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OLG Frankfurt: Amazon haftet ab Inkenntnissetzung für Wettbewerbsverstöße durch Angebote von Amazon-Marketplace-Händlern - Pflicht zu Verhinderung gleichartiger Rechtsverletzungen

OLG Frankfurt
Urteil vom 21.12.2023
6 U 154/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Amazon als Plattformbetreiber ab Inkenntnissetzung für Wettbewerbsverstöße durch Angebote von Amazon-Marketplace-Händlern haften. Amazon ist zudem verpflichtet, gleichartige Rechtsverletzungen durch andere Händler zu verhindern.

Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

Leitsätze des Gerichts:
1. Wird der Betreiber einer Verkaufsplattform auf Verstöße gegen Kennzeichnungsvorschriften hingewiesen (hier: Bezeichnung eines Sojaproduktes als „Milch“), besteht eine Pflicht zur Verhinderung künftiger gleichartiger Verletzungshandlungen auch jenseits des konkreten Angebots.

2. Durch die Kennzeichnung eines Angebots als „amazon's choice für reismilch“ macht sich der Anbieter der Verkaufsplattform den Begriff nicht zu eigen, wenn der Verkehr erkennt, dass nur das vom Nutzer eingegebene Suchwort wiedergegeben wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die Klage ist zulässig.

1. Die jederzeit von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 7 Nr. 3 Brüssel Ia-VO (VO (EU) Nr. 1215/2012). Die der Beklagten zur Last gelegten unerlaubten Handlungen in Form von Wettbewerbsverstößen fanden über den Amazon-Marketplace mit deutscher Top-Level-Domain statt (dazu, dass vorgenannte Bestimmung auch greift, wenn mit einer Klage verhindert werden soll, dass sich ein als rechtswidrig angesehenes Verhalten wiederholt, vgl. z.B. BGH, Urteil vom 14.01.2020 - VI ZR 497/18, juris Rn. 13 mwn). Außerdem hat sich die Beklagte rügelos auf die Klage eingelassen (Art. 26 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO).

2. Der Kläger ist klagebefugt (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG).

Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG regelt nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis. Die Klagebefugnis des Wirtschaftsverbands ist als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Die Tatsachen, aus denen sich diese ergibt, müssen spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorliegen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 26.01.2023 - I ZR 111/22, GRUR 2023, 585 Rn. 13 mwN - Mitgliederstruktur).

Danach stehen die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen zu, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.

Diese Voraussetzung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der seit dem 13.10.2023 geltenden Fassung sind erfüllt. Der Kläger ist in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen (Stand: 04.11.2023). Er erfüllt nach seiner Mitgliederstruktur auch die weiteren Anforderungen dieser Norm. Ihm gehören ca. 1.000 Unternehmen und etwa 800 Verbände an, darunter nahezu alle Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern. Durch die Zuwiderhandlung werden Interessen seiner Mitglieder berührt.

II. Allerdings ist die Klage nach dem gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom II-Verordnung (VO (EG) Nr. 864/2007) anwendbaren Recht nur in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang begründet.

1. Das Landgericht hat dem Unterlassungsantrag zu 1 a) zu Recht aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. Art. 78 Abs. 1 Buchst. c, Abs. 2 i.V.m. Anhang VII Teil III Nr. 1, Nr. 6 VO (EU) Nr. 1308/2013 stattgegeben.

Die Beklagte hat ihre wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht verletzt, indem sie trotz vorhergehenden Hinweises des Klägers auf Verstöße von Drittbewerbern gegen die europäischen Bezeichnungsvorschriften für Milch und Milcherzeugnisse auf der von ihr betriebenen Plattform nicht effektiv dafür gesorgt hat, dass gleichartige Verstöße beseitigt und effektiv verhindert werden.

a) Dritte Gewerbetreibende haben auf dem Amazon-Marketplace unstreitig gegen die europäischen Bezeichnungsvorschriften für Milch- und Milcherzeugnisse verstoßen, indem sie vegane Milchersatzprodukte mit dem Wortbestandteil „Milch“ vermarktet haben. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt darin ein Rechtsbruch im Sinne von § 3a UWG.

aa) Nach Art. 78 Abs. 1 Buchst. c VO (EU) Nr. 1308/2013 gelten für Milch und Milcherzeugnisse, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, die Begriffsbestimmungen, Bezeichnungen und Verkehrsbezeichnungen des Anhangs VII dieser Verordnung. Diese Bezeichnungen dürfen in der Union nach Art. 78 Abs. 2VO (EU) Nr. 1308/2013 nur für die Vermarktung eines Erzeugnisses verwendet werden, das den entsprechenden Anforderungen des Anhangs VII der Verordnung genügt.

Anhang VII Teil III (Milch und Milcherzeugnissen) Nr. 1 VO (EU) Nr. 1308/2013 sieht insoweit vor, dass der Ausdruck „Milch“ ausschließlich dem durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnenen Erzeugnis der normalen Eutersekretion, ohne jeglichen Zusatz oder Entzug, vorbehalten ist. Eine der Ausnahmen der Buchstaben a) und b) dieser Vorschrift (eine die Zusammensetzung nicht verändernde Behandlung, ein standardisierter Fettgehalt oder die Kombination mit anderen Worten zur Bezeichnung des Typs, der Qualitätsklasse, des Ursprungs, der vorgesehenen Verwendung, physikalischen Behandlung oder veränderten Zusammensetzung, sofern diese Veränderungen lediglich im Zusatz und/oder Entzug natürlicher Milchbestandteile bestehen) steht nicht in Rede.

Anhang VII Teil III Nr. 3 VO (EU) Nr. 1308/2013 ist ebenfalls nicht einschlägig. Danach kann die Bezeichnung „Milch“ nur dann mit einem oder mehreren Worten für ein zusammengesetztes Erzeugnis verwendet werden, wenn Milch oder ein Milcherzeugnis (vgl. insofern Anhang VII Teil III Nr. 2 VO (EU) Nr. 1308/2013) einen nach der Menge oder nach der für das Erzeugnis charakteristischen Eigenschaft wesentlichen Teil darstellt. Die streitgegenständlichen veganen Milchersatzprodukte enthalten unstreitig weder Milch noch ein Milcherzeugnis.

