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EuGH: Ab 01.05.2019 Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum - EUIPO nur noch eingeschränkt möglich

Ab 01.05.2019 sind Rechtsmittel gegen Entscheidungen des EUIPO, des CPVO, der ECHA und der EASA nur noch eingeschränkt möglich.

Es muss nunmehr ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels gestellt werden. Dieser muss das Bestehen eines Zulassungsgrundes schlüssig darlegen. Ein Zulassungsgrund liegt vor, wenn mit der Beschwerde für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Fragen zu klären sind.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Der Gerichtshof erlässt neue Vorschriften bezüglich der Zulassung von Rechtsmitteln in Rechtssachen, die bereits Gegenstand einer zweifachen Prüfung waren

Ein solches Rechtsmittel wird nur dann ganz oder teilweise zugelassen, wenn damit eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen wird

Der Gerichtshof und das Gericht haben im Kontext der Reform des Gerichtssystems der Europäischen Union umfassende Überlegungen zu den von ihnen wahrgenommenen Zuständigkeiten angestellt und geprüft, ob es erforderlich ist, bestimmte Änderungen u. a. bei der Behandlung der Rechtsmittel durch den Gerichtshof vorzunehmen. Diese Prüfung hat ergeben, dass zahlreiche Rechtsmittel in Rechtssachen eingelegt werden, die bereits zweifach geprüft worden sind, nämlich in einem ersten Schritt durch eine unabhängige Beschwerdekammer und sodann durch das Gericht, und dass viele dieser Rechtsmittel vom Gerichtshof zurückgewiesen werden, da sie offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind.

Um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, sich auf die Rechtssachen zu konzentrieren, die seine ganze Aufmerksamkeit erfordern, wurde daher im Interesse einer geordneten Rechtspflege vorgeschlagen, für Rechtsmittel bezüglich Rechtssachen der genannten Art einen Mechanismus vorzusehen, der es dem Gerichtshof ermöglicht, ein Rechtsmittel nur dann ganz oder teilweise zuzulassen, wenn damit eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage
ufgeworfen wird.

Das Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Verfahrensordnung des Gerichtshofs wurden daher entsprechend geändert. Diese Änderungen treten am 1. Mai 2019 in Kraft.

Gemäß den neuen Vorschriften steht die Prüfung von Rechtsmitteln EASAgegen Entscheidungen des Gerichts, die eine Entscheidung einer unabhängigen Beschwerdekammer einer der folgenden Einrichtungen betreffen, unter der Bedingung der vorherigen Zulassung des jeweiligen Rechtsmittels durch den Gerichtshof:

- Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) (Alicante, Spanien);
- Gemeinschaftliches Sortenamt (CPVO) (Angers, Frankreich);
- Europäische Chemikalienagentur (ECHA) (Helsinki, Finnland);
- Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA) (Köln, Deutschland).

In diesen Rechtssachen ist der Rechtsmittelschrift ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels mit einer maximalen Länge von sieben Seiten beizufügen, in dem der Rechtsmittelführer die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage klar darlegt. Fehlt es an einem solchen Antrag, so wird das Rechtsmittel für unzulässig erklärt.

Erfüllt der Antrag die vorgeschriebenen formalen Voraussetzungen, so entscheidet der Gerichtshof
so rasch wie möglich durch mit Gründen versehenen Beschluss, der auf der Website des
Gerichtshofs veröffentlicht wird, über die Zulassung oder die Nichtzulassung des Rechtsmittels.
Diese Entscheidung wird auf Vorschlag des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts
von einer speziell zu diesem Zweck eingerichteten Kammer getroffen, deren Präsident der
Vizepräsident des Gerichtshofs ist und der darüber hinaus der Berichterstatter und der Präsident
der Kammer mit drei Richtern angehören, der der Berichterstatter zum Zeitpunkt der
Antragstellung zugeteilt ist.

Der Beschluss über die Zulassung des Rechtsmittels wird den Parteien der betreffenden Rechtssache vor dem Gericht mit der Rechtsmittelschrift zugestellt; wird das Rechtsmittel teilweise zugelassen, so sind in diesem Beschluss die Gründe oder Teile des Rechtsmittels anzuführen, auf die sich die Rechtsmittelbeantwortung beziehen muss.

