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OLG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Spitzenstellungsbehauptung durch Slogan" Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel" für Produkt "Wick Daynait"

OLG Frankfurt
Urteil vom 14.12.2023
6 U 197/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Spitzenstellungsbehauptung durch Werbung für das Erkältungsmittel "Wick Daynait" mit dem Slogan "Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel" vorliegt. Bei Erkältungsmitteln belegt das Produkt nicht den Spitzenplatz. Der Slogan ist so zu verstehen, dass das Produkt das meistverkaufte Erkältungsmittel ist und sich die Werbeaussage nicht auf ausschließlich auf spezielle "Tag und Nacht"-Erkältungsmittel bezieht. Daher liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung vor. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


OLG Düsseldorf: Eierlikörhersteller Verpoorten hat weder markenrechtliche noch wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen Mitbewerber wegen Verwendung des Slogans "Ei, Ei, Ei, Ei, Ei"

OLG Düsseldorf
Urteil vom 27.04.2023
20 U 41/22


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass der Eierlikörhersteller Verpoorten weder markenrechtliche noch wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen einen Mitbewerber wegen Verwendung des Slogans "Ei, Ei, Ei, Ei, Ei" hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Gestalt von Abmahnkosten besteht nicht.

1. Mit Recht hat das Landgericht entschieden, dass § 14 Abs. 6 MarkenG in Verbindung mit §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht kommt.

1.1. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass im Kennzeichen- und Wettbewerbsrecht Abmahnkosten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag unter der Voraussetzung erstattungsfähig sind, dass die Abmahnung begründet war (vgl. BGH GRUR 2012, 304 Rn. 21 - Basler Haar-Kosmetik; GRUR 2011, 617 Rn. 15 - Sed;Ingerl/Rohnke, MarkenG, 4. Auflage, Vor §§ 14 - 19d Rn. 296 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

1.2. Dies war hier nicht der Fall, denn der Klägerin stand der mit den ausgesprochenen Abmahnungen wegen der streitgegenständlichen Zeichenverwendung geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aufgrund einer Verwechselungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) noch aufgrund eines Bekanntheitsschutzes (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) zu. Die Beklagte hat die Klagemarke „Eieiei“ nicht verletzt.

a. Eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens ist gegeben, wenn es durch Dritte markenmäßig oder – was dem entspricht – als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (vgl. BGH GRUR 2019, 1053 Rn. 27 – ORTLIEB II). Damit die Marke nämlich ihre Aufgabe als wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs erfüllen kann, muss sie die Gewähr bieten, dass alle Waren oder Dienstleistungen, die sie kennzeichnet, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder erbracht worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55 Rn. 48 – Arsenal FC). Maßgeblich ist, ob der angesprochene Verkehr das Zeichen auch als Hinweis auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Betrieb versteht. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BGH GRUR 2019, 1289 Rn. 25 - Damen Hose MO). Abzustellen ist auf die Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 16 - pjur/pure). Die Tatsache, dass ein Zeichen vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen und damit als Marke erkannt wird, muss anhand der Umstände des Einzelfalls positiv festgestellt werden (vgl. BGH GRUR 2019, 522 Rn. 41 - SAM).

b. Davon ist auch das Landgericht ausgegangen und ist rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt, dass der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher - wie die Mitglieder des Senats als Teil der angesprochenen Verkehrskreise selbst feststellen können - in der streitgegenständlichen Zeichenverwendung keinen Hinweis auf die Herkunft einer Ware sieht. Die Klägerin beanstandet die fünffache Aufzählung des Begriffs „Ei“ jeweils im Rahmen einer Internet-Werbung für ein Produkt-Paket, das fünf verschiedene Sorten Eierlikör enthält. Angesichts dessen ist es für den Senat - ebenso wie für das Landgericht - unter Berücksichtigung der nachfolgend dargestellten maßgeblichen Umstände des Einzelfalls fernliegend, dass die angesprochenen Verkehrskreise in dem angegriffenen Text „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ einen Herkunftshinweis erblicken. Die Ausführungen der Berufung führen zu keiner abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

aa. Ein in diesem Zusammenhang zu berücksichtigender Umstand ist die Tatsache, dass der angegriffene Text „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ im Hinblick auf die Beschaffenheit des beworbenen Produkts - nämlich als Kernzutat von Eierlikör - glatt beschreibend ist.

(1) Bei dem Gebrauch einer beschreibenden Angabe kann eine markenmäßige Benutzung grundsätzlich nicht angenommen werden (vgl. BGH GRUR 2009, 502 Rn. 29 - pcb). Denn bestimmte Arten der Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken können keine Funktionen der geschützten Marke beeinträchtigen (vgl. EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 61 - L’Oréal/Bellure). Hat ein Wort beschreibenden Charakter, wird es vom Verkehr eher als Sachhinweis und nicht als Kennzeichen aufgefasst (so BGH GRUR 2017, 502 Rn. 26 - MICRO COTTON). Dabei ergibt sich der beschreibende Charakter in erster Linie aus dem Sinngehalt der betreffenden Bezeichnung. Maßgeblich für die Frage, ob der Verkehr das Zeichen nur beschreibend versteht, ist jedoch auch der Kontext, in der die gerügte Benutzungshandlung erfolgte.

(2) Mit dieser Maßgabe ordnen die angesprochenen Verkehrskreise dem angegriffenen Text „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ ohne besonderen gedanklichen Aufwand lediglich einen beschreibenden Begriffsinhalt zu und fassen ihn nicht als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen auf. Die Wortfolge besteht aus der fünffachen Wiederholung des Wortes „Ei“, jeweils getrennt durch ein Komma und Leerzeichen.

(a) Das Substantiv „Ei“ bezeichnet unter anderem eine „befruchtete oder nicht befruchtete weibliche tierische oder menschliche Keimzelle, ein „(von bestimmten Tieren, besonders Vögeln, gelegtes) von einer Schale umschlossenes, die Eizelle und meist Dotter und Eiweiß enthaltendes kugeliges, oft länglich ovales Gebilde“ oder ein „Hühnerei (als Nahrungsmittel)“ (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Ei). Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter „Ei“ das Hühnerei verstanden, das vom Menschen als Nahrungsmittel benutzt wird. Dies spiegelt sich auch in Lebensmittelverordnungen wieder, die das Ei als Lebensmittel bei fehlender Angabe der Tierart als Hühnerei definieren (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ei). Darüber hinaus hat das Ei für den Menschen auch eine kulturelle Bedeutung als Osterei (BPatG, Beschluss vom 21. September 2022, Az.: 29 W (pat) 508/21, zitiert nach juris). Das Nomen „Ei“ ist ferner Bestandteil zahlreicher Redensarten, so wie „jemanden mit [faulen] Eiern bewerfen (als Ausdruck starken Missfallens)“, „jemanden, etwas wie ein rohes Ei (sehr vorsichtig) behandeln“ oder „ach, du dickes Ei! (umgangssprachlich: Ausruf der Überraschung)“ (https://www.duden.de/ rechtschreibung/Ei) (BPatG, Beschluss vom 18. Juli 2021, Az.: 26 W (pat) 514/21, zitiert nach juris).

(b) In Alleinstellung ist das Wort „Ei“ für eine große Anzahl der in Warenklasse 33 beanspruchten Waren („Spirituosen“) ein schlagwortartiges Beschaffenheitsmerkmal und stellt als Zutatenangabe einen engen beschreibenden Bezug zu diesen Waren her. Eier oder Eierprodukte können nämlich Bestandteile alkoholischer Getränke sein, was den angesprochenen Verkehrskreisen auch bekannt ist. Dies rechtfertigt die Annahme, dass der Verkehr den glatt beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres erfasst und in dem angegriffenen Text „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ eine bloße Sachangabe erblickt, wobei dieses Verkehrsverständnis durch die Großschreibung des Wortes „Ei“ maßgeblich verstärkt wird.

bb. Im Hinblick auf die Frage der Geeignetheit zur Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion ist weiter festzustellen, dass das fünffache Aneinanderreihen des Wortes „Ei“ - durch Kommata und Leerzeichen getrennt - keine semantische oder syntaktische Besonderheit darstellt, die von einer Sachangabe wegführt und den angesprochenen Verkehrskreisen die Bedeutung eines betrieblichen Herkunftshinweises vermittelt.

(1) Die Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe ist ein werbeübliches rhetorisches Stilmittel, das der Rede Nachdruck verleihen soll. Es wird seit langem in der modernen Werbepsychologie verwendet, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen und den werbemäßig auffordernden Charakter zu unterstreichen, ohne dass der Verkehr dies als herkunftshinweisend wahrnimmt (vgl. BPatG, Beschluss vom 18. Juli 2021, Az.: 26 W (pat) 514/21, zitiert nach juris mit Hinweis auf BPatG, 30 W (pat) 566/20 – My-My/MY-MY; 29 W (pat) 36/20 – Vino WEINLOFT; 27 W (pat) 65/09 – AUTOAUTO!; 29 W (pat) 148/95 – Leute LEUTE; 29 W (pat) 198/92 – FalzFalz). Hervorzuheben ist, dass sowohl die Verdoppelung als auch die Verdreifachung des Wortes „Ei“ insbesondere in dem hier einschlägigen Produktbereich festzustellen ist (dazu ausführlich BPatG, Beschluss vom 18. Juli 2021, Az.: 26 W (pat) 514/21, zitiert nach juris). Ist dem Verkehr sowohl die Verdoppelung als auch die Verdreifachung des Wortes „Ei“ bzw. „ei“ bekannt, führt die hier in Rede stehenden fünfte Wiederholung nicht zu einer entscheidenden Änderung des Verkehrsverständnisses, sondern wird nur als eine weitere Verstärkung des Aufmerksamkeitseffekts wahrgenommen.

(2) Daneben wird die Interjektion „ei“ oft in der Kindersprache als Ausdruck der Verwunderung oder Überraschung verwendet, wie beispielsweise „ei, wo kommst du denn her?“ bzw. „Ei, der Daus“ oder als „Ausdruck der Zärtlichkeit“, wie zum Beispiel „ei [ei] machen (streicheln, liebkosen)“ (vgl. BPatG, BPatG, Beschluss vom 18. Juli 2021, Az.: 26 W (pat) 514/21, zitiert nach juris mit Hinweis auf https://www.duden.de/rechtschreibung/ei; https://de.wiktionary.org/wiki/ei).

(3) Dies zugrunde gelegt, entnehmen die angesprochenen Verkehrskreise dem angegriffenen Text „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ - soweit ihnen dieser in Alleinstellung entgegentritt - in Bezug auf die Waren der Warenklasse 33 entweder eine fünffach wiederholte und auf diese Weise besonders einprägsame schlagwortartige Zutatenangabe und/oder einen durch die Verfünffachung besonders eindringlich wirkenden Ausdruck des Erstaunens, der nur der werbemäßigen Anpreisung der vorgenannten Waren dient. Sie fassen den angegriffenen Text daher wahlweise als Beschaffenheitsangabe oder als werbliche Anpreisung, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Unternehmen auf (vgl. BPatG, Beschluss vom 18. Juli 2021, Az.: 26 W (pat) 514/21, zitiert nach juris). Die gegenteiligen Ausführungen der Berufung verfangen nicht.

cc. Ein weiterer im Rahmen der Gesamtwürdigung zu beachtender Umstand ist das durch die Art und Weise der Zeichenverwendung hervorgerufene Gesamterscheinungsbild der streitbefangenen Online-Werbung.

(1) Die Verkehrsauffassung wird auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (BGH, Urteil vom 09. Februar 2012, Az.: I ZR 100/10, GRUR 2012, 1040, Rn. 19 - pjur/pure). Maßgeblich für die Frage der markenmäßigen Benutzung ist, wie der Verkehr die beanstandete Verwendung des Zeichens auf der Internetseite versteht (OLG Köln, Urteil vom 24. Oktober 2014, Az.: 6 U 211/13, GRUR 2015, 596, Rn. 35 - Kinderstube). Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine kennzeichenmäßige Benutzungshandlung vorliegt, ist somit die Einbettung des Zeichens in sein Umfeld. Dabei ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen, insbesondere auf die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden.

