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OLG Frankfurt: Bevollmächtigter nach ProdSG haftet ab Inkenntnissetzung als Störer und Gehilfe für Schutzrechtsverletzung durch Inverkehrbringen des Produkts

OLG Frankfurt
Urteil vom 16.03.2023
6 U 189/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der Bevollmächtigter nach dem ProdSG ab Inkenntnissetzung als Störer und Gehilfe für Schutzrechtsverletzungen durch Inverkehrbringen des Produkts haftet.

Bevollmächtigten nach ProdSG für Schutzrechtsverletzungen

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung hat in der Sache im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings war der Antrag der Antragstellerin dahingehend umzuformulieren, dass er die Verletzungshandlung der Antragsgegnerin umschreibt. In der Sache ist damit keine Teilabweisung des Verfügungsantrages verbunden, da sich aus der Antragsschrift ergibt, dass das tenorierte Verbot dem Petitum der Antragstellerin entspricht.

A) Der Verfügungsanspruch folgt aus Art. 10, 19 Abs. 1, 89 Abs. 1 lit. a, 90 Abs. 1 GGV.

Die Antragsgegnerin ist passivlegitimiert.

1.) Die Antragsgegnerin verwirklicht dadurch, dass sie als Bevollmächtigte im Sinne des ProdSG für A fungiert, nicht selbst die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Geschmacksmusterverletzung. Eine täterschaftliche Haftung nimmt auch die Antragstellerin nicht an.

2.) Streitig ist, nach welchem Recht die Passivlegitimation von nicht täterschaftlich handelnden Personen zu beurteilen ist. Während Eichmann/Jestaedt (Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung Art. 89 Rn. 4) die Auffassung vertreten, mangels einer Regelung in der GGV sei gemäß Art. 88 Abs. 2 GGV auf nationales Recht zurückzugreifen, meinen Ruhl/Tolkmitt (Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung Art. 89 Rn. 21), die Frage der Haftung sei „durch eine geeignete Auslegung des Benutzungsbegriffs in Art. 19“ zu lösen. Dieser Begriff des Unionsrechts sei autonom und einheitlich auszulegen, er umfasse auch Gehilfenbeiträge und solche mittelbaren Handlungen, die nach deutschem Recht unter den Begriff der Störerhaftung fallen würden.

Im Streitfall erfolgt die Prüfung der Passivlegitimation anhand der Grundsätze der Teilnehmerhaftung. Es besteht kein Grund für die Annahme, dass die Beurteilung der Passivlegitimation zu einem Ergebnis führen könnte, das nicht auf Artikel 19 GGV zu übertragen ist.

3.) Die Antragsgegnerin ist als Teilnehmerin an den von A begangenen Geschmacksmusterrechtsverletzungen zu qualifizieren.

Als Teilnehmer haftet auf Unterlassung, wer zumindest bedingt vorsätzlich den Rechtsverstoß eines anderen fördert; dabei gehört zum Teilnehmervorsatz nicht nur die Kenntnis der objektiven Tatbestandsmerkmale, sondern auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat (so für das Wettbewerbsrecht BGH, Urteil vom 03.07.2008, I ZR 145/05 - Kommunalversicherer - Rn. 15, juris).

Indem die Antragsgegnerin als Bevollmächtigte der Firma A im Sinne des ProdSG fungiert, fördert sie deren Rechtsverstoß, denn bei den streitgegenständlichen Lunchpots handelt es sich um Verbraucherprodukte, die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 ProdSG in Europa nur auf den Markt gebracht werden dürfen, wenn der chinesische Hersteller auf dem Produkt den Namen und die Kontaktanschrift eines - in Europa ansässigen - Bevollmächtigten anbringt. Es ist unerheblich, dass die Antragsgegnerin die Lunchpots nicht selbst importiert und hier in den Verkehr bringt. Haftungsauslösend für ihre Gehilfenstellung ist, dass sie sich als EU-Bevollmächtigte zur Verfügung stellt und damit den Rechtsverstoß der Fa. A fördert.

Der Antragsgegnerin ist zumindest bedingter Vorsatz vorzuwerfen.

Die Bestimmungen des ProdSG dienen dem Schutz der Verbraucher, die davor bewahrt werden sollen, mit unsicheren Produkten in Berührung zu kommen (BGH, Versäumnisurteil vom 12. Januar 2017, I ZR 258/15 - Motivkontaktlinsen - Rn. 24, juris; Senat, WRP 2015, 996, 997). Dementsprechend hat der Bevollmächtigte gemäß § 6 Abs. 2 ProdSG die Aufgabe, Vorkehrungen für geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Risiken zu treffen, die mit dem Verbraucherprodukt verbunden sein können. Das heißt, er ist verpflichtet, sich mit den einzelnen Produkten des Herstellers auseinanderzusetzen, dessen Bevollmächtigter er ist. Zu seinen Aufgaben zählt es allerdings nicht, die Produkte auf mögliche Schutzrechtsverletzungen zu untersuchen. Auch wenn nicht vorgetragen ist, wie viele Produkte A in Deutschland anbietet und für wie viele Unternehmen die Antragsgegnerin als Bevollmächtigte fungiert, kann bis zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht von einem Gehilfenvorsatz ausgegangen werden.

Das für den Gehilfenvorsatz erforderlich Bewusstsein der Rechtswidrigkeit kann jedoch durch eine plausibel begründete Abmahnung herbeigeführt werden (BGH, Urteil vom 3 Juli 2008, I ZR 145/05 - Kommunalversicherer - Rn. 47, juris).

