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BGH: Interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung können zur Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit eines Organs einer juristischen Person führen


BGH
Urteil vom 09.11.2023
III ZR 105/22
Haftung eines Organs für unerlaubte Bankgeschäfte
KWG § 32 Abs. 1, § 54; StGB § 14 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 276, § 823


Der BGH hat entschieden, dass interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung zur Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit eines Organs einer juristischen Person führen können.

Leitsätze des BGH:
a) Wer entgegen § 32 Abs. 1 KWG ohne entsprechende Erlaubnis Bankgeschäfte erbringt, macht sich bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG strafbar. Wirken die Geschäfte berechtigend und verpflichtend für eine juristische Person, trifft die strafrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist (Bestätigung von BGH, Urteile vom 15. Mai 2012 - VI ZR 166/11, NJW 2012, 3177 Rn. 19 und vom 12. Dezember 2019 - IX ZR 77/19, NJW-RR 2020, 292 Rn. 35).

b) Die objektive Organstellung allein ist nicht hinreichend, um eine Haftung zu begründen. Es bedarf zusätzlich des Verschuldens, § 276 BGB, das gesondert festgestellt werden muss.

c) Interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung einer juristischen Person können zwar nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen. Es bestehen jedoch in jedem Fall gewisse Überwachungspflichten, die das danach unzuständige Organ zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch das zuständige
Organ nicht mehr gewährleistet ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. Oktober 1996 - VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 377 f).

BGH, Urteil vom 9. November 2023 - III ZR 105/22 - OLG Schleswig - LG Kiel

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Für Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB i.V.m § 31 BGB muss der Vertreter den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht haben

BGH
Urteil vom 10.05.2022
VI ZR 838/20
BGB § 31, § 826


Der BGH hat entschieden, dass für die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB i.V.m § 31 BGB der Vertreter den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht haben muss.

Leitsatz des BGH:
Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat.

BGH, Urteil vom 10. Mai 2022 - VI ZR 838/20 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Köln: Fehlende Dringlichkeit wenn nach einstweiliger Verfügung gegen GmbH erst später gegen alleinigen Geschäftsführer einstweilige Verfügung begehrt wird

OLG Köln
Urteil vom 29.05.2020
6 U 288/19


Das OLG Köln hat entschieden, dass wenn nach einstweiliger Verfügung gegen eine GmbH erst später gegen den alleinigen Geschäftsführer eine einstweilige Verfügung begehrt wird, insoweit die Dringlichkeit fehlt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung ist in der Sache begründet. Der Antragstellerin steht kein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Antragsgegner zu. Es fehlt insoweit an einem Verfügungsgrund. Denn es kann als Zeitpunkt der Kenntnis von Verstoß und Verletzer nicht erst auf den Zeitpunkt der Zustellung des Urteils des Senats in dem Verfahren gegen die GmbH – 31 O 222/16 – am 19.11.2018 und die Testkäufe am 11. und 13.2.2019 abgestellt werden.

1. Die Antragstellerin hätte zu dem Zeitpunkt, als sie von dem Vertrieb der nachgeahmten Produktgestaltung Kenntnis erlangt und gegen die Gesellschaft vorgegangen ist, auch den Antragsgegner persönlich in Anspruch nehmen können und müssen. Sie hatte damals Kenntnis von allen Umständen, die eine unlautere geschäftliche Handlung iSd § 4 Nr. 3 UWG begründeten. Sie hat sich damals entschieden, nur gegen die Gesellschaft vorzugehen und nicht auch gegen den Antragsgegner.

a. Sie behauptet nunmehr, dass sie keine Kenntnis von der internen Organisation der Gesellschaft gehabt habe und damals nicht gewusst habe, inwieweit der Geschäftsführer mitgewirkt und für die Produktgestaltung verantwortlich gewesen sei. Diese Argumentation überzeugt nicht.

b. Dass die Antragstellerin damals nicht auch gegen den Geschäftsführer vorgegangen ist, mag daran gelegen haben, dass sie es seinerzeit nicht für erforderlich gehalten hat oder sich – mangels Kenntnis von der undurchsichtigen Unternehmensgruppenstruktur - keine Gedanken gemacht hat. Dass sie ein Vorgehen überlegt, aber wegen der Unkenntnis von den internen Unternehmensabläufen und insbesondere den Entscheidungskompetenzen und damit wegen der Unkenntnis der Beteiligung des Antragsgegners an der Entscheidung zum Vertrieb einer bestimmten Ausstattung davon abgesehen hat, auch gegen ihn vorzugehen, erscheint wenig plausibel.

