrechtlichen Werkbegriff im Rechtsstreit um das USM Haller Möbelsystem zur Vorabentscheidung vor

BGH
Beschluss vom 21.12.2023
I ZR 96/22


Der BGH hat dem EuGH Fragen zum urheberrechtlichen Werkbegriff im Rechtsstreit um das USM Haller Möbelsystem zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof legt Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zum urheberrechtlichen Werkbegriff
vor

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen vorgelegt, mit denen der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelte Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks weiter geklärt werden soll.

Sachverhalt:

Die in der Schweiz ansässige Klägerin ist Herstellerin eines von ihr unter der Bezeichnung "USM Haller" seit Jahrzehnten vertriebenen modularen Möbelsystems, bei dem hochglanzverchromte Rundrohre mittels kugelförmiger Verbindungsknoten zu einem Gestell zusammengesetzt werden. In das Gestell können verschiedenfarbige Verschlussflächen aus Metall (sogenannte Tablare) eingesetzt werden. Die so geschaffenen Korpusse können beliebig kombiniert und über- oder nebeneinander angebaut werden.

Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, bietet über ihren Online-Shop Ersatzteile und Erweiterungsteile für das USM Haller Möbelsystem an, die in der Form und überwiegend auch in der Farbe den Original-Komponenten der Klägerin entsprechen. Nachdem sich die Beklagte zunächst - von der Klägerin nicht beanstandet - auf das reine Ersatzteilgeschäft beschränkt hatte, nahm sie in den Jahren 2017/2018 eine Neugestaltung ihres Online-Shops vor, in dem sämtliche Komponenten aufgelistet werden, die für den Zusammenbau vollständiger USM Haller Möbel erforderlich sind. Die Beklagte bietet ihren Kunden einen Montageservice an, bei dem die gelieferten Einzelteile beim Kunden zu einem vollständigen Möbelstück zusammengefügt werden.

Die Klägerin ist der Ansicht, bei dem USM Haller Möbelsystem handele es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst, jedenfalls aber um ein lauterkeitsrechtlich gegen Nachahmung geschütztes Leistungsergebnis. Sie sieht in der Neugestaltung des Online-Shops eine neue Ausrichtung des Geschäftsmodells der Beklagten, die darauf abziele, nicht mehr nur Ersatzteile für das Möbelsystem der Klägerin anzubieten, sondern ein eigenes Möbelsystem herzustellen, anzubieten und zu vertreiben, das mit ihrem Möbelsystem identisch sei.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, den Ersatz von Abmahnkosten und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Sie stützt ihre Klageanträge in erster Linie auf Urheberrecht, hilfsweise auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage aus Urheberrecht überwiegend stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat dagegen urheberrechtliche Ansprüche abgelehnt und lediglich Ansprüche aus Wettbewerbsrecht zuerkannt.

Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dass es sich bei dem USM Haller Möbelsystem nicht um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG handele. Es erfülle nicht die vom Gerichtshof der Europäischen Union in seiner jüngeren Rechtsprechung gestellten Anforderungen an ein Werk, weil seine Gestaltungsmerkmale - auch nach dem von ihnen vermittelten Gesamteindruck - nicht Ausdruck freier kreativer Entscheidungen seien.

Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche seien aber unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes begründet. Das USM Haller Möbelsystem habe wettbewerbliche Eigenart, weil seine Gestaltungsmerkmale nach ihrem Gesamteindruck auf die Klägerin als Herstellerin hinwiesen. Das Angebot der Beklagten sei gemäß § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG unlauter, weil es die Abnehmer in vermeidbarer Weise über die betriebliche Herkunft der angebotenen Produkte täusche.

Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin verfolgt ihre vom Oberlandesgericht abgewiesenen urheberrechtlichen Ansprüche weiter. Die Beklagten erstreben die vollständige Abweisung der Klage.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union drei Fragen zur Auslegung des in Art. 2 Buchst. a, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft enthaltenen Begriffs des Werks vorgelegt. Die richtige Auslegung ist mit Blick auf das beim Gerichtshof der Europäischen Union zum Aktenzeichen C-580/23 anhängige Vorabentscheidungsersuchen des schwedischen Berufungsgerichts für Patente und Märkte ("Svea hovrätt"), das gleichfalls Fragen zum Werkbegriff aufwirft, nicht derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt.

Zunächst soll durch den Gerichtshof der Europäischen Union geklärt werden, ob das Berufungsgericht mit Blick auf den für Werke der angewandten Kunst ebenfalls in Betracht kommenden Schutz als Geschmacksmuster oder Design zutreffend von einem Ausnahmecharakter des Urheberrechtsschutzes mit der Folge ausgegangen ist, dass bei der Prüfung der urheberrechtlichen Originalität dieser Werke höhere Anforderungen an die freie kreative Entscheidung des Schöpfers zu stellen sind als bei anderen Werkarten.