Mit Schreiben vom 13. Juli 2022 hat die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit einer ausführlichen Begründung abgemahnt (Anlage KRT 12). Sie hat die Designverletzung im Einzelnen begründet und dargelegt, dass die Antragsgegnerin als EU-Bevollmächtigte für den Rechtsverstoß mitverantwortlich ist, weil das Produkt ohne ihre Mitwirkung in Deutschland nicht vertrieben werden könnte. Die Antragsgegnerin reagierte mit E-Mail vom 18. Juli 2022 und erklärte, sie könne die geforderte Unterwerfungserklärung nicht abgeben, da sie die Lunch-Pots weder importiere noch verkaufe. Mit E-Mail vom 22. Juli 2022 erklärte sie gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, die chinesische Herstellerin habe sich bereits mit der Antragstellerin in Verbindung gesetzt und diese gebeten, die Abmahnung gegenüber der Antragsgegnerin zurückzunehmen. Sie, die Antragsgegnerin gehe davon aus, dass sich die Sache damit erledigt habe. Die Antragstellerin trägt unwidersprochen vor, dass es diese Kontaktaufnahme tatsächlich nicht gegeben hat. Jedenfalls bis zur Beantragung der einstweiligen Verfügung wurde der Lunchpot von der Fa. A weiterhin bei Amazon angeboten.

Ab Zugang der Abmahnung handelte die Antragsgegnerin zumindest bedingt vorsätzlich und im Bewusstsein der Rechtwidrigkeit: Die Geschmacksmusterverletzung ist eindeutig und wird auch von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen. Auch die Haftung der Antragsgegnerin wird zutreffend und gut nachvollziehbar begründet.

4.) Wollte man eine Haftung der Antragsgegnerin als Gehilfin verneinen, so wäre sie jedenfalls als Störerin passivlegitimiert.

Als Störer kann nach der Rechtsprechung des 1. Zivilsenats des BGH bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden kann, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Verhaltenspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung oder Überwachung zuzumuten ist. Das richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen. Bei der Auferlegung von Kontrollmaßnahmen ist zu beachten, dass Geschäftsmodelle, die nicht in besonderer Weise die Gefahr von Rechtsverletzungen schaffen oder fördern, nicht wirtschaftlich gefährdet oder unverhältnismäßig erschwert werden dürfen (BGH, Urteil vom 21. Januar 2021, I ZR 20/17 - Davidoff Hot Water IV - Rn. 37, juris, unter Verweis auf BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 19 - Sommer unseres Lebens; Urteil vom 26. November 2015 - I ZR 174/14, BGHZ 208, 82 Rn. 21 - Störerhaftung des Accessproviders; Urteil vom 3. März 2016 - I ZR 140/14, GRUR 2016, 936 Rn. 16 = WRP 2016, 1107 - Angebotsmanipulation bei Amazon; Urteil vom 7. März 2019 - I ZR 53/18, GRUR 2019, 947 Rn. 15 = WRP 2019, 1025 - Bring mich nach Hause).

Dabei hat der BGH angenommen, dass es grundsätzlich unzumutbar ist, einem Unternehmen, das Waren für eine Vielzahl von Kunden einlagert, eine anlasslose Überprüfung sämtlicher von ihm in Besitz genommenen Waren auf mögliche Rechtsverletzungen abzuverlangen. Allerdings muss auch derjenige, der keiner allgemeinen, proaktiven Prüfungspflicht unterliegt, tätig werden, wenn er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist (BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 - I ZR 20/17 - Davidoff Hot Water IV - Rn. 38, juris). Entsprechendes hat der 10. Zivilsenat des BGH für den Spediteur entschieden, der von der Klägerin oder der Zollbehörde darauf aufmerksam gemacht worden war, dass es sich bei der von ihm transportierten Ware um patentverletzende Erzeugnisse handele „oder jedenfalls handeln könne“ (Urteil vom 17. September 2009, Xa ZR 2/08 - MP3-player-Import - Rn. 42, juris).

Gemessen an diesen Maßstäben war die Antragsgegnerin verpflichtet, ihre Unterstützungshandlungen für den geschmacksmusterverletzenden Vertrieb des Lunch-Pots durch die Fa. A einzustellen, sei es dadurch, dass sie sie erfolgreich auffordert, den Vertrieb einzustellen oder notfalls durch Beendigung ihrer Stellung als Bevollmächtigte im Sinne des ProdSG.

5.) Es besteht auch eine Wiederholungsgefahr. Das streitbefangene Produkt ist nach wie vor bei Amazon aufrufbar und wird lediglich als „derzeit nicht verfügbar“ deklariert. Dies hindert eine Fortsetzung der Geschmacksmusterrechtsverletzung nicht. Abgesehen davon würde selbst eine Löschung des Angebots bei Amazon und anderenorts die Wiederholungsgefahr nicht entfallen lassen, da die Verletzungshandlung jederzeit wieder aufgenommen werden könnte.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Dortmund: Wettbewerbsverstoß wenn ein Produkt entgegen § 3 Abs. 4 ProdSG ohne deutsche Bedienungsanleitung vertrieben wird

LG Dortmund
26.01.2021
25 O 192/20


Das LG Dortmund hat entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn ein Produkt entgegen § 3 Abs. 4 ProdSG ohne deutsche Bedienungsanleitung vertrieben wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Vertrieb des Produkts ohne Bedienungsanleitung in deutscher Sprache aus § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG, weil der Beklagte das streitgegenständliche Produkt ohne Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache vertreibt, obwohl er dazu gemäß § 3 Abs. 4 ProdSG dazu verpflichtet wäre.

1. Die Kammer hat keine Zweifel, dass es sich bei dem im Tenor und Klageantrag bezeichneten Produkt um das vom Beklagten vertriebene Produkt handelt. Soweit der Beklagte rügt, dass der Kläger das Produkt auf Seite 12 seiner Klageschrift fehlerhaft bezeichnet hat, greift dieser Einwand nicht, weil der Kläger das Produkt im Antrag zutreffend – genau so wie es der Beklagte in der Klagerwiderung einwendet – bezeichnet hat. Es ist zudem zwischen den Parteien völlig klar, um welches Produkt gestritten wird, so dass eine Falschbezeichnung auch unter dem Gesichtspunkt „falsa demonstratio non nocet“ unbeachtlich wäre.