(2) Vorliegend bestärkt das Präsentationsumfeld die angesprochenen Verkehrskreise in der Annahme, dass es sich bei der beanstandeten Wortfolge „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ um einen rein beschreibenden Hinweis dergestalt handelt, dass die in den beworbenen Eierlikör-Päckchen enthaltenen fünf Liköre allesamt die Zutat „Ei“ enthalten.

(a) Dies gilt in besonderer Weise für diejenige Präsentation, bei der der angegriffene Text „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ mit einem Osternest bebildert ist. Vor dem Hintergrund, dass Eier die Hauptzutat von Eierlikör sind und angesichts der kulturellen Bedeutung von Ostereiern, die - woran der Verkehr gewöhnt ist - eingebettet in Osternester dargestellt werden, erfasst der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als Zutatenhinweis ohne weiteres und auf den ersten Blick. Die Annahme, der Verkehr erblicke in den angegriffenen Zeichen ein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft ist fernliegend.

(b) Nichts anderes gilt für die Weihnachtswerbung. Hervorzuheben ist, dass die beanstandete Wortfolge „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ nicht in Alleinstellung - gewissermaßen zusammenhanglos - verwendet wird, sondern in der konkreten Aufmachung jedem „Ei“ jeweils bildlich eine Eierlikörflasche zugeordnet ist. Die fünffache Wiederholung des Wortes „Ei“ als rhetorisches Stilmittel findet gemäß der graphischen Anordnung ihre Entsprechung in den fünf beworbenen Eierlikörflaschen in fünf verschiedenen Geschmacksrichtungen. Zu betonen ist weiter, dass die fünf Eierlikörflaschen unterschiedlicher Geschmacksrichtungen jeweils ei-förmig umrahmt und damit eine auch nur bei flüchtigem Blick erkennbare optische Betonung erfahren haben. Hierzu hat das Landgericht in den Gründen der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass sowohl die Farbgebung als auch die Positionierung der Flasche innerhalb der Eiform jeweils den Eindruck eines dottergelben Eigelbs erwecken und dadurch den rein beschreibenden Charakter des Begriffs „Ei“ nochmals verstärken. Dem schließt sich der Senat vollumfänglich an. Hiergegen bringt auch die Klägerin nichts Substantielles vor. Entgegen der Berufung wird die rein beschreibende Verwendung der beanstandeten Wortfolge auch nicht dadurch zum Herkunftshinweis, dass damit zwei unterschiedliche Eierlikör-Päckchen - eins für Ostern, eins für Weihnachten - beworben wurden.

(3) Schließlich ist zu würdigen, dass oberhalb der beanstandeten Wortfolge „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ - wenn diese nicht in Alleinstellung auf der Produktverpackung angebracht ist - das eigene Unternehmenskennzeichen der Beklagten („Firma D.“) in einer den Gesamteindruck prägenden Art und Weise abgebildet ist. Die Klägerin irrt, wenn sie meint, das Unternehmenskennzeichen der Beklagten sei kaum wahrnehmbar. Dies trifft nicht zu. Der Schriftzug „Firma D.“ wird durch seine goldglänzende Farbe optisch betont und hebt sich zusätzlich dadurch vom Hintergrund ab, dass er in eine Art „Strahlen“ eingebettet ist. Auch diese hervorgehobene Platzierung des Unternehmenskennzeichens spricht gegen eine markenmäßige Verwendung der beanstandeten Wortfolge. Ohne Erfolg macht die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz geltend, aufgrund ihrer Bekanntheit und der jahrzehntelangen Kooperation mit unterschiedlichen Unternehmen sei es der Verkehr gewöhnt, auf Produktverpackungen neben der Klagemarke oder dem Unternehmenskennzeichen weitere Marken vorzufinden. Damit dringt sie nicht durch.

(a) Die Klägerin ist mit diesem neuen Vortrag, der von der Beklagten zulässigerweise bestritten worden ist, präkludiert. Neuer, streitiger Vortrag ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähig. Diese liegen hier nicht vor. Die Klägerin hat schon nicht dargetan, aus welchem Grund ihr entsprechendes Vorbringen nicht im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens möglich war. Angesichts dessen, dass die Parteien von Anfang an um die Frage der markenmäßigen Verwendung der beanstandeten Wortfolge gestritten haben, hätte für sie hinreichend Anlass bestanden, zu den Kennzeichnungsgewohnheiten der Lebensmittel- und Getränke- sowie insbesondere der Spirituosen-Branche vorzutragen. Dies war offenbar aus Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht geschehen.

(b) Im Übrigen sind die von der Klägerin in Bezug genommenen Beispiele (siehe Seiten 11 bis 17 der Berufungsbegründung vom 08. April 2022) auch in der Sache nicht geeignet, ein herkunftshinweisendes Verständnis des Wortes „Ei“ oder der Wortfolge „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ zu belegen. Im Gegenteil: Der Umstand, dass bei sämtlichen abgebildeten Beispielen explizit und graphisch hervorgehoben auf das Unternehmenskennzeichen „B.“ verwiesen wird, zeigt vielmehr, dass der Verkehr die von der Klägerin verwendete Wortfolge „Ei, Ei, Ei“ - in Alleinstellung - gerade nicht als Herkunftshinweis versteht. Nichts anderes gilt für die beanstandete Wortfolge „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“. Auf Grundlage des von der Klägerin gehaltenen Sachvortrages erschließt sich auch nicht, weshalb die angesprochenen Verkehrskreise davon ausgehen sollten, dass die Parteien über eine Kooperationsvereinbarung oder ähnliches miteinander verbunden sein sollen. Dafür spricht angesichts der Tatsache, dass sowohl die Klägerin als auch die Beklagte Eierlikör herstellen nichts, denn eine Kooperation wird der Verkehr nur bei Unternehmen vermuten, die unterschiedliche Produkte herstellen. Die Annahme, die Beklagte würde Eierlikör der Klägerin vertreiben, liegt danach aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers fern. Der Umstand, dass der beanstandeten Wortfolge drei Punkte nachgestellt sind („Ei, Ei, Ei, Ei, Ei…“), führt zu keiner anderen Beurteilung. Weil aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nichts dafür spricht, dass die Parteien über eine Kooperationsvereinbarung oder ähnliches miteinander verbunden sein könnten, werden sie auch die drei Punkte nicht als - versteckten - Hinweis auf die Klägerin begreifen. Eine solchermaßen interpretierende und mehrere gedankliche Zwischenschritte voraussetzende Betrachtungsweise nehmen sie nicht vor.

c. Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, das Landgericht habe verkannt, dass es sich bei der Klagemarke um eine bekannte Marke handele mit der Folge, dass für eine markenmäßige Verwendung eine gedankliche Verknüpfung ausreichend sei. Dem folgt der Senat nicht.

aa. Es kann schon im Ausgangspunkt nicht angenommen werden, dass es sich bei der Klagemarke „Eieiei“ um eine bekannte Marke handelt. Die Behauptung der Klägerin, auf jeder Eierlikörflasche befinde sich mindestens eine in das Glas eingearbeitete Prägung, die die Klagemarke „Eieiei“ wiedergebe, wird durch die von ihr vorgelegten Lichtbilder nicht gestützt. Im Gegenteil: Die Darstellung auf Seite 44 der Berufungsbegründung vom 08. April 2022 zeigt, dass die Wortfolge „Ei, ei, ei…“ - mit Kommata und Leerzeichen - in das Glas geprägt ist. Dass die Klagemarke bekannt ist, folgt nicht allein daraus, dass auf den Kartons, die bei Abgabe mehrerer Eierlikörflaschen verwendet werden, sowie in Flyern und Broschüren stets der Domainname „eieiei.B.“ abgedruckt ist (siehe dazu Verpackungsbeispiele auf Seite 47 der Berufungsbegründung vom 08. April 2022 sowie Anlage K 17). In der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise liegt darin eine für das Internet typische und übliche Verkürzung unter Weglassung von Leerzeichen und Kommata.

bb. Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen belegen allenfalls eine umfangreiche Verwendung des Werbeslogans „Ei, Ei, Ei B.“, was jedoch gerade keine besondere Bekanntheit der Klagemarke „Eieiei“ begründet.

(1) Zu betonen ist, dass in den von der Klägerin umfangreich verwendeten Werbeslogan („Ei, Ei, Ei B.“) die Klagemarke („Eieiei“) keinen Eingang gefunden hat. In der Klagemarke findet - anders als im Werbeslogan - gerade keine Trennung zwischen den „Ei“-Elementen statt. Damit nimmt die Klagemarke Bezug auf die Interjektion „ei“, die von den angesprochenen Verkehrskreisen - wie bereits dargetan - als Ausdruck der Verwunderung und Überraschung verstanden wird. Genau diese Bezugnahme fehlt dem Zeichen „Ei, Ei, Ei“, das als glatt beschreibende Aufzählung einer Zutatenangabe verstanden wird.

(2) Überdies hat die Klägerin das Zeichen „Ei, Ei, Ei“, der sich - wie zuvor ausgeführt - wesentlich von der Klagemarke „Eieiei“ unterscheidet, in dem Werbeslogan mit dem Unternehmenskennzeichen „B.“, also einem Wortelement mit eigenständiger Kennzeichnungskraft, verbunden, womit eine Veränderung des kennzeichnenden Charakters bewirkt wird. Dies gilt hier umso mehr, als dass es sich bei dem Element„B.“ um den einzigen kennzeichnungskräftigen Bestandteil in dieser Wortkombination handeln dürfte (siehe dazu BPatG, Beschluss vom 21. September 2022, Az.: 29 W (pat) 508/21, zitiert nach juris).

(3) Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich der Werbeslogan („Ei, Ei, Ei B.“) unstreitig an den in den 1960er Jahren populären Schlager „Ay, Ay, Ay, Maria aus Bahia“ anlehnt. Durch die Kombination der Wortfolge „Ei, Ei, Ei“ mit dem Zeichen„B.“ und die dadurch entstehende Bezugnahme auf diesen Schlagertitel erhält der Werbeslogan einen eigenständigen kennzeichnenden Charakter. Aus der maßgeblichen Verkehrssicht sind die verbundenen Teile zu einer Einheit verschmolzen mit der Folge, dass der Verkehr darin ein einheitliches Zeichen erkennt. Das gilt auch für die Mitglieder der angesprochenen Verkehrskreise, denen der Schlager „Ay, Ay, Ay, Maria aus Bahia“ unbekannt ist. Auch von ihnen wird der Werbeslogan („Ei, Ei, Ei“ und „B.“) als Werbeaussage verstanden, mit der - unter Verwendung werbeüblicher Stilmittel - im Sinne eines Beschaffenheitsmerkmals darauf hingewiesen wird, dass Eier wesentlicher Bestandteil der von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Produkte sind. Die Wortfolge „Ei, Ei, Ei“ verbindet sich mit dem Zeichen „B.“ zu einem Gesamtbegriff, der als Einheit wahrgenommen wird.

2. Davon ausgehend, dass eine kennzeichenmäßige Benutzung des angegriffenen Zeichen „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ zu verneinen ist, bedarf es keiner Ausführungen des Senats zur markenrechtlichen Verwechselungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Gleiches gilt, soweit die Parteien über den markenrechtlichen Bekanntheitsschutz im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG streiten und zwar unabhängig davon, dass in Bezug auf die Klagemarke „Eieiei“ - wie dargetan - nicht feststellbar ist, dass es sich um eine bekannte Marke handelt.

3. Auch aus dem Schutz von Unternehmenskennzeichen ergibt sich kein Unterlassungsanspruch der Klägerin. Sie kann nicht mit Erfolg geltend machen, die in Rede stehende Bezeichnung „Eieiei“ bzw. „Ei, Ei, Ei“ sei als Geschäftsabzeichen im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 MarkenG geschützt. Nach Maßgabe der bereits angestellten Erwägungen kann nicht von einem kennzeichenmäßigen Gebrauch der in Rede stehenden Zeichen (ohne den Zusatz „B.“) ausgegangen werden, denn es handelt sich - wie dargetan - um eine schlichte Zutatenangabe, der aus der maßgeblichen Sicht eines Durchschnittsverbrauchers keine betriebliche Herkunftshinweisfunktion zukommt. Der Senat verkennt nicht, dass bei bekannten Unternehmenskennzeichen die Einbeziehung von Benutzungshandlungen geboten sein kann, die eine gedankliche Verknüpfung mit dem bekannten Unternehmenskennzeichen hervorrufen, auch wenn darin noch keine klassische kennzeichenmäßige Benutzung zu sehen ist. Hieraus ergibt sich jedoch keine für die Klägerin günstige Rechtsfolge, da dem Verbraucher die in Rede stehende Bezeichnung „Eieiei“ bzw. „Ei, Ei, Ei“ stets und nur in Kombination mit dem Zusatz „B.“ geläufig ist. Der bekannte Werbeslogan lautet nun einmal „Ei, Ei, Ei B.“ (und eben nicht „Eieiei“ bzw. „Ei, Ei, Ei“).