Fraglich ist außerdem, ob bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität (auch) auf die subjektive Sicht des Schöpfers beim Schöpfungsprozess abzustellen ist und er insbesondere die kreativen Entscheidungen bewusst treffen muss oder aber ob es auf einen objektiven Maßstab ankommt.

Ferner ist bislang nicht eindeutig geklärt, ob bei der Beurteilung der Originalität nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Gestaltung eingetretene Umstände herangezogen werden können, wie etwa die Präsentation der Gestaltung in Kunstausstellungen oder Museen oder ihre Anerkennung in Fachkreisen.

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf - Urteil vom 14. Juli 2020 - 14c O 57/19

OLG Düsseldorf - Urteil vom 2. Juni 2022 - 20 U 259/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: (…)

4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; (…)

(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

Art. 2 Buchst. a Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen für die Urheber in Bezug auf ihre Werke das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.

Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten.


LG Hamburg: Markenrechtliche Annexansprüche bei Markenrechtsverletzung durch Anhängen an fremde ASIN bei Amazon - 100.000 EURO Streitwert

LG Hamburg
Urteil vom 14.07.2022
327 O 32/19


Das LG Hamburg hat sich in dieser Entscheidung mit den markenrechtlichen Annexansprüchen bei einer Markenrechtsverletzung durch Anhängen an eine fremde ASIN bei Amazon befasst. Zudem hat das Gericht entschieden, dass bei einer Markenrechtsverletzung ein Streitwert in Höhe von 100.000 EURO angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin macht gegen die Beklagte zeichenrechtliche Annexansprüche wegen einer aus Sicht der Klägerin erfolgten Zeichenrechtsverletzung durch die Beklagte geltend.

Die Klägerin ist im Handelsregister des Amtsgerichts S. unter ihrer aus dem Aktivrubrum ersichtlichen Firma seit dem 15.06.2009 (Eintragungstag) mit dem Unternehmensgegenstand „Zoologischer Groß- und Einzelhandel, Im- und Export von Waren und Gütern aller Art, insbesondere Zoofachartikel und der An- und Verkauf von Materialien, die dem Geschäftszweck dienlich sind“ eingetragen (vgl. Anlage K 18). Sie ist ferner Inhaberin der deutschen Wort-/Bildmarke „Lyra Pet“ mit einer Priorität vom 28.09.2017 und Schutz u. a. für „Tiernahrung“ und „Vogelfutter“ in Nizza-Klasse 31 (vgl. Anlage K 1; im Folgenden die „Klagemarke“).

Die Beklagte betrieb ein Verkäuferprofil unter „amazon.de“ und erschien dort am 28.06.2018 mit dem Angebot „10 kg Sonnenblumenkerne schwarz Lyra Pet Wildvogelfutter Vogelfutter Ernte 2017“ mit dem Zusatz „von Lyra Pet“ (vgl. Anlage K 2). Jene Angebotsbezeichnung (ohne Zusatz) erschien auch als Artikelbezeichnung in einer von der Beklagten gegenüber Herrn C. K. ausgestellten Rechnung vom 29.06.2018 (vgl. Anlage K 4) für die Lieferung des aus Anlage K 5 ersichtlichen Vogelfutters.

Die Klägerin ließ die Beklagte daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 04.07.2018 wegen einer nach Auffassung der Klägerin in dem Angebot der Beklagten liegenden Zeichenrechtsverletzung abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auffordern (vgl. Anlage K 7). Mit Anwaltsschreiben vom 03.08.2018 ließ die Beklagte daraufhin gegenüber der Klägerin eine strafbewehrten Unterlassungserklärung abgeben, die die Klägerin annahm (vgl. Anlagen K 10 und K 11). Ferner leistete die Beklagte auf der Basis eines von ihr insoweit zugrunde gelegten Gegenstandswertes in Höhe von 20.000,00 € Abmahnkostenersatz in Höhe von 1.171,67 € an die Klägerin.

In den Anlagen K 16 und K 21 legt die Klägerin ihr von der Amazon Deutschland Services GmbH unter dem 14.12.2018 erteilte Drittauskünfte betreffend Angebote der Beklagten bei „amazon.de“ u. a. unter der ASIN (Amazon Standard Identification Number) des Angebots gemäß Anlage K 2 vor.