2. Es sind bei der Verwendung des streitgegenständlichen Produkts Regeln zum Sicherheits- und Gesundheitsschutz zu beachten, so dass eine deutsche Gebrauchsanweisung gemäß § 3 Abs. 4 ProdSG verpflichtend beigefügt werden muss.

a) Dies folgt schon daraus, dass aus den Seiten 5 ff. der englischen Gebrauchsanleitung zahlreiche Warn- und Sicherheitshinweise hervorgehen. Soweit der Beklagte bestreitet, dass es sich um die originale Gebrauchsanweisung handelt und darauf hinweist, dass die Gerichtssprache deutsch sei, greift dieser Einwand nicht. Zum einen gehört zum substantiierten Vortrag insoweit, dass der Beklagte die originale Gebrauchsanleitung vorlegen müsste. Des Weiteren überzeugt auch der Hinweis auf die Gerichtssprache vorliegend nicht. So geht schon aus den in der englischen Anleitung verwendeten Symbolen auf den Seiten 6 ff. hervor, dass es bestimmte Gefahren gibt, die bei der Verwendung zu beachten sind. Auch insoweit wäre vom Beklagten substantiiert darzulegen, dass und warum aus diesen in jeder Sprache zu verstehenden Symbolen nicht folgt, dass bei der Verwendung bestimmte Regeln zum Sicherheits- und Gesundheitsschutz zu beachten sind.

b) Der Beklagte verhält sich zudem widersprüchlich, wenn er sich einerseits darauf beruft, dass die Gerichtssprache deutsch sei, gleichzeitig aber – ausweislich seines Angebotes vom 10.02.2020 – seine aus § 3 Abs. 4 ProdSG folgende Verpflichtung zur Vorlage einer deutschen Gebrauchsanweisung allein durch den Verweis auf eine englischsprachige Anleitung zu erfüllen gedenkt.

c) Soweit der Beklagte einwendet, dass ihm Werbeaussagen vorgeworfen werden, die sich erst aus der englischsprachigen Gebrauchsanweisung ergeben, so geht dieser Einwand fehl. Sämtliche von der Klägerin gerügten Werbeaussagen sind im Angebot des Beklagten vom 10.02.2020 selbst enthalten, was sich aus Anlage K 3 eindeutig ergibt.

3. Soweit der Beklagte weiterhin bestreitet, dass eine Lieferung mit fehlender deutscher Gebrauchsanleitung erfolgt sei, ist auch dieses Bestreiten nicht ausreichend. Insoweit hat der Kläger unter Vorlage der Verkaufsanzeige substantiiert dargelegt und durch Anlage K 3 auch belegt, dass dort ausgewiesen ist, dass eine Beschreibung nur auf Englisch verfügbar sei. Das damit nicht die Produktbeschreibung auf amazon.de selbst gemeint ist, folgt schon daraus, dass ausweislich der Anl. K3 dort eine deutsche Produktbeschreibung vorliegt. Es wäre hier Sache des Beklagten gewesen, sich mit seinem eigenen gegenläufigen Hinweis auseinanderzusetzen und richtigzustellen, dass sehr wohl eine deutsche Gebrauchsanleitung vorliegt. Es wäre auf Grundlage des im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatzes seine Aufgabe gewesen, die deutsche Gebrauchsanweisung vorzulegen, was er aber nicht getan hat.

4. Überdies ergeben sich aus Rechtsverordnungen nach § 8 ProdSG für das vorliegende Produkt keine anderen Regelungen, so dass der Beklagte dem klägerischen Anspruch - unbeschadet der Tatsache, dass er dies auch nicht getan hat - nichts entgegenhalten kann."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Marktüberwachung - einheitliche Marktüberwachungsbestimmungen Non-food-Produktbereich

Die Bundesregierung hat den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Marktüberwachung vorgelegt.

Aus dem Entwurf::

"A. Problem und Ziel
Am 16. Juli 2019 ist die Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/42/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 765/2008 und (EU) Nr. 305/2011 (ABl. L 169 vom 25.06.2019, S. 1) in Kraft getreten. Diese Verordnung enthält die Marktüberwachungsbestimmungen für die in ihrem Anhang I aufgeführten 70 europäisch harmonisierten Produktsektoren. Diese Regelungen gelten unmittelbar. Dem an die Mitgliedstaaten adressierten Gesetzgebungsauftrag, Befugnisse an Marktüberwachungsbehörden zu übertragen und diese ggfs. zur Forderung der Kostenerstattung zu ermächtigen, müssen die Mitgliedstaaten nachkommen. Für den genannten europäisch harmonisierten Non-food-Produktbereich sind somit, abgesehen von den Regelungen dieses Gesetzes und den erforderlichen Durchführungsbestimmungen, keine weiteren nationalen Marktüberwachungsbestimmungen erforderlich. Die Verordnung (EU) 2019/1020 enthält jedoch keine Marktüberwachungsbestimmungen für den europäisch nicht harmonisierten Produktbereich, also weder für Verbraucherprodukte, die nur der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit (ABl. L 11 vom 15.1.2002, S. 4), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.6.2009, S. 14) geändert worden ist, unterfallen, noch für europäisch nicht geregelte B2B-Produkte.

Marktüberwachungsbestimmungen für diesen europäisch nicht harmonisierten Bereich finden sich in Deutschland zurzeit im Produktsicherheitsgesetz (ProdSG). Dieses Nebeneinander von Verordnung (EU) 2019/1020 und Produktsicherheitsgesetz ist sowohl für den Rechtsunterworfenen als auch für die Vollzugsbehörden im Sinne von Rechtsklarheit und Verständlichkeit unbefriedigend. Deshalb wurden die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) 2019/1020 im Marktüberwachungsgesetz, soweit angemessen, durch Entsprechungsklauseln auf den europäisch nicht harmonisierten Non food-Produktbereich übertragen. Ferner werden Durchführungsbestimmungen für die Verordnung (EU) 2019/1020 vorgesehen.
Im Ergebnis gibt es damit – wie bislang unter dem ProdSG – in Deutschland einheitliche Marktüberwachungsbestimmungen für den europäisch harmonisierten und den europäisch nicht harmonisierten Non-food-Produktbereich.