4..Auf Grundlage der vorstehenden Ausführungen ergibt sich schließlich auch kein Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten aus § 4 Nr. 3 UWG. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz für nicht gegeben erachtet hat. Das Landgericht ist aufgrund der zur markenmäßigen Verwendung des angegriffenen Zeichens angestellten Erwägungen folgerichtig zu dem Ergebnis gelangt, dass der Wortfolge „Ei, Ei, Ei“ schon keine wettbewerbliche Eigenart zukommt. Dies hält der Nachprüfung durch den Senat stand. Das Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz gibt keinen Anlass zu ergänzenden Ausführungen. Die Berufung irrt, wenn sie meint, der Werbeslogan „Ei, Ei, Ei“ (wohlgemerkt ohne den Zusatz „B.“) habe sich aufgrund der intensiven und langjährigen Benutzung als Herkunftshinweis auf das Unternehmen der Klägerin etabliert. Diese Ansicht teilt der Senat - ebenso wie das Landgericht - aus den bereits dargelegten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, nicht.

5. Es bedarf keiner Entscheidung des Senats, ob als Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch die von der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 18. Februar 2020 abgegebene Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung in Betracht kommt. Die Klägerin hat ihren Unterlassungsbegehren im Rahmen dieses Rechtsstreits auf eine Markenverletzung gestützt und sich hilfsweise auf die Verletzung wettbewerbsrechtlichen Vorschriften aus dem UWG berufen, sich mithin eines gesetzlichen Unterlassungsanspruches berühmt. Will die Klägerin den Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte auch aus einem Unterlassungsvertrag ableiten, so liegt ein eigener Streitgegenstand vor (siehe dazu Thiering, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 14 Rn. 641 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), der jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Spitzenstellungsbehauptung in der Werbung für Erkältungsmittel Wick Daynait - "Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel"

LG Frankfurt
Urteil vom 01.11.2022
3-06 O20/2


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Spitzenstellungsbehauptung in der Werbung für das Erkältungsmittel "Wick Daynait" durch den Slogan "Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel" vorliegt. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass ein durchschnittlicher Verbraucher die Aussage so versteht, dass das Produkt das meistverkaufte Erkältungsmittel ist und sich die Aussage nicht auf spezielle "Tag und Nacht"-Erkältungsmittel bezieht. Bei Erkältungsmitteln belegt das Produkt nur den 7. Platz. Daher liegt nach Ansicht des Gerichts eine Irreführung vor. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


OLG Hamm: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen Art. 10 HCVO durch Werbeaussage "Volle Power für Ihr Immunsystem" in unmittelbarer Nähe zu Produkten

OLG Hamm
Urteil vom 11.08.2022
4 U 81/21


Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen Art. 10 HCVO durch Platzierung der Werbeaussage "Volle Power für Ihr Immunsystem" in unmittelbarer Nähe zu Produkten vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der erstinstanzlich zuerkannte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger jedenfalls aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. §§ 3 Abs. 1, 3a UWG, Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (nachfolgend: HCVO) zu.

a) Der Kläger ist nach den mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert.

b) Bei Art. 10 HCVO handelt es sich um eine Marktverhaltensregel i. S. v. § 3a UWG (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2016 – I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200, Rn. 12 mwN., zit. nach juris – Repair-Kapseln).

c) Das Landgericht hat ferner zutreffend festgestellt, dass die Beklagte mit der streitgegenständlichen Werbung gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO verstoßen hat.

Gem. Art. 10 Abs. 1 HCVO sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind.

aa) Der Anwendungsbereich der HCVO ist eröffnet. Bei den neben bzw. unmittelbar unter der streitgegenständlichen Überschrift nebst Grafik abgebildeten Produkten handelt es sich um Lebensmittel i. S. d. Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und damit auch um ein Lebensmittel i. S. d. HCVO (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a) HCVO). Auch nach Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2002/46/EG über Nahrungsergänzungsmittel gelten Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel (vgl. Senatsurteil vom 24.02.2015 – 4 U 72/14, Rn. 81, zit. nach juris).

bb) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Abbildung auf dem sog. „Slider“ um gesundheitsbezogene Angaben i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 HCVO und nicht lediglich einen grafisch besonders veranschaulichten bzw. hervorgehobenen „Themenwegweiser“ handelt.

(1) Auch zur Überzeugung des Senats handelt es sich bei der beanstandeten Darstellung um eine nicht obligatorische Aussage bzw. Darstellung, die insbesondere durch das grafische Element einer diversen Krankheitserregern entgegengestreckten Hand symbolhaft zum Ausdruck bringt, dass die unmittelbar darunter abgebildeten Produkte der Beklagten besondere Eigenschaften besitzen, nämlich eine die körpereigene Immunabwehr zumindest stärkende Wirkung (Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO).

Zu den Angaben im vorgenannten Sinne zählen alle in der Etikettierung oder – wie hier – Bewerbung von Lebensmitteln in irgendeiner Weise zum Ausdruck gebrachten – nicht obligatorischen – Aussagen oder Darstellungen, die bei einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervorrufen können, ein bestimmtes Lebensmittel besitze besondere Eigenschaften (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2015 – I ZR 222/13, GRUR 2016, 412, Rn. 17 mwN., zit. nach juris – Lernstark). Dies ist – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – vorliegend der Fall.

Insbesondere handelt es sich bei der angegriffenen Darstellung um eine produktbezogene Werbung der Beklagten und nicht lediglich um eine allgemeine „Themenüberschrift“ oder einen „Wegweiser“ i. S. bspw. eines bestimmten Menüpunktes auf einer Navigationsleiste des Internetauftritts der Beklagten. Zutreffend weist der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sowohl die Grafik als auch die Überschrift „Volle Power für Ihr Immunsystem“ im unmittelbaren Zusammenhang mit der bildlichen Darstellung konkreter Produkte der Beklagten stehen.

Anders als bei einer mit einem Menüpunkt auf einer Navigationsleiste vergleichbaren „Themenüberschrift“ oder einem „Wegweiser“ befand sich die angegriffene Darstellung – wie die Beklagte mit außergerichtlichem Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 16.04.2020 selbst eingeräumt hat – auf der Startseite ihres Internetauftritts www.A.de direkt unterhalb der Menüleiste auf einem sog. „Slider“, auf dem – wie den Mitgliedern des schwerpunktmäßig mit Streitigkeiten auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes befassten Senats hinreichend bekannt ist – typischerweise (tages-)aktuelle Werbung verbunden mit Links zu den entsprechenden Produkten eingeblendet wird und sich mittels eines Klicks auf einen der beiden Pfeile am rechten und linken Bildrand aus dem Blickfeld des Betrachters verschieben lässt bzw. nach einer bestimmten vorgegebenen Zeit selbst zugunsten einer anderen Werbeanzeige verschiebt. Der Senat geht hierbei zudem davon aus, dass die angegriffene Werbung durchaus im Zusammenhang mit dem damaligen Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 zu sehen ist, wenn es hierauf auch weder entscheidungserheblich ankommt noch die Pandemie in der Anzeige explizit erwähnt wird.

(2) Zu Recht hat das Landgericht ferner festgestellt, dass es sich um gesundheitsbezogene Angaben i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO handelt.

(a) Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO ist eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne dieser Verordnung jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff „Zusammenhang“ ist dabei weit zu verstehen. Der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert. Die Frage, ob eine Aussage auf das gesundheitliche Wohlbefinden abzielt, ist anhand der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 HCVO aufgeführten Fallgruppen zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2016 – I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200, Rn. 19 mwN., zit. nach juris – Repair-Kapseln).

(b) Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei der beanstandeten Überschrift „Volle Power für Ihr Immunsystem“ nebst nebenstehender Grafik um gesundheitsbezogene Angaben, weil hierdurch aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht lediglich im Sinne einer „Themenüberschrift“ die Funktion der körpereigenen Immunabwehr abstrakt dargestellt, sondern wegen der unmittelbar darunter abgebildeten und – wie bereits vorstehend ausgeführt – damit zugleich konkret beworbenen Produkte der Beklagten ein Zusammenhang zwischen der Einnahme eben dieser von der Beklagten vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel einerseits und der Gesundheit andererseits suggeriert wird. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Darstellung wie vorliegend für die Annahme eines Zusammenhangs genügt, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Produktes impliziert.

Die Werbeaussage zielt dabei auch auf eine der Fallgruppen der Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 HCVO ab, nämlich Art. 13 Abs. 1 lit. a) HCVO. Hierzu gehören insbesondere das Wachstum, die Entwicklung und sämtliche sonstigen Körperfunktionen. Nach dieser allgemeinen und weitgefassten Umschreibung gehören auch die Funktion des körpereigenen Immunsystems zum Gesundheitsbegriff der HCVO. Hiervon geht auch der Verordnungsgeber der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 aus, der Angaben über die „normale Funktion des Immunsystems“ zu den gesundheitsbezogenen Angaben i. S. d. HCVO rechnet. Nichts anderes kann für die – lediglich etwas „reißerischer“ formulierte und zudem grafisch verdeutlichte – Aussage der Beklagten über „Volle Power für Ihr Immunsystem“ gelten (vgl. Senatsurteil vom 24.02.2015 – 4 U 72/14, Rn. 82, zit. nach juris).

cc) Nach den zutreffenden und – soweit ersichtlich – mit der Berufung auch nicht angegriffenen weiteren Feststellungen des Landgerichts liegt ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO letztlich schon deshalb vor, weil die in der beanstandeten Werbung enthaltenen Angaben nicht mit zugelassenen Angaben inhaltsgleich sind, da sie nicht erkennen lassen, auf welchen der in der Liste der zugelassenen Angaben aufgeführten Nährstoffe, Substanzen, Lebensmittel oder Lebensmittelkategorien die behauptete Wirkung der „Vollen Power für Ihr Immunsystem“ beruht.

(1) In der im Anhang zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012 enthaltenen Liste der zugelassenen Angaben ist jeweils eine bestimmte Wirkung in Beziehung zu einem bestimmten Nährstoff, einer bestimmten Substanz, einem bestimmten Lebensmittel oder einer bestimmten Lebensmittelkategorie gesetzt. Eine gesundheitsbezogene Angabe, die nicht erkennen lässt, auf welchen der in der Liste der zugelassenen Angaben im Anhang zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012 aufgeführten Nährstoffen, Substanzen, Lebensmitteln oder Lebensmittelkategorien die behauptete Wirkung eines Produkts beruht, ist daher mit den zugelassenen Angaben nicht inhaltsgleich und somit unzulässig. Das ergibt sich auch aus dem Zweck der Verordnung, sicherzustellen, dass gesundheitsbezogene Angaben wahrheitsgemäß, klar, verlässlich und für den Verbraucher hilfreich sind (Erwägungsgrund 9 Satz 1 der Verordnung). Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn die verwendete Angabe und die zugelassene Angabe auf den gleichen Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem Lebensmittelbestandteil und einer bestimmten Wirkung auf die Gesundheit hinweisen (vgl. Erwägungsgrund 9 Satz 3 der Verordnung). Die Annahme einer inhaltlichen Übereinstimmung zwischen zugelassener und verwendeter Angabe setzt daher voraus, dass die zugelassene Angabe und die verwendete Angabe hinsichtlich des Nährstoffs oder der anderen Substanz oder des Lebensmittels oder der Lebensmittelkategorie, für die die Angabe zugelassen wurde bzw. verwendet wird, übereinstimmen (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2016 – I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200, Rn. 34 f. mwN., zit. nach juris – Repair-Kapseln).

