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BGH: Zur Reichweite des Begriffs "Kopie der personenbezogenen Daten" im Sinne von Art. 15 Abs. 3 DSGVO

BGH
Urteil vom 05.03.2024
VI ZR 330/21
DSGVO Art. 15 Abs. 3


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Reichweite des Begriffs "Kopie der personenbezogenen Daten" im Sinne von Art. 15 Abs. 3 DSGVO befasst.

Leitsatz des BGH:
Zum Begriff "Kopie der personenbezogenen Daten" in Art. 15 Abs. 3 DSGVO.

BGH, Urteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21 - OLG München - LG München I

Aus den Entscheidungsgründen:
b) Art. 15 Abs. 1 DSGVO gibt der betroffenen Person gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen (Art. 4 Nr. 7 DSGVO) ein Auskunftsrecht über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Art. 15 Abs. 3 DSGVO legt die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen obliegenden Verpflichtung fest, indem er unter anderem die Form bestimmt, in der die personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen sind, nämlich in Form einer "Kopie" der Daten, gewährt aber kein anderes Recht als das in Art. 15 Abs. 1 DSGVO vorgesehene (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 31 f.). Auf dieser Grundlage hat die Klägerin nur Anspruch auf Überlassung von Kopien der von ihr verfassten, bei den Beklagten vorhandenen Schreiben und E-Mails.

aa) Gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person ("betroffene Person") beziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 23 f.; Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 22 mwN).

Nach diesen Grundsätzen sind - wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist - Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Information bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gemäß geäußert hat, umgekehrt aber Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit, als sie Informationen über die betroffene Person nach den oben genannten Kriterien enthalten (vgl. Senatsurteile vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, zVb; vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 48). Dass diese Schreiben der betroffenen Person bereits bekannt sind, schließt den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25 mwN).

bb) Mit ihrem vom Berufungsgericht zuerkannten Antrag verlangt die Klägerin - wie erläutert -, ihr eine Abschrift von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Gesprächsprotokollen, E-Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen zu überlassen, in denen personenbezogene Daten der Klägerin enthalten sind, die die Beklagten verarbeiten. Nach den Ausführungen unter aa) handelt es sich zwar bei den von der Klägerin verfassten Schreiben und E-Mails, die den Beklagten vorliegen, ihrem gesamten Inhalt nach um personenbezogene Daten, weshalb die Klägerin im Ergebnis nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Kopie dieser Schreiben und E-Mails fordern kann, auch wenn sich der Begriff der Kopie in dieser Vorschrift nicht auf ein Dokument als solches bezieht, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 72; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32). Denn die Kopie muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 73; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32, 39). Der Vollständigkeit der Auskunft kann hier nur durch eine Kopie des gesamten Dokuments genügt werden.

Demgegenüber handelt es sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - weder bei Schreiben und E-Mails der Beklagten, noch bei Telefonnotizen, Aktenvermerken oder Gesprächsprotokollen der Beklagten und auch nicht bei Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen zwangsläufig in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten der Klägerin, auch wenn sie Informationen über die Klägerin enthalten. Zwar ist bei internen Vermerken wie Telefonnotizen oder Gesprächsprotokollen, die festhalten, wie sich die Klägerin telefonisch oder in persönlichen Gesprächen äußerte, denkbar, dass der Vermerk ausschließlich Informationen über die Klägerin enthält. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass dies in allen Fällen so ist. Deshalb ergibt sich aus dem Erfordernis, eine vollständige Auskunft über personenbezogene Daten zu erteilen, kein Anspruch der Klägerin darauf, dass - wie von ihr gefordert - alle diese Dokumente im Gesamten als Kopie zu überlassen sind. Zwar kann sich die Reproduktion von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken unabhängig vom Erfordernis, eine vollständige Auskunft zu erteilen, dann als unerlässlich erweisen, wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten und der betroffenen Person die wirksame Ausübung ihrer Rechte zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteile vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 41, 45; vom 22. Juni 2023 - C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 66; vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 74 f.; Senatsurteil vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, zVb; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 51 ff.). Die Klägerin hat aber weder in den Vorinstanzen dazu vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten, sodass ausnahmsweise die Übermittlung einer Kopie der geforderten Telefonnotizen, Aktenvermerke, Gesprächsprotokolle, E-Mails und Briefe der Beklagten sowie Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen nötig wäre.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Karlsruhe: Recht zur Unterlizenzierung durch ausschließlichen Lizenznehmer eines Patents hat keinen weiteren Umfang als Nutzungsbefugnis des Lizenznehmers

OLG Karlsruhe
Urteil vom 9.11.2016
6 U 37/15


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass das Recht zur Unterlizenzierung durch ausschließlichen Lizenznehmer eines Patents keinen weiteren Umfang als die Nutzungsbefugnis des Lizenznehmers hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Vertragsparteien haben im Teaming Agreement eine Zusammenarbeit zur Entwicklung, Herstellung und Vermarktung des von der Klägerin konzipierten „Advanced System“ (vgl. Präambel: „LHT has developed a technical concept…“) vereinbart und geregelt. Art. 1 „Scope“ bestimmt allerdings, dass die Markteinführung des Advanced System einschließlich der Entwicklung, Herstellung, Vermarktung und After-sales-Support der alleinigen Verantwortung der K. unterfällt. Auf der anderen Seite beschränkt sich der Beitrag der Klägerin nicht auf die Lizenzgewährung; sie ist vielmehr zur bestmöglichen Unterstützung von K. verpflichtet (Art. 2) und soll im Regelfall (wenn der jeweilige Kunde einverstanden ist) die Installation der Systeme in die jeweiligen Flugzeuge übernehmen (Art. 3), also am Inverkehrbringen patentgeschützter Systeme beteiligt sein; ferner soll sie zu eigenen Werbeaktivitäten und damit zu Angebotshandlungen in Bezug auf die vom Klagepatent erfassten Vorrichtungen berechtigt sein (Art. 4). Diesem differenzierten Lizenz-Kooperations-Verhältnis kann eine Befugnis der K. zur Erteilung jedenfalls der hier in Rede stehenden Unterlizenz an die Beklagte nicht entnommen werden.

Eine Befugnis des ausschließlichen Lizenznehmers zur Unterlizenzierung kann nämlich nur in dem Umfang bestehen, in dem der Lizenznehmer in die Nutzungsberechtigung des Patentinhabers eingerückt ist (Ullmann/Deichfuß in: Benkard, PatG, 11. Aufl., § 15 Rn. 104). Die Vergabe von Unterlizenzen hat nach der Rechtsprechung dingliche Wirkung (BGH GRUR 1987, 37 juris-Rn. 26 f. – Videolizenzvertrag), was zugleich bedeutet, dass die Befugnis zur Unterlizenzierung ohne ausdrückliche weitergehende Ermächtigung nur hinsichtlich derjenigen Befugnisse gelten kann, die dem ausschließlichen Lizenznehmer selbst eingeräumt worden sind (nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet). Im Streitfall müsste sich also eine Unterlizenz, die der Beklagten möglicherweise in Ziff. 3.e des Settlement Agreements erteilt worden ist, im Rahmen der Nutzungsbefugnis halten, die der K. eingeräumt worden ist. Das ist indessen nicht der Fall.

Bei der Ermittlung der Reichweite der dem Lizenznehmer eingeräumten Befugnisse ist der aus § 31 Abs. 5 UrhG abgeleitete, aber für das gesamte Immaterialgüterrecht geltende Zweckübertragungsgrundsatz zu beachten, wonach der Schutzrechtsinhaber im Zweifel keine weitergehende Befugnisse einräumt, als zur Erreichung des schuldrechtlich festgelegten Zwecks unbedingt erforderlich ist (vgl. BGH GRUR 2000, 788 juris-Rn. 23 - Gleichstromsteuerschaltung; Ullmann/Deichfuß, a.a.O., § 15 Rn. 26).

Im Streitfall ist der Zweck der Lizenzgewährung im Teaming Agreement klar formuliert: Bezweckt wird die Vermarktung des von der Klägerin technisch konzipierten und von K. marktreif zu entwickelnden und herzustellenden „Advanced System“. Zu diesem Zweck gewährt die Klägerin eine Lizenz an den Schutzrechten, die vom „Advanced System“ betroffen werden (Art. 6: intellectual property rights concerning the Advanced System). Die Lizenzgewährung bezieht sich nach der insoweit klaren, den gesamten Vertrag durchziehenden Diktion auf die Nutzung der technischen Lehre für die Vermarktung des von der Klägerin konzipierten „Advanced System“, nicht etwa auf eine Benutzung der (im Vertrag nicht näher aufgeführten) Schutzrechte für beliebige andere Systeme. Entscheidend ist dabei nicht die grammatische Frage, worauf sich der Relativsatz for which LHT grants to K. an exclusive user’s right bezieht (auf Advanced System oder – rechtstechnisch richtig – auf intellectual property rights); entscheidend ist vielmehr, dass die Schutzrechte, an welchen eine Lizenz gewährt wird, nicht benannt, sondern durch Bezugnahme auf das „Advanced System” umschrieben werden: Lizenziert werden diejenigen Schutzrechte der Klägerin, die für die Herstellung und Vermarktung des Advanced System benötigt werden. Das steht im Einklang mit dem Vertragszweck, das „Advanced System” zu Ende zu entwickeln und entsprechende Komponenten herzustellen und im Rahmen der dargestellten Kooperation zu vermarkten.

Es spricht viel dafür, angesichts dieser aus dem Vertrag selbst ersichtlichen Zweckbestimmung sowie angesichts der auf der Hand liegenden Bedeutung der Person des Lizenznehmers und Kooperationspartners in dem hochgradig sicherheitssensiblen technischen Bereich der Flugzeug-Bordelektrik und schließlich angesichts des Fehlens jeglicher Regelungen über Abrechnungen und Lizenzzahlungen für Nutzungen des Unterlizenznehmers einen konkludenten Ausschluss der Unterlizenzierung durch die K. anzunehmen. Selbst wenn ein solcher Ausschluss nicht angenommen würde, müsste zumindest von einem konkludent vereinbarten Vorbehalt der Zustimmung der Klägerin zu einer solchen Unterlizenzierung ausgegangen werden (zu dieser Möglichkeit vgl. BGH GRUR 1987, 37 juris-Rn. 24 – Videolizenzvertrag). Wegen der ausschließlich auf die Vermarktung des „Advanced System“ gerichteten Zweckbestimmung der erteilten Lizenz kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass die Lizenznehmerin K. befugt war, ohne vorherige Zustimmung der Klägerin einem Wettbewerber die Nutzung des Klagepatents im Wege der Unterlizenzierung zu gestatten. Damit würde sie nämlich dem Unterlizenznehmer weiter reichende Befugnisse einräumen als sie selbst hat. Auch K. war, wie sich aus dem Gesamtinhalt des Teaming Agreements mit Deutlichkeit ergibt, nicht berechtigt, die für das Advanced System relevanten technischen Schutzrechte der Klägerin für andere Systeme als das „Advanced System“ zu nutzen, etwa im Rahmen der Kooperation mit einem anderen Anbieter auf dem Markt."


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BGH: Keine Verjährungshemmung bei Falschangabe in Mahnbescheid zur angeblichen Gegenleistung - Zur Reichweite der Hemmung der Verjährung durch Zustellung eines Mahnbescheids

BGH
Urteil vom 16.07.2015
III ZR 238/14
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3, § 242; ZPO § 688 Abs. 2 Nr. 1, § 690 Abs. 1 Nr. 4


Der BGH hat entschieden, dass die Zustellung eines Mahnbescheids die Verjährung nicht hemmt, wenn der Antragsteller Falschangaben zur angeblichen Gegenleistung macht. Zudem hat der BGH nochmals präzisiert, welche Ansprüche ggf. von der Verjährungshemmung erfasst werden.

Leitsätze des BGH:

a) Die mit der Zustellung eines Mahnbescheids verbundene Hemmungswirkung erfasst den Streitgegenstand insgesamt und somit auch alle materiellrechtlichen Ansprüche, die zum Streitgegenstand gehören. Demgemäß erstreckt sich die Hemmungswirkung bei hinreichender Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs im Mahnantrag auf alle im Rahmen der Anlageberatung unterlaufenen Beratungsfehler (Fortführung der Senatsurteile vom 18. Juni 2015 - III ZR 303/14 und III ZR 198/14).

b) Die § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB grundsätzlich verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen (Anschluss an BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - XI ZR 536/14).

BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - III ZR 238/14 - OLG Bamberg - LG Schweinfurt

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BGH: Zur Reichweite des Nutzungsrechts, wenn ein Landesbediensteter in Erfüllung seiner Dienstpflichten ein urheberrechtlich geschütztes Werk geschaffen hat

BGH
Urteil vom 12.05.2010
I ZR 209/07
Lärmschutzwand
UrhG § 43

Leitsatz des BGH:

Unter normalen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Landesbediensteter, der in Erfüllung seiner Dienstpflichten ein urheberrechtlich geschütztes Werk geschaffen und seinem Dienstherrn hieran ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat, damit seine stillschweigende Zustimmung gegeben hat, dass der Dienstherr anderen Bundesländern zur Erfüllung der ihnen obliegenden oder übertragenen Aufgaben Unterlizenzen gewährt oder das Nutzungsrecht auf sie weiterüberträgt.
BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 209/07 - LG Frankfurt am Main
AG Frankfurt am Main


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