B. Lösung
Erlass des Gesetzes zur Neuordnung der Marktüberwachung, in dem die gleichen Vollzugsbestimmungen für europäisch harmonisierte wie für europäisch nicht harmonisierte Non-food-Produktbereiche niedergelegt sind.


OLG Frankfurt: Bei Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 ProdSG kann im Rahmen eines wettbewerblichen Auskunftsanspruchs keine Auskunft über Bezugsquellen verlangt werden

OLG Frankfurt
Urteil vom 18.06.2020
6 U 80/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass bei einem Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 ProdSG im Rahmen eines wettbewerblichen Auskunftsanspruchs keine Auskunft über die Bezugsquellen und Lieferanten verlangt werden kann. Insofern gehen die Geheimhaltungsinteressen des Auskunftsschuldners vor.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Allerdings steht der Klägerin - neben dem vom Landgericht ausgeführten Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte - auch ein Beseitigungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 und 3, 3a UWG, 6 Abs. 1 Nr. 2 ProdSG gegen die (unbekannten) Hersteller bzw. Einführer der Blechschilder ohne Herstellerkennzeichen zu.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 ProdSG haben der Hersteller, sein Bevollmächtigter und der Einführer bei der Bereitstellung eines Verbraucherprodukts auf dem Markt u.a. den Namen und die Kontaktanschrift des Herstellers oder - sofern dieser nicht im Europäischen Wirtschaftsraum ansässig ist - den Namen und die Kontaktanschrift des Bevollmächtigten oder des Einführers anzubringen. Die Vorschrift, die sich - anders als die Klägerin meint - ohne den Umweg über § 3 Abs. 2 ProdSG direkt an den Hersteller, seinen Bevollmächtigten und die Einführer richtet, ist Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG. Ein Verstoß gegen die Vorschrift ist geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen, weil durch die Nicht-Anbringung des Herstellernachweises der Schutzzweck des ProdSG vereitelt wird. Der Verstoß ist damit unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG.

Um die gegen die Dritten - die Hersteller und Einführer - bestehenden Beseitigungsansprüche durchsetzen zu können, steht der Klägerin jedoch kein selbstständiger Auskunftsanspruch (sog. Anspruch auf Drittauskunft) gegen die Beklagte gemäß § 242 BGB zu.

Soweit die Klägerin meint, ein akzessorischer Anspruch auf Drittauskunft gegen die Beklagte ergebe sich schon aus der - neben der Unterlassungsverpflichtung bestehenden - Beseitigungspflicht der Beklagten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG, überzeugt das nicht. Die Verpflichtung der Beklagten ist auf die Beseitigung eines fortwirkenden Störungszustandes gerichtet, der über die bloße Unterlassung des beanstandeten Verhaltens hinausgeht. Zu den geschuldeten Beseitigungsmaßnahmen kann zwar grundsätzlich auch die Einwirkung auf Dritte gehören. Zur Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs kann die Klägerin allerdings nicht verlangen, dass die Beklagte ihr die Namen von Herstellern und Einführern der von ihr bezogenen Blechschilder bekannt gibt.

Unbeschadet dessen, steht der Klägerin gegen die Beklagte auch im Übrigen kein selbstständiger Anspruch auf Drittauskunft zur Vorbereitung eines Anspruchs gegen die Hersteller und Einführer der streitbefangenen Blechschilder zu.

Die Zubilligung eines Drittauskunftsanspruchs hat unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Er ist auf den konkreten Verletzungsfall bzw. kerngleiche Handlungen begrenzt und muss geeignet und erforderlich für die Durchsetzung des Hauptanspruchs sowie zumutbar für den Verpflichteten sein (Köhler/Bornkamm UWG, 38. Auflage, § 9 Rn 4.11 ff.).

In diesem Rahmen hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass die Beklagte gegenüber ihren Mitbewerbern ein beachtenswertes Interesse an der Geheimhaltung ihrer Bezugsquellen hat (BGH, Urteil vom 17.5.2001 - I ZR 291/98 - Entfernung der Herstellungsnummer II). Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf eine Beeinträchtigung von Interessen berufen, die sie nicht unmittelbar als Mitbewerberin berühren.

Ein Interesse an der Drittauskunft wird regelmäßig nur dann anerkannt, wenn es um die Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verhaltensnormen geht, die unmittelbar dem Schutz des klagenden Mitbewerbers dienen. Dies betrifft vor allem Nachahmungsfälle, bei denen es gilt, die Quelle der Produktfälschungen ausfindig zu machen und zu verschließen. Der Gläubiger soll den Ursprung der Nachahmungen erfahren, um nicht fortwährend mit dem Auftauchen der Fälschungen bei wechselnden Abnehmern konfrontiert zu sein und dagegen vorgehen zu müssen. Das Geheimhaltungsinteresse an der Bezugsquelle des Verletzers erscheint in diesen Fällen nicht schutzwürdig. Ähnlich verhält es sich bei Fällen der Rufausbeutung oder -beeinträchtigung, der Verbreitung geschäftsschädigender Äußerungen und bei vergleichbaren, vorrangig mitbewerberschützenden Tatbeständen. Zwar können bei der gebotenen Abwägung im Einzelfall zusätzlich auch übergeordnete Interessen der Allgemeinheit eine Rolle spielen, wie etwa der Gesundheitsschutz. So kann das Entfernen von nach § 4 Abs. 1 KosmetikVO vorgeschriebenen Herstellungsnummern einen Drittauskunftsanspruch auslösen (BGH, Urteil vom 17.5.2001 - I ZR 291/98 - Rn 36 - Entfernung der Herstellungsnummer II). Soweit ersichtlich, wurde dies allerdings nur in Fällen angenommen, in denen der Kläger selbst der Hersteller der betroffenen Produkte war. Demgegenüber kann bei der Verletzung verbraucherschützender Vorschriften in Bezug auf Drittprodukte in der Regel kein das Geheimhaltungsinteresse des Verletzers an seiner Bezugsquelle überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Mitbewerbers an der Auskunft ausgemacht werden.

So verhält es sich auch im Streitfall. Das allgemeine Interesse der Verbraucher am Schutz der Produktsicherheit kann die Klägerin nicht mit Erfolg dem Geheimhaltungsinteresse der Beklagten entgegenhalten. Bei den betroffenen Produkten (Blechschildern) ist auch kein überragend wichtiges Allgemeininteresse - wie etwa der Gesundheitsschutz - ersichtlich, dem ohne weiteres vor den Individualinteressen der Beklagten der Vorrang einzuräumen ist.

Die Kostenentscheidung war der neuen Entscheidung des Landgerichts vorzubehalten.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 708 Nr. 10 ZPO (zur Notwendigkeit der Anordnung bei einem zurückverweisenden Urteil vgl. Zöller-Herget ZPO, 32. Auflage, § 708 Rn 12).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.


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OLG Frankfurt: Bedienungsanleitung muss nach § 3 Abs. 4 ProdSG Produkt nicht zwingend in Papierform beigefügt werden - deutschsprachige PDF-Datei per Email vor Lieferung ausreichend

OLG Frankfurt
Urteil vom 28.02.2019
6 U 181/17


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die nach § 3 Abs. 4 ProdSG erforderliche Beidenungsanleistung dem Produkt nicht zwingend in Papierform beigefügt werden muss. Die Übersendung einer deutschsprachigen PDF-Datei per Email vor Lieferung ist ausreichend.

Aus den Entscheidungsgründen:

3. Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Unterlassung aus §§ 3, 3a, 8 I UWG i.V.m. § 3 IV ProdSG, das Produkt in den Verkehr zu bringen, ohne eine deutschsprachige Bedienungsanleitung beizufügen.

a) Sind bei der Verwendung, Ergänzung oder Instandhaltung eines Produkts bestimmte Regeln zu beachten, um den Schutz von Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten, ist bei der Bereitstellung auf dem Markt hierfür eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache mitzuliefern (§ 3 IV ProdSG). Wie sich aus der vom Beklagten vorgelegten Gebrauchsanweisung (S. 15) ergibt, sind beim Betrieb des Elektroautos konkrete Sicherheitsbestimmungen zu beachten. Die Gebrauchsanleitung enthält auch zahlreiche Warnhinweise. Eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache ist daher mitzuliefern.

b) Unstreitig hat der Beklagte dem Produkt zunächst keine deutsche Gebrauchsanleitung in Papierform beigefügt. Dies ist auch nicht erforderlich. In welcher Form eine Bedienungsanleitung mitzuliefern ist, ist in § 3 Abs. 4 Satz 1, 1. Halbsatz ProdSG nicht geregelt. Eine Verpflichtung, die Bedienungsanleitung in auf Papier gedruckter Form beizufügen, lässt sich aus dem ProdSG nicht ableiten (LG Potsdam, Urt. v. 26.6.2014 - 2 O 188/13, Rn. 31 - juris; Czernik, MMR 2015, 338). Eine andere Auslegung ergibt sich auch nicht aus der RL 95/2001/EG, welche durch das Produktsicherheitsgesetz umgesetzt wurde. Nach Art. 5 Abs. 1 sind dem Verbraucher lediglich einschlägige Informationen zu erteilen, damit er die Gefahren, die von dem Produkt während der üblichen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Gebrauchsdauer ausgehen und die ohne entsprechende Warnhinweise nicht unmittelbar erkennbar sind, beurteilen und sich dagegen schützen kann. Auch aus den Erwägungsgründen lässt sich nichts anderes ableiten. Aus § 7 II Nr. 2 der Zweiten Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über die Sicherheit von Spielzeug) ergibt sich ebenfalls nur, dass dem Spielzeug die Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen in deutscher Sprache "beigefügt" sein müssen.

c) Es genügt daher, wenn der Beklagte dem Käufer vor der Lieferung eine deutschsprachige Bedienungsanleitung per Email als PDF-Datei zur Verfügung stellt. Davon kann jedoch im Streitfall nicht ausgegangen werden. Die Klägerin hat konkret vorgetragen, dass bei dem Testkauf keine deutsche Betriebsanleitung versendet wurde. Damit war auch das elektronische Versenden gemeint. Der Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, den Kunden sei anfänglich eine Bedienungsanleitung in deutscher Sprache per Email zugeleitet worden. Dass dies auch bei dem Testkauf der Fall war, hat er erstinstanzlich nicht konkret dargelegt. In der Klageerwiderung verwendet er lediglich das Präsens ("den Kunden wird … zugeleitet"). Im Schriftsatz vom 8.12.2016 heißt es, "anfänglich" habe er sie den Kunden per E-Mail als PDF zugeleitet, mittlerweile füge er sie der Verpackung bei. Auch dies sagt über den Zeitpunkt des Testkaufs nichts aus. Ein Muster der angeblichen Email hat er auch nicht vorgelegt.

Ohne Erfolg bestreitet der Beklagte mit Schriftsatz vom 20.2.2019 erstmals, dass überhaupt ein Testkauf stattgefunden hat. Insoweit handelt es sich um ein neues Verteidigungsmittel, da der Testkauf in erster Instanz - wie auch im Tatbestand des angefochtenen Urteils festgestellt - unstreitig war. Dieses neue Verteidigungsmittel kann nach § 531 II Nr. 3 ZPO keine Berücksichtigung mehr finden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Düsseldorf: Verbraucherprodukt im Sinne des ProdSG nur wenn Produktwidmung oder Nutzung durch Verbraucher vorhersehbar - Diamant Trennscheibe

OLG Düsseldorf
Urteil vom 08.06.2017
I-15 U 68/16


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Verbraucherprodukt im Sinne des ProdSG nur wenn Produktwidmung oder Nutzung durch Verbraucher vorhersehbar

Das Gericht hat dies für die streitgegenständliche Diamant Trennscheibe verneint, so dass die fehlenden Pflichtangaben nach dem ProdSG keinen Wettbewerbsverstoß darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Begriff des „Verbraucherprodukts“ ist in § 2 Nr. 26 ProdSG wie folgt legaldefiniert (Fettdruck diesseits):

„…sind Verbraucherprodukte neue, gebrauchte oder wiederaufgearbeitete Produkte, die für Verbraucher bestimmt sind oder unter Bedingungen, die nach vernünftigem Ermessen vorhersehbar sind, von Verbrauchern benutzt werden könnten, selbst wenn sie nicht für diese bestimmt sind; als Verbraucherprodukte gelten auch Produkte, die dem Verbraucher im Rahmen einer Dienstleistung zur Verfügung gestellt werden,…“.