(2) Die in der beanstandeten Werbung enthaltene pauschale Angabe „Volle Power für Ihr Immunsystm“ in Verbindung mit der grafischen Darstellung eines in Abwehrhaltung befindlichen Menschen, der sich gegen unterschiedliche Krankheitserreger zur Wehr setzt, genügt diesen Anforderungen nicht. In der beanstandeten Werbeaussage ist keiner derjenigen Nährstoffe genannt, für den nach der im Anhang zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012 enthaltenen Liste die Angabe zugelassen ist, dass er „zu einer normalen Funktion des Immunsystems beiträgt“. Die bloße Angabe einer bestimmten Wirkung ohne Benennung des Nährstoffs, der Substanz, des Lebensmittels oder der Lebensmittelkategorie, auf der diese Wirkung nach der Liste der zugelassenen Angaben beruht, ist mit der zugelassenen Angabe aber nicht inhaltsgleich und daher unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2016 – I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200, Rn. 36 f. mwN., zit. nach juris – Repair-Kapseln).

d) Der Verstoß gegen die vorgenannte Marktverhaltensregel ist – wie das Landgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat – letztlich auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar i. S. v. § 3a UWG zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2016 – I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200, Rn. 12 mwN., zit. nach juris – Repair-Kapseln).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Wettbewerbswidrige Irrführung nach § 3 HWG durch Bewerbung eines Grippemittels mit Slogan "Symptome ihr könnt mich mal! Ich überspring das Schlimmste"

LG München
Urteil vom 27.09.2022
1 HK O 3681/22


Das LG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irrführung nach § 3 HWG durch Bewerbung eines Grippemittels mit dem Slogan "Symptome ihr könnt mich mal! Ich überspring das Schlimmste“ vorliegt. Ein Durchschnittsverbraucher versteht den Slogan so, dass durch die Einnahme der Arznei, die schlimmsten Symptome verhindert werden können. Tatsächlich tritt aber nur eine Linderung ein. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

Volltext BGH liegt vor: Online-Vertragsgenerator des Legal Tech Anbieters smartlaw verstößt nicht gegen Rechtsdienstleistungsgesetz

BGH
Urteil vom 09.09.2021
I ZR 113/20
Vertragsdokumentengenerator
UWG § 3a; RDG § 2 Abs. 1, § 3

Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Online-Vertragsgenerator des Legal Tech Anbieters smartlaw verstößt nicht gegen Rechtsdienstleistungsgesetz über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Die Erstellung eines Vertragsentwurfs mithilfe eines digitalen Rechtsdokumentengenerators, bei dem anhand von Fragen und vom Nutzer auszuwählenden Antworten standardisierte Vertragsklauseln abgerufen werden, stellt keine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG dar.

BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/20 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Online-Vertragsgenerator des Legal Tech Anbieters smartlaw verstößt nicht gegen Rechtsdienstleistungsgesetz

BGH
Urteil vom 09.09.2021
I ZR 113/20
Vertragsdokumentengenerator


Der BGH hat entschieden, dass der Online-Vertragsgenerator des Legal Tech Anbieters smartlaw nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt.

Die Pressemitteilung des BGH:

Zulässigkeit eines digitalen Vertragsdokumentengenerators

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein juristischer Fachverlag einen digitalen Rechtsdokumentengenerator betreiben darf, mit dem anhand eines Frage-Antwort-Systems und einer Sammlung abgespeicherter Textbausteine Vertragsdokumente erzeugt werden.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltskammer. Die Beklagte ist ein juristischer Fachverlag. Sie stellt im Internet einen digitalen Generator zur Erstellung von Verträgen und anderen Rechtsdokumenten bereit, die Kunden im Rahmen eines Abonnements oder im Wege des Einzelkaufs erwerben können. Hierzu werden dem Kunden verschiedene Fragen gestellt, die er - überwiegend im Multiple-Choice-Verfahren - beantworten muss. Anhand der Antworten werden mithilfe einer Software aus einer Sammlung von Textbausteinen Vertragsklauseln generiert, die zu einem Vertragsentwurf zusammengestellt werden.

Die Klägerin sieht in der digitalen Erstellung eines individuellen Vertragsdokuments eine wettbewerbswidrige Rechtsdienstleistung und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht den Unterlassungsantrag abgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die Erstellung eines Vertragsentwurfs mithilfe des digitalen Rechtsdokumentengenerators ist keine nach § 3a UWG unlautere Handlung, weil sie keine unerlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1, § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) darstellt. Die Tätigkeit der Beklagten besteht darin, mithilfe der programmierten und im Internet bereitgestellten Software Vertragsdokumente anhand der Vorgaben der Nutzer zu erstellen. Dabei wird sie nicht in einer konkreten Angelegenheit des Nutzers tätig. Sie hat die Software auf der Grundlage von denkbaren typischen Sachverhaltskonstellationen programmiert, zu denen sie im Vorgriff auf die vorgegebenen Antworten standardisierte Vertragsklauseln entwickelt hat. Die über den üblichen Fall hinausgehenden individuellen Verhältnisse des Anwenders finden - ähnlich wie bei einem Formularhandbuch - bei der Erstellung des Vertragsdokuments keine Berücksichtigung. Der Nutzer erwartet daher auch keine rechtliche Prüfung seines konkreten Falls.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 8. Oktober 2019 - 31 O 35/19

OLG Köln - Urteil vom 19. Juni 2020 - 6 U 263/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 2 Abs. 1 RDG

Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.

§ 3 RDG

Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.



OLG Koblenz: Keine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit der Aussage "E-Zigaretten retten Leben"

OLG Koblenz
Urteil vom 03.02.2021
9 U 809/20


Das OLG Koblenz hat entschieden, dass die Werbung mit der Aussage "E-Zigaretten retten Leben" keine wettbewerbswidrige Irreführung darstellt. Nach Ansicht des Gerichts wird durch diesen Slogan nicht der Eindruck erweckt, dass E-Zigaretten gesundheitlich unbedenklich sind. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

LG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Tesla-Werbung für Tesla Model 3 mit "Autopoliot" und "Volles Potenzial für autonomes Fahren"

LG München
Urteil vom 14.07.2020
33 O 14041/19


Das LG München hat entschieden, dass ein wettbewerbswidrige Irreführung durch den Autohersteller Tessla vorliegt, wenn das Tesla Model 3 mit "Autopoliot" und "Volles Potenzial für autonomes Fahren" beworben wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Werbung mit Autopilot irreführend für Verbraucher

Die auf Marken- und Wettbewerbsrecht spezialisierte 33. Zivilkammer des Landgerichts München I hat mit Urteil vom 14.07.2020 einer Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. vollumfänglich stattgegeben, mit der sich diese gegen bestimmte werbliche Aussagen der Beklagten Tesla Germany GmbH wendet (Az. 33 O 14041/19). Kern der Auseinandersetzung war die Bezeichnung des Fahrassistenzsystems, mit dem die Beklagte ihre Fahrzeuge serienmäßig ausstattet, als „Autopilot“ sowie die Bewerbung einzelner separat buchbarer Komponenten unter der Überschrift "Volles Potenzial für autonomes Fahren".

Der beanstandete, in den Bestellvorgang des Fahrzeugs Typ "Model 3" integrierte Text auf der Website der Tesla Germany GmbH lautete im Juli 2019:

„Autopilot|Inklusive

Ermöglicht automatisches Lenken, Beschleunigen und Bremsen unter Berücksichtigung von Fahrzeugen und Fußgängern auf seiner Spur.
Volles Potenzial für autonomes Fahren
Navigieren mit Autopilot-Funktionalität: automatische Fahrt auf Autobahnen von der Ein- bis zur Ausfahrt einschließlich Autobahnkreuzen und Überholen von langsameren Fahrzeugen.
Einparkautomatik: paralleles und rechtwinkliges Einparken.
"Herbeirufen": Ihr geparktes Auto findet Sie auf Parkplätzen und kommt zu Ihnen. Unglaublich, aber wahr!
Bis Ende des Jahres:
Ampel-/Stoppschilder Erkennung mit Anhalte-/Anfahrautomatik
Automatisches Fahren innerorts.
Sie können das Funktionspaket für autonomes Fahren auch nach der Auslieferung erwerben. Allerdings wird sich der Preis aufgrund der kontinuierlichen Erweiterung mit neuen Merkmalen im Laufe der Zeit wahrscheinlich erhöhen.
Die gegenwärtig aktivierten Funktionen verlangen eine aktive Überwachung durch den Fahrer - ein autonomer Betrieb des Fahrzeugs ist damit nicht möglich. Die Aktivierung und Verwendung von Autonomiefunktionen verlangen dagegen den Nachweis über Milliarden von gefahrenen Kilometern, dass ihre Zuverlässigkeit das Vermögen von menschlichen Fahrern weit überschreitet. Zudem sind für den autonomen Betrieb gesetzliche Genehmigungen erforderlich, die je nach Rechtsprechung noch länger dauern dürften. Im Zuge der Weiterentwicklung dieser Selbstfahrfähigkeiten wird Ihr Fahrzeug kontinuierlich über Mobilfunk aktualisiert und aufgewertet.“

Nach Auffassung der Kammer stellen sich sowohl die Werbeaussage als Ganzes als auch vom Kläger separat angegriffene Bestandteile als irreführende geschäftliche Handlungen gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG dar. Denn die Verwendung der maßgeblichen Begriffe und Formulierungen erwecke bei den angesprochenen Verkehrskreisen – im konkreten Fall den Durchschnittsverbrauchern – eine Vorstellung, die mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht in Einklang stehe. In tatsächlicher Hinsicht handele es sich sowohl beim Tesla-Autopiloten als auch bei dem zubuchbaren Paket „Volles Potenzial für autonomes Fahren“ um Komponenten eines Fahrassistenzsystems, bei dem eine Fahrt, ohne dass menschliches Eingreifen erforderlich wäre, nicht möglich ist. Durch die Verwendung der Bezeichnung „Autopilot“ und anderer Formulierungen suggeriere die Beklagte aber, ihre Fahrzeuge seien technisch in der Lage, vollkommen autonom zu fahren. Weiter werde der Eindruck erweckt, ein autonomer Fahrzeugbetrieb sei in der Bundesrepublik Deutschland straßenverkehrsrechtlich zulässig, was jedoch nach den geltenden Vorschriften des StVG (§§ 1a f StVG) nicht der Fall sei. Der von der Beklagten vorgehaltene Hinweis am Ende der Website beseitige die Irreführung mangels inhaltlicher Klarheit und Transparenz nicht.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Volltext OLG Köln liegt vor: Kein Verstoß gegen Rechtsdienstleistungsgesetz durch Vertragsgenerator des Legal Tech Anbieters smartlaw - Werbung mit "Anwaltsqualität" wettbewerbswidrig

OLG Köln
Urteil vom 19.06.2020
6 U 263/19


Das OLG Köln hat entschieden, dass kein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) durch den Vertragsgenerator des Legal Tech Anbieters smartlaw vorliegt. Die Werbung mit "Anwaltsqualität" ist hingegen wettbewerbswidrig. Die Beklagte hatte die Berufung nach Hinweis durch das OLG insoweit zurückgenommen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

"Legal Tech: Vertragsgenerator zulässig

Computerprogramm zur Erstellung von Rechtsdokumenten verstößt nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz

Ein elektronischer Generator von Rechtsdokumenten verstößt nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Urteil vom 19.06.2020 entschieden und ein anderslautendes Urteil des Landgerichts Köln abgeändert.

Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg hatte gegen das von einem juristischen Verlag vertriebene Produkt geklagt. Das Programm richtet sich an fachfremdes Publikum. Mit seiner Hilfe können Verbraucher in unterschiedlichen Rechtsgebieten Rechtsdokumente, insbesondere Verträge, erstellen, nachdem sie durch einen Frage-Antwort-Katalog geführt worden sind. Der Verlag hatte das Produkt u.a. mit der Aussage beworben, es erzeuge "Rechtsdokumente in Anwaltsqualität" und sei "günstiger und schneller als der Anwalt". Die Rechtsanwaltskammer hatte sich sowohl gegen die Werbung als auch gegen das Produkt gewandt. Sie war der Auffassung, dass das Programm der Rechtsanwaltschaft vorbehaltene Rechtsdienstleistungen erbringe (§§ 2, 3 RDG). Dagegen hatte der Verlag argumentiert, dass der Vertragsgenerator ähnlich wie die seit vielen Jahren etablierten Programme zur Erstellung der Steuererklärung wirke. Zielgruppe seien Personen, die ihre Verträge ohne anwaltliche Hilfe selbst erstellen würden und bisher auf gedruckte Formulare und Muster zurückgegriffen hätten.