Der Kanzler des Gerichtshofs benachrichtigt außerdem das Gericht und, sofern sie nicht Partei der betreffenden Rechtssache vor dem Gericht waren, die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament, den Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission von der Entscheidung, das Rechtsmittel zuzulassen.


OLG Frankfurt: Keine Irreführung durch Bezeichnung Holunderblütensirup wenn Produkt 0,3 Prozent Holunderblütenextrakt enthält

OLG Frankfurt
Beschluss vom 11.09.2017
6 U 109/17


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass keine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn ein Produkt als Holunderblütensirup bezeichnet wird und dabei nur 0,3 Prozent Holunderblütenextrakt enthält, sofern der Holunderblütenextrakt das Geschmacksbild prägt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Berufung war durch Beschluss zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 II ZPO erfüllt sind. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 31.7.2017 Bezug genommen (§ 522 II 3 ZPO), dessen wesentlicher Inhalt nachfolgend wiedergegeben wird:

"Wie das Landgericht mit zutreffenden Gründen angenommen hat, stehen dem Kläger die geltend gemachten Unterlassungs- und Abmahnkostenerstattungsansprüche nicht zu, da die mit dem Klageantrag angegriffene Produktausstattung unter keinem Gesichtspunkt irreführend, unzutreffend, unklar oder nicht leicht verständlich (Art. 7 I LMIV) ist.

Die Produktbezeichnung "Holunderblüte" sowie die Abbildung von Holunderblüten auf der Schauseite der Flasche ruft beim verständigen Durchschnittsverbraucher zunächst die Vorstellung hervor, dass der so angebotene Sirup aus natürlichen Holunderblüten gewonnene Zutaten enthält; dies ist der Fall, da dem Erzeugnis 0,3 % Holunderblütenextrakt zugesetzt ist. Weiter entnimmt der Verbraucher der Ausstattung, dass der Sirup dem Geschmacksbild der Holunderblüte entspricht; auch dies hat der Kläger jedenfalls nicht bestritten.

Die dargestellte Verbrauchererwartung wird nicht dadurch enttäuscht, dass der Sirup daneben erhebliche Anteile von Birnen- und Apfelsaftkonzentrat enthält. Dies gilt jedenfalls, solange das Holundergeschmacksbild des Sirups dadurch nicht überlagert oder beeinträchtigt wird. Letzteres macht der Kläger ebenfalls nicht geltend.

Dagegen macht sich der Durchschnittsverbraucher keine näheren Vorstellungen über den genauen Anteil, mit dem der Holunderblütenextrakt in dem Erzeugnis enthalten ist. Diesem Anteil kommt auch für die Intensität des Holundergeschmacks keine allein maßgebliche Bedeutung zu, weil - wie die Beklagte und die Streithelferin in erster Instanz unbestritten vorgetragen haben - bereits der Holunderblütenextrakt in unterschiedlicher Konzentration hergestellt werden kann. Dies kann auch erklären, warum andere Hersteller Holunderblütensirup mit einem höheren Anteil an Holunderblütenextrakt anbieten."

Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 21.8.2017, mit dem geltend gemacht wird, die Voraussetzungen des § 522 II Nr. 2 und 3 ZPO lägen nicht vor, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung allgemein anerkannter Grundsätze zur Ermittlung der Verkehrsauffassung auf den konkreten Lebenssachverhalt, der auch mit der Fallgestaltung, die der Entscheidung des OLG Nürnberg vom 24.1.2017 - 3 U 1830/16 - zugrunde liegt, nicht vergleichbar ist."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuG: Unternehmen erhält Schadensersatz von EU wegen überlanger Verfahrensdauer in Kartellsachen - aber nur 50000 EURO anstelle verlangter 4 Mio Euro

EuG
Urteil vom 10.01.2017
T-577/14
Gascogne Sack Deutschland und Gascogne ./. Europäische Union



Das EuG hat einem Unternehmen Schadensersatz von der EU wegen überlanger Verfahrensdauer in einer Kartellsache zugesprochen. Allerdings wurden nur 50.000 EURO anstelle der beantragten 4 Millionen Euro Schadensersatz gewährt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Schadensersatzklage wegen überlanger Verfahrensdauer

Das EuG hat in einer erweiterten und anderen Zusammensetzung als im Ausgangsrechtsstreit die EU verurteilt, den Unternehmen Gascogne Sack Deutschland und Gascogne Schadensersatz in Höhe von mehr als 50.000 Euro wegen der überlangen Dauer des Verfahrens vor dem EuG zu leisten.