Nach Anhang VII Teil III Nr. 5 Satz 1 VO (EU) Nr. 1308/2013 dürfen die Bezeichnungen gemäß Teil III Nr. 1, 2 und 3 nur für die in der betreffenden Nummer genannten Erzeugnisse verwendet werden. Soweit nach Satz 2 dieser Vorschrift für Erzeugnisse, deren Art aufgrund ihrer traditionellen Verwendung genau bekannt ist, und/oder wenn die Bezeichnungen eindeutig zur Beschreibung einer charakteristischen Eigenschaft des Erzeugnisses verwandt werden, eine Ausnahme gilt, liegt eine solche hier nicht vor. Nach Art. 91 Satz 1 Buchst. a VO (EU) Nr. 1308/2013 i.V.m. Art. 1 i.V.m. Anhang I des Beschlusses 2010/791/EU der Kommission vom 20. Dezember 2010 (zur Festlegung des Verzeichnisses der Erzeugnisse gemäß Anhang XII Abschnitt III Nummer 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007) sind in Deutschland zwar Bezeichnungen wie „Kokosmilch“, „Erdnussbutter“ oder „Fleischkäse“ gestattet, nicht aber die streitgegenständlichen Bezeichnungen für vegane Milchersatzprodukte (zur Fortgeltung dieses Beschlusses im Anwendungsbereich der VO (EU) Nr. 1038/2013, vgl. EuGH, Urteil vom 14.06.2017 - C-422/16, GRUR 2017, 828 Rn. 12, 34 - Tofu-Town.com). Zwar kann die Kommission nach Art. 78 Abs. 3 VO (EU) Nr. 1308/2013 delegierte Rechtsakte, wie vorgenannten Beschluss 2010/791/EU, erlassen, um einem nachweislich bestehenden Bedarf unter anderem aufgrund geänderter Verbrauchererwartungen nachzukommen. Es ist aber nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, dass ein solcher Rechtsakt für die streitgegenständlichen Bezeichnungen bereits ergangen wäre.

Nach Anhang VII Teil III Nr. 6 VO (EU) Nr. 1308/2013 darf bei anderen als den unter Nummern 1, 2 und 3 von Teil III genannten Erzeugnissen nicht durch Etikett, Handelsdokumente, Werbematerial, Werbung irgendwelcher Art im Sinne des Art. 2 RL 2006/114/EG oder durch eine Aufmachung irgendwelcher Art behauptet oder der Eindruck erweckt werden, dass es sich bei dem betreffenden Erzeugnis um ein Milcherzeugnis handele.

Wie der Gerichtshof der Europäischen Union bereits entschieden hat, sind Art. 78 Abs. 2 und Anhang VII Teil III der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass die Bezeichnung „Milch“ und die nach vorgenannter Verordnung ausschließlich Milcherzeugnissen vorbehaltenen Bezeichnungen bei der Vermarktung oder Werbung zur Bezeichnung eines rein pflanzlichen Produkts verwendet werden, und zwar selbst dann, wenn diese Bezeichnungen durch klarstellende oder beschreibende Zusätze ergänzt werden, die auf den pflanzlichen Ursprung des betreffenden Produkts hinweisen, es sei denn, das Erzeugnis ist - wie hier nicht - in Anhang I des Beschlusses 2010/791/EU der Kommission vom 20. Dezember 2010 aufgeführt (vgl. EuGH, Urteil vom 14.06.2017 - C-422/16, GRUR 2017, 828 Rn.52 - Tofu-Town.com).

Gegen dieses Verbot haben die Drittanbieter mit ihren streitgegenständlichen Angaben verstoßen.

bb) Die europäischen Bezeichnungsvorschriften für Milch und Milcherzeugnisse sind nach zutreffender Auffassung des Landgerichts sog. Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG.

Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, wenn der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Diese Voraussetzungen sind entgegen der Ansicht der Beklagten erfüllt. Es besteht auch eine Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung.

(1) Soweit Verstöße gegen Marktverhaltensregelungen, die den Schutz der Gesundheit der Verbraucher bezwecken, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne Weiteres geeignet sind, die Interessen der Verbraucher im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen (vgl. z.B. BGH; EuGH-Vorlage vom 20.04.2023 - I ZR 108/22, GRUR 2023, 831 Rn. 14 mwN - Hautfreundliches Desinfektionsmittel), ist nach zutreffender Auffassung der Beklagten zwar nicht ersichtlich, dass die streitgegenständlichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 zumindest auch dem Gesundheitsschutz dienten.

(2) Allerdings geht aus den Erwägungsgründen 64 und 76 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 hervor, dass diese Bestimmungen im Interesse der Erzeuger, der Händler und der Verbraucher unter anderem zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen für die Erzeugung und Vermarktung sowie der Qualität der Erzeugnisse, zum Verbraucherschutz und zum Erhalt der Wettbewerbsbedingungen beitragen sollen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union tragen die verletzten Bestimmungen zur Erreichung dieser Ziele bei, indem sie vorsehen, dass nur die Produkte, die den vorgegebenen Anforderungen entsprechen, mit der Bezeichnung „Milch“ und den ausschließlich Milcherzeugnissen vorbehaltenen Bezeichnungen gekennzeichnet werden dürfen, und zwar auch dann, wenn diese Bezeichnungen durch klarstellende oder beschreibende Zusätze - wie sie im Ausgangsverfahren des Gerichtshofs in Rede standen - ergänzt werden (vgl. EuGH, GRUR 2017, 828 Rn. 43, 47, 52 - Tofu-Town.com). Ohne eine solche Beschränkung könnten anhand der Bezeichnungen „Milch“ und „Milcherzeugnis“ die Produkte, die über die mit der natürlichen Zusammensetzung der tierischen Milch verbundenen besonderen Eigenschaften verfügen, nicht mehr eindeutig bestimmt werden. Aufgrund der dadurch geschaffenen Verwechslungsgefahr widerspräche dies dem Verbraucherschutz und liefe dem Ziel zuwider, die wirtschaftlichen Bedingungen für die Erzeugung und Vermarktung sowie die Qualität der „Milch“ und „Milcherzeugnisse“ zu verbessern (vgl. EuGH, GRUR 2017, 828 Rn. 44 - Tofu-Town.com). Die Bezeichnungsvorgaben garantieren den Erzeugern dieser Produkte unverfälschte Wettbewerbsbedingungen und den Verbrauchern, dass die so bezeichneten Produkte alle denselben Qualitätsstandards genügen. Gleichzeitig werden die Verbraucher vor Verwechslungen in Bezug auf die Zusammensetzung der Produkte geschützt, die sie zu erwerben beabsichtigen (vgl. EuGH, GRUR 2017, 828 Rn. 48 - Tofu-Town.com).

(3) Der Umstand, dass ein Großteil der von den streitgegenständlichen Warenangeboten angesprochenen Verbraucher nicht der Fehlvorstellung unterliegen mag, dass die ausdrücklich als vegan bzw. Milchersatz beworbenen Produkte keine Milch enthalten, führt nicht dazu, dass die Verstöße gegen die europäischen Bezeichnungsvorschriften nicht geeignet wären, die Interessen (jedenfalls) von Milcherzeugern und -händlern sowie der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.