In Anlage K 6 liegt eine an die Klägerin ausgestellte Rechnung der „Internetrecherchen & Bürodienstleistungen C. K.“ vom 02.06.2018 für „Testkauf und Beweissicherungen“ „Lyra Pet Futter XL K. GmbH“ vor, aus der sich ein Bruttorechnungsbetrag i. H. v. 119,00 € (zzgl. Auslagen) ergibt.

Mit Schriftsatz vom 22.08.2019 hat die Beklagte der Klägerin im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits nach Rechtshängigkeit Auskünfte erteilt.

Die Klägerin ist der Auffassung, in dem Angebot der Beklagten gemäß Anlage K 2, das unter einer von ihr, der Klägerin, bereits am 11.05.2015 angelegten ASIN (vgl. Anlage K 23) erfolgt sei, habe eine Verletzung ihrer Marken- und Unternehmenskennzeichenrechte an der Bezeichnung „Lyra Pet“ gelegen, woraus die von ihr gegenüber der Beklagten geltend gemachten zeichenrechtlichen Ansprüche folgten. Bei dem Kauf, der Gegenstand der von der Beklagten ausgestellten Rechnung gemäß Anlage K 4 gewesen sei, habe es sich um einen von ihr, der Klägerin, beauftragten Testkauf gehandelt, für den ihr Testkaufkosten in der mit dem Tenor zu Ziff. 2 zugesprochenen Höhe entstanden seien. Der für die Berechnung der ihr, der Klägerin, für die vorgerichtliche Abmahnung der Beklagten erwachsenen Rechtsanwaltskosten zugrunde zu legende, angemessene Gegenstandswert betrage 100.000,00 €. Schließlich könne sie, die Klägerin, auch bereits jetzt - ohne Notwendigkeit der Erhebung einer Stufenklage - eine Verurteilung der Beklagten zur Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 zu erteilenden Auskünfte an Eides statt verlangen, da ausweislich des Missverhältnisses zwischen der von der Amazon Deutschland Services GmbH erteilten Drittauskunft und der von der Beklagten erteilten Auskunft die Beklagte bereits einmal falsch Auskunft erteilt habe.

Die Klägerin beantragt

- zu den Ziff. 1 bis 4 des Tenors wie erkannt -

sowie, die Beklagte zu verurteilen, die Vollständigkeit und Richtigkeit der gemäß [dem Tenor zu] Ziff. 3 erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt die von der Klägerin geltend gemachte Kennzeichenrechtsverletzung in Abrede. Die von der Klägerin selbst vertriebenen Waren trügen nicht „den Markennamen 'Lyra Pet'“, so dass die Klägerin bei „Eintragung“ der Klagemarke „bösgläubig gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkG“ [sic] gewesen sei und mit ihrem vorliegenden zeichenrechtlichen Vorgehen gegen die Beklagte - nach u. a. OLG Köln MMR 2021, 569 f. - rechtsmissbräuchlich handele. Dass die ASIN des hier in Rede stehenden Angebots von der Klägerin und bereits im Jahre 2015 angelegt worden sei, werde vor dem Hintergrund, dass die Klagemarke erst am 31.01.2018 eingetragen worden sei, bestritten. Schließlich seien der Klägerin keine Testkaufkosten entstanden, ein Testkauf wäre ferner nicht notwendig gewesen und der von der Klägerin für die vorgerichtliche Abmahnung der Beklagten zugrunde gelegte Gegenstandswert sei übersetzt.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Y. P. sowie - gemäß Beweisbeschluss vom 07.12.2021 - die Vernehmung des Zeugen D. M. im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2021 sowie auf das Protokoll der Rechtshilfevernehmung durch das Amtsgericht B. vom 01.02.2022 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2019, vom 17.12.2020, vom 02.12.2021 und vom 09.06.2022 verwiesen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und weit überwiegend auch begründet. Im Umfang des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Verurteilung der Beklagten zur Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der von der Beklagten gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 zu erteilenden Auskünfte an Eides statt unterlag die Klage der Abweisung.

I. Der von der Klägerin mit der Abmahnung gemäß Anlage K 7 vorgerichtlich gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgte jedenfalls aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 Satz 1 MarkenG.

Die Beklagte hat ohne Zustimmung der Klägerin unter dem Begriff „Lyra Pet“, mithin dem Wortbestandteil der Klagemarke, Vogelfutter, für das die Klagemarke in Nizza-Klasse 31 u. a. Schutz genießt, angeboten.

Dass die Verwendung der ASIN eines Angebots, das den Wortbestandteil der Klagemarke enthält, für das Angebot von Vogelfutter, das nicht von der Klägerin stammt oder mit deren Zustimmung in den Verkehr gebracht worden ist, erforderlich gewesen wäre, ist fernliegend und von der Beklagten auch nicht dargetan worden, so dass das zeichenrechtliche Vorgehen der Klägerin gegen die Beklagte auch in keiner Weise rechtmissbräuchlich ist.