Die überlange Verfahrensdauer habe sowohl zu einem materiellen Schaden (Bankbürgschaftskosten) als auch zu einem immateriellen Schaden (Zustand der Ungewissheit, in dem sich die beiden Unternehmen befunden haben) geführt, so das EuG.

Die Unternehmen Gascogne Sack Deutschland (vormals Sachsa Verpackung) und Gascogne (vormals Groupe Gascogne) erhoben am 23.02.2006 beim EuG Klagen auf Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission in einem Kartellverfahren im Sektor für industrielle Sackverpackungen (Entscheidung K(2005) 4634 v. 30.11.2005 - COMP/F/38.354 "Industrielle Sackverpackungen"). Das EuG hatte diese Klagen mit Urteilen vom 16.11.2011 abgewiesen (EuG, Urt. v. 16.11.2011 - T-72/06 "Groupe Gascogne/Kommission" und T-79/06 "Sachsa Verpackung/Kommission"). Der mit den Rechtsmitteln befasste EuGH bestätigte mit Urteilen vom 26.11.2013 die Urteile des EuG und damit die gegen die beiden Unternehmen verhängten Geldbußen von insgesamt 13,2 Mio. Euro (EuGH, Urt. v. 26.11.2013 - C-40/12 P "Gascogne Sack Deutschland/Kommission" und C-58/12 P "Gascogne/Kommission"). Der EuGH hatte jedoch darauf hingewiesen, dass die beiden Unternehmen Klagen auf Ersatz eventueller Schäden wegen der überlangen Dauer des Verfahrens vor dem EuG erheben könnten.

Die Unternehmen Gascogne Sack Deutschland und Gascogne beantragen beim EuG, die EU zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. fast 4 Mio. Euro für materielle Schäden (gefordert sind knapp 3,5 Mio. Euro) und für den immateriellen Schaden (gefordert sind 500.000 Euro) zu verurteilen, die sie aufgrund der überlangen Dauer des Verfahrens erlitten hätten. Es handelt sich um die erste Rechtssache, die auf diesem Gebiet entschieden wird (es gibt vier weitere Rechtssachen, in denen Unternehmen Schadensersatz wegen überlanger Verfahrensdauer fordern (T-725/14 "Aalberts Industries", T-479/14 "Kendrion"; T-40/15 "ASPLA und Armando Álvarez" sowie T-673/15 "Guardian Europe").

Das EuG hat der Klage der beiden Unternehmen teilweise stattgegeben, indem es Gascogne für den erlittenen materiellen Schaden Schadensersatz i.H.v. 47.064,33 Euro und jedem der beiden Unternehmen für den immateriellen Schaden Schadensersatz i.H.v. 5.000 Euro zuspricht.

Das EuG hat in einer erweiterten und anderen Zusammensetzung entschieden als im Ausgangsrechtsstreit. Diese Voraussetzung wurde vom EuGH in den Urteilen vom 26.11.2013 aufgestellt.

Es sei zunächst darauf hinzuweisen, so das EuG, dass die außervertragliche Haftung der EU geltend gemacht werden könne, wenn drei kumulative Voraussetzungen erfüllt seien, nämlich 1) die Rechtswidrigkeit des Verhaltens, das dem betreffenden Organ vorgeworfen werde, 2) das tatsächliche Vorliegen eines Schadens und 3) das Bestehen eines Kausalzusammenhanges zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden.

In Bezug auf die erste Voraussetzung (Rechtswidrigkeit des Verhaltens, das dem EuGH als Organ der EU vorgeworfen werde) sei auszuführen, dass das Recht auf eine Entscheidung einer Rechtssache innerhalb angemessener Frist, das in der Charta der Grundrechte der EU verankert sei (Art. 47 Abs. 2 der Charta), wegen der überlangen Dauer des Verfahrens in den Rechtssachen T-72/06 und T-79/06 verletzt wurde. Die Verfahrensdauer habe sich nämlich auf fast fünf Jahre und neun Monate belaufen und lasse sich durch keinen der Umstände dieser Rechtssachen rechtfertigen.