Der 6. Zivilsenat des Oberlandegerichts Köln hat die Klage abgewiesen und ein anderslautendes Urteil des Landgerichts Köln abgeändert. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 1 RDG ein Verbot ableiten lasse. Auch der Bundesgerichtshof habe sich in seiner "wenigermiete.de"-Entscheidung vor dem Hintergrund der Deregulierung und Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes für eine großzügige Betrachtung ausgesprochen. Der vom Rechtsdienstleistungsgesetz bezweckte Schutz vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen erfordere das Verbot des Programms nicht. Vertragsgestaltung möge im Einzelfall eine Königsdisziplin der anwaltlichen Beratung sein. Ein Dokumentengenerator erweitere aber lediglich das bestehende Hilfsangebot von Vorstücken oder Formularhandbüchern zur Erledigung der eigenen Rechtsangelegenheiten in eigener Verantwortung um eine naheliegende digitale Möglichkeit. Ein Schutz vor unqualifizierter Rechtsberatung müsse nur dort gewährleistet werden, wo eine rechtliche Beratung tatsächlich oder vorgeblich stattfinde. Für die Nutzer sei aber ohne weiteres erkennbar, dass der Dokumentengenerator nach einem Frage-Antwort-Schema vorgegebene Wortbausteine miteinander kombiniere und dass das Ergebnis von der Qualität der Bausteine und der im Programm vorgegebenen logischen Verknüpfungen einerseits sowie andererseits von der Richtigkeit, Sinnhaftigkeit und Stimmigkeit der eigenen Auswahlentscheidungen abhängt.

Zu den Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 RDG hat der Senat u.a. ausgeführt: Nach der Vorschrift sei nur eine "Tätigkeit in konkreter fremder Angelegenheit, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert" verboten. Die Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Das Programm selbst entfalte keine "Tätigkeit" im Sinne der Vorschrift. Eine "Tätigkeit" erfordere nämlich eine menschliche oder zumindest mitdenkende Aktivität. Ein rein schematisch ablaufender Subsumtionsvorgang, der vorgegebene Ja-/Nein-Entscheidungsstrukturen abarbeite, erfülle diese Voraussetzung dagegen nicht. Ob dies beim Einsatz echter künstlicher Intelligenz anders zu bewerten sei, sei nicht zu entscheiden gewesen. Das Programmieren der abstrakten rechtlichen Entscheidungsbäume sei zwar eine Tätigkeit, aber diese betreffe keine "konkreten" fremden Angelegenheiten. Außerdem beträfen die in das Programm eingeflossenen juristischen Wertungen keine "rechtliche Prüfung des Einzelfalles", sondern eine Vielzahl denkbarer Fälle. Das Programm laufe erkennbar nach einer festgelegten Routine in einem Frage-/Antwortschema ab, mit dem ein Sachverhalt in ein vorgegebenes Raster eingefügt werde. Streng logisch ablaufende und zu immer den gleichen eindeutigen Ergebnissen führende Verfahren seien daher auch nicht als objektive Rechtsprüfung im Rahmen einer juristischen Subsumtion zu bewerten. Die Kunden, die das Programm benutzten, handelten schließlich nicht in "fremder" Angelegenheit, sondern in eigener Sache. Jedem, der das Programm tatsächlich benutze, sei klar, dass er bei der Auswahl der Optionen keinen Rechtsrat erhalte, sondern in eigener Verantwortung einen Lebenssachverhalt in ein vorgegebenes Raster einfüge, während im Hintergrund ein rein schematischer Ja-Nein-Code ausgeführt werde.

In erster Instanz war dem Verlag zusätzlich verboten worden, für das Produkt mit Aussagen wie "Günstiger und schneller als der Anwalt" und "Rechtsdokumente in Anwaltsqualität" zu werben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte der Verlag nach einem Hinweis des Senats zurückgenommen, so dass dieses Verbot bereits rechtskräftig geworden ist.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG München: Loriot-Zitat "Früher war mehr Lametta" mangels Schöpfungshöhe nicht urheberrechtlich geschützt

OLG München
Beschluss vom 14.08.2019
6 W 927/19


Das OLG München hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass das Loriot-Zitat "Früher war mehr Lametta" keinen urheberrechtlichen Schutz genießt. Nach Ansicht des Gerichts fehlt es an der für einen urheberrechtlichen Schutz notwendigen Schöpfungshöhe.

Die Pressemitteilung des OLG München:

„Früher war mehr Lametta“ – kein Urheberschutz für Loriot-Zitat (Az: 6 W 927/19)

Der 6. Senat des Oberlandesgerichts München bestätigt den Beschluss der 33. Zivilkammer des Landgerichts München I im einstweiligen Verfügungsverfahren um den Aufdruck des Loriot-Zitats „Früher war mehr Lametta“ auf T-Shirts.

Die unter anderem auf Urheberrecht spezialisierte 33. Zivilkammer des Landgerichts München I hatte am 18.07.2019 mit Beschluss einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen T-Shirt-Hersteller zurückgewiesen (Az. 33 O 9328/19). Diese Entscheidung hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München mit Beschluss vom 14.08.2019 bestätigt (Az. 6 W 927/19). In der Sache ging es vor allem um die urheberrechtliche Schutzfähigkeit des Ausspruchs „Früher war mehr Lametta“.

Die Antragstellerinnen waren die Alleinerbinnen des unter dem Künstlernamen „Loriot“ bekannten und am 22.08.2011 verstorbenen Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow.

Die Antragsgegnerin vertrieb T-Shirts und andere Produkte mit diversen Aufdrucken, so auch mit dem Aufdruck „Früher war mehr Lametta“.

In den 70er Jahren schuf der Künstler Loriot den Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“, der am 07.12.1978 in der ARD erstausgestrahlt und auch in das 1981 im Diogenes Verlag erschienene Buch „Loriots dramatische Werke“ aufgenommen wurde. In diesem Sketch legte Loriot „Opa Hoppenstedt“ das Zitat „Früher war mehr Lametta“ in den Mund.

Die Antragsstellerinnen waren der Auffassung, dass aufgrund der unbefugten Verwendung des Zitats „Früher war mehr Lametta“ den Antragstellerinnen ein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB zustehe. Das Zitat „Früher war mehr Lametta“ sei urheberrechtlich schutzfähig, da es eine eigene Werkqualität im Sinne des § 2 UrhG aufweise.

Die 33. Zivilkammer wies den Antrag zurück. Sie begründete dies mit der fehlenden urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des streitgegenständlichen Spruchs.

Dem kurzen Satz „Früher war mehr Lametta“ fehlt nach Auffassung der 33. Zivilkammer bei der maßgeblichen isolierten Betrachtung die hinreichende Schöpfungshöhe für einen Schutz nach § 2 UrhG: Seine Besonderheit und Originalität erfahre dieser Satz durch die Einbettung in den Loriot-Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“ und die Situationskomik. Blende man aber die Einbettung in den Sketch und auch den Umstand aus, dass Sketch samt „Früher war mehr Lametta“ von dem fraglos bekannten und bedeutenden Künstler Loriot stamme, handele es sich um einen eher alltäglichen und belanglosen Satz, der entweder schlicht zum Ausdruck bringe, dass früher mehr Lametta benutzt wurde, oder - unter Verwendung des Wortes „Lametta“ als Metapher - dass früher mehr Schmuck, Glanz, festliche Stimmung oder Ähnliches war. Selbst in der zweiten Deutungsmöglichkeit genüge die Verwendung einer einfachen Metapher im Anschluss an die alltägliche und gängige Eingangswortfolge „Früher war mehr“ nicht, um hier eine Originalität oder Individualität anzunehmen, welche übliche und alltägliche Ausdrucksformen deutlich überrage.

Das Oberlandesgericht München bestätigte das Landgericht München I in seiner Rechtsauffassung zur hier fehlenden urheberrechtlichen Werkqualität.

Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz rechtskräftig beendet.

Die Pressestelle des Landgerichts München I wünscht Ihnen gemeinsam mit der Pressestelle für Zivilrecht des Oberlandesgerichts München frohe Weihnachten!

Zum Hintergrund:

Einstweiliges Verfügungsverfahren:
Die einstweilige Verfügung dient im Zivilprozess dazu, einen Anspruch schnell zu sichern. Das Gericht ordnet vorläufig einen bestimmten Rechtszustand an (§§ 935 ff. Zivilprozessordnung). Eine einstweilige Verfügung ist jedoch nur eine vorläufige gerichtliche Anordnung. Wird die begehrte einstweilige Verfügung nicht erlassen, hat die Antragstellerseite die Möglichkeit das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde einzulegen. Sofern das Landgericht der Beschwerde nicht abhilft, geht diese – wie hier - zur Entscheidung an das zuständige Oberlandesgericht.

Hauptsacheverfahren:
Das sog. „Hauptsacheverfahren“ kann sich an ein einstweiliges Verfügungsverfahren anschließen und entspricht dem Klageverfahren. Dem Antragsteller steht es demnach frei, nach Abschluss des Verfügungsverfahrens das Hauptsacheverfahren durch Klageerhebung einzuleiten, um die Schutzfähigkeit des streitgegenständlichen Spruchs abschließend gerichtlich klären zu lassen. In diesem Fall ist beim Landgericht München I derzeit kein Hauptsacheverfahren anhängig.


LG Essen: Liquids für E-Zigaretten dürfen nicht mit Slogan "Genuss ohne Reue" und der Aussage "apothekenreine Liquids" beworben werden

LG Essen
Urteil vom 25.10.2019
41 O 13/19

Das LG Essen hat entschieden, dass Liquids für E-Zigaretten nicht mit dem Slogan "Genuss ohne Reue" und der Aussage "apothekenreine Liquids" beworben werden dürfen.

Der Slogan "Genuss ohne Reue" erweckt beim Kunden den irreführenden Eindruck, dass die beworbenen Liquids unter keinem Gesichtspunkt gesundheitsschädlich seien.

Die Aussage "apothekenreine Liquids" stellt nach Ansicht des Gerichts eine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten dar, da Liquids schon nach den gesetzlichen Vorgaben einen besonderen Reinheitsgrad aufweisen müssen.

Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.



Volltext LG Köln liegt vor: Verstoß gegen Rechtsdienstleistungsgesetz durch Vertragsgenerator des Legal Tech Anbieters smartlaw - irreführende Werbung mit "Anwaltsqualität"

LG Köln
Urteil vom 08.10.2019
33 O 35/19


Wir hatten bereits in dem Beitrag LG Köln: Vertragsgenerator des Legal-Tech-Anbieters smartlaw verstößt gegen Rechtsdienstleistungsgesetz - Irreführung durch Werbung mit Behauptung "rechtssichere Verträge in Anwaltsqualität" über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

I. Der Klägerin steht der gem. Ziff. 1a) tenorierte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG iVm. § 3 RDG zu.

1. Die Klägerin ist als berufsständische Vertretung der Rechtsanwälte ein Verband zur Förderung selbständiger beruflicher Interessen iSd. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und damit klagebefugt (vgl. BGH, GRUR 2012, 215 – „Zertifizierter Testamentsvollstrecker“; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2013, 171 – „Spezialist für Familienrecht“; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. [2019], § 8 Rn. 3.33; Hohlweck, in: Büscher, UWG, 1. Aufl. [2019], § 8 Rn. 298). Zu den Aufgaben des Vorstandes zählt es u.a., die Belange der Rechtsanwaltskammer zu wahren und zu fördern, § 73 Abs. 1 S. 3 BRAO. Hierzu zählt die Wahrung der Gesamtinteressen der in der Kammer zusammengeschlossenen Berufsangehörigen und damit auch die Befugnis, die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände zu treffen und Wettbewerbsverstöße zu verfolgen. Dabei ist die Rechtsanwaltskammer nicht auf die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen von Mitgliedern beschränkt. Die Rechtsanwaltskammer kann vielmehr auch gegen von Außenstehenden begangene Wettbewerbsverstöße vorgehen, soweit die Verstöße den Wettbewerb ihrer Mitglieder berühren (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3765/3766; BGH, GRUR 2006, 598/599 – „Zahnarztbriefbogen“; Hohlweck, a.a.O. mwN.). Dies ist der Fall, soweit – wie im Streitfall – die Unterlassung der Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch Unbefugte verfolgt wird.

2. Ein den Unterlassungsanspruch begründender Rechtsbruch iSd. § 3a UWG ist wegen einer Zuwiderhandlung der Beklagten gegen § 3 RDG vorliegend gegeben.

a) Gemäß § 3 RDG ist die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch Gesetz erlaubt wird. Die Bestimmung ist anerkanntermaßen eine Marktverhaltensregelung iSd. § 3a UWG (vgl. BGH, GRUR 2016, 820/821 – „Schadensregulierung durch Versicherungsmakler“; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 3a Rn. 1.118 ff.; Hohlweck, in: Büscher, a.a.O., § 3a Rn. 529), bei deren Verletzung auch von der nötigen Spürbarkeit auszugehen ist (vgl. BGH, GRUR 2003, 886/889 – „Erbenermittler“; Köhler, a.a.O.). Über den Wortlaut des § 3 RDG hinaus erfüllt bereits das Angebot einer solchen Rechtsdienstleistung den Rechtsbruchtatbestand, da schon das Erbieten zur Rechtsdienstleistung ohne entsprechende Erlaubnis die Gefahr begründet, der Empfänger des Angebots werde sich an einen nicht ausreichend qualifizierten Rechtsdienstleister wenden (vgl. Hohlweck, a.a.O., § 3a Rn. 533).

b) Die Beklagte erbringt im Zusammenhang mit dem entgeltlichen Anbieten eines EDV-gestützten Generators zur Erstellung von Rechtsdokumenten eine gemäß § 3 RDG erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung iSv. § 2 Abs. 1 RDG ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis zu besitzen.

aa) § 2 Abs. 1 RDG bestimmt, dass als Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten zu verstehen ist, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.

In diesem Zusammenhang ist allgemein anerkannt, dass die bloße Überlassung bzw. Veröffentlichung von standardisierten Vertragsmustern keine Rechtsdienstleistung darstellt, da hiermit regelmäßig keine juristische Prüfung im Einzelfall verbunden ist (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2011, 119/120; Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Aufl. [2015], § 2 Rn. 54; Krenzler, in: Krenzler, RDG, 2. Aufl. [2017], § 2 Rn. 43). Auch die (menschliche) Hilfeleistung bei dem Ausfüllen eines solchen standardisierten Vertragsformulars kann noch erlaubnisfrei sein, wenn diese sich auf das Erfragen der erforderlichen Angaben und das Einsetzen in das Dokument beschränkt (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2011, 119/120). Andererseits ist die (menschliche) Anfertigung von individualisierten Vertragsentwürfen ohne weiteres als Rechtsdienstleistung zu bewerten (vgl. BGH, NJW 1978, 322; Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Aufl. [2015], § 2 Rn. 53).

bb) Über die Frage, ob eine Rechtsdienstleistung iSd. § 2 Abs. 1 RDG tatbestandlich überhaupt in Betracht kommt in Fällen von Dienstleistungen, die unter Einsatz vollständig automatisierter Systeme erfolgen (sog. „Legal Tech“), und welche Anforderungen ggf. hieran zu stellen sind, ist – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung bislang nur vereinzelt entschieden worden.

In einer Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 26.07.2018 (Az. 67 S 157/18), die einen im Internet betriebenen „Mietpreisrechner“ zum Gegenstand hatte, der die Miete auf Grundlage einer detaillierten Dateneingabe des jeweiligen Nutzers (Mieters) ermittelte, stufte das Landgericht Berlin das dort streitige Geschäftsmodell als Rechtsdienstleistung ein, weil der Betreiber des „Mietpreisrechners” über diesen die auf einer detaillierten Dateneingabe des jeweiligen Mieters beruhende Miete ermittele und benenne. Dass es sich dabei um eine Rechtsdienstleistung iSd. § 2 Abs. 1 RDG handele, auch wenn die Dienstleistung im Wege des so genannten Legal Tech erbracht werde, entspreche – so das Landgericht Berlin – dem unmissverständlichen Willen des Gesetzgebers. Denn dieser wolle nur Tätigkeiten, die sich lediglich an die Allgemeinheit oder einen unbestimmten Personenkreis richten, nicht von § 2 RDG erfasst sehen. Dies treffe nicht auf sachverhaltsbezogene Rechtsfragen einer bestimmten, Rat suchenden Person zu (vgl. LG Berlin, NJW 2018, 2901/2902).

Im Schrifttum wird die Frage, ob Dienstleistungen im Bereich des Legal Tech in den Anwendungsbereich von § 2 Abs. 1 RDG fallen, unterschiedlich bewertet. Ein Teil der Literatur lehnt dies ab, weil hiermit keine menschliche Tätigkeit verbunden sei und es damit an einem „Dienstleistenden“ fehle. Zudem komme es nicht zu einem rechtlichen Subsumtionsvorgang; vielmehr liefere der Computer ein „mathematisch zwingend durch logische Entscheidungsbäume determiniertes Ergebnis“ (vgl. etwa Weberstaedt, AnwBl. 2016, Bl. 535 ff. = Anl. B5, Bl. 177 ff. d.A.; Deckenbrock/Henssler, a.a.O., § 2 Rn. 46; anders aber dies., § 6 Rn. 54). Nach der derzeit wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur kann dagegen auch die mittels Legal Tech automatisierte Dienstleistung eine Rechtsdienstleistung iSd. § 2 Abs. 1 RDG darstellen (vgl. Schmidt, in: Krenzler, a.a.O., § 6 Rn. 38 mwN.; Krenzler, in: Krenzler, a.a.O., § 2 Rn. 44; Wettlaufer, MMR 2018, 55 ff.; Degen/Krahmer, GRUR-Prax 2016, 363 ff.; Fries, ZRP 2018, 161 ff.; Remmertz, BRAK-Mitteilungen 2/2017, 55 ff. = Bl. 216 ff. d.A.). Auch der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Legal Tech der Frühjahrskonferenz der Justizministerinen und Justizminister vom 5./6. Juni 2019 (vgl. Anl. K18, Bl. 107 ff. d.A.) gelangt zu einem solchen Ergebnis.

cc) Gemessen an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 RDG und unter Berücksichtigung des vorerwähnten Diskussionsstandes zur rechtlichen Einordnung von Legal Tech-Angeboten ist vorliegend der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 RDG eröffnet. Das Angebot des streitgegenständlichen Produkts „T10“ durch die Beklagte ist dabei als eine relevante Rechtsdienstleistung zu qualifizieren.

(1) Dem steht nicht bereits der Umstand entgegen, dass vorliegend die Beratungsleistung zum Zeitpunkt der konkreten Benutzung des Produkts allein EDV-basiert und damit ohne menschliche Interaktion erfolgt. Eine relevante „Tätigkeit“ des Anbieters der Software ist hiermit gleichwohl verbunden (so auch Krenzler, in: Krenzler, a.a.O., § 2 Rn. 44). Nach der Gesetzesbegründung zum RDG ist es nämlich grundsätzlich unerheblich, mit welchen technischen Hilfsmitteln die Rechtsdienstleistung erbracht wird (vgl. BT-Drs. 16/3655, S. 47 f.; so auch Deckenbrock/Henssler, a.a.O., § 2 Rn. 45). Ausdrücklich heißt es hierzu in den Gesetzesmaterialien, dass „das Vorliegen einer Rechtsdienstleistung nicht etwa deshalb ausgeschlossen [sei], weil der Rechtsuchende keinen persönlichen Kontakt zu dem Dienstleistenden aufnimmt, sondern etwa über eine Telefon-Hotline oder ein Internetforum seine konkreten Rechtsfragen prüfen lassen will.“ Vielmehr sei bei der Prüfung, ob die Beratung als Rechtsdienstleistung einzustufen ist, auf den Inhalt des Beratungsangebots abzustellen (vgl. BT-Drs. 16/3655, S. 48).

(2) Die Beratungsleistung im Rahmen des Angebots „T10“ ist zudem auf einen konkreten Sachverhalt gerichtet. Entscheidend ist hierbei, ob es sich um eine nicht fingierte, sondern wirkliche, sachverhaltsbezogene Rechtsfrage einer bestimmten, Rat suchenden Person handelt (vgl. BT-Drs. 16/3655, S. 48). Auch dies ist – wie bereits das LG Berlin in Bezug auf einen „Mietpreisrechner“ entschieden hat – vorliegend zu bejahen. Zwar werden die Software und die von ihr verwendeten Textbausteine zum Zeitpunkt ihrer Programmierung für eine Vielzahl verschiedener abstrakter Fälle entwickelt. Im Zeitpunkt der Anwendung durch den Nutzer aber erhält dieser ein konkret auf den von ihm im Rahmen des Fragen-Antwort-Katalogs geschilderten Sachverhalt zugeschnittenes Produkt. Entscheidende Bedeutung erlangt hierbei nach Dafürhalten der Kammer, dass die „T10“-Produkte – wie sich aus dem in den Anl. K5 und K7 exemplarisch aufgezeigten Erstellungsprozess ergibt – einen hohen Grad der Individualisierung aufweisen. Die vom Nutzer abgefragten Angaben erschöpfen sich nicht in allgemeinen Daten (wie etwa Adressdaten oder Angaben zur Vergütungshöhe), sondern betreffen spezifische Fragen zum Gegenstand und zur Reichweite des zu erstellenden Vertrages. Der Fragenkatalog für einen Lizenzvertrag Bild/Film umfasst etwa knapp 30 Fragen, jener für einen Grafikdesignervertrag knapp 40 Fragen. Dies geht über das Format eines klassischen Formularhandbuchs erheblich hinaus und kann auch nicht nur als weiterentwickelte digitale Formularsammlung begriffen werden. Das Formularhandbuch beinhaltet nämlich eine rein abstrakte Behandlung von Rechtsfragen mit unterschiedlichen Lösungsvorschlägen. Der Nutzer eines Formularhandbuchs ist dabei gehalten, anhand der in dem Formularhandbuch enthaltenen allgemeinen Hinweise einen für sich passenden Vertragstext zusammenzustellen. Er ist derjenige, der die abstrakten Informationen selbst in ein konkretes Dokument transferiert. Hinsichtlich der Auswahl des konkreten Produktes folgt er dabei gerade nicht einer fremden Empfehlung. Anders ist dies hingegen bei den Produkten des hier streitgegenständlichen Vertragsgenerators. Aufgrund der Vielzahl der im Erstellungsprozess gestellten Fragen entsteht nämlich ein individuelles Bild von dem konkreten Fall des Betroffenen und dieser erhält ein unmittelbar zur Anwendung geeignetes („unterschriftsreifes“) Produkt. Die Entscheidung, welche Formularbausteine im konkreten Fall für ihn passend sind, wird dem Rechtssuchenden durch den Vertragsgenerator abgenommen.

Für die Annahme einer „konkreten“ Angelegenheit spricht ferner, dass auch bei menschlicher Beratungsleistung im Rahmen einer Vertragsgestaltung die Grenze zur Rechtsdienstleistung dann überschritten wird, wenn der Dienstleister auf Wunsch des Kunden die im Formular vorgegebenen rechtlichen Regelungen überprüft und Alternativen vorschlägt (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2011, 119/120). Würden die von der Beklagten angebotenen Rechtsdokumente im Rahmen einer Telefon-Hotline angeboten, bei denen die Callcenter-Mitarbeiter den im Erstellprozess der „T10“-Produkte herangezogenen Fragen-Antwort-Katalog mit den Kunden zunächst durchgingen und dann (bspw. unter Verwendung des Vertragsgenerators) das Endprodukt erstellten und dem Nutzer zum Verkauf anböten, erschiene wenig zweifelhaft, dass eine solche Dienstleistung auf eine konkrete Rechtsangelegenheit bezogen ist. Die Tatsache, dass das Dazwischensschalten eines menschlichen Verkaufsagenten im Geschäftsmodell der Beklagten technisch entbehrlich geworden ist, kann kein tragfähiges Argument dafür sein, das Tatbestandsmerkmal der „konkreten Angelegenheit“ in Frage zu stellen. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Rechtssuchende unter Umständen anonym bleibt (wofür es beim Geschäftsmodell der Beklagten im Übrigen keinen Anhaltspunkt gibt, da eine vertragliche Beziehung zweifellos mit dem Nutzer eingegangen und von diesem im Übrigen vergütet wird). Der in § 1 Abs. 1 S. 2 RDG statuierte Zweck des RDG, „die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen“ spricht vielmehr dafür, individualisierte Legal Tech-Dienstleistungen nicht anders zu behandeln, als Dienstleistungen menschlicher Berater. Denn der nach dem RDG verfolgte Kontrollzweck kann nicht durch eine einengende Auslegung des Begriffs der Rechtsdienstleistung erreicht werden (vgl. hierzu auch BGH, GRUR 2016, 820/825 – „Schadensregulierung durch Versicherungsmakler“).