Ein „Produkt“ i.S.v. § 2 Nr. 22 ProdSG ist demnach nur dann auch ein Verbraucherprodukt, wenn zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sind. Es muss entweder eine entsprechende herstellerseitige Produktwidmung (§ 2 Nr. 26 Hs. Var. 1) vorliegen oder es muss die Voraussehbarkeit einer „widmungsfremden“ Verwendung durch Verbraucher (§ 2 Nr. 26 Hs. 1 Var. 2) bestehen (die weitere Variante eines „Dienstleistungsproduktes“ gem. § 2 Nr. 26 Hs. 2 liegt vorliegend ersichtlich derart fern, dass darauf nicht näher einzugehen ist).

Wie schon unter der Geltung des früheren GPSG fehlt auch im ProdSG eine gesetzliche Definition des produktsicherheitsrechtlichen Rechtsbegriffs „Verbraucher“. Allerdings findet sich in den Gesetzesmaterialien zum GPSG der - wichtige - Hinweis, dass insoweit auf die Definition des Verbrauchers in § 13 BGB zurückgegriffen werden soll (BT-Drs. 15/1620, S. 26; vgl. auch Schucht, a.a.O., 86, 87 m.w.N.). Gemäß § 13 BGB ist Verbraucher „jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.“ Demnach ist Verbraucher der „private ‘letzte Käufer’“ oder anders ausgedrückt: „der private Konsument“ (Schucht, a.a.O., 86, 87 m.w.N.). Zwar ist bei der Auslegung des § 2 Nr. 26 ProdSG der europarechtliche Hintergrund zu beachten: Weil das ProdSG in Bezug auf das Recht der Verbraucherprodukte ein nationaler Umsetzungsakt der allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG ist, muss der Begriff auch im Lichte des europäischen Verbraucherbegriffs ausgelegt werden (Schucht, a.a.O. 86, 87 m.w.N.). Jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem (wie oben ausgeführt) keine Fragen der Produktsicherheit (Gesundheitsschutz etc.) betroffen sind, besteht jedoch kein Anlass, den Begriff des „Verbrauchers“ weiter zu fassen (d.h. auch gewerbliche Produktverwender als erfasst anzusehen).

(1)

Eine herstellerseitige Produktwidmung für private Verbraucher kann beispielsweise durch konkrete Herstelleraussagen (etwa in Gebrauchsanleitungen) erfolgen (Schucht, a.a.O. 86, 88 m.w.N.). Solches hat die Klägerin hier weder dargetan, noch ist solches sonst wie ersichtlich.

(2)

Die streitgegenständliche Diamant-Trennscheibe ist auch kein Verbraucherprodukt gemäß § 2 Nr. 26 Hs. 1 Var. 2 ProdSG.

Danach reicht es aus, wenn eine Verwendung durch Verbraucher nach vernünftigem Ermessen vorhersehbar ist. Was nach vernünftigem Ermessen vorhersehbar ist, ist abstrakt nur schwer zu beantworten, da der Gesetzgeber die Abgrenzung zwischen Nicht-Verbraucherprodukt und Verbraucherprodukt zum Gegenstand einer Wertungsfrage mit mehreren unbestimmten Rechtsbegriffen gemacht hat (vgl. Schucht, a.a.O., 86, 88 m.w.N.). Maßgeblich sind bei objektiver Betrachtung vom Hersteller in seiner Einflusssphäre intendierte oder jedenfalls geduldete Vertriebsströme, wobei alle Umstände des Einzelfalles in die Überlegungen einzubeziehen sind (vgl. Schucht, a.a.O., 86, 88 m.w.N.).

Davon ausgehend sind im vorliegenden Einzelfall die maßgeblichen Voraussetzungen des § 2 Nr. 26 Hs. 1 Var. 2 ProdSG nicht tatrichterlich feststellbar. Im Gegenteil: Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 31.10.2016 (Blatt 157 GA) - wenn auch in anderem Kontext - selbst wie folgt ausgeführt:

„…, dass derartige Trennscheiben für Verbraucher ungeeignet sind und der Verbraucher nicht bereit ist, den sehr hohen Mehrpreis im Vergleich zu herkömmlichen Trennscheiben zu zahlen.“

Daraus folgt, dass jedenfalls der Neuerwerb einer solchen Trennscheibe durch einen privaten Verbraucher bei objektiver Betrachtung fern liegt. Professionelle Handwerker, die unstreitig die (einzigen) Endabnehmer der streitgegenständlichen Diamant-Trennscheibe bilden, sind gerade keine privaten Verbraucher i.S.v. § 13 BGB, weil sie derartige Produkte gerade für eine Nutzung im Rahmen des von ihnen betriebenen Gewerbes beziehen.

Bei der von der Klägerin selbst geschilderten Sachlage sind auch keine Anknüpfungspunkte für eine konkrete Gefahr vorhanden, dass unter Zugrundelegung der üblichen Abläufe objektiv vorhersehbar ist, dass private Verbraucher zumindest gebrauchte Diamant-Trennscheiben erwerben (können). Abgesehen davon, dass es schon an einem Vortrag der Klägerin dazu mangelt, ob Diamant-Trennscheiben überhaupt als Gebrauchtware gehandelt zu werden pflegen (sei es auch von professionellen Handwerkern), hat die Klägerin nicht einen einzigen Fall aufgezeigt, in dem ein privater Verbraucher ein solches Produkt (als Gebrauchtware) erwarb. Da sie vielmehr selbst dargetan hat, der private Verbraucher habe keinen Anwendungsbedarf für die besonders gute Schnittleistung, die mit dem Einsatz einer Diamant-Trennscheibe verbunden ist, spricht auch sonst nichts dafür, dass ein solches Produkt nach den üblichen Gepflogenheiten in die Hände eines privaten Verbrauchers gelangt.


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OLG Frankfurt: Wettbewerbsverstoß durch Anbieten und Verkauf von Produkten ohne CE-Kennzeichnung die an sich über CE-Kennzeichnung verfügen müssen

OLG Frankfurt
Urteil vom 23.03.2017
6 U 23/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß durch das Anbieten und den Verkauf von Produkten ohne CE-Kennzeichnung vorliegt, wenn die an sich über eine CE-Kennzeichnung verfügen müssen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Klägerin steht der vom Landgericht zuerkannte Unterlassungsanspruch nach Maßgabe der vom Klägervertreter in der Berufungsinstanz abgegebenen Teilvollstreckungsverzichtserklärung aus §§ 3, 3a UWG i.V.m. 7 II Nr. 2 ProdSG zu, weil die von der Beklagten den Verkehr gebrachte Fußbodenheizmatte die erforderliche CE-Kennzeichnung weder auf dem Erzeugnis selbst noch auf dessen Verpackung aufwies. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Das Vorbringen der Beklagten in der Berufung rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Beurteilung.

Die Klägerin hat durch die auf Anregung des Senats (Verfügung vom 9.3.2017, Bl. 201 ff. d.A.) abgegebene Teilvollstreckungsverzichtserklärung klargestellt, dass das vom Landgericht ausgesprochene Verbot sich lediglich auf Fußbodenheizungen mit einer Wechselspannung zwischen 50 und 1.000 Volt bezieht, und dass die Beklagte dem Unterlassungsgebot nachkommt, wenn die verlangte CE-Kennzeichnung sich entweder auf dem Erzeugnis selbst oder auf dessen Verpackung befindet.

Nach dem Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass weder das beanstandete Erzeugnis selbst noch dessen Verpackung mit einer CE-Kennzeichnung versehen war. Für diese tatsächliche Feststellung bedurfte und bedarf es keiner Beweisaufnahme durch Augenschein (§ 372 ff. ZPO); vielmehr hat die Beklagte die entsprechende Tatsachenbehauptung der Klägerin nicht substantiiert bestritten. Die von der Klägerin zu den Akten gereichte verpackte Fußbodenheizung lässt eine CE-Kennzeichnung nicht erkennen. Wenn die Beklagte geltend machen will, das Kennzeichen befinde sich unter einem nachträglich aufgebrachten Aufkleber, müsste sie konkret vortragen, wo sich die CE-Kennzeichnung genau befindet und welcher Aufkleber darüber angebracht worden ist. Auch nach dem entsprechenden Hinweis des Senats in der bereits genannten Verfügung vom 9.3.2017 hat die Beklagte hierzu nichts vorgetragen.

Die von der Beklagten angebotene und vertriebene Fußbodenheizmatte musste zum Zeitpunkt der Lieferung gemäß § 3 i.V.m. § 1 I 1 der 1. ProdSV in der bis zum 19.4.2016 geltenden Fassung eine CE-Kennzeichnung nach § 7 ProdSG tragen.

Es handelt sich nicht nur um ein elektrisches Betriebsmittel zur Verwendung in dem in § 1 I 1 der 1. ProdSV a.F. genannten Nennspannungsbereich, sondern auch um einen verwendungsfertigen Gebrauchsgegenstand im Sinne von § 2 Nr. 27 ProdSG, weil zur bestimmungsgemäßen Verwendung keine weiteren Teile in die Heizung eingefügt werden müssen und das Gerät zur Inbetriebnahme nur noch angeschlossen zu werden braucht.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf, dass in der Bedienungsanleitung des in Rede stehenden Erzeugnisses ein Anschluss der Heizmatte durch einen Elektriker empfohlen wird. Zum einen schließt der mit dem Anschluss tatsächlich erforderliche - eher geringe - technische Aufwand es nicht aus, dass auch private Endverbraucher mit entsprechenden praktischen Fertigkeiten den Anschluss entgegen dieser Empfehlung selbst vornehmen. Zum andern ist die Geltung der Vorschriften über die CE-Kennzeichnung (§ 7 ProdSG) - im Gegensatz zu den in § 6 ProdSG geregelten zusätzlichen Anforderungen an die Bereitstellung von Verbraucherprodukten auf dem Markt - ohnehin nicht auf Produkte beschränkt, die sich an den privaten Endabnehmer richten. Schließlich ändert auch der Umstand, dass die Heizmatte in die Fußbodenkonstruktion eingebaut werden muss, nichts daran, dass das Erzeugnis selbst nur noch angeschlossen werden muss.

Auch nach der inzwischen geltenden Rechtslage besteht die CE-Kennzeichnungspflicht für das in Rede stehende Erzeugnis fort. Gemäß § 1 I 1 der 1. ProdSV in der seit dem 20.4.2016 geltenden Fassung ist der Anwendungsbereich der Verordnung nicht mehr auf technische Arbeitsmittel oder verwendungsfähige Gebrauchsgegenstände beschränkt. Die aus der Sicht der Beklagten möglicherweise zweifelhafte Rechtslage zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung hat sich damit lediglich insoweit geändert, als nunmehr an der Kennzeichnungspflicht kein Zweifel mehr bestehen kann. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte die durch die Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr möglicherweise durch die Erklärung beseitigen können, die Verletzungshandlung im Hinblick auf die inzwischen eingetretene Rechtsänderung nicht mehr wiederholen zu wollen (vgl. BGH GRUR 2001, 717 - Vertretung der Anwalts-GmbH; Senat, Urteil vom 10.5.2012 - 6 U 81/11, juris-Tz. 12). Eine solche Erklärung hat die Beklagtenvertreterin jedoch auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat trotz eines entsprechenden Hinweises nicht abgegeben."