Bei Kartellsachen (einem Bereich, der einen höheren Grad an Komplexität aufweise als andere Verfahrensarten) stelle eine Dauer von 15 Monaten zwischen dem Abschluss des schriftlichen Verfahrens und dem Beginn des mündlichen Verfahrens grundsätzlich eine angemessene Dauer dar. In den Rechtssachen T-72/06 und T-79/06 haben jedoch rund drei Jahre und zehn Monate, somit 46 Monate, zwischen diesen Verfahrensabschnitten gelegen.

Die parallele Bearbeitung im Zusammenhang stehender Rechtssachen könne aber eine Verlängerung des Verfahrens um einen Monat pro zusätzliche Rechtssache rechtfertigen. Im vorliegenden Fall sei daher durch die parallele Bearbeitung von zwölf Klagen gegen dieselbe Entscheidung der Kommission eine Verlängerung des Verfahrens in den Rechtssachen T-72/06 und T-79/06 um elf Monate gerechtfertigt gewesen.

Eine Dauer von 26 Monaten (15 Monate plus elf Monate) zwischen dem Abschluss des schriftlichen Verfahrens und dem Beginn des mündlichen Verfahrens für die Bearbeitung der Rechtssachen T-72/06 und T-79/06 sei angemessen gewesen, da der Grad der tatsächlichen, rechtlichen und verfahrensrechtlichen Komplexität dieser Rechtssachen nicht für die Annahme einer längeren Dauer ausreiche. Somit ergebe sich aus der Dauer von 46 Monaten, die zwischen dem Abschluss des schriftlichen Verfahrens und dem Beginn des mündlichen Verfahrens gelegen habe, dass es in jeder der beiden Rechtssachen einen Zeitraum ungerechtfertigter Untätigkeit von 20 Monaten gegeben habe. Das übrige Verfahren in diesen beiden Rechtssachen weise dagegen keinen weiteren Zeitraum ungerechtfertigter Untätigkeit auf.

Zur zweiten Voraussetzung für die Haftung der EU (tatsächliches Vorliegen eines Schadens) sei auszuführen, dass Gascogne ein tatsächlicher und sicherer materieller Schaden entstanden sei, der sich daraus ergebe, dass sie im Verlauf des Zeitraums der ungerechtfertigten Untätigkeit des Gerichts Verluste durch die Kosten erlitten habe, die sie für die Bankbürgschaft zugunsten der Kommission zahlen musste (da Gascogne die Gebühren für die Bankbürgschaft gezahlt habe, habe Gascogne Sack Deutschland insoweit keinen Schaden erlitten). Die übrigen von Gascogne Sack Deutschland und Gascogne geltend gemachten materiellen Schäden erkenne das EuG hingegen nicht an (die beiden Unternehmen haben außerdem geltend gemacht, sie hätten über eine angemessene Frist hinaus gesetzliche Zinsen auf den Nominalwert der von der Kommission verhängten Geldbuße zahlen müssen und ihnen sei die Möglichkeit genommen worden, zu einem früheren Zeitpunkt einen Investor zu finden; das EuG hat diese Schäden aus Mangel an Beweisen verworfen.).

Auch die dritte Voraussetzung für die Haftung der EU (Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem rechtswidrigen Verhalten und dem geltend gemachten Schaden) ist nach Auffassung des EuG erfüllt: Hätte nämlich das Verfahren in den Rechtssachen T-72/06 und T-79/06 nicht die angemessene Urteilsfrist überschritten, hätte Gascogne die Kosten für die Bankbürgschaft in dem Zeitraum, der dieser Überschreitung entspricht, nicht zahlen müssen.

Gascogne sei daher eine Entschädigung i.H.v. 47.064,33 Euro als Ersatz des materiellen Schadens zuzusprechen, der ihr durch die Nichteinhaltung der angemessenen Urteilsfrist in den Rechtssachen T-72/06 und T-79/06 entstanden sei und in der Zahlung zusätzlicher Bankbürgschaftskosten bestehe (dieser Betrag entspreche nicht dem im Laufe von 20 Monaten ungerechtfertigter Untätigkeit des EuG gezahlten Betrag, sondern nur dem Zeitraum vom 30.05.2011 bis 16.11.2011 (Verkündungstermin der Urteile in den Rechtssachen T-72/06 und T-79/06); Gascogne habe nämlich in ihrer Klageschrift nur den Ersatz der nach dem 30.05.2011 durch die Bankbürgschaftskosten entstandenen Verluste verlangt).