Einen Rechtsmissbrauch in Form eines Behinderungswettbewerbs i. S. v. § 4 Nr. 4 UWG anzunehmen, erachtet das OLG Köln in seiner in MMR 2021, 569 f., veröffentlichten und von der Beklagten zitierten Entscheidung unter den nachfolgenden Voraussetzungen für denkbar (vgl. OLG Köln a. a. O., S. 570):

„a) Den aus einer Marke hergeleiteten Ansprüchen kann einredeweise entgegen gehalten werden, dass auf Seiten des Markeninhabers Umstände vorliegen, die die Geltendmachung des markenrechtlichen Schutzes als eine wettbewerbswidrige Behinderung i.S.v. § 4 Nr. 4 UWG erscheinen lassen (vgl. BGH U. v. 15.10.2015 – I ZB 69/14 – GLÜCKSPILZ; U. v. 26.6.2008 – I ZR 190/05 [= MMR 2008, 777 (Ls.)] – EROS; U. v. 12.7.2007 – I ZR 148/04 – CORDARONE; Hacker, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 55). Das wettbewerbsrechtlich Unlautere kann darin liegen, dass ein Zeichenanmelder die mit der Eintragung des Zeichens kraft Zeichenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfs einsetzt (vgl. BGH U. v. 3.2.2005 – I ZR 45/03 – Russisches Schaumgebäck; OLG Frankfurt/M. U. v. 27.10.2011 – 6 U 179/10 [= MMR 2012, 183]). Der BGH hat ausdrücklich angenommen, dass bei einer böswillig angemeldeten Marke dem Unterlassungsanspruch der Einwand des § 4 Nr. 4 UWG entgegengehalten werden kann, auch wenn Löschungsansprüche nicht bestehen (vgl. BGH U. v. 15.10.2015 – I ZB 44/14 – LIQUIDROM).
[...]

aa) Eine Behinderung liegt vor, wenn die wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeit des Mitbewerbers beeinträchtigt wird. Das setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur auf Grund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (vgl. BGH U. v. 11.10.2017 – I ZR 210/16 [= MMR 2018, 230 m. Anm. Kiparski] – Portierungs-Auftrag; U. v. 21.2.2002 – I ZR 281/99 [= MMR 2002, 605] – Vanity-Nummer). Hierzu zählen alle Wettbewerbsparameter, wie der Absatz, wobei die Eignung zur Behinderung ausreicht, auch wenn diese noch nicht eingetreten ist (vgl. BGH, a.a.O. – Portierungs-Auftrag; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 4 Nr. 4 Rn. 4.6).“

Ein solcher Fall ist hier ersichtlich nicht gegeben: Die Beklagte hat bereits nicht dargetan, für das Angebot von Vogelfutter unter „amazon.de“ eine ASIN mit der Bezeichnung „Lyra Pet“ zu benötigen. Ferner hat die Beklagte auch in ihrer Angebotsüberschrift die Bezeichnung „Lyra Pet“ verwendet. Und schließlich hatte die Klägerin, die bereits seit dem 15.06.2009 unter ihrer aus dem Aktivrubrum ersichtlichen Firma u. a. für den Unternehmensgegenstand „Zoologischer Groß- und Einzelhandel“ im Handelsregister des Amtsgerichts S. eingetragen ist, auch bereits im Jahre 2015 - also vor Eintragung der Klagemarke - ein hinreichendes Interesse an der Erstellung der hier in Rede stehenden ASIN mit der Bezeichnung „Lyra Pet“, unter der die Klägerin - wie von der insgesamt glaubwürdigen Zeugin P. glaubhaft und zur Überzeugung der Kammer gemäß § 286 ZPO bestätigt - seit dem 11.05.2015 Angebote eingestellt hatte.

II. Der von der Klägerin geltend gemachte Rest-Abmahnkostenersatzanspruch (Tenor zu Ziff. 1) folgt daher aus den §§ 670, 677, 683 BGB.

Der insoweit von der Klägerin zugrunde gelegte Gegenstandswert in Höhe von 100.000,00 € entspricht dem Streitwertgefüge der mit Kennzeichenstreitsachen befassten Gerichte. Im Rahmen von kennzeichenrechtlichen Unterlassungsklagen in Fällen der Verletzung sogar nur unterdurchschnittlich benutzter Marken oder geschäftlicher Bezeichnungen werden regelmäßig Streitwerte im Bereich zwischen 100.000,00 € und 150.000,00 € festgesetzt (vgl. nur Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 142 MarkenG, Rn. 10 m. w. N.).

Der von der Klägerin insoweit geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

III. Auch die Testkaufkosten (Tenor zu Ziff. 2) gehören zu den der Klägerin erwachsenen - und erforderlichen - Rechtsverfolgungskosten. Nur durch den Testkauf hat die Klägerin in Erfahrung bringen können, welches Produkt die Beklagte unter dem Zeichen „Lyra Pet“ angeboten hat. Dass die Klägerin jenen Testkauf bei der „Internetrecherchen & Bürodienstleistungen C. K.“ beauftragt und diese der Klägerin den Testkauf wie aus Anlage K 6 ersichtlich auch in Rechnung gestellt hat, hat die Rechtshilfevernehmung des Zeugen M. durch das Amtsgericht B. schließlich ohne Weiteres zur Überzeugung der Kammer gemäß § 286 ZPO ergeben. Soweit die Beklagte bestritten hat, dass die Klägerin die Rechnung gemäß Anlage K 6 auch beglichen hat, hat sich der Freihalteanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Bezug auf jene Rechnung aufgrund der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung durch die Beklagte in einen Zahlungsanspruch umgewandelt.

IV. Der von der Klägerin geltend gemachte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch (Tenor zu Ziff. 3; analog § 319 Abs. 1 ZPO hat die Kammer das Wort „umfassenden“ in dem dahingehenden Klageantrag durch das Wort „umfassten“ ersetzt) folgt aus § 19 MarkenG. Die Klägerin kann auch seit dem 11.05.2015 Auskunft und Rechnungslegung von der Beklagten verlangen, da die Vernehmung der Zeugin P. zur Überzeugung der Kammer gemäß § 286 ZPO zweifelsfrei ergeben hat, dass die Klägerin bereits seit ihrer Eintragung im Handelsregister im Jahre 2009 unter ihrer Firma - und mithin ihrem Unternehmenskennzeichen „Lyra Pet“ - mit dem im Handelsregister eingetragenen Unternehmensgegenstand des „[z]oologische[n] Groß- und Einzelhandel[s]“ auch geschäftlich tätig ist und seit dem 11.05.2015 durchgängig den hier in Rede stehenden Artikel unter der hier in Rede stehenden ASIN unter „amazon.de“ im Angebot hatte.

V. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten (Tenor zu Ziff. 4) folgt aus § 14 Abs. 6 MarkenG. Die Beklagte hat insoweit jedenfalls fahrlässig gehandelt.

VI. Die Klägerin kann mit der Geltendmachung ihres Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs indes nicht zugleich die Verurteilung der Beklagten zur Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der von der Beklagten gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 zu erteilenden Auskünfte an Eides statt verlangen. Insoweit hätte sie eine Stufenklage gemäß § 254 ZPO erheben müssen.

Zwar ergeben sich aus der bereits mit der Klage eingereichten Anlage K 16, der der Klägerin von der Amazon Deutschland Services GmbH erteilten Drittauskunft, 506 Verkäufe der Beklagten unter der hier in Rede stehenden ASIN und hat die Beklagte noch im Laufe dieses Rechtsstreits lediglich 324 Verkäufe unter jener ASIN beauskunftet, so dass eine augenfällige Diskrepanz zwischen jenen Auskünften besteht. Die dahingehende Auskunft der Beklagten war jedoch ausdrücklich nur für die Jahre 2018 und 2019 erteilt worden, in der - irrigen - (Rechts-) Ansicht, allenfalls für jene Jahre Auskunft zu schulden. Dafür, dass die nunmehr gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 verurteilte Beklagte nicht richtig und unvollständig Auskunft erteilen würde, liegen darüber hinaus keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG München: Unlautere Rufausbeutung durch "Schweizer Taschenmesser" aus China

LG München
Urteil vom 15.06.2021
33 O 7646/20

Das LG München hat entschieden, dass eine unlautere Rufausbeutung durch Anbieten eines "Schweizer Taschenmessers" aus China vorliegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Schweizer Taschenmesser

Die auf Marken- und Wettbewerbsrecht spezialisierte 33. Zivilkammer das Landgerichts München I hat mit Urteil vom 15.06.2021 einer Klage der Herstellerin des bekannten Schweizer Taschenmessers stattgegeben, mit der sich diese gegen die Verwendung bestimmter Kennzeichen mit eindeutigem Bezug zur Schweiz durch die Beklagte wendet (Az. 33 O 7646/20).

Die Kammer hat mit ihrem Urteil der Beklagten unter anderem verboten, bestimmte Taschenmesser und Multifunktionswerkzeuge mit den Angaben „SWITZERLAND“ oder solchen Zeichen zu versehen, die isoliert oder als Bestandteil grafische Gestaltungen der Schweizer Flagge enthalten.

Die Beklagte hatte über eine Online-Plattform Taschenmesser und Multifunktionswerkzeuge angeboten. Dabei waren auf den Produkten selbst oder jedenfalls auf deren Verpackungen der Schriftzug „Switzerland“ bzw. „Swiss“, die Schweizer Flagge sowie verschiedene Logos, die diese Flagge in ihre Gestaltung aufgenommen hatten, abgebildet. Die angebotenen Taschenmesser und Multifunktionswerkzeuge waren zudem in roter Farbe gehalten. Tatsächlich werden diese Produkte nicht in der Schweiz, sondern in China produziert.

Nach Auffassung der Kammer stellen die von der Beklagten verwendeten Zeichen geographische Herkunftsangaben dar, deren guten Ruf die Beklagte in unlauterer Weise ohne rechtfertigenden Grund ausnutzt. Für die Annahme einer Rufausbeutung ausschlaggebend war dabei nach Ansicht der Kammer, dass sich die Beklagte mit den Gestaltungen ihrer Produkte eng an die von der Klägerin hergestellten „Schweizer Taschenmesser“ anlehne. Gerade die Produkte der Klägerin tragen aber entscheidend zum guten Ruf der geographischen Herkunftsangaben mit Bezug zur Schweiz bei.

Die Beklagte hatte dagegen argumentiert, bei den von ihr vertriebenen Produkten handele es sich klar erkennbar um „Souvenirartikel“. Man schließe deshalb nicht von der Kennzeichnung auf eine Herstellung in der Schweiz. Eine Irreführung der Verbraucher werde auch bereits dadurch ausgeräumt, dass auf den Produktverpackungen deutlich sichtbar der Hinweis „Made in China“ angebracht sei.

Ob Verbraucher zudem durch die Kennzeichnungspraxis der Beklagten in die Irre geführt werden, da sie davon ausgehen, die Beklagte lasse ihre Taschenmesser und Multifunktionswerkzeuge in der Schweiz produzieren, ließ die Kammer offen. Zur Begründung führte das Gericht in seinen Urteilsgründen aus: Sofern der gute Ruf einer geographischen Herkunftsangabe auf unlautere Weise ausgenutzt werde, sei für die Annahme entsprechender Unterlassungsansprüche nicht zusätzlich noch erforderlich, dass die angesprochenen Verkehrskreise auch über die Herkunft der Produkte in die Irre geführt werden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.


OLG Hamm: Kein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch wenn Rechtsposition des Abmahners auf eigenem unlauteren Handeln beruht - Nutzung ASIN bei Amazon

OLG Hamm
Urteil vom 22.11.2018
4 U 73/18


Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs gemäß § 242 BGB eine unlautere Rechtsausübung dartsellt, wenn die Rechtsposition des Abmahners auf eigenem unlauteren Handeln beruht. Vorliegend ging es um die Nutzung einer fremden ASIN bei Amazon.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Allerdings ist es dem Kläger gemäß § 242 BGB verwehrt, den Unterlassungsanspruch auf ein solchermaßen wettbewerbswidriges, da irreführendes Handeln des Beklagten zu stützen (vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2012, 119 zur nachträglichen Einfügung einer Markenbezeichnung; a.A. noch Senat, Urteil vom 01.12.2016 – 4 U 152/16).

Denn die Rechtsposition des Klägers beruht auf seinem eigenen unlauteren, da gleichermaßen irreführenden Handeln (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 242 Rn. 42 zum unredlichen Erwerb der eigenen Rechtsstellung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung). Die Unlauterkeit des beanstandeten Handelns des Beklagten wird nämlich einzig und allein durch das gleichermaßen irreführende eigene Angebot des Klägers provoziert – und dies geht über den sog. Unclean hands - Einwand hinaus (hierzu Senat, Urteil vom 05.03.2013 - 4 U 139/12, juris). Denn er selbst ist ebenso wenig Hersteller, sondern lediglich Händler. Dies sieht er offensichtlich selbst nicht anders, wenn er in der Klageschrift vorbringt, er sei „sozusagen Hersteller“.

Dem Kläger fehlt, zumal er die Irreführung durch eine entsprechende Korrektur der eigenen Produktdetailseite umgehend effizient unterbinden könnte, zudem ein schutzwürdiges Eigeninteresse am lauterkeitsrechtlichen Vorgehen gegen den Beklagten (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO., Rn. 50 zum Fehlen eines schutzwürdigen Eigeninteresses als Fall der unzulässigen Rechtsausübung). Das Ziel des Klägers, durch diese Vorgehensweise von vorneherein das auf der Internetplattform P systemimmanente Anhängen von Wettbewerbern an das eigene (Erst-)Angebot zu unterbinden, ist wettbewerbsrechtlich inakzeptabel. Denn hiermit würde ein Wettbewerb hinsichtlich des jeweiligen Produktes auf der Internetplattform P tatsächlich behindert, wenn nicht gar vereitelt. Wettbewerbern würde das Angebot gleicher Artikel letztlich unmöglich gemacht wird, da sie diese nicht unter einer anderen ASIN anbieten könnten, ohne sich dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, solchermaßen irreführend eine „Dublette“ anzubieten (hierzu Senat, Urteil vom 12.01.2017 – 4 U 80/16, BeckRS 2017, 112393).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Gezielte Behinderung nach § 4 Nr 4 UWG durch systematischen Nachbau einer Vielzahl von Produkten eines Mitbewerbers

BGH
Urteil vom 20.09.2018
I ZR 71/17
Industrienähmaschinen
UWG §§ 3, 4 Nr. 3 und 4, § 8 Abs. 1 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass eine gezielte Behinderung nach § 4 Nr 4 UWG durch systematischen Nachbau einer Vielzahl von Produkten eines Mitbewerbers vorliegen kann.

Leitsätze des BGH:

a) Für eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne aufgrund der Annahme lizenzvertraglicher Beziehungen sind über eine fast identische Nachahmung hinausgehende Hinweise auf mögliche lizenzrechtliche Verbindungen erforderlich.

b) Eine Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG kommt beim systematischen Nachbau einer Vielzahl eigenartiger Erzeugnisse einer Mitbewerberin in Betracht.

BGH, Urteil vom 20. September 2018 - I ZR 71/17 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Köln: Mit Airbrush-Technik verschönerte Urnen können als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt sein und sind dann vor Nachahmungen geschützt

OLG Köln
Urteil vom 20.02.2015
6 U 131/14


Das OLG Köln hat entschieden, dass mit Airbrush-Technik verschönerte Urnen als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt sein können und dann ein rechtlicher Schutz vor Nachahmungen besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das beanstandete Produkt der Beklagten stellte eine unfreie Bearbeitung der Urne „Hirsch“ der Klägerin dar, so dass diese entsprechend §§ 97 Abs. 1, 23 S. 1 UrhG der Beklagten die Verwertung untersagen lassen kann. Die Urne „Hirsch“ ist, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, als Werk der angewandten Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG geschützt. Es handelt sich dabei um eine persönliche geistige Schöpfung im Sinn des § 2 Abs. 2 UrhG. Eine solche setzt eine individuelle Prägung voraus, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (BGHZ 199, 52 = GRUR 2014, 175 Tz. 15 – Geburtstagszug m. w. N.).

[...]

Völlig vernachlässigt wird schließlich seitens der Beklagten, dass die Klägerin nicht Schutz für eine grafische Darstellung „Landschaft mit Hirschen“ begehrt, sondern für eine mit dieser Darstellung versehene Urne als Werk der angewandten Kunst. Auch die Beklagte hat keine einzige Urne aufzuzeigen vermocht, die mit einem auch nur entfernt ähnlichen Motiv versehen worden ist, obwohl ihr das Landgericht mit Beschluss vom 21. 1. 2014 förmlich aufgegeben hat, zum wettbewerblichen Umfeld der streitgegenständlichen Produkte vorzutragen (im Hinblick auf die hilfsweise auf § 4 Nr. 9 UWG gestützten Ansprüche der Klägerin). Insgesamt weist daher das Produkt der Klägerin die erforderliche Schöpfungshöhe auf."


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BGH legt Fragen zum Vertrieb von Bauhaus-Möbel-Nachbauten dem EuGH vor - Marcel Breuer - Mies van der Rohe

BGH
Beschluss vom 11.04.2013
I ZR 91/11
Marcel-Breuer-Möbel
Richtlinie 2001/29/EG Art. 4 Abs. 1

Leitsätze des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Umfasst das Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten? Falls die erste Frage zu bejahen ist:

2. Umfasst das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten, nicht nur Vertragsangebote, son-dern auch Werbemaßnahmen?

3. Ist das Verbreitungsrecht auch dann verletzt, wenn es aufgrund des Angebots nicht zu einem Erwerb des Originals oder von Vervielfältigungsstücken des Werkes kommt?

BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - I ZR 91/11 - OLG Hamburg - LG Hamburg

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LG Frankfurt: Markenrechtsverletzung durch Verkauf eines Ferrari-Oldtimer-Umbaus, wenn Karosserie und Innenausstattung von einem Dritten stammen

LG Frankfurt
Urteil vom LG Frankfurt
2-03 O 324/11


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass eine Markenrechtsverletzung durch Verkauf eines Ferrari-Oldtimer-Umbaus vorliegt, wenn Karosserie und Innenausstattung von einem Dritten stammen. Insofern liegt eine unzulässige Produktveränderung vor.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Eine Erschöpfung des Markenrechts der Klägerin nach Art. 13 GMV lag nicht vor. Es kann dahinstehen, ob hier Fahrwerk und Motor eines von der Klägerin in Verkehr gebrachten F 330 GT verwendet wurden. Denn selbst dann hätte eine Produktveränderung vorgelegen, aufgrund derer sich die Klägerin gemäß Art. 13 Abs. 2 GMV aus berechtigten Gründen dem Vertrieb widersetzen konnte. Auch dann, wenn die Basis für den Umbau ein F 330 GT gewesen sein sollte, wäre von diesem Wagen die Karosserie und die Innenausstattung, also gewissermaßen alles im Normalbetrieb sichtbare Material, entfernt und stattdessen eine andere Karosserie und eine andere Ausstattung verbaut worden mit dem Ergebnis, dass aus einem ursprünglich geschlossenen Wagen mit 4 Sitzen ein offenes Fahrzeug mit 2 Sitzen und anderer Innenausstattung geworden wäre. Damit aber wären die charakteristischen Eigenschaften und die ursprüngliche Identität eines F 330 GT in einer seine Eigenart berührenden Weise verändert worden, zumal sich das Ergebnis des Umbaus an die Erscheinung eines ganz anderen Fahrzeugmodells aus der Produktion der Klägerin anlehnt.

Der Gebrauch der „F-X“ war auch nicht als beschreibende Angabe oder Beschaffenheitshinweis nach Art. 12 lit. b GMV zulässig. Denn in den angebrachten „F-X“ lag schon keine merkmalsbeschreibende Angabe. Vielmehr stellte sich dies als die unzutreffende Angabe dar, dass das konkrete Fahrzeug aus der Produktion der Klägerin stamme. Zudem lag hier jedenfalls eine Anlehnung des entsprechend gestalteten Wagens an das berühmte Original „F 166 MM Barchetta Touring“ und mithin eine Imitation vor. Insoweit führen die aufgebrachten F-X gerade zu einer Ausnutzung der Aufmerksamkeit und des Rufs eines berühmten F-Modells aus der Produktion der Klägerin, was unlauter ist (vgl. Ingerl/Rohnke, § 23, Rn. 88, 13 zur gleichgelagerten Problematik bei § 23 MarkenG)."


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OLG Hamburg: eBay ist verpflichtet Angebote der Kunden auf Rechtsverletzungen zu überprüfen, wenn eBay AdWords-Werbung für die Angebote schaltet - Tripp Trapp

OLG Hamburg
Urteil vom 04.11.2011
5 U 45/07
Tripp Trapp


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass eBay verpflichtet ist, die Angebote der Kunden auf Rechtsverletzungen zu überprüfen, wenn eBay - wie vorliegend geschehen - die Angebote u.a. durch AdWords-Anzeigen bewirbt. Vorliegend ging es um Angebote von urheberrechtswidrige Nachbauten des bekannten Tripp Trapp-Kinderstuhls. Entscheidend für das OLG Hamburg ist, dass eBay durch die eigenen Werbemaßnahmen für konkrete Angebote nicht mehr als neutraler Vermittler einzuordnen ist und somit gesteigerte Prüfungspflichten erfüllen muss.

Aus der Pressemitteilung des OLG Hamburg:
"Mit den dargestellten Werbemaßnahmen hat die Beklagte nach der Auffassung des Senats die Rolle eines neutralen Vermittlers verlassen und eine aktive Rolle übernommen, aufgrund derer ihr erheblich erhöhte Anstrengungen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen zuzumuten seien.
[...]
Konkret bedeute dies, dass die Beklagte sämtliche durch Wortfilter in ihrem Internetauftritt auffindbaren Angebote von Kinderhochstühlen einer visuellen Kontrolle darauf unterziehen müsse, ob sich auch die fraglichen Plagiate darunter befänden."


Das OLG Hamburg hat die Revision zugelassen, so dass sich voraussichtlich der BGH mit den hier relevanten Fragen zur Haftung auseinandersetzen wird.

Die vollständige Pressemitteilung des OLG Hamburg finden Sie hier:

"OLG Hamburg: eBay ist verpflichtet Angebote der Kunden auf Rechtsverletzungen zu überprüfen, wenn eBay AdWords-Werbung für die Angebote schaltet - Tripp Trapp" vollständig lesen