(3) Die Beratungsleistung erfolgt auch im Interesse des Nutzers und damit in – für die Beklagte – fremden Angelegenheiten.

(4) Das mit dem Vertragsgenerator verbundene Angebot erfordert auch eine rechtliche Prüfung iSv. § 2 Abs. 1 RDG. Die Vorschrift erfasst mit diesem Erfordernis jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht. Ob es sich um eine einfache oder schwierige Rechtsfrage handelt, ist dabei unerheblich (vgl. BGH, GRUR 2016, 820/824 – „Schadensregulierung durch Versicherungsmakler“; Köhler, a.a.O., § 3a Rn. 1.119; Hohlweck, § 3a Rn. 537).

Schon in objektiver Hinsicht erreichen die von der Beklagten mit dem Produkt „T10“ angebotenen Rechtsdokumente eine Komplexität, die erkennbar über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen hinausgeht. Da es wie bereits erörtert auf die konkret verwendeten technischen Hilfsmittel nicht ankommt (vgl. unter I.2.b)cc)(1)), ist auch nicht entscheidend, dass die Computersoftware das konkret angebotene Produkt zum Zeitpunkt der Anwendung auf Basis eines vorprogrammierten Entscheidungsbaums zusammenstellt. Den notwendigen Subsumtionsvorgang schließt die standardisierte Fallanalyse nicht aus. Dem angebotenen Produkt liegt nämlich gleichwohl eine rechtliche Prüfung bei der Programmierung der Software dahingehend zugrunde, wie anhand eines nach bestimmten Kriterien zu entwickelnden Fragenkatalogs der maßgebliche Kundenwunsch zu ermitteln und hierauf basierend ein individueller Vertragsentwurf gefertigt werden kann und in welchen Fällen die Aufnahme bestimmter Vertragsklauseln in Betracht kommt. Insoweit unterscheidet sich die Vorgehensweise nicht grundlegend von dem Vorgehen eines Rechtsanwalts, sondern erfolgt lediglich zeitlich vorgelagert und aufgrund der Standardisierung in einem mehrfach reproduzierbaren Format.

Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit der rechtlichen Prüfung ist zudem nicht rein objektiv zu bestimmen. Vielmehr ist im Rahmen der rechtlichen Prüfung zusätzlich die Verkehrsanschauung und erkennbare Erwartung des Rechtssuchenden zu berücksichtigen (vgl. Deckenbrock/Henssler, a.a.O., § 2 Rn. 35 ff. mwN.). Entsprechend sah der ursprüngliche Gesetzentwurf zunächst vor, als „Rechtsdienstleistung“ jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten zu definieren, sobald sie „nach der Verkehrsanschauung oder der erkennbaren Erwartung des Rechtsuchenden“ eine besondere rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Dieser Einschub wurde später zwar durch den Rechtsausschuss gestrichen, dies geschah aber aus Gründen der Straffung der Norm ohne hiermit eine inhaltliche Änderung zu beabsichtigen (vgl. BT-Drs. 16/6634, S. 51). Die Einbeziehung der Verkehrsanschauung erweitert daher den Anwendungsbereich des RDG im Interesse und zugunsten der Rechtsuchenden in den Fällen, in denen bei einer typisierenden, objektiven Betrachtung eine besondere rechtliche Prüfung nicht erforderlich und üblich wäre. So ist die Grenze zur Rechtsdienstleistung iSd. § 2 Abs. 1 RDG jedenfalls dann überschritten, wenn der Anbieter nicht deutlich zu erkennen gibt, dass mit seinem Angebot gerade keine rechtliche Prüfung des konkreten Falles des jeweiligen Nutzers verbunden ist (so auch Krenzler, in: Krenzler, a.a.O., § 2 Rn. 44). Diese Grenze ist nach Auffassung der Kammer vorliegend nicht mehr gewahrt. Die bewusst von der Beklagten geweckte Verkehrserwartung spricht dafür, ihre „T10“-Angebote als Rechtsdienstleistung zu qualifizieren. Zu dem angesprochenen Verkehrskreisen zählt fachfremdes Publikum, darunter auch Verbraucher. Der angesprochene Verkehr erwartet angesichts der Präsentation des Produkts „T10“ mehr als eine bloße Hilfestellung beim eigenständigen Erstellen und Ausfüllen eines Vertragsformulars. Derart eingeschränkend wird das Produkt von der Beklagten nämlich nicht beworben, sondern vielmehr gezielt als Alternative zum Rechtsanwalt positioniert. Bei Rechtssuchenden wecken Werbeaussagen wie „ganz ohne juristisches Know-how – denn das haben wir“, „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität“ sowie „individueller und sicherer als jede Vorlage und günstiger als ein Anwalt“ daher die Erwartung, dass er für das zu leistende Entgelt ein auf seine konkreten Bedürfnisse zugeschnittenes Rechtsdokument erhalten werde und damit die eingekaufte Dienstleistung über die schematische Anwendung von Rechtsnormen hinausgeht. Auch wenn dem Verbraucher bewusst ist, dass am Ende des Erstellungsprozesses keine abschließende Prüfung durch einen menschlichen Berater erfolgt, wird zumindest ein relevanter Teil des angesprochenen Verkehrs davon ausgehen, dass die standardisierte (dem Anwaltsgespräch nachempfundene) Sachverhaltsprüfung so konzipiert ist, dass sie eine individuelle Fallprüfung gewährleistet („[wir haben] den Erstellungsprozess so gestaltet, dass er dem Gespräch mit dem Rechtsanwalt nachempfunden ist“). Der von der Beklagten vorgenommene Hinweis, der den (potentiellen) Nutzer auf der Internetseite darauf aufmerksam machen soll, dass die Beklagte keine Rechtsberatung anbiete, steht einer solchen Verkehrserwartung nicht entgegen, zumal der Disclaimer lediglich an wenig prominenter Stelle im Impressum erfolgt und daher im Gesamtkontext des Internetauftritts untergeht.

Schließlich verfängt der von der Beklagten bemühte Vergleich ihres Produktes mit der im Markt erhältlichen Software zur Abgabe von Steuererklärungen nicht. Schon im Ausgangspunkt trägt die Beklagte zu der genauen Funktionsweise solcher Steuererklärungssoftware nichts Konkretes vor. Insoweit wird auch der Vortrag, Steuererklärungsprogramme wiesen einen höheren Grad der Komplexität auf, nicht durch Tatsachen belegt. Nach dem Verständnis der Kammer besteht jedoch deren Nutzen in erster Linie darin, dem Anwender zu erläutern, an welchen Stellen im Steuerformular welche Daten einzugeben sind. Sie ist daher als nutzerfreundliche EDV-basierte Eingabehilfe zu werten, die keine relevante steuerberatende Tätigkeit entfaltet.

c) Schließlich ist die rechtsberatende Tätigkeit der Beklagten nicht nach § 2 Abs. 3 RDG freigestellt. Ebenso ist hierin keine nach § 5 RDG erlaubte Nebenleistung verbunden. Auch eine Erlaubnis nach §§ 6-8 bzw. 10 RDG kommt nicht in Betracht.

II. Die Kläger hat ferner einen Anspruch aus §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG auf Unterlassung der angegriffenen Werbeaussagen.

Die Werbeaussagen sind insgesamt irreführend. Dabei kann offen bleiben, ob sich eine Irreführung daraus ergibt, dass die Beklagte mit den angegriffenen Werbeaussagen den unzutreffenden Eindruck vermittelt, die von ihr erbrachten Leistungen entsprächen qualitativ denen eines Rechtsanwalts. Unlauter ist nämlich bereits die Werbung für die selbstständige Erbringung von Dienstleistungen, wenn es sich – wie vorliegend – um unerlaubte Rechtsdienstleistungen handelt. Es liegt insoweit eine Irreführung iSv. § 5 UWG vor, weil die Beklagte gegenüber dem angesprochenen Verkehrskreis – hier u.a. Verbrauchern – mit einer Leistung wirbt, deren Erbringung ihr aus Rechtsgründen verwehrt ist (vgl. BGH, GRUR 2009, 1077/1080 – „Finanz-Sanierung“; Deckenbrock/Henssler/Seichter, a.a.O., § 3 Rn. 62).

Die Beklagte hat zwar auf ihrer Homepage einen Hinweis („Disclaimer“) vorgenommen, wonach sie keine Rechtsberatung anbietet. Dieser Hinweis steht indes in Widerspruch zu der tatsächlich von ihr erbrachten Beratungsleistung. Er ist nicht geeignet, aus der Irreführung des angesprochenen Verkehrs herausführen. Denn die relevante Irreführung des Verkehrs besteht nicht hinsichtlich der Frage, ob die Beklagte allgemein berechtigt ist, Rechtsdienstleistungen erbringen zu dürfen bzw. beabsichtigt, derartige Leistungen zu erbringen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte wegen des aufgezeigten Verstoßes gegen das RDG nicht zur Erbringung der beworbenen Leistungen berechtigt ist und der Verkehr hierüber getäuscht wird.

Der Umstand, dass nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten aktuell nicht mehr sämtliche der angegriffenen Werbeaussagen auf der Internetseite der Beklagten verwendet werden, lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen (vgl. BGH, GRUR 1998, 1045/1046 – „Brennwertkessel“; Hohlweck, a.a.O., § 8 Rn. 14)."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




LG Köln: Vertragsgenerator des Legal-Tech-Anbieters smartlaw verstößt gegen Rechtsdienstleistungsgesetz - Irreführung durch Werbung mit Behauptung "rechtssichere Verträge in Anwaltsqualität"

LG Köln
Urteil vom 08.10.2019
33 O 35/19


Das LG Köln hat entschieden, dass der kostenpflichtige Vertragsgenerator des Legal-Tech-Anbieters smartlaw gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt. Zudem liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung vor, wenn das Angebot it den Aussagen "rechtssichere Verträge in Anwaltsqualität" und "individueller und sicherer als jede Vorlage und günstiger als ein Anwalt" beworben wird.

Pressemitteilung der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg:

Das Landgericht Köln (Aktenzeichen 33 O 35/19) hat am 08.10.2019 ein für die Beurteilung von Legal-Tech-Angeboten gegenüber Endnutzern (also nicht gegenüber der Rechtsanwaltschaft) richtungsweisendes Urteil verkündet. Das Landgericht Köln beurteilt darin das „smartlaw“-Angebot eines renommierten Verlages, Rechtsuchenden „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität“ per Computer zu liefern, als unzulässige Rechtsdienstleistung und deshalb als Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Die Klage hatte die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg angestrengt, die damit den Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen und damit natürlich auch den Schutz der Anwaltschaft vor unqualifizierter Konkurrenz verfolgt.

In der juristischen Fachliteratur und in der Politik ist umstritten, ob und wann Legal-Tech-Vertragsgeneratoren gegen das RDG verstoßen. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer sah in dem Angebot „smartlaw“ dieses Anbieters den Prototyp eines gegen das RDG verstoßenden Produkts: den Rechtsuchenden werden für relativ kleines Geld Leistungen verkauft, die der Vertragsgenerator aber gar nicht bieten kann; trotzdem wird diese Leistung in der Werbung des Anbieters als (bessere und günstigere) Alternative zu anwaltlicher Beratung dargestellt.

Es hat seinen guten Grund, dass das RDG eine „Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert“, der Anwaltschaft vorbehält. Eine solche rechtliche Prüfung im Einzelfall ist besonders bei der Zusammenstellung von Vertragsrechten und -pflichten im Rahmen von abzuschließenden Verträgen geboten. Bei der Gestaltung rechtssicherer und interessengerechter Verträge muss in der Regel in Zusammenarbeit mit der Mandantschaft der maßgebliche Sachverhalt geklärt und geprüft werden, ob die von der Mandantschaft gestellten Fragen zur Vertragsgestaltung den Sachverhalt wirklich ausschöpfen. Das kann ein Computer, der in einem Frage- und Antwort-System unterschiedliche Fragen zu der gewünschten Vertragsgestaltung stellt und dann einen unter Berücksichtigung der Antworten zusammengestellten Vertrag liefert, nicht bieten. Er kann nämlich den Wert und den Wahrheitsgehalt der Antworten des/der Benutzer/in nicht hinterfragen, und er kann auch nicht beurteilen, ob im Interesse des/der Benutzer/in gebotene Fragen gerade nicht gestellt sind. Dabei war im entschiedenen Fall unstreitig, dass der Computer bei diesem Produkt nicht über „künstliche Intelligenz“ – was auch immer das sein mag – verfügt.

Deswegen – so urteilt nun das Landgericht Köln – dürfe ein solcher „Vertragsgenerator“ auch nicht von Unternehmen betrieben werden, die nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen oder sonst nach dem RDG legitimiert sind. Dies gilt auch dann, wenn das Unternehmen in die AGB hineinschreibt, es liefere keine Rechtsberatung, sondern (nur) ein Verlagserzeugnis; denn die Kundschaft versteht nicht, dass sie lediglich selbst auf eigene Faust auf der Basis von Muster-Sammlungen ihren Vertrag zusammenstellt.

Als irreführend hat das Urteil des LG Köln ferner verboten, dass das Unternehmen in der Werbung für den Vertragsgenerator formuliert, dieser liefere „rechtssichere Verträge in Anwaltsqualität“ bzw. „individueller und sicherer als jede Vorlage und günstiger als ein Anwalt“. Denn dies indiziert, dass man vergleichbare Rechtsdienstleistungsqualität wie bei der Anwaltschaft erhält, was eben nicht richtig ist.

Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer begrüßt dieses Urteil sehr und hofft, dass auch diverse andere nichtanwaltliche Anbieter von Legal-Tech, die scheinbar Anwaltstätigkeit ersetzende Rechtsdienstleistung zu erbringen suggerieren, sich daran orientieren. Es kann nach Auffassung der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer nicht angehen, dass die Anwaltschaft als Rechtsdienstleistende, die juristisch qualifizierte Einzelfallberatung erbringen und anbieten, rechtlichen Einschränkungen wie dem selbstverständlichen Verbot widerstreitender Interessen, Fremdfinanzierungsverbot und Haftung für Mängel der Beratung nebst obligatorischer Haftpflichtversicherung unterliegt, juristisch aber nicht so qualifizierte Unternehmen diesen Einschränkungen nicht unterliegen und dann auch noch den Eindruck vermitteln, sie würden mit anwaltlicher Beratung vergleichbare Tätigkeit schneller und billiger anbieten. Dies ist auch nicht im Interesse der Nutzer/innen solcher Angebote, denn sie erwarten aufgrund der Werbung eine qualifizierte Beratung wie von der Anwaltschaft, die sie dann aber nicht bekommen.




OLG Hamburg: Irreführung durch Werbung für Arzneimittel mit "weniger einnehmen" wenn tatsächlich übliche Menge des Wirkstoffs enthalten ist - Sternchenhinweis räumt Irreführung nicht aus

OLG Hamburg
Urteil vom 06.06.2019
3 U 158/18


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass eine irreführende Werbung für ein Arzneimittel mit dem Slogan "weniger einnehmen" vorliegt, wenn tatsächlich die übliche Menge des Wirkstoffs enthalten ist. Ein Sternchenhinweis mit einen Hinweis auf die enthaltene Wirkstoffmenge räumt die Irreführung nicht aus

Aus den Entscheidungsgründen:

Die streitgegenständliche Angabe ist irreführend.

a)

Das Verkehrsverständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und vernünftigen Fachverkehrs, hier: Ärzte, die mit der Behandlung der COPD vertraut sind, vermögen die Mitglieder des Senats, die sich hierbei auf ihre eigene Sachkunde und Lebenserfahrung stützen können, selbst zu beurteilen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Beurteilung des Verkehrsverständnisses von Ärzten durch die Mitglieder des Gerichts jedenfalls dann möglich, wenn der Erkenntnisstand der Wissenschaft im Hinblick auf den maßgebenden Sachverhalt vorgetragen wurde und außerdem – wie hier – keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der angesprochene Arzt die deutsche Sprache anders verstehen könnte als jemand, der ebenfalls ein wissenschaftliches Studium absolviert hat (OLG Hamburg, PharmaR 2007, 204, 206).

b)

Die Antragstellerin hat zum Verkehrsverständnis vorgetragen, dass der angesprochene Fachverkehr aufgrund der streitgegenständlichen Werbung davon ausgehe, dass die Angabe „WENIGER EINNEHMEN“ den falschen Eindruck erwecke, dass der Patient bei Verwendung des Arzneimittels T.® weniger Arzneimittel bzw. weniger Wirkstoff einnehme, als bei der Anwendung anderer zur Behandlung der COPD zugelassenen Präparate.

aa)

Der Senat teilt diese Annahmen zum Verkehrsverständnis. Schon die Wortwahl „WENIGER“ lässt auf eine Angabe zur Menge schließen. Das Wort „WENIGER“ wird – so wie es hier verwendet wird – nach seinem regelmäßigen Wortsinn als Mengenangabe, nicht aber als Angabe zur Häufigkeit (eines Ereignisses, hier: der Anwendung des Medikaments) verstanden.

Das gilt auch bei Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin zweitinstanzlich vorgelegten Ausdrucke aus dem DUDEN (Anlagen 8 und AG 9), die lediglich zeigen, dass die Bedeutung der Wörter „wenig“ bzw. „weniger“ von dem jeweiligen Kontext abhängt, in dem sie benutzt werden. Die Antragstellerin hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass zur Angabe einer geringeren Häufigkeit üblicherweise die Angabe „seltener“ verwendet wird. Es ist deshalb davon auszugehen, dass maßgebliche Teile des angesprochenen Fachverkehrs die Angabe „WENIGER EINNEHMEN“ dahin verstehen, dass der Patient bei Verwendung des Arzneimittels T.® eine geringere Menge Arzneimittel bzw. Wirkstoff einnehme, als bei Verwendung der weiteren für die Behandlung der COPD zugelassenen Präparate.

Dieses Verkehrsverständnis kann auch nicht durch den nachfolgenden Claim „Die einzige 1 x tägliche Triple-Therapie mit der innovativen Fixkombination aus ICS, LAMA und LABA“ und den Fußnotenhinweis „* COPD Triple-Therapie mit nur einer Inhalation täglich“ beeinflusst werden.

Wird auf der einen Seite im Rahmen der §§ 5 UWG, 3 HWG – wie es geboten ist – das Bild eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten, der das Werbeverhalten mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt, zu Grunde gelegt, muss auf der anderen Seite auch gewährleistet sein, dass das Irreführungsverbot seine ureigenste Aufgabe zu erfüllen imstande ist, nämlich den Einsatz der Unwahrheit in der Werbung zu verhindern. Im Streitfall hat die Antragsgegnerin in der Werbeanzeige die Formulierung „WENIGER EINNEHMEN“ verwendet und damit unmittelbar den falschen Eindruck vermittelt, dass der Patient bei Verwendung des Arzneimittels T.® eine geringere Menge Arzneimittel bzw. Wirkstoff einnehme als bei Verwendung der COPD-Konkurrenzpräparate. Dieses Verständnis des Verkehrs von der Angabe ist eindeutig. Der Verkehr erwartet keine davon abweichende Bedeutung der Werbeaussage. An dem so werblich vermittelten Aussagegehalt muss sich die Antragsgegnerin festhalten lassen. Wollte sie die geringe Zahl der Einnahmen bewerben, hätte es nahe gelegen, dies durch entsprechende klare Formulierungen zum Ausdruck zu bringen. Das Irreführungsverbot muss in der Lage sein, auch die durch nichts zu rechtfertigende „dreiste Lüge“ zu erfassen, selbst wenn sie sich im äußeren Erscheinungsbild von der irrtümlichen Falschangabe nicht unterscheidet (vgl. BGH, GRUR 2001, 78, 79 – Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH, GRUR 2002, 715, 716 – ScannerWerbung; BGH, GRUR 2012, 81, Rn. 14 – Innerhalb 24 Stunden).

Wird – wie hier – eine „dreiste Lüge”, also eine leicht zu vermeidende, eindeutig falsche Werbeaussage, für die kein vernünftiger Anlass besteht, im Blickfang verwendet, kann dieser durch einen entsprechenden Fußnotenhinweis oder eine sonstige weitere werbliche Angabe keine von dem eindeutigen Inhalt der Werbeangabe abweichende Botschaft zugewiesen werden(BGH, GRUR 2001, 78, 79 – Falsche Herstellerpreisempfehlung).

Der kurzen und blickfangmäßig hervorgehobenen Angabe „WENIGER EINNEHMEN“ kommt bereits eine auf den ersten Blick klare Aussage zu, und zwar eine Angabe zur Menge, nicht zur Häufigkeit der Einnahme des beworbenen Arzneimittels. Diese klare Angabe kann schon im Hinblick darauf, dass werbliche Aussagen nicht durch nachfolgende Erläuterungen in ihr Gegenteil verkehrt bzw. konterkariert bzw. mit einem gänzlich anderen Sinn versehen werden dürfen, weder durch den weiteren werblichen Claim noch durch die Fußnotenangabe relativiert werden.

Selbst wenn jedoch der genannte weitere Claim und der Fußnotenhinweis berücksichtigt werden könnten – wie nicht – wären sie nicht geeignet, der Gefahr der Irreführung des angesprochenen Fachverkehrs hinreichend entgegen zu wirken. Denn diese Angaben können – neben der werblichen Aussage „WENIGER EINNEHMEN“ – auch als weitere Aussagen zu dem beworbenen Medikament verstanden werden. Daher werden maßgebliche Teile des angesprochenen Verkehrs zu der Annahme gelangen, dass mit dem beworbenen Präparat weniger Wirkstoff bzw. Arzneimittel eingenommen wird und dass zudem das beworbene Präparat nur einmal täglich einzunehmen ist. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass es aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs wenig naheliegend erscheint, dass in der Werbung gleich an drei Stellen auf denselben Umstand hingewiesen werden soll, nämlich dass das Medikament nur einmal täglich einzunehmen ist.

bb)

Der erzeugte Eindruck, dass bei Anwendung von T.® weniger Arzneimittel bzw. Wirkstoff eingenommen werde, ist falsch. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Patient bei der Verwendung von T.® mehr oder mindestens genauso viel Wirkstoff einnimmt wie bei Anwendung der für die Behandlung der COPD zugelassenen Mono- oder Kombinationspräparate Incruse® Ellipta®, Anoro® Ellipta® und Relvar® Ellipta® (Anlagen AS 8 bis AS 10) oder bei einer freien Kombination dieser Präparate. Die Antragstellerin hat sowohl erstinstanzlich als auch zweitinstanzlich substantiierten Vortrag zu den jeweiligen Wirkstoffmengen bei Anwendung der genannten COPD-Arzneimittel gehalten. Dem ist die Antragsgegnerin nicht substantiiert entgegen getreten, so dass der Antragstellervortrag als zugestanden und damit unstreitig anzusehen ist.

Soweit die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die Anlage AG 6 vorgetragen hat, dass der Patient bei der Verwendung von T.® weniger Wirkstoff einnehme als bei der Verwendung des weiteren für die Behandlung der COPD zugelassenen Dreifachkombinationspräparats Trimbow® (in der empfohlenen Dosis), räumt dies die Irreführung des angesprochenen Fachverkehrs im Hinblick auf die vorgenannten weiteren COPD-Präparate nicht aus.

cc)

Mithin ist die streitgegenständliche Angabe „WENIGER EINNEHMEN“ irreführend. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der durch die Angabe herbeigeführte falsche Eindruck durch die nachfolgende Angabe „MEHR AUFNEHMEN“ deutlich verstärkt wird, kommt es danach für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht mehr.

Der geltend gemachte Unterlassungsantrag ist gemäß §§ 3, 8, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG, § 3a UWG i. V. m. § 3 HWG begründet, so dass das landgerichtliche Urteil auf die Berufung der Antragstellerin abzuändern und das beantragte Verbot erneut zu erlassen ist.


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