aa. Aus dem Rubrum des Parallelverfahrens gegen die Gesellschaft ergibt sich bereits, dass die E GmbH & Co. KG nur einen Geschäftsführer hatte. Damit konnte die Antragstellerin ohne weiteres damals bereits erkennen, dass es keine Zuständigkeitsprobleme innerhalb der Geschäftsführung geben konnte. Sie wusste damals bereits, dass der Antragsgegner Alleingeschäftsführer war und somit alle wichtigen Entscheidungen allein zu treffen hatte.

bb. Außerdem wusste sie, dass es um den Vertrieb einer bestimmten Produktreihe unter einem bestimmten Markenzeichen und in einer bestimmten Ausstattung ging. Über die Aufnahme des Vertriebs einer eigenen Produktpalette und die Produktgestaltung wird typischerweise auf Geschäftsleitungsebene entschieden (s. BGH, Urt. v. 22.1.2015 – I ZR 107/13, GRUR 2015, 909 = WRP 2015, 1090 – Exzenterzähne Rn. 45 mwN). Da es nur einen Geschäftsführer gab, musste die Antragstellerin damals schon davon ausgehen, dass die Entscheidung über den Vertrieb letztlich von dem Antragsgegner herrührte. Der Verweis auf die Möglichkeit der Entscheidung einer Marketingabteilung führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch wenn eine Marketingabteilung das Design einer Ausstattung erarbeitet, ist es üblich, solche Entscheidungen letztlich auf Geschäftsführungsebene zu treffen oder freizugeben. Sollte es in dem Unternehmen des Antragsgegners tatsächlich so sein, dass eine Abteilung solche Maßnahmen alleinverantwortlich trifft, beruht eine solche Organisation letztlich auf einer Entscheidung der Geschäftsführung, für die sie im Ergebnis ebenfalls verantwortlich zeichnet, weil sie die Struktur in dieser Weise eingeführt und „in Gang gesetzt“ hat.

cc. Auf die komplexe Rechtsprechung zur Geschäftsführerhaftung bei einem von mehreren Geschäftsführern, der möglicherweise mit einer bestimmten Maßnahme nicht befasst war und deshalb nicht aus seiner Organstellung heraus verantwortlich ist, kommt es vorliegend nicht an.

c. Wenn danach davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin bereits zu dem Zeitpunkt, als sie gegen die Gesellschaft vorgegangen ist, alle Umstände kannte, die auch eine Verantwortlichkeit des Alleingeschäftsführers begründeten, hat sie durch ihr Vorgehen gezeigt, dass es ihr mit der Durchsetzung ihrer Rechte dem Antragsgegner gegenüber nicht so eilig war und damit die Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG selbst widerlegt.

d. Der Umstand, dass nach Verurteilung der Gesellschaft nach wie vor noch Produkte in der verbotenen Aufmachung erworben werden konnten, stellt keine andersartige oder derart intensivere Verletzungshandlung dar, dass dadurch eine neue Dringlichkeitsfrist in Gang gesetzt worden wäre.

2. Da die Antragstellerin zum einen die Möglichkeit hat und bereits in Anspruch genommen hat, gegen die Gesellschaft zu vollstrecken, und ihr weiterhin die Möglichkeit bleibt, gegen den Geschäftsführer im Wege der Hauptsacheklage vorzugehen, ist ihr auch in keiner Weise rechtlicher Schutz verwehrt. Es besteht lediglich kein Bedürfnis für ein Eilverfahren mehr.


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BGH: Zur Haftung einer juristische Person wegen vorsätzlicher Schädigung aus § 826 BGB i.V.m § 31 BGB und Verantworlichkeit für einen Prospektmangel

BGH
Urteil vom 28.06.2016
VI ZR 536/15
BGB § 826; § 31


Leitsätze des BGH:

1. Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat.

2. Das Unterlassen einer für die Anlageentscheidung erheblichen Information in einem Prospekt ist für sich genommen nicht sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB. Gegen die guten Sitten verstößt ein Prospektverantwortlicher aber beispielsweise dann, wenn er Anlageinteressenten durch eine bewusste Täuschung zur Beteiligung bewegt, etwa dadurch, dass er einen ihm bekannten Umstand bewusst verschweigt, um unter Ausnutzung der Unkenntnis der Anlageinteressenten möglichst viele Beitritte zu erreichen.

3. Fehlt es an der Feststellung, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der für den Prospekt verantwortlichen juristischen Person von dem Prospektmangel Kenntnis gehabt hat, so lässt sich der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung auf die "im Hause" der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt wird. Insbesondere lässt sich eine die Sittenwidrigkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren, dass bei Mitarbeitern einer juristischen Person vorhandene kognitive Elemente mosaikartig zusammengesetzt werden.

4. Das Wollenselement des Schädigungsvorsatzes gemäß § 826 BGB setzt grundsätzlich korrespondierende Kenntnisse derselben natürlichen Person voraus. Auch dies steht der Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung im Rahmen des § 826 BGB regelmäßig entgegen.

BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 - Kammergericht - Landgericht Berlin

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