Wie oben bereits dargetan wurde, hat der europäische Gesetzgeber zur Sicherstellung einheitlicher Qualitätsstandards und zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr für die Verbraucher in der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 vorgesehen, dass die Bezeichnung „Milch“ nur für „echte“ Milchprodukte verwendet werden darf. Durch diese Verordnung ist eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Milch und Milcherzeugnisse errichtet worden (vgl. deren Art. 1 Abs. 1 und 2 Buchst. p)). Bei Nichteinhaltung der Bezeichnungsvorschriften droht eine Verwässerung des durch vollständige Harmonisierung geschützten Begriffes der „Milch“. Dies kann sich, wie in der Berufungsverhandlung erörtert worden ist, für Erzeuger und Vertreiber von Milch, deren Herstellung aufgrund der Nutztierhaltung anderen Anforderungen unterliegt als die Produktion veganer Milchersatzprodukte, nachteilig auswirken. Eine Verwässerung des Begriffs liefe auch dem Ziel zuwider, diesen zur Schaffung einheitlicher Qualitätsstandards europaweit zu vereinheitlichen. Für Verbraucher besteht zudem jedenfalls insoweit eine Irreführungsgefahr, als Milch, wie in der Berufungsverhandlung ebenfalls erörtert worden ist, über Nährstoffe verfügt, die vegane Ersatzprodukte teilweise nicht oder jedenfalls nicht im gleichen Maße haben (etwa einen hohen Protein- und Kalziumanteil, vgl. insofern auch Anlage B11). Insoweit besteht die Gefahr, dass Verbraucher annehmen könnten, als „Milch“ bezeichnete Ersatzprodukte enthielten zwar keine Milch, verfügten aber über dieselben Nähstoffe wie „echte“ Milch, so dass sie - vielleicht sogar mit Vorteilen für Umwelt und Tiere - als echte Milchalternative konsumiert werden könnten. Dies rechtfertigt die Annahme einer Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung.

(4) Auf die „Jogginghosen“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs und das Kriterium der Eignung, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte, kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten schon deshalb nicht an, weil diese Entscheidung mit dem Vorenthalten einer wesentlichen Information auf eine andere Fallgestaltung betrifft (vgl. BGH, Urteil vom 31.01.2018 - I ZR 73/17, GRUR 2019, 82 Rn. 30 f. - Jogginghosen; Urteil vom 21.01.2021 - I ZR 17/18, GRUR 2021, 752 Rn. 58 mwN - Berechtigte Gegenabmahnung; siehe insofern § 51 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UWG nF).

b) Zwar ist die Beklagte nicht als Täterin eines Verstoßes gegen § 3a UWG in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 oder Teilnehmerin an einem solchen Verstoß und auch nicht als Störerin für die Wettbewerbsverstöße verantwortlich. Allerdings hat sie ihrer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht nicht genügt und daher im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG unlauter gehandelt.

aa) Eine Haftung der Beklagten als aktiv handelnde Täterin oder Teilnehmerin eines Verstoßes gegen die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 kommt nicht in Betracht.

(1) Die Frage, ob sich jemand als Täter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfe in einer die zivilrechtliche Haftung begründenden Weise an einer deliktischen Handlung eines Dritten beteiligt hat, beurteilt sich nach den im Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen. Täter ist danach derjenige, der die Zuwiderhandlung selbst oder in mittelbarer Täterschaft begeht (§ 25 Abs. 1 StGB). Mittäterschaft erfordert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken (vgl. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Gehilfenhaftung setzt neben einer objektiven Beihilfehandlung zumindest einen bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 22.07.2010 - I ZR 139/08, juris Rn. 30 mwN - Kinderhochstühle im Internet I).

(2) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte nicht dadurch, dass sie den Drittanbietern den von ihr betriebenen Amazon-Marketplace zur Verfügung gestellt hat, selbst (mit Tatherrschaft) die unzulässigen Bezeichnungen für vegane Milchersatzprodukte verwendet. Sie hat auch nicht vorsätzlich an den Verstößen der gesetzwidrig handelnden Anbieter mitgewirkt. Es ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte vor den Hinweisen des Klägers Kenntnis von den konkreten Verstößen gehabt hätte. Die Produktangebote der Drittanbieter wurden automatisiert und ohne vorhergehende Prüfung durch die Beklagte eingestellt und auf die Hinweise des Klägers jeweils unverzüglich entfernt. Der Umstand, dass die Beklagte allgemein Kenntnis von möglichen Gesetzesverstößen auf ihrer Plattform gehabt und/oder damit gerechnet haben mag, dass es dort zu vergleichbaren Rechtsverletzungen kommt, begründet noch keinen bedingten Vorsatz in Bezug auf die ihr nicht konkret zur Kenntnis gelangten Gesetzesverstöße Dritter (vgl. insofern z.B. BGH, Urteil vom 12.07.2007 - I ZR 18/04, GRUR 2007, 890 Rn. 21 - Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH, Urteil vom 02.06.2022 - I ZR 140/15, GRUR 2022, 1308 Rn. 78 - YouTube II; Urteil vom 02.06.2022 - I ZR 53/17, GRUR 2022, 1324 Rn. 26 mwN - uploaded II, jeweils zum Urheberrecht). Dass die Beklagte gewusst hätte oder hätte wissen müssen, dass über ihre Plattform im Allgemeinen entsprechende Rechtsverletzungen begangen werden (vgl. insofern z.B. BGH, GRUR 2022, 1308 Rn. 77 - YouTube II; GRUR 2022, 1324 Rn. 33 - uploaded II), hat der Kläger nicht behauptet und ist auch nicht erkennbar. Das Geschäftsmodell der Beklagten regt auch nicht zu einem rechtswidrigen Tätigwerden an (vgl. insofern z.B. BGH, GRUR 2022, 1324 Rn. 25 mwN - uploaded II).

bb) Eine Störerhaftung scheidet in den Fällen eines Verhaltensunrechts von vornherein aus (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 22.07.2010 - I ZR 139/08, juris Rn. 48 mwN - Kinderhochstühle im Internet I).

cc) Allerdings hat die Beklagte ihrer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht als sog. Host-Provider nicht im vollen Umfang genügt. Daher ist sie selbst dann gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 UWG zur Unterlassung verpflichtet, wenn die Voraussetzungen einer Haftungsbefreiung nach europäischem Recht erfüllt sein mögen.

(1) Die Beklagte ist nach dem in Umsetzung von Art. 15 E-Commerce-Richtlinie (RL 2003/31/EG) erlassenen § 7 Abs. 2 TMG (i.V.m. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG) als sog. Host-Provider nicht dazu verpflichtet, die auf der Amazon-Plattform gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf dort auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Maßnahmen, die darin bestehen, einem Diensteanbieter wie der Beklagten aufzugeben, allein auf eigene Kosten Filtersysteme einzurichten, die mit einer allgemeinen und ständigen Überwachung verbunden sind, um jeder künftigen Verletzung etwa von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen, wären daher mit Art. 15 Abs. 1 E-Commerce-Richtlinie nicht vereinbar (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 22.06.2021 - C-682/18 u.a., juris Rn. 135 - YouTube und Cyando).