Das EuG hat außerdem entschieden, dass Gascogne Sack Deutschland und Gascogne wegen der überlangen Dauer des Verfahrens in den Rechtssachen T-72/06 und T-79/06 ein immaterieller Schaden entstanden sei: Die Nichteinhaltung der angemessenen Urteilsfrist in diesen Rechtssachen sei nämlich geeignet gewesen, die beiden Unternehmen in einen Zustand der Ungewissheit zu versetzen, die über die Ungewissheit hinausgegangen sei, die üblicherweise durch ein Gerichtsverfahren hervorgerufen werde. Dieser verlängerte Zustand der Ungewissheit hatte zwangsläufig einen Einfluss auf die Planung der zu treffenden Entscheidungen und auf die Führung dieser Unternehmen, so dass er zu einem immateriellen Schaden geführt habe.

Das EuG hält es für angebracht, jedem der beiden Unternehmen eine Entschädigung i.H.v. 5.000 Euro als Ersatz des immateriellen Schadens zuzusprechen.

Ferner hat das EuG entschieden, dass die Gascogne gewährte Entschädigung von 47.064,33 Euro unter Einbeziehung von Ausgleichszinsen, gerechnet ab dem 04.08.2014 bis zur Verkündung des Urteils vom 10.01.2017, anhand der von Eurostat in Frankreich (dem Mitgliedstaat des Sitzes von Gascogne) für den betreffenden Zeitraum festgestellten jährlichen Inflationsrate neu zu bewerten sei. Außerdem seien sowohl für die Entschädigung von 47.064,33 Euro als auch für die jedem der beiden Unternehmen gewährten Entschädigungen von 5.000 Euro vom Zeitpunkt der Verkündung des Urteils vom 10.01.2017 bis zur vollständigen Zahlung der Entschädigungen Verzugszinsen in Höhe des von der Europäischen Zentralbank auf ihre Hauptfinanzierungsgeschäfte angewandten Zinssatzes zuzüglich zwei Prozentpunkten zu zahlen.

OLG Frankfurt: Wettbewerbsverstoß durch unrichtige Wiedergabe höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Abwehr von Ansprüchen gegenüber Verbrauchern

OLG Frankfurt
Urteil vom 17.11.2011
6 U 126/11


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegen kann, wenn ein Unternehmen gegenüber einem Verbraucher höchstricherliche Rechtsprechung in Erwiderungsschreiben unrichtig wiedergibt, um so berechtigte Ansprüche von Verbrauchern abzuwehren. Eine durchaus nicht unproblematische Entscheidung, ist doch die selektive oder unrichtige Wiedergabe von Rechtsprechung juristisches Tagesgeschäft.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Rechtstip: Unterlassungserklärung und Vertragsstrafe - was ist bei der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu bedenken

Risiko: Unterlassungserklärung und Vertragsstrafe
Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist immer mit dem Risiko verbunden später einer Vertragsstrafe zahlen zu müssen.

Ist eine Abmahnung begründet, so ist es regelmäßig sinnvoll eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, um gerichtliche Schritte und weitere Kosten zu vermeiden. Eine Unterlassungserklärung ohne ausreichendes Vertragsstrafeversprechen ist nicht geeignet die Wiederholungsgefahr auszuschließen. Häufig sind die Vertragsstrafeversprechen mit einer festen Vertragsstrafe zwischen 5.000 und 10.000 EURO für jeden Fall der Zuwiderhandlung versehen. Bei mehreren und ggf. versehentlichen Verstößen kann so schnell eine enorme Summe zusammenkommen und direkt in die Insolvenz führen. Unterlassungserklärungen sollten daher nie leichtfertig abgegeben werden.

Vertragsstrafe begrenzt durch Treu und Glauben.
Der BGH hatte in seinem Urteil (BGH, Urteil vom 17. 7. 2008 - I ZR 168/05) eine Beschränkung auf eine angemessene Vertragsstrafe ausdrücklich abgelehnt. Grenze ist allein der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die geforderte Vertragsstrafe von 54 Millionen EURO für den Verkauf von 7000 Wärmekissen wurde vom BGH auf einen Betrag von 200.000 EURO begrenzt. Die Begrenzung hielt der BGH nach dem Grundsatz von Treu und Glauben für erforderlich. In der Unterlassungserklärung war eine Frist für den Abverkauf von Restbeständen vorgesehen, die aber vom Abgemahnten überschritten wurde. Entscheidend für die Herabsetzung war für den BGH der Umstand, dass lediglich die Abverkaufsfrist überschritten wurde. Andernfalls wäre die Vertragsstrafe deutlich höher ausgefallen.

Neuer Hamburger Brauch
Anstelle einer festen Vertragsstrafe ist der sog. „Neue Hamburger Brauch“ zu empfehlen, bei dem für jeden Fall schuldhafter Zuwiderhandlung eine angemessene Vertragsstrafe fällig wird, dessen Höhe in das Ermessen des Abmahners gestellt wird, welche dann auf Antrag des Abgemahnten von Gericht auf Angemessenheit überprüft werden kann. Auf diese Weise kann, anders als bei einer festen Summe für jeden Fall der Zuwiderhandlung, eine Begrenzung auf eine angemessene Vertragsstrafe erreicht werden. Zudem setzten die Gericht bei versehentlichen einmaligen Verstößen häufig geringere Vertragsstrafen an, als die üblichen festen Vertragsstrafen vorsehen (z.B. 2000 EURO anstelle von 7500 EURO).

Beschränkung auf die konkrete Verletzungshandlung
Um nicht Gefahr zu laufen aus Unachtsamkeit eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen, ist es wichtig die Unterlassungserklärung auf die konkrete Verletzungshandlung zu beschränken. Die von Abmahnern vorformulierten Unterlassungserklärungen sind häufig zu weit, da diese so hoffen, zukünftig Vertragsstrafen zu kassieren. Bei Produktfotos richtet sich z.B. ein Unterlassungsanspruch nicht auf Unterlassung des öffentlichen Zugänglichmachens aller vom Abmahnenden erstellten Fotos, sondern nur auf das konkrete Foto, welches ohne Lizenz verwendet wurde. Bei entsprechender Einschränkung der Verletzungshandlung in der Unterlassungserklärung wird verhindert, das bislang nicht erkannte Verstöße von der Unterlassungserklärung erfasst werden und so ggf. eine Vertragsstrafe fällig wird. Allerdings darf die Unterlassungserklärung auch nicht zu eng formuliert sein, da sonst die Wiederholungsgefahr fortbesteht.

Risiko: veraltete Inhalte im Suchmaschinencache, Archiven & Co.
Wer meint, mit Löschung streitgegenständlicher Daten vom Server auf der sicheren Seite zu sein, übersieht, dass einige Gerichte auch dann einen Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung annehmen, wenn sich die rechtswidrigen Inhalte noch im Cache, Webarchiven, Bildersuchdiensten oder Produktsuchmaschinen befinden. Das Risiko lässt sich dadurch abfedern, dass man die Verantwortlichkeit für veraltete Inhalte im Datenbestand von Suchmaschinen, Cache oder Archiven ausschließt oder ggf. eine Schonfrist für die Löschung entsprechender Altlasten vereinbart. Leider akzeptiert nicht jedes Gericht eine derart eingeschränkte Unterlassungserklärung (z.B. LG Kiel, Beschluss vom 11.02.2009 - 15 O 19/09). Insofern gilt es abzuwägen, welche Risiken man bei der Abgabe einer Unterlassungserklärung eingehen will.

Risiko: Alte Unterlassungserklärungen und Änderung der Rechtslage
Ändert sich die Rechtslage oder die höchstrichterliche Rechtsprechung, so ist umstritten, ob dadurch eine in der Vergangenheit nach alter Rechtslage abgegebene Unterlassungserklärung gegenstandslos wird. Nach herrschender Meinung ändert dies an der Wirksamkeit des Unterlassungsvertrages zunächst nichts. Allerdings besteht - so die wohl überwiegende Ansicht - die Möglichkeit, den Unterlassungsvertrag insoweit zu kündigen bzw. anzupassen. Daneben wird auch die Möglichkeit diskutiert, dass sich der Unterlassungsschuldner auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage oder Treu und Glauben berufen kann. Vorzuziehen ist es, das aufgezeigte Risiko bei der Formulierung der Unterlassungserklärung zu berücksichtigen und die Unterlassungserklärung unter dem Vorbehalt der Änderung der Rechtslage bzw. der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzugeben.