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OLG Hamburg: Online-Coaching ohne Überwachung des Lernerfolgs bedarf nicht der Zulassung nach § 12 FernUSG - Coaching-Anbieter hat Anspruch auf Vergütung

OLG Hamburg
Urteil vom 20.02.2024
10 U 44/23


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass Online-Coaching ohne Überwachung des Lernerfolgs nicht der Zulassung nach § 12 FernUSG bedarf, so dass der Coaching-Anbieter einen Anspruch auf Vergütung hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 6.366,50 Euro aus dem streitgegenständlichen Vertrag.

a) Der Vertrag ist insbesondere nicht nichtig gem. § 7 Abs. 1 FernUSG, da es sich bei dem geschlossenen Vertrag nicht um einen Vertrag i.S.d. § 1 FernUSG handelt. Fernunterricht i.S.d. § 1 FernUSG ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende zumindest überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.

aa) Zweifelhaft ist schon, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um einen Vertrag handelt, aufgrund dessen bestimmte Kenntnisse vermittelt werden sollten.

Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass mit dem Vertrag vereinbart worden wäre, dass es Aufgabe der Klägerin gewesen wäre, dem Beklagten bestimmte Kenntnisse „zu vermitteln“. Angeboten hat die Vertragspartnerin vielmehr ein „[...]Mentoring“ (Anlage K3). In den wöchentlichen „ [...] Calls“ sollte der Beklagte die Möglichkeit haben, „alle Fragen zu stellen, die für dich wichtig sind“ (Anlage K4). Dem Beklagten sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich mit Hilfe der Vertragspartnerin und der „1:1 Vorlagen“ einen „Print on Demand Online-Shop“ aufzubauen (Anlage B 2).

Zwar gehörte zum Vertragsinhalt auch die Möglichkeit für den Beklagten, sich durch Ansehen der von der Vertragspartnerin zur Verfügung gestellten Videos bestimmte Kenntnisse, die er aus dem zur Verfügung gestellten Material auswählen konnte, selbst anzueignen. Allerdings war dieser Vertragsbestandteil von untergeordneter Bedeutung. Allein zeitlich wurden lediglich ca. 40h Videomaterial zur Verfügung gestellt, wohingegen dem Beklagten die Möglichkeit eingeräumt wurde, 6 Monate lang an 3 ca. 2-stündigen Coachingsessions pro Woche teilzunehmen. 40h Videomaterial stehen also ca. 144 h für Coachingsessions gegenüber, der Schwerpunkt des Vertrages liegt also deutlich auf den Coachingsessions, in denen der Beklagte beraten werden sollte, und nicht auf den Inhalten der Videos. Dem entspricht auch die aus Anlage K3 hervorgehende Bezeichnung des Angebots der Vertragspartnerin des Beklagten als „[...]-Mentoring“.

Im Rahmen eines Coachings wird aber nicht systematisch didaktisch aufbereiteter Lehrstoff vermittelt, sondern es erfolgt eher eine individuelle und persönliche Beratung und Begleitung (Lach, Anmerkung zu OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023 – 3 U 85/22, zitiert nach juris). Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist Ziel des streitgegenständlichen Vertrages also gerade nicht die Vermittlung bestimmten „Wissens“, vielmehr steht die Coachingleistung im Vordergrund. In den Calls sollte laut Anlage K4 nur Gelegenheit gegeben werden die Fragen zu stellen, die für den jeweiligen Kursteilnehmer von Bedeutung waren.

Ein Bezug zu den zur Verfügung gestellten Videos musste dabei nicht bestehen. Schon daraus wird deutlich, dass es gerade nicht darum ging, dass der Beklagte das gesamte Videomaterial ansah und „lernte“, sondern es ging darum Informationen zur Verfügung zu stellen, aus denen der jeweilige Vertragspartner die Informationen, die für ihn relevant waren, heraussuchen konnte.

Dies ergibt sich auch aus der vom Beklagten eingereichten Anlage B2. Danach sollte dem Beklagten gezeigt werden, wie er profitable Produkte findet, dann sollte der Beklagte nach einer Vorlage einen online-shop aufbauen und anschließend sollte die Klägerin dem Beklagten zeigen, wie er über social media Kanäle Werbung schaltet, um Umsätze zu generieren. Ein bestimmtes
abgegrenztes Wissen sollte gerade nicht vermittelt werden. Aufgabe der Klägerseite sollte es nur sein, beratend zur Seite zu stehen („bei Fragen stehen dir (...) zur Seite“). Der Beklagte sollte nach einer Vorlage selbständig einen online-shop aufbauen („Du baust dir eine echte eigene Marke mit deinem Online-Shop auf“). Auch aus den in Anlage B2 aufgeführten Bewertungen ergibt sich, dass mit dem Angebot nicht ein bestimmtes Wissen vermittelt werden sollte, vielmehr heben die Kunden hervor, dass das persönliche „Mentoring“ und gerade nicht ein bestimmtes vermitteltes Wissen zum Erfolg geführt habe. Hervorgehoben wird, dass es bei dem Angebot darum geht, dem Kunden zu helfen, sich eigenständig einen online-shop aufzubauen.

So erklärt der Beklagte selbst in dem Schriftsatz vom 27.04.2023, dass der Kunde beim Finden profitabler Produkte beraten werden sollte und dass in dem Gespräch, das zu dem Vertragsschluss führte, damit geworben worden sei, dass sich nach dem absolvierten Coaching das Leben vieler Absolventen positiv verändert habe. Dass dem Beklagten ein bestimmtes Wissen hätte vermittelt werden sollen, trägt der Beklagte gerade nicht substantiiert vor.

Anders gelagert war offensichtlich der vom BGH am 15.10.2009 entschiedene Fall (III ZR 310/08, zitiert nach juris), auf den der Beklagte Bezug nimmt: Hier sollte ein „Lehrgang“ durchgeführt werden, mit „Lehreinheiten“, „Lehrmaterialsendungen“, die Vertragspartner wurden als „Absolventen“ bezeichnet, die nach Beendigung des „Studiums“ ein „Zertifikat“ erhalten sollten. Es sollte also - anders als hier - ein bestimmter abgeschlossener Komplex als „Wissen“ vermittelt werden.

bb) Jedenfalls aber ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien nicht, dass eine „Überwachung“ des Lernerfolges vertraglich geschuldet gewesen wäre. Zwar ist dieses Tatbestandsmerkmal nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit auszulegen, da mit dem FernUSG der Schutz der Lehrgangsteilnehmer gestärkt werden und die Enttäuschung der Bildungswilligkeit verhindert werden sollte (BGH, Urteil vom 15.10.2009 – III ZR 310/08, zitiert nach juris). Aus dem Gesetzgebungsverfahren ergibt sich, dass eine wiederholte Überwachung des Lernerfolges nicht notwendig, sondern die einmalige Überwachung ausreichend sein sollte (BT Drs 7/4965, S. 7). Ausreichend sein soll, dass der Lernende das Recht hat, eine Überwachung des Lernerfolges einzufordern, um den Lernerfolg kontrollieren zu lassen (BGH Urteil vom 15.10.2009
- III ZR 310/08).

Dass der Beklagte nach dem streitgegenständlichen Vertrag das Recht gehabt hätte, eine solche Kontrolle einzufordern, hat der Beklagte aber gerade nicht dargelegt. Aus dem von den Parteien vorgetragenen Inhalt des Vertrages ergibt sich ein solches Recht nicht. Geschuldet wird in dem streitgegenständlichen Vertrag gerade keine „Überwachung“ des Lernerfolges, sondern
der Vertragspartner sollte dem Beklagten nur für individuelle Fragen im Rahmen des „Coachings“ bzw. „Mentorings“ zur Verfügung stehen. Dem Wort „Überwachung“ wohnt ein Kontrollelement inne (vgl. https://www.dwds.de/wb/%C3%9Cberwachung und https://www.wortbedeutung.info/%C3%9Cberwachung/). Allein die Gelegenheit des Beklagten im Rahmen des Coachings Fragen zu stellen, stellt schon dem Wortsinne nach keine „Überwachung“ dar. Eine Kontrolle eines etwaigen Lernerfolges schuldete die Klägerseite gerade nicht. Den Anwendungsbereich des Gesetzes auch auf solche Fälle auszudehnen, in denen gerade keine Kontrolle des Lernerfolges vereinbart wurde, sondern lediglich die Möglichkeit des Vertragspartners besteht, Fragen zu stellen, würde insofern dem klaren Wortlaut widersprechen.

Ein solches Verständnis von der Norm widerspricht auch nicht der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.10.2009 (III ZR 310/08, zitiert nach juris). Im dortigen Fall hatte die Klägerin den Anspruch, eine persönliche Lernkontrolle herbeizuführen, „ob das bisher Erlernte richtig verstanden wurde“ und „sitzt“. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lässt sich ein solcher Anspruch gerade nicht aus dem Vertrag herleiten, denn im streitgegenständlichen Fall wurde gerade kein Vertrag über einen „Lehrgang“ oder ein „Studium“ geschlossen, der Beklagte sollte kein „Absolvent“ sein und auch kein „Zertifikat“ erhalten. Keiner der im streitgegenständlichen Fall verwendeten Begriffe („Mentoring“, „Coaching“) lässt darauf schließen, dass eine Lernerfolgskontrolle stattfinden sollte.

Dem steht auch nicht das Urteil des OLG Celle vom 01.03.2023 - 3 U 85/22 entgegen. Im dort entschiedenen Fall hatte die Beklagte - anders als der Beklagte im streitgegenständlichen Fall -Zugang zu einer „Akademie“, die auch „Prüfungen“ beinhaltete und das jeweils nächste Videokursmodul wurde erst dann freigeschaltet, wenn der vorangehende Abschnitt angesehen worden war. Entsprechende Bestandteile einer Erfolgskontrolle wies der streitgegenständliche Vertrag gerade nicht auf.

Eine „Überwachung“ des Lernerfolges i.S.d. § 1 FernUSG war damit gerade nicht geschuldet. Der Vertrag ist daher nicht nichtig gem. § 7 Abs. 1 FerUSG.

b) Der Beklagte hat auch nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass der streitgegenständliche Vertrag sittenwidrig und damit nichtig wäre (§ 138 Abs. 1 BGB). Ein gegen die guten Sitten verstoßendes Rechtsgeschäft liegt dann vor, wenn es gegen das
Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Weder aus dem dargelegten Vertragsinhalt noch aus den Umständen des Vertragsschlusses ergibt sich dementsprechend ein Anhaltspunkt für Sittenwidrigkeit. Auch nach § 138 Abs. 2 BGB liegt keine Sittenwidrigkeit vor. Sittenwidrigkeit ist gem. § 138 Abs. 2 BGB dann gegeben, wenn jemand sich für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen und dabei eine Zwangslage, die Unerfahrenheit, ein Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche eines anderen ausgenutzt werden.

Dass ein solches auffälliges Missverhältnis bestehe, hat der Beklagte nicht nachgewiesen. Die Klägerin hat bestritten, dass die Inhalte der verkauften Videos einfach so kostenfrei im Internet zu finden seien. Seinen Vortrag näher substantiiert und Beweis angeboten hat der Beklagte daraufhin nicht. Auch fehlt es an konkretem Vortrag zu einer „Zwangslage“ des Beklagten. Zwar
mögen die finanziellen Verhältnisse des Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schwierig gewesen sein. Eine Zwangslage, welche die Vertragspartnerin ausgenutzt hätte, ergibt sich allein daraus aber nicht.

Sonstige Umstände, welche eine Qualifizierung des Vertrages als „sittenwidrig“ i.S.d. § 138 BGB begründen würden, wurden nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.



LG Hamburg: Online-Coaching bedarf der Zulassung nach § 12 FernUSG - Coaching-Vertrag bei Verstoß nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig und kein Anspruch auf Vergütung

LG Hamburg
Urteil vom 19.07.2023
304 O 277/22


Das LG Hamburg hat entschieden, dass Online-Coaching der Zulassung nach § 12 FernUSG bedarf. Fehlt die Zulassung, so ist der Coaching-Vertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig und der Anbieter hat keinen Anspruch auf Zahlung seiner Vergütung.

Hinweis: Die Entscheidung wurde vom OLG Hamburg mit Urteil vom 20.02.2024 - 10 U 44/23 (siehe dazu OLG Hamburg: Online-Coaching ohne Überwachung des Lernerfolgs bedarf nicht der Zulassung nach § 12 FernUSG - Coaching-Anbieter hat Anspruch auf Vergütung) aufgehoben.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch aus dem „Coaching“ Vertrag zu, da dieser Vertrag gem. § 7Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG nichtig ist. Schließlich handelt es sich bei dem Angebot der Klägerin um einen Fernunterrichtsvertrag (hierzu 1.), für den die Klägerin nicht über die erforderliche Zulassung gem. § 7 Abs. 1 FernUSG verfügt (hierzu 2.)