Soweit für die Beklagte nach ihrer Angabe bereits seit August 2023 der gemäß Art. 93 Abs. 2 Satz 1 DSA in der Regel erst ab dem 17.02.2024 geltende Digital Services Act (Verordnung (EU) Nr. 2022/2065) anwendbar ist (vgl. insofern für sehr große Online-Plattformen, die gemäß Art. 33 Abs. 3 DSA benannt wurden, Art. 92 DSA), führt dies nicht zu einer abweichenden Bewertung. Nach Art. 8 DSA wird auch Anbietern von Vermittlungsdiensten keine allgemeine Verpflichtung auferlegt, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten.

(2) Zu Gunsten der Beklagten kann auch davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen einer Haftungsbefreiung nach § 10 Satz 1 TMG bzw. Art. 6 Abs. 1 DSA erfüllt sind. Daher kann dahingestellt bleiben, ob dieses Haftungsprivileg überhaupt für Unterlassungsansprüche gilt (verneinend noch BGH, Urteil vom 12.07.2007 - I ZR 18/04, GRUR 2007, 890 Rn. 20 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).

(a) Nach § 10 Satz 1 TMG, durch den Art. 14 E-Commerce-Richtlinie umgesetzt worden ist, sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben (Nr. 1) und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird (Nr. 2). Die tatsächliche Kenntnis bzw. das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit muss sich grundsätzlich auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten und Informationen bzw. auf konkrete rechtswidrige Handlungen der Nutzer beziehen (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2021 - C-682/18 u.a., juris Rn. 112 f., 118 - YouTube und Cyando).

Entsprechend sieht Art. 6 Abs. 1 DSA für das sog. Hosting vor, dass bei der Durchführung eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung der von einem Nutzer bereitgestellten Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen haftet, sofern er keine tatsächliche Kenntnis von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder rechtswidrigen Inhalten hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder rechtswidrige Inhalte offensichtlich hervorgeht (Buchst. a), oder sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, zügig tätig wird, um den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten zu sperren oder diese zu entfernen (Buchst. b). Die Pluralformulierung „rechtswidrigen Inhalten“ führt aus Sicht des Senats nicht zu einer anderen Bewertung. Soweit vorgenannte Bestimmung nach Art. 6 Abs. 3 DSA keine Anwendung auf die verbraucherschutzrechtliche Haftung von Online-Plattformen findet, die Verbrauchern das Abschließen von Fernabsatzverträgen mit Unternehmern ermöglichen, wenn die Online-Plattform die spezifischen Einzelinformationen dazu darstellt oder die betreffende Einzeltransaktion anderweitig in einer Weise ermöglicht, bei der ein durchschnittlicher Verbraucher davon ausgehen kann, dass die Information oder das Produkt oder die Dienstleistung, die bzw. das Gegenstand der Transaktion ist, entweder von der Online-Plattform selbst oder von einem ihrer Aufsicht unterstehenden Nutzer bereitgestellt wird, ist diese Voraussetzung im Streitfall nicht erfüllt. Unter diese Ausnahme dürften nur Konstellationen fallen, in denen ein Anbieter nicht nur - wie ein Hosting-Anbieter dies stets tut - eine zentrale Rolle bei der Verbreitung der Information einnimmt, sondern über seine neutrale Rolle als Betreiber hinaus eine aktive Rolle spielt, die ihm Kenntnis von den in Rede stehenden Inhalten oder eine Kontrolle über diese zu verschaffen vermag (vgl. insofern u.a. EuGH, Urteil vom 22.06.2021 - C-682/18 u.a., juris Rn. 77, 106, 117 - YouTube und Cyando, zum alten Recht).

(b) Eine derartige aktive Rolle hat die Beklagte ausgehend davon, dass die Angebote der Händler ohne vorhergehende Prüfung automatisiert eingestellt wurden und sie auch sonst keinen Einfluss darauf genommen oder den Eindruck erweckt hat, die Produktangebote stammten von ihr oder würden von ihr überprüft, nicht gespielt.

(3) Allerdings lässt bzw. ließe eine fehlende Haftung der Beklagten nach § 10 Satz 1 TMG bzw. Art. 6 Abs. 1 DSA die Möglichkeit einer gerichtlichen Verurteilung zur Unterlassung wegen eines Verstoßes gegen ihre wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht unberührt.

(a) Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 TMG bleiben Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen auch im Fall der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 TMG unberührt.

Entsprechend sieht Art. 6 Abs. 4 DSA vor, dass Art. 6 DSA die Möglichkeit unberührt lässt, dass eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern.

(b) Diesbezüglich ist anerkannt, dass nach der § 7 TMG zugrundeliegenden E-Commerce-Richtlinie nach dem nationalen Recht eines Mitgliedstaats selbst dann insbesondere gerichtliche Anordnungen an einen Hosting-Anbieter ergehen können, wenn dieser eine der in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie angeführten alternativen Voraussetzungen erfüllt, also selbst nicht als verantwortlich anzusehen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 03.10.2019 - C-18/18, juris Rn. 25 - Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland; siehe auch Erwägungsgrund 45 der E-Commerce-Richtlinie).

Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die vorgerichtlichen Hinweise des Klägers haben für die Beklagte eine wettbewerbsrechtlichen Prüfungs- und Beseitigungspflicht ausgelöst, die über die von ihr getroffenen Maßnahmen hinausgegangen ist. Daher folgt der zuerkannte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG i.V.m. § 3 Abs. 1 UWG.

(aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine unlautere Wettbewerbshandlung begehen, wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr in einer ihm zurechenbaren Weise die Gefahr eröffnet, dass Dritte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, die durch das Wettbewerbsrecht geschützt sind, wenn er diese Gefahr nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenzt (vgl. z.B. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 22, 36 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). In einem solchen Fall kommt ein täterschaftlicher Verstoß gegen die Generalklausel des § 3 UWG in Betracht (vgl. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 22, 36 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Die Bereitstellung der Plattform ist insoweit die Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG (vgl. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 23 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).

Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, trifft wettbewerbsrechtlich die Pflicht, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Dem liegt der allgemeine Rechtsgrundsatz zugrunde, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der Dritten daraus drohenden Gefahren notwendig sind (vgl. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 36 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Gefahr in einem Erfolgs- oder Handlungsunrecht realisiert (vgl. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 37 mwN - Jugendgefährdende Medien bei eBay).

Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht eines Telediensteanbieters hinsichtlich rechtsverletzender fremder Inhalte konkretisiert sich als Prüfungspflicht. Haftungsvoraussetzung ist eine Verletzung von Prüfungspflichten. Deren Bestehen und Umfang richten sich nach zutreffender Ansicht des Landgerichts im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Entsprechend den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 38 mwN - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Dem Betreiber eines von der Rechtsordnung gebilligten Geschäftsmodells dürfen dabei keine Anforderungen auferlegt werden, die dieses gefährden oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren, wobei die fehlende Verpflichtung des Betreibers zur allgemeinen Überwachung mit zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 39 mwN - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Insgesamt bedarf es eines Gleichgewichts zwischen den verschiedenen beteiligten Interessen (vgl. EuGH, Urteil vom 03.10.2019 - C-18/18, juris Rn. 43 f. - Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland, zu Erwägungsgrund 41 der E-Commerce-Richtlinie; Urteil vom 22.06.2021 - C-682/18 u.a., juris Rn. 138 - YouTube und Cyando).

(bb) Insofern hat der Kläger bereits vorgerichtlich hinreichend deutlich auf die von Drittanbietern auf der Amazon-Plattform begangenen Verstöße gegen europäische Bezeichnungsvorschriften hingewiesen. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, die Spürbarkeit dieser Verstöße sei vorprozessual nicht dargetan worden, ist ein Erfordernis zu entsprechenden Rechtsausführungen weder für die Klägerin ersichtlich gewesen noch hat es solcher bei objektiver Betrachtung bedurft. Für die Beklagte war erkennbar, dass ein Verstoß gegen die europäischen Bezeichnungsvorschriften geeignet ist, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.

(cc) Die vom Landgericht antragsgemäß ausgesprochene Unterlassungspflicht erscheint bei gebotener Abwägung der widerstreitenden Interessen auch erforderlich, um den europäischen Bezeichnungsvorschriften im gebotenen Umfang Geltung zu verschaffen.

Auf Seiten des Diensteanbieters ist sein Recht auf Schutz der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12.12.2007 (GRC) beeinträchtigt. Zwar sollte die nach Art. 11 GRC geschützte Meinungs- und Informationsfreiheit im Streitfall weder zu Gunsten der Beklagten noch von Drittanbietern betroffen sein. Allerdings ist der Anspruch auf unternehmerische Freiheit von Drittanbietern mit in die Abwägung einzustellen. Da ein Recht auf unternehmerische Betätigung allerdings nur im Rahmen des geltenden Rechts besteht, wird in die Freiheit der Drittanbieter nur relevant eingegriffen, soweit ausnahmsweise eine rechtmäßige Verwendung der streitgegenständlichen Bezeichnungen in Rede steht, nicht aber bei deren rechtsverletzender Verwendung. Eine schutzwürdige Beeinträchtigung der Interessen Dritter ist insoweit allenfalls bei Verwendung der streitgegenständlichen Begriffe außerhalb des Lebensmittelbereichs denkbar.

Zwar kommt die täterschaftliche Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht unter dem Gesichtspunkt der Eröffnung eines gefahrenträchtigen Betriebs grundsätzlich nur unter engen Voraussetzungen in Betracht, um einer unangemessenen Ausdehnung der Haftung für Rechtsverstöße Dritter entgegenzuwirken (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 05.10.2017 - I ZR 184/16, GRUR 2018, 203 Rn. 37 - Betriebspsychologe). Auch ist der Beklagten zuzugeben, dass abweichend von den Entscheidungen „Jugendgefährdende Medien bei eBay“ und „Schwimmscheiben“ kein Rechtsgut von hoher Bedeutung wie der Jugend- (vgl. insofern BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 40 - Jugendgefährdende Medien bei eBay) oder Gesundheitsschutz (vgl. insofern OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.06.2021 - 6 U 244/19, juris Rn. 58 - Schwimmscheiben) in Rede stehen dürfte.

Allerdings ist nicht zu verkennen, dass sich auch bei fehlender Prüfungs- und Beseitigungspflicht der Beklagten empfindliche Rechtsschutzlücken ergäben. Die vom europäischen Gesetzgeber geschützten Produktbezeichnungen für Milch und Milcherzeugnisse drohten in dem Fall zu verwässern, zumal die Beklagte hierzulande eine der größten Online-Handelsplattformen betreibt. Diese Verwässerungsgefahr besteht insbesondere, weil jedenfalls auf Seiten der Verbraucher nicht unüblich ist, die beanstandeten Bezeichnungen für vegane Milchersatzprodukte zu verwenden (vgl. Anlagen B5 ff.; vgl. auch Anlage B17). Um eine derartige Verwässerung zu vermeiden, müssten Anspruchsteller wie der Kläger der Beklagten jedes einzelne gesetzesverletzende Angebot melden, damit dieses gelöscht wird, oder jeden Drittanbieter gesondert in Anspruch nehmen. Letzteres wäre zwar aufgrund der auf dem Marktplatz der Beklagten vorgeschriebenen Impressumspflicht grundsätzlich denkbar, allerdings mit erheblichem Aufwand verbunden, zumal unstreitig sein dürfte, dass das Produktangebot auf Amazon ständigen Veränderungen unterliegt. Ein Anspruchsteller müsste daher selbst kontinuierlich Marktüberwachung betreiben, um - im Rahmen des Möglichen - für eine Einhaltung der europäischen Bezeichnungsvorgaben zu sorgen. Dies kann deutlich einfacher und effektiver durch die Beklagte, etwa mit einem Wortfilter, umgesetzt werden. Dass es dadurch zu einer unzumutbaren Flut an (berechtigten) Beschwerden käme, ist bei sachgerechter Umsetzung der Unterlassungs- und Beseitigungspflicht nicht erkennbar.

Der Unterlassungstenor ist auch so konkret, dass die Beklagte keine autonome Bewertung vornehmen muss und auf automatisierte Techniken und Mittel zur Nachforschung zurückgreifen kann (vgl. insofern EuGH, Urteil vom 03.10.2019 - C-18/18, juris Rn. 45 f., 53 - Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland, zur E-Commerce-Richtlinie).

c) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das ausgesprochene Verbot auch nicht zu weitgehend.

aa) Wie der Gerichtshof der Europäischen Union für persönlichkeitsverletzende Äußerungen auf einer Online-Plattform bereits entschieden hat, kann es im Einzelfall legitim sein, von einem Hosting-Anbieter sowohl die Sperre wortgleicher als auch sinngleicher Äußerungen zu verlangen, um zu erreichen, dass der Anbieter jeden weiteren Schaden beim Betroffenen verhindert und die Wirkungen einer Verfügung nicht leicht umgangen werden können, was die betroffene Person zu einer Vielzahl von Verfahren zwingen könnte. Dies gilt unabhängig davon, wer den Auftrag für die Speicherung der Information gegeben hat (vgl. insgesamt EuGH, Urteil vom 03.10.2019 - C-18/18, juris Rn. 37-41, 53 - Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland). Eine solche Verpflichtung läuft nicht auf eine allgemeine Überwachungspflicht hinaus. Der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 18 Abs. 1 E-Commerce-Richtlinie - anders in anderen Sprachfassungen - im Zusammenhang mit der Pflicht von Mitgliedstaaten zur Ermöglichung von Klagen nur von dem Ziel, „eine“ mutmaßliche Rechtsverletzung abzustellen und zu verhindern, dass den Betroffenen weiterer Schaden entsteht, die Rede ist, steht einer Erstreckung des Verbots auf gleichartige Rechtsverletzungen nicht entgegen (vgl. EuGH, Urteil vom 03.10.2019 - C-18/18, juris Rn. 30, 37 - Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland). Es ist anerkannt, dass einem Anbieter (jedenfalls im Einzelfall) aufgegeben werden kann, dafür zu sorgen, dass sich derartige Rechtsverletzungen nicht wiederholen (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2021 - C-682/18 u.a., juris Rn. 129-133, 136 - YouTube und Cyando, zur E-Commerce-Richtlinie; siehe auch BGH, Urteil vom 02.06.2022 - I ZR 135/18, GRUR 2022, 1328 Rn. 46 f, 49 - uploaded III, zum Urheberrecht: „gleichartige“ Rechtsverletzungen). Dies spiegelt sich nunmehr auch in Art. 9 Abs. 1 DSA wider Diese Vorschrift nimmt Bezug auf eine (auf Grundlage des geltenden Unionsrechts oder des nationalen Rechts im Einklang mit dem Unionsrecht) von den zuständigen nationalen Justiz- oder Verwaltungsbehörden erlassene Anordnung zum Vorgehen gegen „einen oder mehrere“ bestimmte rechtswidrige Inhalte. Dem entspricht es, dass sich die durch eine Verletzungshandlung begründete, für einen Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr nach deutschem Recht nicht nur auf mit der konkreten Verletzungshandlung identische Verletzungshandlungen, sondern im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes auf alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen erstreckt, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 09.12.2021 - I ZR 146/20,GRUR 2022, 399 Rn. 11 mwN - Werbung für Fernbehandlung).

Insofern begehrt der Kläger vorliegend nur das Verbot wortgleicher Rechtsverletzungen.

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht auch nicht nur eine Pflicht, künftige Rechtsverstöße durch einen sog. Upload-Filter zu verhindern. Eine Unterlassungsverpflichtung kann sich auch darauf erstrecken, bereits bestehende, fortgesetzte und damit in die Zukunft reichende Rechtsverletzungen zu beseitigen (vgl. z.B. BGH, GRUR 2022, 1328 Rn. 47 mwN - upload III).

Zwar besteht eine Pflicht zur Verhinderung gleichartiger Verletzungshandlungen nur im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren (vgl. z.B. BGH, GRUR 2022, 1328 Rn. 47 - upload III). Es sind nur Maßnahmen zu treffen, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in der Situation der Beklagten erwartet werden können, um entsprechende Verstöße effektiv zu unterbinden (vgl. insofern z.B. BGH, GRUR 2022, 1324 Rn. 39 mwN - uploaded II, wenn auch zum Urheberrecht). Besondere technische Schwierigkeiten oder mit dem Einsatz eines Wortfilters verbundene erhebliche Kosten sind auf Grundlage der für den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts aber weder anzunehmen noch sonst ersichtlich.

Die Beklagte macht lediglich geltend, es bestehe die Gefahr, dass auch rechtmäßige Wörter herausgefiltert würden und sie von den diese verwendenden Drittanbietern oder seit Inkrafttreten der DSA von der Kommission auf Zahlung hoher Geldbußen (vgl. insofern Art. 74 Abs. 1 DSA) in Anspruch genommen werden könnte.

Dieser Umstand führt nicht zu einer abweichenden Bewertung. Es ist nicht ersichtlich, dass in relevantem Umfang ein sog. Overblockig drohte, das eine aufwändige manuelle Nachprüfung erforderlich machte. Soweit die Beklagte gestützt auf Anlage B16 auf dieses Risiko verweist, hat der Kläger entgegnet, der Einsatz eines Wortfilters könne grundsätzlich auf den Bereich der „Lebensmittel & Getränke“ beschränkt werden. Soweit Teile der Drittanbieter andere Gegenstände innerhalb dieser Kategorie anbieten (wie etwa Kochmixer, Sojamilchbereiter, „Pflanzenmilch Bereiter“, Shampoo Nussmilchbeutel, Passiertücher oder einen „Sojamilch Filter Löffel […]“), erscheinen sie nicht schutzwürdig, sofern aufgrund eines Wortfilters für Lebensmittel und Getränke unzulässige gesetzliche Bezeichnungen herausgefiltert werden. Dies gilt erst Recht, wenn die Beklagte solche gesetzwidrigen Angebote nicht - wie bisher - vollständig entfernt, sondern gegebenenfalls flankiert von einem Hinweis an den jeweiligen Anbieter mithilfe einer „Suche und Ersetze“-Funktion nur die für Lebensmittel unzulässigen Bezeichnungen durch Wörter wie „Hafterdring“, „Reisdrink“, etc, ersetzte. Inwiefern der Einsatz eines Wortfilters außerhalb der Kategorie „Lebensmittel & Getränke“ geboten sein könnte, um dem titulierten Verbot zu entsprechen, bleibt der Einschätzung der Beklagten überlassen.

cc) Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil für einen Anbieter wie die Beklagte seit (bzw. mit) Inkrafttreten des Digital Service Act mit einer Löschung bestimmte Hinweispflichten einhergehen. Es ist nicht ersichtlich, dass diesen Verpflichtungen nicht mit überschaubarem Aufwand automatisiert Rechnung getragen werden könnte. Daher kann offenbleiben, ob entsprechende Gesetzesvorgaben überhaupt geeignet sein können, einer wettbewerblichen Verkehrspflicht entgegenzustehen.

Bei gebotener Gesamtabwägung überwiegt demnach das vom Kläger verfolgte Interesse an der streitgegenständlichen Unterlassung (und Beseitigung).

dd) Soweit ein Verbot auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb von vornherein auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist, ist diesem Umstand dadurch Rechnung getragen, dass sich die ausgesprochene Verurteilung antragsgemäß auf die Internetseite www.(...).de bezieht.

ee) Dem titulierten Verbot steht schließlich nicht entgegen, dass § 3 Abs. 2 UWG vorsieht, dass geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, unlauter sind, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Aus den oben bereits dargelegten Gründen kann vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten von einer entsprechenden Eignung ausgegangen werden. Jedenfalls aber besteht ein Wettbewerbsverstoß zu Lasten von Milcherzeugern und -anbietern, deren Schutz die streitgegenständlichen Bezeichnungsvorgaben ebenfalls dienen.

d) Für die erforderliche Wiederholungsgefahr besteht eine tatsächliche Vermutung (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 12.03.2020 - I ZR 126/18, GRUR 2020, 755 Rn. 80 mwN - WarnWetterApp).

e) Die Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel beruht auf § 890 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 ZPO. Soweit das Landgericht im Unterlassungstenor versehentlich die vom Kläger gemäß § 890 Abs. 2 ZPO mit beantragte Androhung einer (Ersatz) Ordnungshaft vergessen hat, hat der Senat diese offensichtliche Unrichtigkeit gemäß § 319 Abs. 1 BGB berichtigt.

2. Demgegenüber steht dem Kläger kein Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3a UWG und der Verordnung (EU) Nr.1308/2013 darauf zu, dass die Beklagte es gemäß dem Antrag zu 1 b) unterlässt, auf der Internetseite www.(...).de vegane Milchersatzprodukte mit der Angabe „Amazon's Choice für ‚reismilch‘" zu bewerben,wenn dies geschieht wie gemäß der Anlage K13.

a) Soweit der Kläger das Wort „reismilch“ im Antrag zu 1 b) nicht in Anführungszeichen gesetzt hat, entspricht dies schon nicht der konkreten Verletzungsform, von der bei der rechtlichen Bewertung auszugehen ist.

b) Die beanstandete Angabe richtet sich vorliegend an den normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. z.B. BGH, GRUR 2022, 1347 Rn. 21 - 7 x mehr). Dieser erkennt im konkreten Kontext (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 02.06.2022 - I ZR 93/21, GRUR 2022, 1347 Rn. 23 mwN - 7 x mehr), dass das Wort „reismilch“ im Rahmen der angegriffenen Angabe

Abbildung

die Wiedergabe seines Suchbegriffs darstellt. Er hat keinen Anlass zu der Annahme, „reismilch“ sei ein von „Amazon“ selbst verwendeter Begriff. Zwar erkennt der angesprochene Verkehr aufgrund der Wendung „Amazon’s Choice“, dass „Amazon“ - und damit bei gebotener objektiver Betrachtung der Plattformenbetreiber und nicht das technisch tatsächlich für den Algorithmus verantwortliche Unternehmen - eine Produktempfehlung ausspricht. Das Wort „Choice“ ist ein Grundwort der englischen Sprache, das dem Durchschnittsverbraucher als englischer Begriff für „Wahl“ oder „Auswahl“ geläufig ist. Allerdings hat das Landgericht unangegriffen und nach dem allein maßgeblichen Vortrag des Klägers mangels Anhaltspunkts für die fehlende Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellung für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend festgestellt, dass die Einblendung „Amazon's Choice für reismilch" nach substantiiertem Vortrag der Beklagten nur Folge des vom jeweiligen Kaufinteressenten im Suchfeld eingegebenen Begriff „reismilch" ist. Diesen Vortrag hat die Klägerseite in der Berufungsverhandlung ausdrücklich bestätigt. Ein Verbraucher, der aufgrund der Eingabe dieses Suchbegriffs auf die Empfehlung der Beklagtenseite stößt, erkennt nach zutreffender Auffassung der Beklagten ohne Weiteres aufgrund der auf ein Zitat hindeutenden Anführungszeichen und der von ihm stammenden Kleinschreibung des ersten Buchstabens des Suchworts, dass dieses lediglich wiedergegeben wird, ohne dass sich „Amazon“ den Suchbegriff aus Sicht des Verkehrs bei der Empfehlung zu Eigen macht.

b) Davon ausgehend besteht für die Beklagte als Plattformbetreiberin keine rechtliche Verpflichtung dazu, sich bei der Wiedergabe des Nutzersuchworts an die europäischen Bezeichnungsvorschriften zu halten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Hamburg: Verlinkung durch kommerzielle Webseite auf andere Webseite mit urheberrechtswidrig verwendetem Bild ist abmahnfähige Urheberrechtsverletzung

LG Hamburg
Beschluss vom 18.11.2016
310 O 402/16


Das LG Hamburg hat entschieden, dass bereits die Verlinkung durch eine mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Webseite auf ein andere Webseite, auf der urheberrechtswidrig ein Bild öffentlich zugänglich gemacht wird, eine abmahnfähige Urheberrechtsverletzung darstellt. Auf ein Kenntnis von der Rechtsverletzung kommt es für die Verantwortlichkeit des Verlinkenden dabei nicht an, soweit dieser eine kommerzielle Webseite betreibt.

Das LG Hamburg stützt seine Entscheidung auf die entsprechende Entscheidung des EuGH - Urteil vom 08.09.2016 - C-160/15.

Der Beschluss des LG Hamburg ist keineswegs überraschend und Folge der mehr als bedenklichen EuGH-Rechtsprechung (siehe dazu EuGH: Urheberrechtsverletzung durch bloße Verlinkung auf urheberrechtlich geschützte Inhalte die ohne Zustimmung des Rechteinhaber aufrufbar sind).

Solang der EuGH seine Entscheidung nicht korrigiert oder einschränkt, ist mit weiteren Entscheidungen dieser Art nicht nur aus Hamburg zu rechnen.


EuGH: Urheberrechtsverletzung durch bloße Verlinkung auf urheberrechtlich geschützte Inhalte die ohne Zustimmung des Rechteinhaber aufrufbar sind

EuGH
Urteil vom 08.09.2016
C-160/15
GS Media BV gegen Sanoma Media Netherlands BV, Playboy Enterprises International Inc., Britt Geertruida Dekker


Der EuGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage befasst, ob die Verlinkung auf urheberrechtlich geschützte Inhalte, die ohne Zustimmung des Rechteinhabers aufrufbar sind, eine öffentliche Wiedergabe und damit eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Dabei unterscheidet der EuGH, ob die Verlinkung mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt. In einem solchen Fall liegt auch ohne Kenntnis von der Rechtswidrigkeit eine Urheberrechtsverletzung vor. Vielmehr wird die Kenntnis nach Ansicht des EuGH in einem solchen Fall vermutet. Erfolgt die Verlinkung durch eine Privatperson bzw. durch eine rein private Webseite, so muss der Link gelöscht werden, sobald der Verlinkende Kenntnis von der Urheberrechtswidrigkeit erlangt bzw. über diese in Kenntnis gesetzt wurde (notice and take down). Das Verlinken auf fremde Inhalte / Internetseiten ist und bleibt daher ein rechtliches Risiko.

Tenor der Entscheidung:

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass zur Klärung der Frage, ob das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, zu ermitteln ist, ob die Links ohne Gewinnerzielungsabsicht durch jemanden, der die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Website nicht kannte oder vernünftigerweise nicht kennen konnte, bereitgestellt wurden oder ob die Links vielmehr mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden, wobei im letzteren Fall diese Kenntnis zu vermuten ist.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Die Pressemitteilung des EuGH:

Das Setzen eines Hyperlinks auf eine Website zu urheberrechtlich geschützten Werken, die ohne Erlaubnis des Urhebers auf einer anderen Website veröffentlicht wurden, stellt keine „öffentliche Wiedergabe“ dar, wenn dies ohne Gewinnerzielungsabsicht und ohne Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke geschieht
Werden diese Hyperlinks dagegen mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt, ist die Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung auf der anderen Website zu vermuten.

GS Media betreibt die Website GeenStijl, die, wie es dort heißt, „Nachrichten, Skandalenthüllungen und journalistische Recherche mit lockeren Themen und angenehm verrücktem Unsinn“ anbietet und zu den zehn meistbesuchten Nachrichten-Websites der Niederlande gehört. Im Jahr 2011 veröffentlichte GS Media dort einen Artikel und einen Hyperlink zu einer australischen Website, auf der Fotos von Frau Dekker zugänglich waren. Die Fotos waren auf dieser australischen Website ohne Genehmigung von Sanoma, der Verlegerin der Monatszeitschrift Playboy und Inhaberin der Urheberrechte an den Fotos, veröffentlicht worden. Trotz entsprechender Aufforderungen von Sanoma weigerte sich GS Media, den Hyperlink zu entfernen. Als die Fotos auf Verlangen von Sanoma sodann auf der australischen Website entfernt wurden, wurde auf der Website GeenStijl ein neuer Artikel veröffentlicht, der wieder einen Hyperlink enthielt, und zwar zu einer anderen Website, auf der die Fotos ebenfalls zu sehen waren. Auch dort wurden die Fotos schließlich auf Verlangen von Sanoma entfernt. Die Internetnutzer, die das Forum von GeenStijl besuchten, setzten daraufhin neue Hyperlinks zu anderen Websites mit den Fotos. Sanoma wirft GS Media eine Urheberrechtsverletzung vor. In einem Kassationsverfahren hat der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) dem Gerichtshof eine Frage hierzu zur Vorabentscheidung vorgelegt. Gemäß einer Unionsrichtlinie muss nämlich jede Handlung der öffentlichen Wiedergabe eines Werks von dem Urheberrechtsinhaber erlaubt werden. Der Hoge Raad weist darauf hin, dass im Internet gleichwohl sehr viele Werke zu finden seien, die ohne Zustimmung des Rechtsinhabers veröffentlicht worden seien. Er gibt zu bedenken, dass es für den Betreiber einer Website nicht immer einfach sein dürfte, zu überprüfen, ob der Urheber seine Erlaubnis erteilt habe. In seinem heutigen Urteil betont der Gerichtshof, dass die Mitgliedstaaten nach der genannten Richtlinie sicherzustellen haben, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die öffentliche Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben oder zu verbieten. Gleichzeitig soll diese Richtlinie einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheberrechtsinhaber einerseits und dem Schutz der Interessen und Grundrechte der Nutzer von Schutzgegenständen, insbesondere ihrer Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, sowie dem Gemeinwohl andererseits sichern. Der Gerichtshof erinnert in diesem Zusammenhang an seine frühere Rechtsprechung, nach der der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ eine individuelle Beurteilung erfordert, in deren Rahmen eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen sind. Zu diesen Kriterien gehört erstens die Vorsätzlichkeit des Handelns. Daher nimmt der Nutzer eine Wiedergabe vor, wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen. Zweitens bedeutet „Öffentlichkeit“ begrifflich eine unbestimmte Zahl potenzieller Leistungsempfänger und muss aus recht vielen Personen bestehen. Drittens ist auch erheblich, ob eine öffentliche Wiedergabe Erwerbszwecken dient. Der Gerichtshof hebt hervor, dass seine bisherige Rechtsprechung nur das Setzen von Hyperlinks zu Werken betraf, die auf einer anderen Website mit Erlaubnis des Inhabers frei zugänglich waren. Aus dieser Rechtsprechung kann daher nicht abgeleitet werden, dass das Setzen solcher Hyperlinks grundsätzlich nicht unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ fällt, selbst wenn die fraglichen Werke auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Inhabers veröffentlicht wurden. Hinsichtlich des letzteren Falls ist zu beachten, dass das Internet für die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit von besonderer Bedeutung ist und dass Hyperlinks zu seinem guten Funktionieren und dem Meinungs- und Informationsaustausch beitragen. Überdies kann es sich insbesondere für Einzelpersonen, die solche Links setzen wollen, tatsächlich als schwierig erweisen, zu überprüfen, ob es sich um geschützte Werke handelt, und gegebenenfalls, ob die Inhaber der Urheberrechte an diesen Werken deren Veröffentlichung im Internet erlaubt haben. Zum Zweck der individuellen Beurteilung, ob eine „öffentliche Wiedergabe“ vorliegt, muss daher, wenn das Setzen eines Hyperlinks zu einem auf einer anderen Website frei zugänglichen Werk von jemandem vorgenommen wird, der dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, berücksichtigt werden, dass der Betreffende nicht weiß und vernünftigerweise nicht wissen kann, dass dieses Werk im Internet ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht wurde. Der Betreffende handelt nämlich im Allgemeinen nicht in voller Kenntnis der Folgen seines Tuns, um Kunden Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk zu verschaffen. Ist dagegen erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft – weil er beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde –, so stellt die Bereitstellung dieses Links eine „öffentliche Wiedergabe“ dar. Ebenso verhält es sich, wenn es der Link den Nutzern ermöglicht, beschränkende Maßnahmen zu umgehen, die auf der das geschützte Werk enthaltenden Website getroffen wurden, um den Zugang der Öffentlichkeit allein auf ihre Abonnenten zu beschränken. Des Weiteren kann, wenn Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden, von demjenigen, der sie gesetzt hat, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk nicht unbefugt veröffentlicht wurde. Deshalb ist zu vermuten, dass ein Setzen von Hyperlinks, das mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt, in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der etwaig fehlenden Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde. Unter solchen Umständen stellt daher, sofern diese Vermutung nicht entkräftet wird, die Handlung, die im Setzen eines Hyperlinks zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk besteht, eine „öffentliche Wiedergabe“ dar. Im vorliegenden Fall steht fest, dass GS Media die Hyperlinks zu den Dateien mit den Fotos zu Erwerbszwecken bereitgestellt hat und dass Sanoma die Veröffentlichung dieser Fotos im Internet nicht erlaubt hatte. Darüber hinaus scheint sich der Fall seiner Darstellung in der Entscheidung des Hoge Raad nach so zu verhalten, dass sich GS Media der Rechtswidrigkeit dieser Veröffentlichung bewusst war und deshalb die Vermutung, dass das Setzen der Links in voller Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung erfolgte, nicht widerlegen könnte. GS Media hat daher – vorbehaltlich der vom Hoge Raad vorzunehmenden Überprüfung – mit dem Setzen dieser Links eine „öffentliche Wiedergabe“ vorgenommen.