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BGH: § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 ProdSG sind Marktverhaltensregeln und ein Verstoß wettbewerbswidrig - Verbraucherprodukte sind mit Namen und Kontaktanschrift des Herstellers zu versehen

BGH
Versäumnisurteil vom 12.01.2017
I ZR 258/15
Motivkontaktlinsen
UWG § 3a; Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel Art. 2 Abs. 1 Buchst. a; Richtlinie 2001/95/EG Art. 2 Buchst. b, e und f, Art. 5 Abs. 1 und 2 Satz 1; ProdSG § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 und 2

Der BGH hat entschieden, dass § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 ProdSG Marktverhaltensregeln sind und ein Verstoß wettbewerbswidrig. Verbraucherprodukte sind mit Namen und Kontaktanschrift des Herstellers zu versehen.


Leitsätze des BGH:

a) Farbige Motivkontaktlinsen ohne Sehstärke fallen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 3. September 2015 - C-321/14, GRUR Int. 2015, 978 Rn. 15 bis 27 - Colena/Karnevalservice Bastian).

b) Die in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ProdSG geregelte Pflicht zur Angabe des Namens und der Kontaktanschrift trifft allein den Hersteller, seinen Bevollmächtigten und den Einführer, nicht dagegen Händler.

c) Die in § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 ProdSG enthaltenen Bestimmungen dienen dem Schutz der Verbraucher, die davor bewahrt werden sollen, mit unsicheren Produkten in Berührung zu kommen, und stellen damit Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG dar.

d) Die aus § 6 Abs. 5 Satz 1 ProdSG folgende Verpflichtung des Händlers, dazu beizutragen, dass nur sichere Verbraucherprodukte auf dem Markt bereitgestellt werden, umfasst auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die von ihm angebotenen Verbraucherprodukte mit dem Namen und der Kontaktanschrift des Herstellers versehen sind.

e) Ein Verstoß gegen § 6 Abs. 5 Satz 1 ProdSG ist regelmäßig geeignet, die Interessen der Verbraucher im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen.

BGH, Versäumnisurteil vom 12. Januar 2017 - I ZR 258/15 - OLG Bamberg

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LG Bochum: Online-Shop-Betreiber ist nicht für fehlende Herstellerangaben nach § 6 Abs. 1-4 Produktsicherheitsgesetz verantwortlich

LG Bochum
Urteil vom 16.01.2014
I-14 O 218/13


Das LG Bochum hat entschieden, dass eine Online-Shop-Betreiber nicht für fehlende Herstellerangaben nach § 6 Abs. 1-4 Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) verantwortlich. Dort sind die Pflichten des Hersteller, seiner Bevollmächtigten und des Importeurs geregelt. Eine analoge Anwendung auf den Verkäufer scheidet - so das Gericht - aus, da diese in § 6 Abs. 5 ProdSG abschließend geregelt sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Unstreitig war auf dem von dem Verfügungsbeklagten im Rahmen des Testkaufs gelieferten Kopfhörern keine Kennzeichnung betreffend den Namen und die Kontaktanschrift des Herstellers, seines Bevollmächtigten im Europäischen Wirtschaftsraum oder des Einführers vorhanden, ein solcher Hinweis befand sich auch nicht auf der Verpackung. Allerdings ist ein Anspruch gegen den Verfügungsbeklagten aus § 6 Abs. 1 Ziff. 2 ProdSG nicht gegeben, da diese Regelung nur den Hersteller, seinen Bevollmächtigten und den Einführer verpflichtet. Unstreitig ist die Verfügungsbeklagte aber Händler.

Eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 1 Ziff. 2 auf den Händler ist nicht möglich, da es insoweit an einer Regelungslücke mangelt. Der Gesetzgeber hat den Händler als einen Teil der Lieferkette zur Kenntnis genommen und ihm eigene Pflichten auferlegt. Auch im § 6 Abs. 5 ProdSG wird, nachdem die Absätze 1-4 Pflichten des Herstellers, seines Bevollmächtigten und des Einführers regeln, dem Händler eine eigene Pficht auferlegt, nämlich dazu beizutragen, dass nur sichere Verbraucherprodukte auf dem Markt bereitgestellt werden, und er darf kein Produkt auf dem Markt bereitstellen, von dem er weiß oder von dem er wissen muss, dass es nicht den Anforderungen des § 3 ProdSG entspricht. Weiter sieht § 6 Abs. 5 ProdSG vor, dass § 6 Abs. 4 ProdSG für den Händler entsprechend gilt, so dass davon ausgegangen werden muss, dass der Gesetzgeber zumindest eine entsprechende Wirkung für den Händler angeordnet hätte, wenn die Pflichten aus § 6 Abs. 1 Ziff. 2 ProdSG auch für den Händler Geltung erlangen sollten. Von daher bleibt festzuhalten, dass dem Händler ausdrücklich die Pflichten aus §§ 6 Abs. 1 Ziff. 2 ProdSG nicht auferlegt wurden, so dass die hier gerügte Nichtkennzeichnung ihm nicht vorzuwerfen ist.

Dem Beklagten ist auch nicht die Pflicht auferlegt, die ordnungsgemäße Kennzeichnung nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 ProdSG zu prüfen und bei Nichtbeachtung die Produkte nicht in den Verkehr zu bringen. § 6 Abs. 5 ProdSG legt dem Händler die Verpflichtung auf dazu beizutragen, dass nur sichere Verbraucherprodukte auf dem Markt bereitgestellt werden, so dass er keine Produkte verkaufen darf, von denen er weiß oder sicher wissen muss, dass sie nicht sicher im Sinne des Gesetzes sind. Derartiges lässt sich vorliegend nicht feststellen, so dass dem Verfügungsbeklagten der Verkauf dieser Produkte nicht untersagt werden kann. Die Ausweitung der Prüfpflichten des Händlers für Verpflichtungen nach dem ProdSG, die den Hersteller, seinen Bevollmächtigten oder den Einführer treffen mit der Folge, dass der Händler bei Verstoß die Produkte nicht verkaufen darf, entspräche nicht dem Sinne des Gesetzes und ist daher nicht möglich. Denn dies würde letztlich dazu führen, dass auf diesem Umweg dem Händler Pflichten auferlegt würden, die ihm vom Gesetz nicht abverlangt werden."


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