1. Bei dem von der Klägerin angebotenen Coaching handelt es sich - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - um Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG.

a) Nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 FernUSG ist Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind (Nr. 1) und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen (Nr. 2).

b) Bei der Auslegung des Gesetzes und der Qualifikation des streitgegenständlichen Lehrgangs war die Intention des Gesetzgebers beim Erlass des FernUSG zu berücksichtigen. Dieser wollte wegen eines gestiegenen Interesses an Fernlehrgängen den Verbraucherschutz in diesem Bereich stärken. Insbesondere waren Mängel beim Angebot von Fernlehrgängen dergestalt festgestellt worden, dass Angebote von geringer methodischer und fachlicher Qualität angeboten wurden, die nicht geeignet waren, das in der Werbung genannte Lehrgangsziel zu erreichen.

Die bislang geltenden Rechtsvorschriften waren als nicht hinreichend angesehen worden, da sie nicht die besondere Situation eines Fernunterrichtsinteressenten berücksichtigten, der immer Schwierigkeiten haben wird, seine eigenen Fähigkeiten, die Qualität des angebotenen Fernlehrgangs und dessen Eignung für seine Bedürfnisse einzuschätzen. Insbesondere konnten sie zur Verhinderung des für den Fernunterricht typischen „Schadens“, nämlich Enttäuschung der Bildungswilligkeit, weniger beitragen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2009, NJW 2010, 608).

Diese Intention des Gesetzgebers findet auch in der Formulierung des FernUSG ihren Niederschlag. So regelt § 8 FernUSG ein Umgehungsverbot, wonach §§ 2 bis 7 des Gesetzes auf Verträge, die darauf abzielen, die Zwecke eines Fernunterrichtsvertrages in einer anderen Rechtsform zu erreichen, entsprechende Anwendung finden. Die Kammer war daher gehalten, das Gesetz weit auszulegen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 15. Februar 2022 – 102 O 42/21 –, Rn. 29 - 30, juris). Hiervon ausgehend war der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag als Fernunterrichtsvertrag zu qualifizieren.

c) Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 FernUSG waren erfüllt. Schließlich sah das gesamte „Kurskonzept“ der Klägerin vor, dass der Lehrende und er Lernende räumlich getrennt sind, da das Coaching ausschließlich Online – mittels Video-Coaching und Lernvideos – stattfinden sollte.

Dem steht insbesondere die Rechtsmeinung der Beklagten entgegen, dass die Coachingmodule - die einen deutlichen Schwerpunkt des „Kurskonzepts“ ausmachen, trotz der Videoübertragung keinen Fall der räumlichen Trennung darstellen.

Zwar sieht die Kammer, dass Teile der (spärlichen) Literatur und Rechtsprechung zum FernUSG die Teilnahme mittels Videokonferenz nicht als Fall einer räumlichen Trennung i.S.d. § 1 FernUSG ansehen, da es auf den direkten Kontakt zwischen Lehrendem und Lernendem bei der Wissensvermittlung ankomme (vgl. VG München, Urt. v. 14.0 September 1988 - M 6 K 86.7044 - NVwZ-RR 1989, 473; Nomos-BR/Vennemann FernUSG/Michael Vennemann, 2. Aufl. 2014, FernUSG § 1 Rn. 10).

Hiergegen spricht jedoch bereits der Wortlaut des § 1 FernUSG, welcher einzig und allein auf eine räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden abstellt. Auch das OLG Köln geht in einer Entscheidung in einer Bußgeldsache dann von einer räumlichen Trennung aus, wenn weniger als die Hälfte des Lehrgangsstoffes im herkömmlichen Nah- oder Direktunterricht vermittelt würde (OLG Köln, Beschl. v. 24. November 2006 - 81 Ss-OWi 71/06 - 210 B Rn. 10).

Auch der Gesetzesbegründung ist keine derartig weite Auslegung des Wortlauts und damit einhergehende Einschränkung des Anwendungsbereichs des FernUSG zu entnehmen. So heißt es dort hinsichtlich der überwiegenden Trennung von Lernenden und Lehrenden, dieses Merkmal grenze

„den Fernunterricht einerseits gegenüber dem herkömmlichen Unterricht ab, der sich nur ausnahmsweise eines Mediums bedient, um eine ebenfalls nur in Ausnahmefällen vorhandene, unerhebliche räumliche Trennung von Lehrer und Schüler zu überbrücken (z. B. Tonübertragung in einen anderen Unterrichtsraum oder ein anderes Gebäude), und der jedenfalls weniger als die Hälfte des gesamten Lehrstoffs einer Unterrichtseinheit ohne die genannte räumliche Trennung anbietet“ (BT-Drs. 7/4245, S. 14).

Ein Fall der räumlichen Trennung war somit auch etwa eine Tonübertragung in einen anderen Unterrichtsraum bzw. ein anderes Gebäude. Dabei ist zwar zu sehen, dass Techniken der Videokonferenz zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu erahnen waren. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die Gesetzesbegründung auf eine räumliche Trennung im Wortsinne abstellt, ungeachtet technischer Möglichkeiten der Teilnahme am Unterricht – wenn auch nur durch Audioübertragung – aus Nebenräumen.

Dabei sieht das Gericht zwar auch, dass die Zeit augenscheinlich über das FernUSG hinweggegangen ist. Gleichzeitig ist hier – erneut – der bereits geschilderte Sinn und Zweck des FernUSG in den Blick zu nehmen. Schließlich war es insbesondere auch ein – augenscheinlich auch in der Gegenwart bedeutsames – Anliegen des Gesetzes, die teilweise mangelnde Seriosität der Fernlehrinstitute zu beheben (Fernunterrichtsschutzgesetz, Einleitung Rn. 7, beck-online).

d) Zudem sieht der streitgegenständliche Vertrag Lernerfolgskontrollen im Sinne des § 1 Nr. 2 FernUSG vor. Dabei handelt es sich um ein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zu reinen Selbstlernmaterialien. Lernerfolgskontrolle ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der vom BGH in seiner Entscheidung vom 15. Oktober 2009 (III ZR 310/08, NJW 2010, 608) konkretisiert wurde. Danach sind nur geringe Anforderungen an die Lernerfolgskontrolle zu stellen. Es reicht die Möglichkeit aus, dass Teilnehmende im Rahmen der von dem Anbieter z.B. organisierten Informationsveranstaltungen oder begleitenden Unterrichtsveranstaltungen Fragen stellen und anhand der Antworten ihren Lernfortschritt feststellen können, um eine Lernerfolgskontrolle zu bejahen. Für die Lernerfolgskontrolle waren dabei die Zoom-Calls mit dem Vorstand der Klägerin persönlich vorgesehen.

Hierfür ist auch gerade nicht notwendig, dass innerhalb des Gesprächs eine gezielte Wissensabfrage durch den Lernenden vorgesehen ist, beispielsweise durch vorbereitete Kontrollfragen. Es genügt bereits, dass ein persönlicher Austausch zwischen Lernendem und Lehrendem vorgesehen ist, in dessen Rahmen die Möglichkeit zu Rückfragen im Kontext der Lerninhalte besteht. Es muss davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der Gespräche mit dem Vorstand der Klägerin auch Themen im Kontext des Coaching-Programms besprochen werden, die sich (un-)mittelbar auf Lerninhalte beziehen und in diesem Rahmen auch die Möglichkeit zu Verständnisfragen besteht. Durch den Vergleich der Antwort auf die eigenen Nachfragen können die Coaching-Teilnehmer den eigenen Wissensstand überprüfen und nachvollziehen, ob sie bestimmte Inhalte entsprechend dem Coaching-Konzept bereits im Sinne des Vorstandes der Klägerin hinreichend verstanden haben. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit einer (wenn auch nicht als solchen deklarierten) Lernerfolgskontrolle.

e) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die Anwendbarkeit des FernUSG zudem weder darauf an, ob der Beklagte bei Vertragsschluss als Verbraucher oder Unternehmer gehandelt hat, noch darauf, ob er sich durch seine Aussagen als Unternehmerin gerierte (vgl. OLG Celle 3. Zivilsenat, Urteil vom 01. März 2023 - 3 U 85/22 - noch nicht rechtskräftig).

Der Wortlaut des FernUSG macht seine Anwendbarkeit nämlich an keiner Stelle von der Verbrauchereigenschaft des Lernenden abhängig. Soweit die Klägerin behauptet, dem Beklagten sei der Schutz durch das FernUSG zu verwehren, da das Gesetz dem Verbraucherschutz diene und der Beklagte sich an dem Rechtsschein halten lassen müsse, den er durch seine Aussage vor dem Vertragsschluss am 21. März 2022 gesetzt habe, verkennt die Klägerin, dass die Rechtsfolge des § 7 Abs. 1 FernUSG, die Nichtigkeit des Vertrages, ohne Geltendmachung eines Gestaltungsrecht durch die Beklagte kraft Gesetzes eintritt. Die Rechtsfolge steht nicht zur Disposition der Parteien; es fehlt damit der Anknüpfungspunkt für den Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens.

f) Zudem erfordert die Subsumtion des streitgegenständlichen Vertrages unter des FernUSG insbesondere auch nicht die Einvernahme des Herrn T. G. von der staatlichen Zulassungsstelle für Fernunterricht als sachverständigen Zeugen. Schließlich liegt die rechtliche Bewertung und Würdigung des streitgegenständlichen Vertrages in den Händen des Gerichts.

2. § 7 Abs. 1 FernUSG schreibt eine generelle Zulassungspflicht für alle Fernlehrgänge mit Ausnahme sog. Hobbylehrgänge vor, die lediglich anzeigepflichtig sind (Abs. 1 Satz 3). Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin verfüge nicht über eine entsprechende Zulassung, wurde nicht bestritten und ist damit gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen. Auch fehlt von Klägerseite jeder Vortrag dazu, der eine Ausnahme von dem Zulassungserfordernis gem. § 12 Abs. 1 S. 2 in Betracht kommen ließe.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

ArbG Berlin: Anstellungsvertrag des Verwaltungsdirektors des RBB wegen übermäßig hoher Ruhegeldansprüche nach § 138 BGB sittenwidrig und somit nichtig

ArbG Berlin
Urteil vom 01.09.2023
21 Ca 1751/23


Das ArbG Berlin hat entschieden, dass der Anstellungsvertrag des Verwaltungsdirektors des RBB wegen übermäßig hoher Ruhegeldansprüche nach § 138 BGB sittenwidrig und somit nichtig

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kündigung des Verwaltungsdirektors des RBB

Das Arbeitsgericht Berlin hat heute die Klage des Verwaltungsdirektors des RBB in wesentlichen Teilen abgewiesen. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, der zuletzt zwischen den Parteien im Jahr 2018 geschlossene Dienstvertrag sei aufgrund der Regelungen zum nachvertraglichen Ruhegeld sittenwidrig im Sinne des § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und daher nichtig. Daher habe die Beklagte sich mit Schreiben vom 3. Februar 2023 einseitig von dem Vertrag mit dem Kläger lossagen können. Auf die Wirksamkeit der erklärten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Dienstverhältnisses kam es daher streitentscheidend nicht mehr an.

Auf Basis der vertraglichen Regelung sollte dem Kläger nach Ablauf des Vertrages – bereits vor Erreichen des Rentenalters – ein Ruhegeld gezahlt werden, ohne dass der Kläger hierfür eine Leistung hätte erbringen müssen. Das Ruhegeld errechnet sich auf der Grundlage des Vergütungsanspruchs des Klägers in Höhe von zuletzt ca. 20.900 EUR brutto monatlich. Daneben sollte der Kläger weitgehend auch aus anderen Quellen Einkünfte oder Versorgungen beziehen können, ohne dass diese auf das Ruhegeld anzurechnen gewesen wären.

Das Arbeitsgericht sah hierin in der Gesamtbetrachtung ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des Ruhegelds gehe weit über eine Kompensation für das Arbeitsplatzrisiko aufgrund der Befristung des Dienstvertrages für die Amtsdauer des Klägers als Verwaltungsdirektor hinaus. Die Vereinbarung des Ruhegelds widerspreche außerdem den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, an die die Beklagte gebunden sei. Schließlich gefährde der Vorwurf der Verschwendung von Rundfunkgebühren den Ruf und die Existenz des öffentlichen Rundfunks. Aufgrund der Nichtigkeit des Dienstvertrages habe der Kläger keinen Anspruch auf Ruhegeldzahlungen und Hinterbliebenenversorgung.

Die Widerklage der Beklagten hat das Gericht überwiegend abgewiesen. Ein Anspruch auf Rückzahlung der ARD-Prämie für den ARD-Vorsitz bestehe nur im Umfang von einem Drittel. Im Übrigen treffe die Beklagte ein Mitverschulden für das Zustandekommen der

Vereinbarung. Auch könne die Beklagte die Entgeltfortzahlung, die sie während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers in der Zeit des nichtigen Arbeitsvertrages geleistet hat, nicht zurückfordern.

Gegen diese Entscheidung ist für beide Parteien das Rechtsmittel der Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gegeben.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 01.09.2023, Az. 21 Ca 1751/23



OLG Hamm: Direktnachrichten über Soziale Medien, Portale und Messengerdienste sind elektronische Post im Sinne von § 7 UWG und ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig

OLG Hamm
Hinweisbeschluss vom 17.05.2023
18 U 154/22


Das OLG Hamm hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass auch Direktnachrichten über Soziale Medien, Portale und Messengerdienste elektronische Post im Sinne von § 7 UWG darstellen und ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig sind.

Aus den Gründen:
Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, nach der die Klägerin aus der Akquise-Vereinbarung keine Rechte herleiten kann, weil der Vertrag nichtig ist.

Gemäß § 134 BGB können Verträge nichtig sein, die zur Begehung unlauteren Wettbewerbs verpflichten. Voraussetzung hierfür ist, dass der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.1998 - I ZR 10/96, GRUR 1998, 945, beckonline; Senatsbeschluss vom 25.10.2021- 18 U 110/21, Rn. 46, juris; OLG; Frankfurt/M., Urteil vom 24.01.2018 - 13 U 165/16, NJW-RR 2018, 887, Rn. 43). Dies ist hier der Fall, weil die Akquise-Vereinbarung darauf gerichtet ist, unzulässige geschäftliche Handlungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. durchzuführen und damit zu einem wettbewerbswidrigen Handeln verpflichtet.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Berufungsbegründung der Klägerin gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

a)

Auch hinsichtlich der Dienstleistung Chiffre-Kontakt liegt eine unzulässige geschäftliche Handlung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. vor.

Die erstmalige Kontaktierung der Inserenten über die einzelnen Portale seitens der Mitarbeiter der Klägerin, wie es in § 5 der Akquise-Vereinbarung vorgesehen ist und mit einem Anschreiben über die Kontaktformulare der jeweiligen Immobilienportale geschieht, verstößt gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F., weil die Inserenten die für eine solche Kontaktaufnahme per elektronischer Post erforderliche vorherige ausdrückliche Einwilligung nicht erteilt haben (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021- 18 U 110/21, Rn. 9, juris).

Die Auffassung der Klägerin, das Anschreiben über ein Internetportal stelle keine elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. dar, weil die Nachrichten nicht direkt an die potenziellen Verkäufer der Immobilien, sondern an die Internetportale verschickt würden, und aus dem gleichen Grund die Verbraucher auch nicht Adressaten im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. seien, geht fehl; sie ist insbesondere nicht mit dem Schutzzweck der Vorschrift vereinbar.

aa)

Der Begriff der "elektronischen Post" in § 7 Abs. Nr. 3 UWG a.F. ist unionsrechtskonform in Einklang mit Art. 2 S. 2 lit. h der RL 2002/58/EG (EK-DSRL - Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) auszulegen und umfasst daher "jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird". Durch die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 der RL 2002/58/EG, die den Begriff der elektronischen Post aufgreift und deren Verwendung reglementiert, sollen die Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung geschützt werden (vgl. ErwG 40 der RL 2002/58/EG). Angesichts dieses Schutzzwecks befürworten sowohl der Bundesgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof bei Beantwortung der Frage, welche elektronischen Kommunikationsmittel unter elektronische Post zu fassen sind, eine weite und an die Entwicklung der Technologie angepasste Auslegung.

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 30.01.2020 (Az. I ZR 25/19, GRUR 2020, 420 - Inbox-Werbung I) dem Europäischen Gerichtshof zur Auslegung von Art. 2 S. 2 lit. h und Art. 13 Abs. 1 der RL 2002/58/EG sowie Nr. 26 des Anh. I der RL 2005/29/EG mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. In diesem Zusammenhang hat er auch Ausführungen zum Begriff der elektronischen Post gemacht: Es sei nicht ersichtlich, dass der Richtliniengeber angesichts der absehbar rasch fortschreitenden technischen Entwicklung den Begriff der elektronischen Post statisch auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie bekannten "klassischen" Formen der E-Mail, der SMS oder der MMS festschreiben wollte. Näherliegend sei, dass er im Interesse des Schutzes der Privatsphäre der Nutzer einen dynamischen und technikneutralen Begriff gewählt habe (vgl. Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 7 Rn. 186), der es beispielsweise ermögliche, auch die erst in jüngerer Zeit relevant gewordenen elektronischen Mitteilungen im Rahmen von sozialen Netzwerken zu erfassen (vgl. Büscher/Büscher, § 7 Rn. 200; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 7 Rn. 65; Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, § 7 Rn. 186). Denn die Privatsphäre der Nutzer elektronischer Kommunikationsmittel könne nicht nur durch im Wege der klassischen Formen der elektronischen Individualkommunikation wie E-Mail, SMS oder MMS übersandten unerbetene Nachrichten beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 30.01.2020 - I ZR 25/19, GRUR 2020, 420 Rn. 29, beckonline).

Der Europäische Gerichtshof hat anlässlich der Vorlagefragen durch Urteil vom 25.11.2021 diese Auffassung bestätigt und klargestellt, dass der Begriff der elektronischen Kommunikationsmittel aus technologischer Sicht entwicklungsfähig und mit Blick auf das Regelungsziel, dass den Nutzern der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste der gleiche Grad des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre geboten werden soll, weit auszulegen sei (vgl. EuGH, Urteil vom 25.11.2021 - C-102/20, GRUR 2022, 87 Rn. 38, 39, beckonline).

Daher fallen unter den Begriff der elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. neben E-Mails, SMS und MMS auch sämtliche Nachrichten über Social Media-Dienste wie Xing, Facebook, LinkedIn oder WhatsApp (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 15.01.2019 - 3 U 724/18, GRUR-RR 2019, 170 Rn. 59, beckonline; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 264; Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 86).

Zwar handelt es sich bei dem Nachrichtendienst eines Immobilienportals nicht um einen Social-Media-Dienst. Die Funktionsweise des Postfachs ist jedoch dieselbe. Auch hier werden Nachrichten asynchron übermittelt und auf dem Server des jeweiligen Portalbetreibers für den jeweiligen Inserenten gespeichert, bis dieser sie abruft. Die Nachrichten erreichen den Nutzer in seinem eingerichteten und lediglich privat zugänglichen Postfach, das er über einen Nachrichten-Manager abrufen kann. Dementsprechend handelt es sich gleichermaßen um eine Art elektronischen Briefkasten. Angesichts des oben dargelegten Schutzzwecks des Art. 13 Abs. 1 RL 2002/58/EG kann daher für Nachrichten über Immobilienportale nichts anderes gelten als für Nachrichten über Social-Media-Dienste (oder per E-Mail).

bb)

Die Verbraucher sind weiter Adressaten im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. Die Argumentation der Klägerin, das Internetportal, an das die Nachrichten geschickt würden, sei der Adressat ihrer Nachrichten, ist nicht nachvollziehbar.

Adressat im Sinne der Vorschrift ist der Nutzer des Immobilienportals, den die Nachricht erreichen soll. Der Nutzer eines Immobilienportals erhält erst Zugang zu seinem Nachrichtenbereich, nachdem er seine Zugangsdaten und ein Passwort eingeben hat. Ihn erreichen die Nachricht also - wie oben dargelegt - in einem privaten Bereich, der ihm vorbehalten und für die Konsolidierung der privaten Inhalte in der Form der an ihn versandten Nachrichten bestimmt ist. Es ist ohne Belang, dass die Nachricht der Klägerin die Inserenten nicht "direkt", sondern über den Server des jeweiligen Internetportals erreicht.

cc)

Kontaktaufnahmen seitens der Klägerin, die darauf gerichtet sind, den Inserenten Maklerdienste anzubieten, sind auch bei Vorliegen eines grundsätzlichen Interesses des potentiellen Immobilienverkäufers an einer Kontaktaufnahme nicht von einer entsprechenden Einwilligung gedeckt. Grundsätzlich gilt: Hat ein Verbraucher eine Anzeige geschaltet, in der er eine Eigentumswohnung zum Verkauf anbietet und dabei zur Kontaktaufnahme seine Telefonnummer angibt, erklärt er seine ausdrückliche Einwilligung in Telefonanrufe von Kaufinteressenten, auch in solche von Maklern, die sich für ihre Suchkunden für die angebotene Wohnung interessieren. Telefonanrufe von Maklern, die darauf gerichtet sind, dem Inserenten Maklerdienste anzubieten oder mit diesem gar einen Maklervertrag zu schließen, sind von einer solchen Einwilligung nicht gedeckt (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021 - 18 U 110/21, Rn. 9, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.6.2018 - 8 U 153/17, NJW-RR 2018, 1263, beckonline). Auch die Bestimmungen der jeweiligen Portale sind nicht geeignet, die erforderliche Einwilligung des jeweiligen Nutzers zu ersetzen (vgl. Senatsbeschluss, a.a.O.).

b) Die Verschaffung der sog. Opt-Ins erfolgt ebenso unter Verstoß gegen die Vorschriften des UWG. Auch soweit sich auf die - wettbewerbswidrigen - Anschreiben die Inserenten melden und mit einer telefonischen Kontaktaufnahme einverstanden sind, kann sich die Klägerin nicht auf eine vorherige ausdrückliche Einwilligung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. in einen Telefonanruf zur Herbeiführung eines Opt-In berufen. Auf die nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.

c) Die in § 14 der Akquise-Vereinbarung enthaltene salvatorische Klausel steht der Gesamtnichtigkeit des Vertrags nach § 139 BGB nicht entgegen. Der nichtige Vertragsteil ist von derart grundlegender Bedeutung, dass die Aufrechterhaltung nur des Restgeschäfts nicht mehr als vom durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien umfasst angesehen werden kann. Denn hier sind gerade die entscheidenden wesentlichen Vertragsbestimmungen unwirksam. Ohne diese verliert der Vertrag seinen Inhalt.


EuG: Marke Fohlenelf von Borussia Mönchengladbach nur teilweise wegen fehlender ernsthafter Nutzung verfallen

EuG
Urteil vom 07.12.2022
T‑747/21


Der EuG hat entschieden, dass die Marke Fohlenelf von Borussia Mönchengladbach nur teilweise wegen fehlender ernsthafter Nutzung verfallen ist. Das EUIPO hatte die Unionsmarke teilweise für nichtig erklärt.

Tenor der Entscheidung:
1. Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 28. September 2021 (Sache R 2126/2020‑4) wird aufgehoben, soweit der Nachweis einer ernsthaften Benutzung der Unionswortmarke Fohlenelf für die Waren „Seifen“ der Klasse 3, „Selbstklebefolien aus Papier oder Kunststoff, Selbstklebeetiketten“ der Klasse 16, „Porzellan- und Steingutwaren“ der Klasse 21 sowie für „Trinkflaschen“, soweit es sich dabei um eine Warenuntergruppe der „Behälter für Haushalt und Küche“ derselben Klasse 21 handelt, „Textilbadetücher“ der Klasse 24 und „Spiele, Spielwaren“ der Klasse 28 nicht anerkannt wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Hamm: Vertrag über Verkauf von Adressdaten nach § 134 BGB nichtig wenn er auf Kontaktaufnahmen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG abzielt

OLG Hamm
18 U 110/21
Beschluss vom 25.10.2021


Das OLG Hamm hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass ein Vertrag über den Verkauf von Adressdaten nach § 134 BGB nichtig ist, wenn er auf Kontaktaufnahmen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG abzielt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach die Vereinbarung unwirksam ist, weil sie gegen § 134 BGB verstößt, nämlich darauf gerichtet ist, Kontaktaufnahmen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG durchzuführen. Es handelt sich damit um einen sog. Basisvertrag, der zu einem wettbewerbswidrigen Handeln verpflichtet. Derartige Verträge sind nach § 134 BGB nichtig, sofern der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt (BGH GRUR 1998, 945; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG vor § 1 Rn. 7.9). Das ist hier aus den vom Landgericht genannten Gründen der Fall.

1. Was die Verpflichtung der Klägerin zur Verschaffung sog. Opt-Ins angeht, so wird damit, wie vom Landgericht dargelegt, gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verstoßen, wobei sich die Beklagte mit der Eingehung der Vereinbarung selbst gem. § 8 Abs. 2 UWG Unterlassungsansprüchen aussetzte.

a) Die Klägerin kann sich nicht auf das Urteil des OLG Karlsruhe vom 12.6.2018 (Az. 8 U 153/17) berufen. Aus dieser Entscheidung ergibt sich, dass Einwilligungen von (Privat-)Inserenten mit einer telefonischen Kontaktaufnahme die Anrufe von Maklern nur dann decken, wenn diese lediglich als Käufermakler (für ihre „Suchkunden“) an sie herantreten (s.a. Münchener Komm. zum Lauterkeitsrecht/Leible, 3. Aufl., § 7 UWG Rn. 123).

Dass die Vereinbarung ausschließlich oder auch nur überwiegend diesem Zweck diente, trägt die Klägerin nicht vor und ergibt sich auch nicht aus der Vereinbarung selbst. Vielmehr ist in § 1 davon die Rede, dass es dem Makler „obliegt …, den Verkäufer von seinen Leistungen zu überzeugen …“. Daraus folgt, dass die Einholung der Einwilligungen zumindest auch dem Zweck dienen sollte, dass sich die Beklagte den Inserenten als Makler (auf Verkäuferseite) empfehlen konnte.

Den von der Klägerin vorgelegten Klauselwerken der einschlägigen Portale, namentlich den als Anlage K10 und K11 zum Schriftsatz vom 21.6.2021 zu den Akten gereichten „Datenschutzbestimmungen“, lässt sich nicht entnehmen, dass die Inserenten wirksam weitergehende Einwilligungen abgegeben hätten, die auch eine Nutzung der Daten zur Kontaktaufnahme durch die Klägerin (im Auftrag der Beklagten als eines dem Inserenten fremden Maklers) umfasst haben. Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung nunmehr auf die „Hinweise“ an die Nutzer in den Portalen L und „M“ verweist, ersetzen sie die erforderliche Einwilligung des jeweiligen Nutzers nicht. Abgesehen davon erfüllt die Kontaktaufnahme durch die Klägerin - für die Beklagte - auch nicht den Tatbestand einer Datenweitergabe „zur möglichen Vereinbarung eines Beratungstermins“ mit einem „mit L kooperierenden Makler“.

b) Soweit sich die Klägerin zum Beweis des Umstands, dass sich ein (jeder) verkaufswilliger Immobilieneigentümer, der seine Telefonnummer im Rahmen des Inserats angibt, in jegliche Kontaktaufnahme einwilligt, auf einen Zeugen A berufen hat, brauchte dem nicht nachgegangen zu werden. Das Beweisangebot ist ungeeignet, weil der Zeuge über die Bedeutung der individuellen Entscheidung ihm persönlich unbekannter Inserenten, ihre Telefonnummer anzugeben, keine Erkenntnisse haben kann.

c)Der Passus in der Vereinbarung, wonach die Beklagte „ggf. … auch selbst“ kaufe, rechtfertigt gleichfalls keine andere rechtliche Würdigung des Sachverhalts. Abgesehen davon, dass die Beklagte die Geltung dieses Passus mit der Begründung nachvollziehbar in Abrede stellt, sie sei (insgesamt) von dem angekreuzten „Nein“ umfasst, handelt sich dabei lediglich um die allgemeine Feststellung, dass für die Beklagte unter nicht näher benannten Umständen auch ein Eigenerwerb der inserierten Immobilien in Betracht komme. Der Abschluss der Vereinbarung mit der Klägerin diente aber offensichtlich nicht dazu, der Beklagten die Anschaffung eines eigenen Immobilien-Portfolios oder dessen Erweiterung zu ermöglichen, sondern der Ausweitung ihres Maklergeschäfts.

2. Was die Mitteilung der Chiffre-Kontakte angeht, so bestand die Dienstleistung der Klägerin in diesen Fällen nicht in der Mitteilung einer Telefonnummer, sondern des jeweiligen von ihr recherchierten bzw. anderweitig erworbenen Datensatzes der betreffenden Inserenten.

Die Übermittlung dieser Datensätze an die Beklagte diente erkennbar dem Zweck, ihr die Kontaktaufnahme zu den Inserenten zu Werbezwecken für ihre Maklertätigkeit unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch dann zu ermöglichen, wenn es an einer ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten in diese Werbung fehlte. Überdies erfolgte die Weitergabe der Daten unter Verstoß gegen die DSGVO.

Auch dieser Teil der Vereinbarung hat also gem. § 134 BGB keinen Bestand. Die Frage, ob bereits die Nichtigkeit der Verpflichtung zur Verschaffung der Opt-Ins gem. § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung führt oder ob dem § 15 („Salvatorische Klausel“) entgegensteht, bedarf deshalb keiner Beantwortung.

3. Zu Recht hat das Landgericht im vorliegenden Fall auch Ansprüche der Klägerin aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677ff. BGB) bzw. aus dem Bereicherungsrecht (§§ 812ff. BGB) verneint. Auf die Begründung wird verwiesen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BVerfG: Einheitliches Patentgericht kann kommen - Eilanträge gegen den zweiten Anlauf des Abkommens über ein Einheitliches Patentgerichts abgelehnt

BVerfG
Beschluss vom 23. Juni 2021 - 2 BvR 2216/20
Beschluss vom 23. Juni 2021 - 2 BvR 2217/20


Das Bundesverfassungsgericht hat die Eilanträge gegen den zweiten Anlauf des Abkommens über ein Einheitliches Patentgerichts abgelehnt. Das Einheitliche Patentgericht kann kommen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Erfolglose Eilanträge gegen das Abkommen über ein Einheitliches Patentgericht

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts zwei Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, die sich gegen das am 18. Dezember 2020 zustande gekommene Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ-ZustG II) richteten. Zur Begründung führt der Senat aus, dass die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache unzulässig sind, weil die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung ihrer Grundrechte nicht hinreichend substantiiert dargelegt haben.

Sachverhalt:

Das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (im Folgenden: Übereinkommen – EPGÜ) ist Teil eines umfassenderen europäischen Regelungspakets zum Patentrecht, dessen Kern die Einführung eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung als neues Schutzrecht auf der Ebene der Europäischen Union ist. Das Übereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Es sieht die Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts als gemeinsames Gericht der Vertragsmitgliedstaaten für Streitigkeiten über europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung vor. Dem Einheitlichen Patentgericht soll in Bezug auf die Patente die ausschließliche Zuständigkeit für einen umfangreichen Katalog von Streitigkeiten übertragen werden. Dieser umfasst insbesondere Klagen wegen Patentverletzungen, Streitigkeiten über den Bestand von Patenten und Klagen gegen Entscheidungen des Europäischen Patentamts in Ausübung der ihm übertragenen Aufgaben. Das angefochtene EPGÜ-ZustG II ersetzt das vom Deutschen Bundestag am 10. März 2017 beschlossene EPGÜ-ZustG I, das der Senat mit Beschluss vom 13. Februar 2020 für nichtig erklärt hat.

Die Beschwerdeführer rügen im Wesentlichen eine Verletzung ihres Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG. Sie machen eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips, des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz, Verstöße gegen das Unionsrecht als auch eine unzulässige Berührung der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität durch den in Art. 20 EPGÜ geregelten Vorrang des Unionsrechts geltend.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind zurückzuweisen, weil die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache unzulässig sind.

I. Die Beschwerdeführer haben die Möglichkeit einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips, des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz oder Verstöße gegen das Unionsrecht nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

1. Sie haben insbesondere nicht näher dargelegt, inwieweit das Übereinkommen wegen der organisatorischen Ausgestaltung des Einheitlichen Patentgerichts und der Rechtsstellung seiner Richter das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip verletzt und damit das über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG allein subjektivierte und in Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG niedergelegte Demokratieprinzip berührt wird.

Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG darf eine Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union oder in einem Ergänzungs- oder besonderen Näheverhältnis zu ihr stehende Einrichtungen nicht dazu führen, dass der integrationsfeste Kern des Grundgesetzes im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG – seine Identität – berührt wird. Eine Identitätsrüge ist allerdings an strenge Voraussetzungen gebunden und das sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG ergebende Recht der Bürgerinnen und Bürger auf demokratische Selbstbestimmung strikt auf den in der Würde des Menschen wurzelnden Kern des Demokratieprinzips begrenzt. Es gewährt dagegen keinen Anspruch auf eine über dessen Sicherung hinausgehende Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen.

Eine Beeinträchtigung des Gewährleistungsgehalts des Demokratieprinzips setzt daher die Darlegung voraus, dass durch das angegriffene Übereinkommen Hoheitsrechte auf die Europäische Union oder in einem Ergänzungs- oder besonderen Näheverhältnis zu ihr stehende Einrichtungen diesen eine sogenannte Kompetenz-Kompetenz zuerkannt wird, Blankettermächtigungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt ohne entsprechende Sicherungen erteilt werden oder Rechte des Bundestages wesentlich geschmälert, etwa sein Budgetrecht und seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung beeinträchtigt werden.

2. Der Vortrag der Beschwerdeführer beschränkt sich indes auf die Darstellung, dass Art. 6 ff. EPGÜ wegen der Ernennung der Richter des Einheitlichen Patentgerichts auf sechs Jahre, einer möglichen Wiederbestellung und der nicht ausreichenden Anfechtbarkeit einer Amtsenthebung gegen Art. 97 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK und gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verstießen. Inwieweit hierdurch das Demokratieprinzip berührt ist, tragen sie nicht vor.

II. Nicht hinreichend substantiiert ist die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu I. 1. auch, soweit sie sich gegen die Regelung des Vorrangs des Unionsrechts in Art. 20 EPGÜ richtet.

1. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG enthält ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen für das Unionsrecht, zu dem auch gehört, dem Unionsrecht im Zustimmungsgesetz nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG einen Anwendungsvorrang vor nationalem Recht einzuräumen. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht gilt grundsätzlich auch mit Blick auf entgegenstehendes nationales Verfassungsrecht und führt bei einer Kollision in aller Regel zu dessen Unanwendbarkeit.

Dieser Anwendungsvorrang reicht indes nur so weit, wie das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen. Das Bundesverfassungsgericht gewährleistet diese Grenzen insbesondere im Rahmen der Identitäts- und der Ultra-vires-Kontrolle. Einen uneingeschränkten Anwendungsvorrang des Unionsrechts lässt das Grundgesetz nicht zu. Diese Anforderungen binden alle Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland und dürfen weder relativiert noch unterlaufen werden.

2. Vor diesem Hintergrund enthalten der Vertrag über die Europäische Union und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union auch keine ausdrückliche Festlegung zum Vorrang des Unionsrechts. Art. 20 EPGÜ kann daher nur so verstanden werden, dass mit ihm Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit des Übereinkommens mit dem Unionsrecht ausgeräumt werden sollen, er hingegen keine über den Status quo hinausgehende Regelung des Verhältnisses von Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht enthält. Dies entspricht auch dem im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Verständnis der Bundesregierung sowie der im Bundesrat abgegebenen Protokollerklärung mehrerer Länder. Den anderen Vertragsmitgliedstaaten ist dieses Verständnis allerdings nicht mitgeteilt worden.

3. Mit alldem setzt sich der Beschwerdeführer zu I. 1 nicht weiter auseinander, sondern beschränkt sich unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats vom 13. Februar 2020 auf die Feststellung, dass ihm durch Art. 20 EPGÜ die Identitätskontrolle abgeschnitten werde, was mit Art. 79 Abs. 3 GG nicht vereinbar sei. Das genügt den Substantiierungsanforderungen nicht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BMJV: Neuer Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht

Das BMJV hat einen neuen "Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht" vorgelegt.

Das Bundesverfassungsgericht hatte den ersten Anlauf des Gesetzgebers kassiert (siehe dazu BVerfG: EPGÜ-ZustG - Gesetz zum Abkommen über ein Einheitliches Patentgericht ist nichtig da materielle Verfassungsänderung ohne Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen wurde )



Markenrecht - Zweiter Teil des Markenrechtsmodernisierungsgesetzes tritt am 01.05.2020 in Kraft - Änderungen Verfallsverfahren und Nichtigkeitsverfahren

Der zweite Teil des Markenrechtsmodernisierungsgesetzes (Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc und Nummer 33) tritt am 1. Mai in Kraft.

Weitere Erläuterungen des DPMA zu den Änderungen finden Sie hier:

Änderungen im Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren ab 1. Mai 2020

Die Pressemitteilung des DPMA:

"Effizient, zügig und kostengünstig": Gesetzesänderungen stärken Rechte von Markeninhabern
Zweiter Teil des Markenrechtsmodernisierungsgesetzes tritt am 1. Mai in Kraft – DPMA-Präsidentin: Regelungen bringen mehr Rechtssicherheit

München. Vom 1. Mai an stärken Gesetzesänderungen die Rechte von Markeninhabern: In Nichtigkeitsverfahren, die bisher ausschließlich vor den ordentlichen Gerichten verhandelt werden mussten, können nun auch die Fachleute des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) entscheiden. Zudem können Verfallsverfahren vollständig beim DPMA durchgeführt werden. "Mit den neuen Regelungen werden Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren für Markeninhaber effizienter, zügiger und kostengünstiger. Das stärkt ihre Rechte und schafft mehr Rechtssicherheit", kommentierte DPMA-Präsidentin Cornelia Rudloff-Schäffer.

Nichtigkeitsverfahren und Verfallsverfahren jetzt beim DPMA möglich
Eine neue Regelung gibt es zum einen bei Anträgen auf Nichtigkeit und Löschung einer eingetragenen Marke aufgrund eines entgegenstehenden älteren Rechts: Wollte ein Rechteinhaber – wenn er seine älteren Rechte verletzt sah – ein solches Nichtigkeitsverfahren gegen eine jüngere Marke einleiten, so konnte er dies bisher nur bei den ordentlichen Gerichten tun. Ab 1. Mai 2020 können Inhaber der in den §§ 9 bis 13 MarkenG genannten älteren Rechte Nichtigkeitsverfahren auch direkt beim DPMA durchführen lassen. Der Antrag kann dabei auch auf mehrere ältere Rechte gestützt werden (§ 51 Abs. 1 MarkenG). Allerdings ist die Erklärung der Nichtigkeit aufgrund entgegenstehender älterer Rechte in bestimmten Fällen ausgeschlossen – etwa, wenn der Inhaber der älteren Rechte die jüngere Marke geduldet oder seine eigene Marke nicht benutzt hat (§ 51 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 MarkenG). Widerspricht der Inhaber der angegriffenen Marke dem Antrag auf Nichtigerklärung innerhalb von zwei Monaten, so wird das Nichtigkeitsverfahren durchgeführt. Widerspricht er dem Antrag nicht, so wird seine Marke für nichtig erklärt und gelöscht.

Auch Verfallsverfahren können ab 1. Mai vollständig im DPMA durchgeführt werden. Eingetragene Marken werden auf Antrag für verfallen erklärt und gelöscht, wenn sie innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht benutzt wurden, sie inzwischen geeignet sind, das Publikum zu täuschen oder wenn der Inhaber nicht mehr die in § 7 MarkenG genannten Voraussetzungen erfüllt. Für Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken bestehen weitere Verfallsgründe.

Bisher mussten Antragsteller Verfallsverfahren bei den ordentlichen Gerichten weiterverfolgen, wenn der Markeninhaber dem Antrag auf Erklärung des Verfalls und Löschung seiner Marke widersprach. Künftig können solche Verfahren komplett beim DPMA zum Abschluss gebracht werden. Auch hier gilt, dass ein Verfahren nur dann durchgeführt wird, wenn der Inhaber der angegriffenen Marke dem Nichtigkeitsantrag innerhalb von zwei Monaten widerspricht. Zusätzlich setzt die Durchführung des Verfahrens voraus, dass der Antragsteller innerhalb einer bestimmten Frist die Weiterverfolgungsgebühr bezahlt. Widerspricht der Inhaber der angegriffenen Marke dem Nichtigkeitsantrag nicht, wird seine Marke für verfallen erklärt und gelöscht.

Sowohl Nichtigkeitsverfahren als auch Verfallsverfahren können weiterhin bei den ordentlichen Gerichten eingeleitet werden, der Antragsteller hat also die Wahl. Eine Klage ist aber dann unzulässig, wenn bereits ein Antrag zu demselben Streitgegenstand beim DPMA gestellt wurde. Umgekehrt ist ein Antrag beim DPMA unzulässig, wenn über denselben Streitgegenstand eine Klage vor einem Gericht rechtshängig ist. Im Vergleich zu Gerichtsverfahren können die Verfahren beim DPMA für den Antragsteller wegen der niedrigeren Gebühren kostengünstiger sein. Zudem bleibt das Verfahren bei einer Institution, was eine einheitliche Rechtsanwendung erleichtert und zu mehr Rechtssicherheit beitragen kann. Beim DPMA besteht für Verfahrensbeteiligte mit Wohnsitz, Geschäftssitz oder Niederlassung in Deutschland auch kein Anwaltszwang.

Die gesetzlichen Änderungen gehen auf die europäische Markenrechtsrichtlinie zurück, die bereits seit 2016 gilt und die zum 1. Mai 2020 abschließend umzusetzen ist. Die weiteren durch die Richtlinie vorgesehenen Regelungen sind bereits mit dem Markenrechtsmodernisierungsgesetz zum 14. Januar 2019 in Kraft getreten.

Weitere Informationen zu den Neuerungen ab Mai 2020 und zu den jeweils anfallenden Gebühren finden Sie auf unserer Internetseite Änderungen im Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren.

Das Deutsche Patent- und Markenamt
Erfindergeist und Kreativität brauchen wirksamen Schutz. Das DPMA ist das deutsche Kompetenzzentrum für alle Schutzrechte des geistigen Eigentums – für Patente, Gebrauchsmuster, Marken und Designs. Als größtes nationales Patentamt in Europa und fünftgrößtes nationales Patentamt der Welt steht es für die Zukunft des Erfinderlandes Deutschland in einer globalisierten Wirtschaft. Seine fast 2 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an drei Standorten – München, Jena und Berlin – sind Dienstleister für Erfinder und Unternehmen. Sie setzen Innovationsstrategien des Bundes um und entwickeln die nationalen, europäischen und internationalen Schutzsysteme weiter.



BVerfG: EPGÜ-ZustG - Gesetz zum Abkommen über ein Einheitliches Patentgericht ist nichtig da materielle Verfassungsänderung ohne Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen wurde

BVerfG
Beschluss vom 13. Februar 2020
2 BvR 739/17


Das Bunderverfassungsgericht hat entschieden, dass das Gesetz zum Abkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ-ZustG) nichtig ist, da es sich um eine materielle Verfassungsänderung handelt, die ohne Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen wurde.

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

Gesetz zum Abkommen über ein Einheitliches Patentgericht nichtig

Das Gesetz zu dem Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ-ZustG), das Hoheitsrechte auf das Einheitliche Patentgericht übertragen soll, ist nichtig. Es bewirkt der Sache nach eine materielle Verfassungsänderung, ist aber vom Bundestag nicht mit der hierfür erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen worden. Dies hat der Zweite Senat mit heute veröffentlichtem Beschluss auf eine Verfassungsbeschwerde hin entschieden. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass Bürgerinnen und Bürger zur Sicherung ihrer demokratischen Einflussmöglichkeiten im Prozess der europäischen Integration grundsätzlich ein Recht darauf haben, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten nur in den vom Grundgesetz dafür vorgesehenen Formen erfolgt. Ein unter Verstoß hiergegen ergangenes Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag kann die Ausübung öffentlicher Gewalt durch die Europäischen Union oder eine mit ihr in einem Ergänzungs- oder sonstigem besonderen Näheverhältnis stehende zwischenstaatliche Einrichtung nicht demokratisch legitimieren.

Sachverhalt:

Mit dem EPGÜ-ZustG sollen die Voraussetzungen für die Ratifikation des Übereinkommens vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) geschaffen werden. Als völkerrechtlicher Vertrag ist es Teil eines Regelungspakets zum Patentrecht, dessen Kern die Einführung eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung auf der Ebene der Europäischen Union im Wege einer Verstärkten Zusammenarbeit ist. Das „europäische Patent mit einheitlicher Wirkung“ bietet in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten einheitlichen Schutz. Das EPGÜ sieht die Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts (EPG) als gemeinsames Gericht der Mehrzahl der Mitgliedstaaten für Streitigkeiten über europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung vor. Es soll in Bezug auf europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung die ausschließliche Zuständigkeit für einen umfangreichen Katalog von Streitigkeiten übertragen erhalten. Dieser umfasst insbesondere Klagen wegen Patentverletzung, Streitigkeiten über den Bestand von Patenten und bestimmte Klagen gegen Entscheidungen des Europäischen Patentamts. Den Gesetzentwurf zu dem angegriffenen Vertragsgesetz nahm der Bundestag in dritter Lesung einstimmig an; anwesend waren etwa 35 Abgeordnete. Eine Feststellung der Beschlussfähigkeit erfolgte ebenso wenig wie die Feststellung des Bundestagspräsidenten, dass das Zustimmungsgesetz mit qualifizierter Mehrheit beschlossen worden sei.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

I. Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen, die in einem Ergänzungs- oder sonstigem besonderen Näheverhältnis zum Integrationsprogramm der Europäischen Union stehen, sind an Art. 23 Abs. 1 GG zu messen. Soweit sie das Grundgesetz seinem Inhalt nach ändern oder ergänzen oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglichen, bedürfen sie nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 GG einer Zwei-Drittel-Mehrheit in den gesetzgebenden Körperschaften. Eine unter Verstoß gegen diese Vorgaben eingegangene völkerrechtliche Verpflichtung, die der Einwirkung einer supranationalen öffentlichen Gewalt auf Bürgerinnen und Bürger in Deutschland die Tür öffnet, verletzt diese in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 und Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG. Bürgerinnen und Bürger haben zur Sicherung ihrer demokratischen Einflussmöglichkeiten im Prozess der europäischen Integration grundsätzlich ein Recht darauf, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten nur in den vom Grundgesetz dafür vorgesehenen Formen der Art. 23 Abs. 1 Sätze 2 und 3, Art. 79 Abs. 2 GG erfolgt (formelle Übertragungskontrolle). Denn Kompetenzen, die einem anderen Völkerrechtssubjekt übertragen werden, sind in aller Regel „verloren“ und können aus eigener Kraft nicht ohne Weiteres „zurückgeholt“ werden. Ohne wirksame Übertragung von Hoheitsrechten aber fehlt jeder später erlassenen Maßnahme der Europäischen Union oder einer supranationalen Organisation die demokratische Legitimation. Darüber hinaus sind die sich aus Art. 79 Abs. 3 GG ergebenden materiellen Grenzen an die Übertragung von Hoheitsrechten stets zu beachten.

II. Nach diesen Maßstäben verletzt Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EPGÜ-ZustG den Beschwerdeführer in seinem Recht auf demokratische Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und 2 und Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 3 und Art. 79 Abs. 2 GG, weil das EPGÜ-ZustG nicht mit der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages beschlossen worden ist.

1. Das EPGÜ-ZustG überträgt Rechtsprechungsaufgaben auf ein supranationales Gericht und weist ihm bestimmte Rechtsstreitigkeiten zur ausschließlichen Entscheidung zu. Durch das EPGÜ werden die Entscheidungen und Anordnungen des EPG darüber hinaus zu vollstreckbaren Titeln erklärt.

2. Das EPGÜ steht in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Integrationsprogramm der Europäischen Union und ersetzt in der Sache unionsrechtliche Regelungen, deren Verankerung im Recht der Europäischen Union nicht die notwendigen Mehrheiten gefunden hat.

a) Das EPGÜ findet im Primärrecht einen unmittelbaren Anknüpfungspunkt in Art. 262 AEUV. Dieser sieht eine Übertragung der Rechtsprechungszuständigkeit für Streitigkeiten über europäische Rechtstitel für das geistige Eigentum auf den EuGH vor, erfordert jedoch einen einstimmigen Beschluss des Rates und eine Ratifikation durch die Mitgliedstaaten. Dafür gab es bislang keinen ausreichenden politischen Willen.

b) Das EPGÜ ist darüber hinaus mit auf der Grundlage von Art. 118 AEUV erlassenem Sekundärrecht auf das Engste verwoben. Ein wesentlicher Teil der Rechtsprechungsaufgaben des EPG wird unionsrechtlich geregelte Rechte und Ansprüche betreffen, deren einheitliche Wirkung erst durch die im EPGÜ enthaltenen Regelungen sichergestellt wird. Zudem ist das EPG unmittelbar an das Unionsrecht gebunden.

c) Das EPGÜ wurde maßgeblich durch Organe der Europäischen Union vorangetrieben. Jedenfalls seit der Jahrtausendwende hat die Europäische Kommission auf eine Zentralisierung des gerichtlichen Rechtsschutzes in diesem Bereich gedrungen. Das „Europäische Patentpaket“ wurde auch vom Europäischen Parlament nachdrücklich befürwortet.

Das Übereinkommen steht ausschließlich Mitgliedstaaten der Europäischen Union offen. Dass nicht alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch Vertragsmitgliedstaaten sind, stellt das besondere Näheverhältnis zum Integrationsprogramm der EU nicht in Frage. Im Gegenteil, dies ist durch das Institut der Verstärkten Zusammenarbeit ausdrücklich legitimiert und unterstreicht die enge Verzahnung mit dem institutionellen Gefüge der EU.

3. Das EPGÜ-ZustG unterliegt den Anforderungen von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 GG, weil es der Sache nach eine materielle Verfassungsänderung bewirkt.

a) Das EPGÜ hat Verfassungsrelevanz und stellt eine vergleichbare Regelung im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG dar, weil es eine funktional äquivalente Regelung zu einer Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union nach Art. 48 EUV enthält. In der Sache stellt das EPGÜ eine Änderung oder Ersetzung von Art. 262 AEUV dar. Dort sieht der Vertrag nicht nur ein besonderes Gesetzgebungsverfahren und einen einstimmigen Beschluss des Rates vor, sondern auch, dass dieser Rechtsakt erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Bestimmungen in Kraft tritt. Die Schaffung einer neuen Zuständigkeit des EuGH für den gewerblichen Rechtsschutz haben die Mitgliedstaaten damit als gravierenden Eingriff in die nationale Rechtsprechungszuständigkeit gewertet und als ratifikationsbedürftigen Vorgang ausgestaltet. Der deutsche Gesetzgeber hat Art. 262 AEUV als besonderes Vertragsänderungsverfahren eingestuft. Mit dem EPGÜ haben die Vertragsmitgliedstaaten das Integrationsprogramm des Vertrages von Lissabon verändert, dem in Art. 262 AEUV vorgesehenen Weg faktisch die Grundlage entzogen und die Möglichkeit eines neuen Typus einheitlicher Gerichtsbarkeit im gewerblichen Rechtsschutz in Anlehnung an die Europäische Union geschaffen, weil es weder für den vertraglich vorgezeichneten Weg des Art. 262 AEUV noch für eine Änderung nach Art. 48 EUV die notwendige Einstimmigkeit gab.

b) Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Patentgerichtsbarkeit bewirkt eine Übertragung von Rechtsprechungsaufgaben unter Verdrängung deutscher Gerichte eine inhaltliche Änderung des Grundgesetzes im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG. Die rechtsprechende Gewalt wird nach Art. 92 GG durch das Bundesverfassungsgericht, die Bundesgerichte und die Gerichte der Länder ausgeübt. Jede Übertragung von Rechtsprechungsaufgaben auf zwischenstaatliche Gerichte modifiziert diese umfassende Rechtsprechungszuweisung und bedeutet insoweit eine materielle Verfassungsänderung. Sie berührt nicht nur die grundrechtlichen Garantien des Grundgesetzes, weil deutsche Gerichte insoweit keinen Grundrechtsschutz mehr gewähren können, sondern auch die konkrete Ausgestaltung der Gewaltenteilung. Art. 32 EPGÜ überträgt dem EPG einen nicht unerheblichen Ausschnitt der zivil- und verwaltungsrechtlichen Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten von erheblicher ökonomischer Relevanz zur ausschließlichen Erledigung. Die verfassungsrechtlich geordnete Struktur der deutschen Gerichtsverfassung wird durch das EPGÜ modifiziert, um ein weiteres Gericht ergänzt und mit einem eigenen internen Rechtsmittelzug versehen.

4. Das EPGÜ-ZustG war mit der qualifizierten Mehrheit von Art. 79 Abs. 2 GG zu beschließen. Angesichts der besonderen Bedeutung des Mehrheitserfordernisses für die Integrität der Verfassung und die demokratische Legitimation von Eingriffen in die verfassungsmäßige Ordnung kommt ein Gesetz, das diese Mehrheit verfehlt, nicht zustande. Das EPGÜ-ZustG ist vom Deutschen Bundestag daher nicht wirksam beschlossen worden; es ist nichtig.

Abweichende Meinung der Richterinnen König und Langenfeld sowie des Richters Maidowski

Aus dem „Anspruch auf Demokratie“ ergibt sich kein rügefähiges Recht auf die Einhaltung der formellen Voraussetzungen für die Übertragung von Hoheitsrechten. Die damit verbundene Erweiterung des Rechts aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verkennt dessen Substanz und Grenzen. Für eine Verletzung der Substanz des Wahlrechts ist in einem Fall, in dem es um die Nichtbeachtung formeller Voraussetzungen des Zustimmungsgesetzes geht, kein Raum. Denn dieses Recht soll auch in Konstellationen betroffen sein, in denen es dem Bundestag gerade um die Herstellung demokratischer Legitimation für eine im Grundsatz zulässige Übertragung von Hoheitsrechten durch Gesetz geht, er mithin seine Integrationsverantwortung wahrgenommen hat. Mit der Erstreckung auf die Einhaltung der formellen Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Hoheitsrechtsübertragung verliert der „Anspruch auf Demokratie“ seine spezifische, auf die Ermöglichung und den Erhalt demokratischer Selbstbestimmung gerichtete materielle Substanz. Einen solchen Anspruch vermittelt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG jenseits von Ultra-vires-Konstellationen nur insoweit, als durch einen Vorgang demokratische Grundsätze berührt werden, die Art. 79 Abs. 3 GG auch dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzieht. Die Nichtbeachtung des Erfordernisses verfassungsändernder Mehrheiten oder anderer formeller Voraussetzungen bei der Übertragung von Hoheitsrechten fällt weder unter die bisher anerkannten Ultra-vires-Konstellationen, noch werden dadurch die änderungsfesten Grundsätze des Demokratieprinzips berührt. Im Ergebnis führt die Zulassung der formellen Übertragungsrüge dazu, dass der Schutzbereich des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG im Kontext der europäischen Integration seine Konturen vollends verliert.

Die formelle Übertragungskontrolle könnte zudem entgegen den Intentionen des Senats letztlich dazu führen, dass der politische Prozess im Kontext mit der europäischen Integration verengt und behindert wird. Es steht zu erwarten, dass die erneute Erweiterung des Zugangs zum Bundesverfassungsgericht bei so gut wie jeder Kompetenzübertragung im Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 1 GG Bundestag und Bundesrat dazu veranlassen wird, nach einer Zwei-Drittel-Mehrheit zu streben, um sich den Risiken der formellen Übertragungskontrolle nicht auszusetzen. Die Notwendigkeit einer verfassungsändernden Mehrheit wird damit faktisch zur Regel nicht nur bei Hoheitsrechtsübertragungen auf die Europäische Union, sondern auch auf alle völkervertraglich begründeten Einrichtungen, die in einem besonderen Näheverhältnis zu ihr stehen. Dies liegt weder in der Absicht des Verfassungsgebers, noch ist es für die Ermöglichung des demokratischen Prozesses erforderlich oder auch nur förderlich, weil es auch möglich sein muss, mit knappen Mehrheiten zu entscheiden. Die breite Eröffnung des Zugangs zum Bundesverfassungsgericht könnte in Zukunft den demokratischen Prozess in problematischer Weise präjudizieren und weitere Integrationsschritte, wenn nicht verhindern, so doch erheblich verzögern. Das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit wird erheblich erweitert in einen Bereich hinein, der früher Art. 24 Abs. 1 GG zugeordnet war. Dieser verlangt für die Übertragung von Hoheitsrechten nur ein einfaches Bundesgesetz. Mit der Zulassung der formellen Übertragungskontrolle wird ein weiteres Feld verfassungsgerichtlicher Auseinandersetzungen eröffnet. Dies wird zur Folge haben, dass sich notwendige politische Gestaltungsräume des Parlaments im Prozess der europäischen Integration verengen und sich damit der in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG beabsichtigte Schutz des demokratischen Prozesses in sein Gegenteil verkehren könnte.


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OLG Frankfurt: Markenlizenzvertrag nicht allein aufgrund 57-jähriger Laufzeit sittenwidrig - es ist auf verbleibende wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Markeninhabers abzustellen

OLG Frankfurt
Urteil vom 30.01.2020
6 U 94/18


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Markenlizenzvertrag nicht allein aufgrund einer 57-jährigen Laufzeit sittenwidrig ist. Es kommt - so das Gericht - darauf an, ob dem Markeninhaber genügend wirtschaftliche Bewegungsfreiheit verbleibt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"b) Die Verträge sind auch nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig.

aa) Mit diesem Einwand ist die Klägerin - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht präkludiert. Sie hat bereits in der Klageschrift (S. 16) dargelegt, dass eine Gesamtvertragsdauer von 57 Jahren sittenwidrig und damit nichtig wäre. Jedenfalls der vor Schluss der erstinstanzlichen Verhandlung gehaltene Vortrag ist daher zu würdigen.

bb) Die Voraussetzungen des § 138 I BGB liegen nicht vor. Dies gilt auch dann, wenn man - entsprechend der Auslegung des Landgerichts - davon ausgeht, dass die beiden Verträge (Lizenzvertrag und Ergänzungsvertrag) als Einheit mit einer 57-jährigen Laufzeit auszulegen sind. Ein Vertrag kann wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn ein Vertragsteil übermäßig in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit beeinträchtigt wird (sog. Knebelung) und ihm hierfür kein auch nur annähernd angemessener Ausgleich gewährt wird (BGH WM 2019, 419 Rn. 17 m.w.N.). Hierfür ist eine Gesamtwürdigung der vertraglichen Vereinbarung und der zum Vertragsschluss führenden Umstände erforderlich. Die lange Vertragslaufzeit für sich alleine kann eine solche Knebelung im Streitfall nicht begründen. Eine lange Laufzeit mag von vornherein problematisch sein bei formularmäßigen Vereinbarungen (vgl. BGH NJW-RR 2012, 626). Vorliegend handelt es sich unstreitig um individuell ausgehandelte Verträge.

cc) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf die Rechtsprechung zu Bierbezugsverträgen. Eine Sittenwidrigkeit i.S. des § 138 Abs. 1 BGB wird bei diesen Verträgen angenommen, wenn durch die Ausschließlichkeitsbindung die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit des Gastwirts in unvertretbarer Weise eingeengt und er dadurch in eine mit den Anschauungen des redlichen geschäftlichen Verkehrs nicht mehr zu vereinbarende Abhängigkeit zur Brauerei gerät. Eine 20-jährige Bindung geht hierbei bis an die äußerste Grenze des in Ausnahmefällen noch Zulässigen (BGH, Urt. v. 14.6.1972 - VIII ZR 14/71 -, juris). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Markenlizenzvertrag nicht übertragbar. Ein entsprechendes Abhängigkeitsverhältnis bestand schon deshalb nicht, weil die Klägerin während der Vertragslaufzeit nicht vollständig an der Nutzung ihrer Markenrechte und damit in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit beschränkt war. Die Exklusivlizenz bezog sich nur auf bestimmte Geschäftsfelder, nämlich auf Parfümerien, Körperpflegemittel und Kosmetika (Klassen 3, 21). Viele der NIKOS und SCULPTURE-Marken sind hingegen für weitere Waren- und Dienstleistungsklassen, insbesondere für die Klasse 25 (Bekleidung) registriert (vgl. Anlage SR1 a.E.). Unstreitig war und ist die Klägerin in diesem Warensegment geschäftlich tätig und kann hierfür ihre Marken alleine benutzen. Eine übermäßige Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Kosmetiksektor zu den bestimmenden Geschäftsfeldern der Klägerin gehört hätte. Dies ist nach dem nicht präkludierten Vortrag der Parteien nicht ersichtlich.

dd) Es kann mangels konkreter Anhaltspunkte auch nicht davon ausgegangen werden, dass die vereinbarte Umsatzlizenz der Höhe nach in sittenwidriger Weise marktübliche Lizenzsätze unterschritt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin am Tag des Abschlusses des Lizenzvertrages von der Beklagten ein zinsloses Darlehen in Höhe von DM 1 Mio. gewährt wurde. Die Sittenwidrigkeit lässt sich auch nicht damit begründen, dass die unter der Marke vertriebenen Parfumwaren zunächst im Hochpreissegment angeboten wurden und inzwischen über Drogeriemärkte verkauft werden. Der wirtschaftliche Erfolg einer Markennutzung lässt sich naturgemäß über lange Zeiträume schlecht einschätzen. Dies macht eine jahrzehntelange Bindung des Lizenzgebers jedoch nicht sittenwidrig.

c) Die Klägerin hat das Vertragsverhältnis jedoch wirksam außerordentlich gekündigt. Die Klägerin hat den Ergänzungsvertrag mit Anwaltsschreiben vom 10.7.2017 „wegen der Nichterreichung der Umsatzschwelle von DM 25 Mio.“ mit sofortiger Wirkung gekündigt (Anlage SR13).

aa) Dauerschuldverhältnisse kann nach § 314 BGB jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

bb) Dieses Recht gilt - entgegen der Ansicht des Landgerichts - unabhängig von den im Ergänzungsvertrag vorgesehenen Regelungen zur Vertragsbeendigung. Es kommt deshalb nicht maßgeblich darauf an, ob das Nichterreichen der Umsatzschwelle auf „nachgewiesenem Verschulden“ der Beklagten beruht (Ziff. 11 Abs. 2). Zwar kann das Kündigungsrecht nach § 314 BGB individualvertraglich beschränkt, aber nicht völlig ausgeschlossen werden (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 314 Rn. 3). Es kann auch nicht so weit beschränkt werden, dass es faktisch kaum mehr zur Anwendung kommen kann. Unzumutbar und unwirksam ist daher die Voraussetzung des „nachgewiesenen Verschuldens“. Bei einer Vertragslaufzeit von insgesamt 57 Jahren muss es dem Rechteinhaber möglich bleiben, den Lizenzvertrag wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung zu kündigen, wenn der Lizenznehmer - sei es aus Desinteresse, fehlendem kaufmännischen Geschick oder geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen - die Umsatzerwartungen ständig erheblich unterschreitet.

cc) Der Ergänzungsvertrag sah in Ziff. 5 vor, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Rückübertragung der Marken verpflichtet ist, wenn sie mit den Produkten nach 5 Vertragsjahren (also ab 1998) einen geringeren jährlichen Nettoumsatz als DM 25 Mio. (= € 12,78 Mio.)erzielt. Der Netto-Jahresumsatz der Beklagten mit den Markenprodukten blieb in den vergangenen 15 Jahren stets unterhalb von € 10 Mio. (LGU 4). Dies stellt einen hinreichend wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Zwar ist nach § 314 II BGB die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig, wenn der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag besteht. Ein vertragswidriges Verhalten des Gegners berechtigt im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses gleichwohl zur fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung, wenn die Vertrauensgrundlage der Rechtsbeziehung derart erschüttert ist, dass sie auch durch die Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann (BGH WM 2004, 828). Davon muss - schon im Hinblick auf den laufenden Rechtsstreit - ausgegangen werden. Es ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten auch nicht behauptet, dass in Zukunft mit Nettoumsätzen in vertragsmäßiger Höhe zu rechnen ist. Eine Abmahnung war daher entbehrlich.

d) Es kommt damit nicht auf die die zwischen den Parteien streitige Auslegungsfrage an, ob der Lizenzvertrag aus 1992, der nach Ziff. 10 bis zum 30.6.2017 laufen sollte, durch Ziff. 11 des Vertrages vom 6.4.1993 bis zum Jahr 2050 verlängert wurde oder ob der Ergänzungsvertrag lediglich der Absicherung eines Darlehens diente bzw. eine nur für bestimmte neue Marken geltende Zusatzabrede darstellte. Es bedarf auch keiner Entscheidung über den im Eventualverhältnis stehenden Antrag zu 2.

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte außerdem Anspruch auf eine Aufstellung der mit den gekennzeichneten Produkten erwirtschafteten Mengen und Verkaufswerte im angegebenen Zeitraum (Antrag zu 3.). Auch insoweit war das Urteil des Landgerichts abzuändern. Der Anspruch ergibt sich aus nach Ziff. 8a des Lizenzvertrages. Es fehlt nicht an der Fälligkeit des Anspruchs. Mit Email vom 27.3.2017 hat die Klägerin eine Frist bis zum 15.4.2017 gesetzt, nicht - wie vom LG angenommen - bis zum 15.4.2018. Die Frist war daher bereits bei Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung abgelaufen.

4. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auskunft über die nach Beendigung des Vertrages noch verkauften Markenwaren sowie über die Vorräte nach §§ 242, 259 BGB (Anträge zu 4. und 5.). Insoweit war die Berufung zurückzuweisen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Vertragsverhältnis auch nach seiner Beendigung bestimmte Nachwirkungen haben und eine Grundlage für Auskunftsansprüche hinsichtlich der ordnungsgemäßen Abwicklung bilden kann (vgl. BGH NJW 1982, 1807; BGHZ 61, 176, 179). Die begehrten Auskünfte sollen der Durchsetzung möglicher Folgeansprüche wegen Verletzung der Markenrechte nach Beendigung des Lizenzvertrages und Ablauf der nach § 12 a) des Lizenzvertrages vorgesehenen Aufbrauchfrist dienen. Der Auskunftsanspruch könnte als akzessorischer Hilfsanspruch nur zugesprochen werden, wenn entsprechende Folgeansprüche feststünden. Hierfür fehlt es an ausreichenden Darlegungen. Darauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Die Klägerin hat nicht im einzelnen dargelegt, aus welchen Schutzrechten ihr im Zuständigkeitsbereich des erkennenden Gerichts Schadensersatzansprüche zustehen. Zur Durchsetzung etwaiger Unterlassungsansprüche benötigt die Klägerin die Auskünfte nicht. Die Beklagte bestreitet nicht, Benutzungshandlungen über den 15.7.2017 hinaus vorgenommen zu haben."


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OLG Düsseldorf: Nichtigkeit des Vertrages bei Vereinbarung von Schwarzarbeit per WhatsApp-Chat

OLG Düsseldorf
Urteil vom 21.01.2020
I-21 U 34/19


Das OLG Düsseldorf hat wenig überraschend entschieden, das auch die Vereinbarung von Schwarzarbeit per WhatsApp-Chat zur Nichtigkeit des Vertrages führt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass der zwischen der Klägerin und dem Beklagten geschlossene Werkvertrag wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG i.V.m. § 134 BGB nichtig ist, so dass der Klägerin gegen den Beklagten kein Werklohnanspruch zusteht. Die Klägerin hat gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen, indem sie mit dem Beklagten vereinbart hatte, über einen erheblichen Teil ihrer Leistungen keine betriebliche, die Mehrwertsteuer ausweisende Rechnung zu erstellen und sie insoweit keine Umsatzsteuer verlangen und abführen wollte. Der Beklagte hat nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts diese Absicht zumindest erkannt und zu seinem Vorteil nutzen wollen. Dies reicht aus, um einen zur Nichtigkeit des Vertrags führenden Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot anzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 10.04.2014 – VII ZR 241/13, Rn. 13, Juris; Urt. v. 01.08.2013 – VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141).

2. Das Landgericht hat hierbei zutreffend das Zustandekommen einer Schwarzgeldabrede zwischen den Parteien nicht nur vermutet, sondern als bewiesen angesehen. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden und im Ergebnis zutreffend.

a) Kein Grund für eine Beanstandung ist, dass die Beweiswürdigung grundsätzlich auf Indizien beruht. Für die Überzeugungsbildung, dass die Parteien konkludent vereinbart hatten, dass die Klägerin dem Beklagten gegenüber ihre Leistungen ohne Ansetzen der Mehrwertsteuer abrechnete, war weder erforderlich, dass eine Partei sich ausdrücklich auf eine solche Abrede berief oder diese gar bestätigte. Vielmehr hat das Landgericht zutreffend aus dem feststehenden Sachverhalt und den von den Parteien vorgelegten Unterlagen gefolgert, dass diese stillschweigend übereingekommen waren, dass die Klägerin einen erheblichen Teil der durch sie gegenüber dem Beklagten erbrachten Leistungen „ohne Rechnung“ unter Verzicht des Ansetzens einer Mehrwertsteuer erbringen sollte.

b) Zu Recht hat das Landgericht in diesem Zusammenhang seine auf die WhatsApp-Nachricht des Geschäftsführers der Klägerin vom 28.12.2017 (Anlage B10, Bl. 277) gestützt. In dieser hat der Geschäftsführer der Klägerin den Beklagten gebeten, den zu überweisenden Betrag von 35.000,- Euro in Beträge von 20.000,- Euro aufzuteilen, damit „nicht so viel an die Augen von F….. kommt“. Dass das Landgericht diese Nachricht dahingehend verstanden hat, dass mit „F…..“ das Finanzamt gemeint ist, ist nicht zu beanstanden. Aus dem Kontext der WhatsApp-Nachricht und dem bewussten Nichtausschreiben des Wortes „F…“ aber auch dem weiteren Verhalten der Parteien (siehe hierzu die weiteren unter c) bis h) folgenden Ausführungen) ist die Nachricht nicht anders zu verstehen.

Soweit der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2019 angegeben hat, mit „F…“ sei eine Frau L… von einer Bank gemeint gewesen, hat das Landgericht dies nachvollziehbar und auch zur Überzeugung des Senats zu Recht als Schutzbehauptung gewertet.

Die Nachricht ist in einer Weise geschrieben, dass dem Beklagten aus der Sicht des Geschäftsführers der Klägerin ohne weiteres klar sein sollte, um wen es sich bei „F….“. handelt. Aus der Abkürzung „F…“ in Verbindung mit dem Umstand, dass es sich um jemanden handelt, für den der Vorgang relevant ist, vor dem dieser jedoch verborgen werden sollte, geht auch aus Sicht des Senats eindeutig hervor, dass es sich hierbei um das Finanzamt handeln sollte. Eine plausible Erklärung, um wen es sich hierbei stattdessen handeln solle, hat die Klägerin nicht abgegeben. So ist bereits nicht erkennbar, dass der Beklagte eine Frau oder einen Herrn L… bei der die Klägerin betreuenden Bank kennt. Berücksichtigt man ferner, dass die Abkürzung „F…“ von dem Nachnamen des behaupteten Bankmitarbeiters abweicht, ist noch weniger ersichtlich, dass der Beklagte hätte erkennen können, um wen es sich dabei handeln sollte.

Darüber hinaus sind die Ausführungen der Klägerin hierzu auch widersprüchlich. Während die Angaben des Geschäftsführers in der Sitzung vom 14.02.2019 offenbar dahingehend verstanden werden sollten, dass er das mit „F“ beginnende (vom Nachnamen abweichende) Wort deshalb nicht ausgeschrieben hat, weil es sich hierbei um ein weibliches Schimpfwort handele, widerspricht diesem Verständnis, dass die Klägerin nunmehr im Berufungsverfahren vorträgt, mit „F….“ sei ein Herr L… gemeint, dessen Vorname mit dem Buchstaben „F“ beginne. Doch auch diese Erklärung vermag angesichts der insoweit abweichenden spontanen Einlassung des Geschäftsführers der Klägerin in der Sitzung vom 14.02.2019, in der dieser wiederholt gerade nicht von einem Herrn, sondern einer Frau L… gesprochen hatte (vgl. Bl. 146 GA), nicht zu überzeugen.

c) Ferner belegt auch die zwischen den Parteien geführte WhatsApp-Korrespondenz bezüglich des beabsichtigten notariellen Schuldanerkenntnisses, dass die Parteien zunächst einvernehmlich übereingekommen waren, dass über einen großen Teil der von der Klägerin erbrachten Leistungen einschließlich Material keine betriebliche, die Mehrwertsteuer ausweisende Rechnung erstellt werden sollte.

Dass zwischen den Parteien zunächst verhandelte Schuldanerkenntnis betraf lediglich den Werklohn für die Arbeiten der Klägerin, die nach ihrer Auffassung noch nicht mit den von dem Beklagten gezahlten Beträgen abgegolten waren. Aus den WhatsApp-Nachrichten des Geschäftsführers der Klägerin geht hervor, dass nach seiner Vorstellung im Falle der Abgabe des Schuldanerkenntnisses durch den Beklagten im Übrigen keine weitere betriebliche Rechnung erstellt werden würde.

So hat der Geschäftsführer der Klägerin in seiner WhatsApp-Nachricht vom 14.01.2018 (vgl. Bl. 390 GA) ausgeführt:

„….habe ich erwartet, dass bis heute eine Lösung finden können wegen der Restbezahlung eines Schuldenerkennungsvertrages abzuschließen und damit die Sache vorbei ist …“).

Er entschloss sich ersichtlich erst nachdem insoweit keine Einigung zustande gekommen war, dem Beklagten die Arbeiten der Klägerin insgesamt in Rechnung zu stellen. So heißt es in seiner WhatsApp-Nachricht vom 20.01.2018 (vgl. Bl. 393 GA):

„Ich dachte dass bis heute Abend eine Lösung finden könnten für das Geld, aber es scheint so dass ich immer hinterher rennen muss […] Jetzt ich stelle Rechnungen für ganze Arbeit was wir geleistet haben

[…].

Für die Rechnungen Was gegeben und kein Geld bekommen habe ich erwarte bis morgen zurück zu bringen sonst lass ich neu erstellen das ich weiter in Rechnung mit normalen Gewinn einsetzen kann“ (Bl. 393 GA).

Gleiches geht aus der WhatsApp-Nachricht des Geschäftsführers der Klägerin vom 15.03.208 (Bl. 397 GA) hervor, in der er schreibt:

„…gebe ich Ihnen Zeit bis nächste Woche Dienstag um 12 Uhr dass schreiben bei Notar zu unterschreiben wenn nicht habe keine andere Lösung mehr als die Rechnungen zu stellen und ich bitte Sie zum letzten Mal dass ich meine Rechnungen im Original zurück zu schicken sonst ich lasse die neue wieder herstellen auf deine Kosten und melde die ganze Rechnung bei Finanzamt […]

Insbesondere die zuletzt genannte Nachricht belegt, dass die Klägerin zunächst beabsichtigt hatte, im Falle der erfolgten Abgabe des verlangten Schuldanerkenntnisses ihre bis dahin geleisteten Arbeiten nicht mehr in Rechnung zu stellen und die dem Beklagten übergebenen Materialrechnungen, einschließlich der auf sie ausgestellten Belege, dem Finanzamt gegenüber nicht in Ansatz zu bringen.

Der Umstand, dass sich der Geschäftsführer der Klägerin einseitig, entgegen der zunächst mit dem Beklagten Übereinkunft, später entschloss, seine Arbeiten doch in Rechnung zu stellen, macht den wegen des Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG gem. § 134 BGB nichtigen Vertrag nicht rückwirkend wirksam. Soweit der Geschäftsführer der Klägerin von seinem Vorhaben, über einen großen Teil seiner Leistungen keine ordnungsgemäße Rechnung auszustellen, die die Mehrwertsteuer ausweist, später abgerückt ist, mag er sich unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte des schuldbefreienden Rücktritts unter bußgeld- und strafrechtlichen Gesichtspunkten keiner Verfolgung (mehr) ausgesetzt sehen. Diese Grundsätze gelten jedo
ch nicht für die zivilrechtliche Beurteilung im Hinblick auf eine beidseitige nichtige Vereinbarung.

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BGH: Kein einheitlicher Schutzgegenstand eines Einzeldesigns und damit Nichtigkeit wenn beigefügte Schwarz-Weiß-Fotografien des Designs dieses in Hell-Dunkel-Kombination und umgekehrt in Dunkel-Hell

BGH
Beschluss vom 20.12.2018
I ZB 26/18
Sportbrille
DesignG § 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1 Satz 1, § 33 Abs. 1 Nr. 1, § 37 Abs. 1; DesignV § 7 Abs. 1


Leitsätze des BGH:

a) Ist der Anmeldung eines Designs eine Schwarz-Weiß-Fotografie zur Wiedergabe des Designs mit einer Darstellung eines Farbkontrasts in Graustufen beigefügt, wird der daraus ersichtliche Hell-Dunkel-Kontrast unabhängig von einer konkreten Farbgebung zum Schutzgegenstand gemacht.

b) Ein Einzeldesign lässt keinen einheitlichen Schutzgegenstand erkennen und ist nichtig, wenn seiner Anmeldung Schwarz-Weiß-Fotografien beigefügt sind, in denen Farbkontraste einmal in einer Hell-Dunkel-Kombination, das
andere Mal umgekehrt in einer Dunkel-Hell-Kombination dargestellt werden.

BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2018 - I ZB 26/18 - Bundespatentgericht

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BGH: Zeigen mehrere Darstellungen eines im Wege der Einzelanmeldung angemeldeten Designs mehrere Ausführungen führt dies nach 33 Abs. 1 Nr. 1 DesignG zur Nichtigkeit

BGH
Sporthelm
Beschluss vom 20.12.2018 - I ZB 25/18
DesignG § 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1 Satz 1, § 33 Abs. 1 Nr. 1, § 37 Abs. 1; DesignV § 7 Abs. 1


Leitsätze des BGH:

a) Zeigen mehrere Darstellungen eines im Wege der Einzelanmeldung angemeldeten Designs verschiedene Ausführungsformen eines Erzeugnisses (hier: Sporthelm) mit unterschiedlichen Merkmalen der Erscheinungsform dieses Erzeugnisses (hier: unterschiedliche Beriemung, Ausstattung mit oder ohne Reiterknopf, verschiedene Farben, Farbkontraste, Dekore), geben sie nicht die Erscheinungsform "eines" Erzeugnisses sichtbar wieder. Das Design lässt in diesem Fall keinen einheitlichen Schutzgegenstand im Sinne von § 1 Nr. 1 DesignG erkennen und ist deshalb nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 DesignG nichtig. Wird vom Designinhaber für die abweichenden Merkmale Designschutz beansprucht, ist es nicht zulässig, einen einheitlichen Schutzgegenstand auf Grundlage der Schnittmenge der allen Darstellungen gemeinsamen Merkmale zu ermitteln (Aufgabe BGH, Urteil vom 15. Februar 2001 - I ZR
333/98, GRUR 2001, 503 = WRP 2001, 946 - Sitz-Liegemöbel).

b) Für die Zusammenfassung unterschiedlicher Ausführungsformen eines Erzeugnisses bietet § 12 Abs. 1 Satz 1 DesignG die Möglichkeit einer Sammelanmeldung mehrerer Designs.

BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2018 - I ZB 25/18 - Bundespatentgericht

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AG Aschaffenburg: eBay-Nutzer muss darlegen und beweisen wenn Gebotsabgabe / Kauf angeblich auf technischer Fehlfunktion des Smartphones beruht

AG Aschaffenburg
Urteil vom 17.04.2019
130 C 60/17


Das AG Aschaffenburg hat entschieden, dass ein eBay-Nutzer darlegen und beweisen muss, wenn die Gebotsabgabe / der Kauf angeblich auf einer technischen Fehlfunktion des Smartphones beruht.Der pauschale Vortrag, die Displaysperre habe nicht funktioniert, reicht nicht aus.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 2.499,00 €.

1. Zwischen den Parteien kam zunächst ein wirksamer Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug zustande. Insbesondere kann der Beklagte sich nicht auf eine Fehlfunktion seines Handys berufen.

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt eine Anwendung des § 105 Abs. 2 BGB vorliegen nicht in Betracht, da weder für eine direkte noch für eine entsprechende Anwendung die Voraussetzungen vorlagen.

b) Der Beklagte hat ein Angebot des Klägers auf Abschluss eines Kaufvertrages über das Fahrzeug angenommen, so dass ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte das Angebot abgeben wollte. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte. Nach dem Empfängerhorizont hat aber der Beklagte ein Angebot über einen Sofortkauf angenommen (LG Kiel, Beschluss vom 11.02.2004 - 1 S 153/03, BeckRS 2007, 01398; so im Ergebnis auch Palandt, BGB, 76. Auflage, § 130 BGB, Rn. 4).

c) Der Beklagte beruft sich darauf, den Vertrag jedenfalls wirksam angefochten zu haben. Der Beklagte ist dabei für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes darlegungs- und beweisbelastet. Der Beklagte beruft sich hier auf eine Fehlfunktion seines Handys dahingehend, dass sich das Telefon trotz Drückens der Sperrtaste nicht gesperrt habe. Die Klagepartei hat substantiiert dazu vorgetragen, dass jedenfalls noch eine zweimalige Bestätigung des Kaufs erforderlich ist, auch wenn der Nutzer bei Ebay bereits eingeloggt ist und den Artikel bereits aufgerufen hat. Das pauschale Bestreiten des Beklagten ist unbeachtlich. Der Beklagte hat jedoch nicht dazu vorgetragen, wie es dazu gekommen sein soll, dass das - unterstellt - nicht gesperrte Handy selbständig zweimal den Kauf bestätigt.

d) Im Übrigen ergäbe sich auch dann, wenn man von einer wirksamen Anfechtung des Kaufvertrags ausgeht, eine Schadensersatzpflicht des Beklagten. Der Beklagte hätte dann gemäß § 122 Abs. 2 BGB dem Kläger das negative Interesse, begrenzt durch das Erfüllungsinteresse zu erstatten.

2. Der Kläger forderte den Beklagten unstreitig mehrfach zur Abholung des Fahrzeugs sowie zur Zahlung des Kaufpreises auf. Der Beklagte hat dies abgelehnt. Der Kläger durfte gemäß §§ 433, 323 Abs. 1 BGB vom Kaufvertrag zurücktreten.

3. Der ersatzpflichtige Schaden des Klägers beläuft sich auf 2.499,00 €.

a) Beim Verkauf des Fahrzeugs hat der Kläger unstreitig lediglich 17.500,00 € erlöst anstelle der im Kaufvertrag mit dem Beklagten vereinbarten 19.999,00 €, so dass ein Verlust in Höhe von 2.499,00 € eingetreten ist. Ein Mitverschulden ist dem Kläger nicht anzurechnen. Die Beweislast für das Mitverschulden bzw. einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht trägt der Schädiger (Looschelders in: BeckOGK, Stand: 01.03.2019, § 254 BGB, Rn. 336). Soweit die maßgeblichen Umstände in der Sphäre des Geschädigten liegen, hat dieser im Rahmen des Zumutbaren an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (BeckOGK, a.a.O.).

b) Der Vorwurf, das Fahrzeug nicht möglichst schnell zu einem möglichst guten Preis verkauft zu haben, kann dem Kläger nicht gemacht werden. Zwar hat der Kläger den Nachweis, dass das Fahrzeug nach dem ersten Einstellen bei ebay „verbrannt“ gewesen sei, nicht führen können, da dies nach nachvollziehbarer und schlüssiger Feststellung des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. Christof einer sachverständigen Feststellung nicht zugänglich ist. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Anhörung hat dieser jedoch das Fahrzeug nach dem hier streitgegenständlichen Verkauf bei ebay Kleinanzeigen, bei mobile.de und bei Auto-Scout zum Preis von 19.999,00 € inseriert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug unstreitig nicht um ein gängiges Fahrzeug handelt, sondern ein solches, welches nur einen begrenzten Käuferkreis ansprechen dürfte. Dass ein anderer Käufer vorhanden und bereit gewesen wäre, einen Preis von 19.999,00 € für das Fahrzeug zu zahlen, ist nicht dargetan. Auch ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger für das Fahrzeug nach dem gescheiterten Verkauf eine Garage anmieten musste, was mit weiterem Zeitablauf zu weiteren Kosten geführt hätte.

b) Auch ist am Fahrzeug kein vom Kläger zu vertretender Wertverlust eingetreten, der gegen den Mindererlös aufzurechnen wäre. Nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag des Klägers hat dieser mit dem Fahrzeug nach Erstellung des Wertgutachtens im Jahr 2014 dieses nur wenig genutzt und sodann zwischen dem Verkauf am 10.04.2016 und dem Weiterverkauf am 16.05.2016 lediglich rund 2 km bis zu einer angemieteten Garage zurückgelegt. Das Gericht hat zum Marktwert des Fahrzeugs im Jahr 2016 ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Christof eingeholt. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass ein Marktwert von mindestens 19.999,00 € auf Grundlage der vorhandenen Anknüpfungstatsachen bestätigt werden könne. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass der Sachverständige das Fahrzeug nicht in Augenschein nehmen konnte und daher seine Ausführungen ausschließlich nach Aktenlage getätigt hat. Sofern zwischenzeitlich Verschlechterungen am Fahrzeug, beispielsweise durch Unfall, eingetreten sind, ergebe sich ggf. eine andere Beurteilung. Diese Ausführungen hat der Sachverständige auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung zur Erläuterung des Gutachtens vom 13.03.2019 bestätigt. Ausdrücklich hat der Sachverständige dabei auch darauf hingewiesen, dass der konkrete Marktwert nicht zu bestimmen gewesen sei; aufgrund der Fragestellung im Beweisbeschluss habe er auf Grundlage der vorliegenden Anknüpfungstatsachen jedoch den Mindestwert von 19.999,00 € bestätigen können. Die Ausführungen des Sachverständigen sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die mündlichen Angaben des Sachverständigen haben die Feststellungen aus dem schriftlichen Gutachten bestätigt. Die Parteien haben zuletzt keine Einwände gegen die Ausführungen des Sachverständigen vorgebracht. Das Gericht hat an der Sachkunde des Sachverständigen keine Zweifel und schließt sich dessen Ausführungen vollumfänglich an. Auf Grundlage dessen geht das Gericht davon aus, dass das Fahrzeug im Jahr 2016 noch einen Marktwert von mindestens 19.999,00 € hatte. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass nicht auszuschließen ist, dass zwischenzeitlich aufgrund eines Unfalls oder sonstiger Beschädigungen o.ä. lediglich noch ein niedrigerer Marktwert gegeben war. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es zu einer solchen Verschlechterung tatsächlich gekommen ist, trägt er jedoch nicht vor.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: