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OLG Karlsruhe: Facebook darf Nutzeraccount regelmäßig nur nach vorheriger Abmahnung aus wichtigem Grund kündigen

OLG Karlsruhe
Urteil vom 04.02.2022
10 U 17/20


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass Facebook ein Nutzeraccount regelmäßig nur nach vorheriger Abmahnung aus wichtigem Grund kündigen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

„Facebook“ darf Nutzeraccount nur in Ausnahmefällen ohne vorherige Abmahnung kündigen

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat mit Urteil vom 4. Februar 2022 der Berufung eines Nutzers des sozialen Netzwerks „Facebook“ gegen ein klageabweisendes Urteil des Landgerichts Mannheim vom 24. Juni 2020 weitgehend Folge gegeben.

„Facebook“ hatte im Sommer 2019 in zwei Fällen Beiträge des Klägers mit Bezug zur sogenannten „Identitären Bewegung“ gelöscht und das Nutzerkonto des Klägers jeweils vorübergehend gesperrt. Nach einem weiteren Posting des Klägers im Januar 2020 wurde sein Account dann dauerhaft deaktiviert. Dafür hatte sich das soziale Netzwerk auf Verstöße des Klägers gegen die Nutzungsbedingungen in Verbindung mit den „Gemeinschaftsstandards“ berufen, die unter anderem die Unterstützung von „Hassorganisationen“ verbieten.

Die Klage auf Unterlassung dieser Löschungen und vorübergehenden Kontensperrungen sowie auf eine Reaktivierung des Nutzerkontos hatte in zweiter Instanz überwiegend Erfolg.

Hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und der vorübergehenden Sperrung des Accounts hat der Senat festgestellt, dass diese Maßnahmen nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von „Facebook“ in der maßgeblichen Fassung vom 19.4.2018 unzulässig waren. Zwar ist der Anbieter eines sozialen Netzwerks dazu berechtigt, seinen Nutzerinnen und Nutzern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Einhaltung objektiver und überprüfbarer Kommunikationsstandards vorzugeben, auch wenn diese über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Er darf sich dabei auch das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards einzelne Beiträge zu entfernen oder den Netzwerkzugang zu sperren. Der Anbieter des sozialen Netzwerks muss jedoch in seinen Geschäftsbedingungen sicherstellen, dass der Nutzer über die Entfernung eines Beitrags jedenfalls unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung des Nutzerkontos vorab informiert und ihm der Grund dafür mitgeteilt wird. Der Nutzer muss dann die Möglichkeit zur Stellungnahme haben, an die sich eine erneute Entscheidung des Anbieters mit der Option anschließt, einen entfernten Beitrag auch wieder zugänglich zu machen. Diesen Anforderungen werden die maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von „Facebook“ aber nicht gerecht, weil darin kein verbindliches Verfahren vorgesehen ist, innerhalb dessen die von der Entfernung von Beiträgen und der Sperrung ihres Kontos betroffenen Nutzer Stellung nehmen können. Die Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat der Senat daher für unwirksam erachtet und sich mit dieser Einschätzung bereits ergangenen Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 29. Juli 2021 (Aktenzeichen: III ZR 179/20 und III ZR 192/20) angeschlossen.

Nur wenn der Kläger strafbare Inhalte gepostet hätte, was aber nicht der Fall war, wäre eine Löschung dieser Beiträge und eine Sperrung des Nutzerkontos dennoch möglich gewesen. Denn bei strafbaren Inhalten ist der Anbieter eines sozialen Netzwerks bereits aufgrund der gesetzlichen Vorgaben im Telemediengesetz und im Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu entsprechenden Maßnahmen verpflichtet.

Auch die Kündigung des Nutzungsvertrags durch „Facebook“ hielt der rechtlichen Überprüfung durch den 10. Zivilsenat nicht stand. Zwar darf ein Nutzungsvertrag bei Verstößen gegen Kommunikationsstandards beendet werden, wenn dafür ein wichtiger Grund vorliegt. Eine vorherige Abmahnung ist aber nur in eng begrenzten Ausnahmefällen entbehrlich, etwa bei besonders gravierenden Vertragsverletzungen oder bei offensichtlicher Zwecklosigkeit der Abmahnung. Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen der Parteien ist es in der Regel erforderlich, dass der Nutzer vorab über die beabsichtigte Kündigung des Nutzervertrags informiert, ihm den Grund hierfür mitgeteilt und ihm eine Möglichkeit zur Gegenäußerung eingeräumt wird.

In dem vom 10. Zivilsenat zu entscheidenden Fall hatte „Facebook“ vor der Kündigung des Nutzungsvertrags nicht wirksam abgemahnt. Die vorangegangenen Beitragslöschungen und Kontosperrungen waren wegen der festgestellten Unwirksamkeit des Entfernungs- und Sperrungsvorbehalts in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen rechtswidrig gewesen. Sie waren daher keine ordnungsgemäße Abmahnung. Die Abmahnung war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Eine endgültige und ernsthafte Weigerung des Klägers, sich künftig an die vertraglichen Vereinbarungen zu halten, oder sonstige besondere Umstände, die eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses auch ohne vorherige Abmahnung unzumutbar erscheinen ließen, lagen nicht vor. Insbesondere enthielten die Beiträge des Klägers keinen strafbaren Inhalt. Eine besonders gravierende Vertragsverletzung war daher nicht gegeben.

Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 4.2.2022, Aktenzeichen: 10 U 17/20
Vorinstanz: Landgericht Mannheim, Urteil vom 24.6.2020, Aktenzeichen: 14 O 140/19



OLG Celle: Zu den Ansprüchen eines Nutzers gegen Facebook bei rechtswidriger Sperrung und Löschung von Beiträgen

OLG Celle
Urteil vom 20.01.2022
13 U 84/19


Das OLG Celle hat sich in dieser Entscheidung mit den Ansprüchen eines Nutzers gegen Facebook bei rechtswidriger Sperrung und Löschung von Beiträgen befasst.

Leitsätze des Gerichts:

1. Zu den Ansprüchen des Nutzers eines sozialen Netzwerks, wenn dessen Anbieter - auf der Grundlage unwirksamer Klauseln seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen - einen Beitrag des Nutzers gelöscht und sein Nutzerkonto zeitweise gesperrt hat (im Anschluss an die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29. Juli 2021- III ZR 179/20 und III ZR 192/20).

2. Ist die Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Anbieters eines sozialen Netzwerks, die ihn zur Löschung von Nutzerbeiträgen berechtigt, unwirksam, ergibt sich ein Recht zur Löschung nicht rechtswidriger Beiträge auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung.

3. Dem Anspruch des Nutzers auf Freischaltung eines vertragswidrig gelöschten Beitrages kann der Anbieter auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Geltendmachung des Anspruchs sei treuwidrig, weil der Beitrag gegen die Gemeinschaftsstandards des sozialen Netzwerks verstoße und der Nutzer daher seinerseits zur Löschung des wieder freigeschalteten Beitrags verpflichtet wäre (Rückgewähreinwand aus § 242 BGB - „Dolo-agit-Einwand“).


Aus den Entscheidungsgründen:
I. Internationale Zuständigkeit

Die deutschen Gerichte sind gemäß Art. 17 Abs. 1 Buchst. c), Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Var. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO) international zuständig (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – III ZR 179/20, Rn. 24).

II. 1. Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch darauf, die von ihr gelöschten Beiträge wieder freizuschalten.

a) Die Beklagte hat durch die vorgenommene Löschung der Posts ihre vertraglichen Pflichten aus dem Nutzungsvertrag verletzt. Sie war zur Löschung der Beiträge nicht berechtigt.

aa) Es besteht kein Recht der Beklagten zur Löschung der streitgegenständlichen Beiträge des Klägers gemäß Nr. 3.2 der Nutzungsbedingungen i.V.m. Teil III Nr. 12 der Gemeinschaftsstandards. Denn der dort bestimmte Entfernungsvorbehalt ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – III ZR 179/20, Rn. 30, 51 ff.). Der Senat folgt der Beurteilung des Bundesgerichtshofs in der vorgenannten Entscheidung.

bb) Die Beklagte war auch nicht deshalb zur Entfernung der Beiträge des Klägers berechtigt, weil diese einen strafbaren Inhalt enthielten.

Zwar ist die Beklagte gehalten, unverzüglich tätig zu werden, um strafbare Inhalte in ihrem sozialen Netzwerk zu entfernen oder zu sperren, sobald sie Kenntnis von Tatsachen oder Umständen erlangt hat, aus denen die Rechtswidrigkeit der Beiträge offensichtlich wird (BGH, aaO, Rn. 98).

Eine Strafbarkeit der streitgegenständlichen Beiträge ist jedoch nicht gegeben und wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.

cc) Ein Recht zur Löschung der Beiträge ergibt sich auch nicht aus dem sonstigen Vertragsrecht. Es kommt insbesondere nicht in Betracht, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an Stelle der unwirksamen AGB-Klausel ein grundrechtskonformes Löschungsrecht zu setzen.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine ergänzende Vertragsauslegung bei Verbraucherverträgen - im Anwendungsbereich der Klauselrichtlinie - überhaupt erfolgen darf (dagegen: BeckOK BGB/H. Schmidt, 59. Ed. 1.8.2021, § 306 Rn. 10). Denn jedenfalls kommt bei unwirksamen AGB eine ergänzende Vertragsauslegung - bei Fehlen gesetzlicher Vorschriften, die an die Stelle der unwirksamen Klausel treten (§ 306 Abs. 2 BGB) - nur ganz ausnahmsweise in Betracht, nämlich wenn die ersatzlose Streichung der Klausel zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Vertragspartners des Verwenders verschieben würde, so dass diesem ein Festhalten an dem lückenhaften Vertrag nicht zuzumuten wäre (BGH, Urteil vom 15. Februar 2019 – V ZR 77/18, Rn. 18).

Davon kann im Streitfall keine Rede sein. Die Beklagte kann weiterhin strafbare Nutzerbeiträge löschen (s.o.). Im Fall von Beiträgen, die lediglich gegen ihre Gemeinschaftsstandards verstoßen, kann sie den Nutzer außergerichtlich zur Löschung auffordern und ihn gegebenenfalls gerichtlich auf Löschung in Anspruch nehmen. Bei beharrlichen, schweren Verstößen kann sie auch den Nutzungsvertrag kündigen (§ 314, § 626 BGB).

Soweit die Beklagte in einem Parallelverfahren auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur ergänzenden Vertragsauslegung bei einer unwirksamen Zinsänderungsklausel eines Sparvertrages verwiesen hat (BGH, Urteil vom 06. Oktober 2021 – XI ZR 234/20), führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Lücke, die dort durch die unwirksame Zinsänderungsklausel - bei gleichzeitiger Wirksamkeit der Vereinbarung über die Variabilität der Zinshöhe - entstanden ist, musste zur Durchführung des Sparvertrags zwingend durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden (aaO Rn. 41). Eine vergleichbare Sachlage besteht im Streitfall nicht, weil der Nutzungsvertrag ohne weiteres auch ohne die unwirksamen Regelungen zur Löschung und Sperrung durchführbar ist.

b) Dem aus der vertragswidrigen Löschung folgenden Anspruch auf Wiederherstellung der Posts kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger sich treuwidrig verhält (§ 242 BGB), weil er - wegen eines Verstoßes gegen die Gemeinschaftsstandards der Beklagten - seinerseits zur Löschung der Beiträge verpflichtet sein könnte.

Zwar wird aus § 242 BGB der sog. Rückgewährseinwand hergeleitet. Wer etwas verlangt, was er sofort zurückgeben muss, handelt grundsätzlich treuwidrig („Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“) (BeckOGK/Kähler, 1.8.2021, BGB § 242 Rn. 1358). Jedoch gilt dieser Rückgewährseinwand nicht unbeschränkt, wie sich bereits aus § 863 BGB ergibt. So kann der Rückgewährseinwand keine Grundlage sein, um die Voraussetzungen einer Selbsthilfe nach § 229 BGB zu unterlaufen und den Eingriff in fremde Rechte mit der Begründung zu ermöglichen, im Ergebnis sei die auf diese Weise hergestellte Lage richtig (aaO, Rn. 1364). Setzt sich jemand absichtlich über ein fremdes Recht hinweg, um einen Anspruch durchzusetzen, reduziert sich sein Treueanspruch. Nach dem Rechtsgedanken des § 863 BGB ist ihm dann je nach Schwere des Treueverstoßes der Rückgewähreinwand zu versagen, auch wenn er damit den Rückgewähranspruch nicht endgültig verliert (aaO).

Im Streitfall ist die Klausel der Nutzungsbedingungen der Beklagten, mit der sie sich ein Löschungsrecht ausbedungen hat, unwirksam, weil sie dem Nutzer im Zuge der Löschung des Beitrags und der vorübergehenden Sperrung seines Accounts keine Verfahrensrechte einräumt, die - bei der gebotenen Abwägung der einander gegenüberstehenden Grundrechtspositionen der Parteien - der Meinungsäußerungsfreiheit der Nutzer und dem Gleichbehandlungsgebots hinreichend Rechnung tragen und zu einem interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen führen (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – III ZR 179/20 –, Rn. 83 ff.). Mit dem gebotenen „Grundrechtsschutz durch Verfahrensrecht“ wäre es unvereinbar, wenn dem Anspruch des Nutzers auf Wiederherstellung des Beitrags der Rückgewährseinwand entgegengehalten werden könnte und die Beklagte somit im Ergebnis sanktionslos vertragswidrig Beiträge löschen könnte. Vielmehr muss der Rechtsgedanke des § 863 BGB entsprechend zum Tragen kommen, sodass die Beklagte darauf zu verweisen ist, etwaige Löschungsansprüche gegen ihre Nutzer zunächst außergerichtlich und dann ggf. auf dem Rechtsweg geltend zu machen.

2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 BGB auch ein Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Löschung der Beiträge bei deren erneuter Einstellung zu.

a) Die Beklagte hat - wie ausgeführt - durch die Entfernung der Beiträge des Klägers gegen ihre Vertragspflichten verstoßen. Dasselbe gilt für die Sperrungen des Nutzerkontos des Klägers. Auch insofern war die Beklagte infolge der Unwirksamkeit des Entfernungs- und Sperrungsvorbehalts in Nr. 3.2 der Nutzungsbedingungen zu der von ihr ergriffenen Maßnahme nicht berechtigt (BGH, aaO, Rn. 101).

b) Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch folgt jedenfalls dann aus § 280 Abs. 1 BGB, wenn die Beklagte bereits einmal ihre Pflichten aus dem - fortbestehenden - Vertragsverhältnis verletzt hat und die Vertragsverletzung - in Gestalt der Entfernung des Beitrags des Klägers - teilweise noch andauert (BGH, aaO, Rn. 102).

c) Für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr (vgl. zum Erfordernis:

BGH, aaO, Rn. 103) spricht aufgrund der bereits begangenen Pflichtverletzungen der Beklagten eine tatsächliche Vermutung. Anhaltspunkte für eine Widerlegung der Vermutung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

3. Die Berufungsanträge zu 3 und 5 (Feststellung) sind als Zwischenfeststellungsanträge gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Anträge sind auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Ob die Beklagte nicht zu den Löschungen und Sperrungen berechtigt war, betrifft nicht bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, sondern das Nichtbestehen eines Rechtverhältnisses (vgl. zur Abgrenzung BGH, Urteil vom 17. Juni 2016 – V ZR 272/15, Rn. 9 f.). Eines Feststellungsinteresses bedarf es gemäß § 256 Abs. 2 ZPO nicht, weil es sich um entscheidungserhebliche Vorfragen der Unterlassungsanträge handelt.

Aus den vorstehend genannten Gründen sind die Feststellungsanträge auch begründet.

III. Im Übrigen ist die Klage - unabhängig von der Zulässigkeit der Löschung und Sperrung - unbegründet.

1. Der Berufungsantrag zu 2 (Datenberichtigung) ist unbegründet.

Ein Anspruch auf Datenberichtigung besteht - unabhängig von der Zulässigkeit der Maßnahmen - nicht.

Gemäß Art. 16 DS-GVO kann der Betroffene die Berichtigung ihn betreffender unrichtiger personenbezogener Daten verlangen.

Soweit die Beklagte die vorgenommene Löschung und Sperrung in ihrem Datenbestand vermerkt hat, handelt es sich aber nicht um unrichtige Daten, denn die Löschung und die Sperrung sind unstreitig vorgenommen worden. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Frage, ob die Löschung und Sperrung sich als rechtmäßig erwiesen haben, Gegenstand eines weiteren gespeicherten Datensatzes ist.

Jedenfalls kann auch insoweit keine Berichtigung verlangt werden, weil es sich nicht um eine dem Wahrheitsbeweis zugängliche Tatsache, sondern um eine rechtliche Bewertung handelt. Werturteile von Privaten sind grundsätzlich schon wegen des Schutzes der Meinungsfreiheit aus dem Anwendungsbereich der Berichtigungspflicht ausgenommen, soweit sie keine Tatsachenbestandteile enthalten (BeckOK DatenschutzR/Worms, 34. Ed. 1.8.2020, DS-GVO Art. 16 Rn. 54).

Der Beklagten kann es nicht verwehrt werden, ihre Auffassung zu vermerken, Löschung und Sperrung seien rechtmäßig gewesen. Mit einer solchen Speicherung ist allerdings kein Präjudiz für die Frage der Rechtmäßigkeit verbunden. Über diese Frage wird bereits durch die Feststellungsanträge verbindlich entschieden. Die Verurteilung zur Datenberichtigung hätte keine weiterreichende Bindungswirkung für die Beklagte, etwa wenn sie bei der Sanktionierung weiterer Verstöße für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit auf die Zahl der zuvor begangenen Verstöße abstellt. Für eine solche Bindungswirkung, die über die materielle Rechtskraft des Urteils hinausgeht, besteht keine rechtliche Grundlage. Es existiert keine Regelung, dass die gespeicherten Daten verbindlich für die Beurteilung der Rechtslage sind.

2. Die geltend gemachten Auskunftsansprüche (Berufungsanträge zu 9 und 10) bestehen ebenfalls nicht.

a) Die unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben begründete Auskunftspflicht stellt eine Nebenverpflichtung dar und setzt daher im Regelfall einen dem Grunde nach feststehenden Leistungsanspruch voraus (MüKoBGB/Krüger, 8. Aufl. 2019, BGB § 260 Rn. 15). Die anspruchsbegründenden Merkmale des Anspruchs müssen also gegeben sein, lediglich der Anspruchsinhalt, den zu bestimmen die Auskunft benötigt wird, darf offen sein. Freilich muss die Wahrscheinlichkeit bestehen, dass nach dem Ergebnis der Auskunft etwas zu fordern bleiben wird. Besteht der Leistungsanspruch z.B. in einem Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, so müssen sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen dieses Anspruchs, einschließlich Verschulden, gegeben sein; nur für die Schadensentstehung genügt Wahrscheinlichkeit. Generell kann nur derjenige Auskunft verlangen, der durch das Verhalten desjenigen, von dem er Auskunft will, oder in sonstiger Weise bereits in seinem bestehenden Recht so betroffen ist, dass nachteilige Folgen für ihn ohne die Auskunftserteilung zu besorgen sind (aaO).

b) Im Streitfall ist von vornherein - unabhängig von der Zulässigkeit der Löschung und Sperrung - nichts für eine Haftung etwaiger, von der Beklagten beauftragter Dritter ersichtlich. Das Nutzungsverhältnis, aus dem sich die - vertraglichen - Ansprüche des Klägers ergeben, besteht nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits. Von der Beklagten beauftragte Dienstleister sind hieran nicht beteiligt. Auch ein deliktischer Anspruch kommt nicht in Betracht. Die angegriffenen Maßnahmen stellen keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers dar. Die Möglichkeit, auf F... Kommentare abzugeben, ist kein deliktsrechtlich geschützter Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Auch eine sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB ist nicht im Ansatz erkennbar.

c) Auch für einen Anspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland ist nichts ersichtlich. Es handelt sich bei der vermuteten Einflussnahme der Bundesregierung um reine Mutmaßungen des Klägers ohne jede Tatsachengrundlage. Die im Rahmen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes vorgenommene Regulierung ist ohne Belang für die Frage, inwiefern die Beklagte Beiträge löscht und mit Sperrungen ahndet, die keine rechtswidrigen Inhalte nach § 1 Abs. 3 NetzDG darstellen.

3. Der Berufungsantrag zu 11 (Zahlung) ist unbegründet.

a) Der Zahlungsantrag ist nunmehr zulässig, nachdem der Kläger den Antrag in der Berufungsverhandlung mit der Maßgabe gestellt hat, dass in erster Linie der Schaden wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend gemacht wird, hilfsweise in zweiter Linie der Schaden wegen vertraglicher Ansprüche (fiktive Lizenzgebühr) und weiter hilfsweise in dritter Linie der Schaden wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung.

Der ursprüngliche Zahlungsantrag ist unzulässig, weil es sich um eine - unzulässige - alternative Klagehäufung handelt (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, § 260 Rn. 22). Seinen Zahlungsantrag hat der Kläger alternativ auf verschiedene Gesichtspunkte gestützt (immaterielle Entschädigung für die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch die Kontosperrung, Vermögensschaden durch die unberechtigte Verwertung seiner geposteten Inhalte sowie Entschädigung für die unberechtigte Datenverarbeitung). Damit liegen drei unterschiedliche Streitgegenstände (prozessuale Ansprüche) vor. Bei einem materiellen und einem immateriellen Schadensersatzanspruch handelt es sich stets um prozessual selbständige Streitgegenstände (BGH, Urteil vom 27. Mai 1993 – III ZR 59/92, BGHZ 122, 363-372, Rn. 8), nicht lediglich um unterschiedliche materielle Anspruchsgrundlagen für einen einheitlichen prozessualen Anspruch. Gleiches gilt für den Datenschutz-rechtlichen Entschädigungsanspruch, der ein gänzlich anderes Schutzgut betrifft.

Aufgrund der nachgeholten Angabe des Eventualverhältnisses - der Reihenfolge, in der der Kläger seinen Zahlungsantrag auf die verschiedenen prozessualen Ansprüche stützt - ist der Antrag jedoch nunmehr zulässig.

b) Der Zahlungsantrag ist allerdings sowohl im Hauptantrag als auch in den Hilfsanträgen unbegründet.

aa) Dem Kläger steht kein immaterieller Schadensersatzanspruch wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung zu.

Die Rechtsprechung hat aus § 823 Abs. 1 BGB i.V. mit Art. 1 und 2 GG hergeleitet, dass dem Geschädigten im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung eine Geldentschädigung zuzubilligen ist, weil ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995 – VI ZR 332/94, Rn. 13, juris).

Auch wenn die Meinungsfreiheit als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesehen wird, stellen die in Rede stehenden Maßnahmen keine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers dar. Auch unter Berücksichtigung der Bedeutung, die die Nutzungsmöglichkeit von F... für manche Menschen haben mag, betrifft eine vorübergehende Sperre keinesfalls einen Kern des Persönlichkeitsrechts.

bb) Es besteht auch kein Schadensersatzanspruch wegen unberechtigter Nutzung der von dem Kläger generierten Inhalte.

Die Beklagte hat Inhalte des Klägers nicht unberechtigt genutzt; er hat der Nutzung bei Abschluss des Nutzungsvertrages zugestimmt. Auch wenn die Beklagte sich nicht vollständig vertragsgerecht verhalten hat, lässt dies nicht die Zustimmung des Klägers entfallen.

Darüber hinaus ist dem Kläger durch die Maßnahmen der Beklagten auch kein Vermögensschaden entstanden. Die Vermögenslage des Klägers hat sich hierdurch nicht verändert.

cc) Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 2 Satz 1 DS-GVO zu. Die Maßnahmen der Beklagten stellen - unabhängig von ihrer Zulässigkeit - keinen Verstoß gegen die DS-GVO dar. Die Nutzung der Daten des Klägers erfolgte mit dessen Zustimmung. Daran ändert es nichts, dass sich die Beklagte bei der Löschung des Posts und der Sperrung pflichtwidrig verhalten hat.

4. Der Berufungsantrag zu 12 (Freistellungsanspruch in Bezug auf außergerichtliche Anwaltskosten) ist unbegründet.

a) Zwar kommt dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Betracht, soweit die Klage in der Hauptsache begründet ist. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass bei dem Kläger entsprechende außergerichtliche Anwaltskosten angefallen sind. Für die vorprozessuale Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers wäre nur dann eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV angefallen, wenn der Kläger diese außergerichtliche Tätigkeit beauftragt hat, ohne zugleich einen unbedingten Klagauftrag zu erteilen (vgl. BGH, Urteil vom 15. August 2019 – III ZR 205/17, Rn. 43). Der Kläger hat hierzu nichts vorgetragen, obwohl die Beklagte die außergerichtlichen Kosten in Abrede genommen hat.

Darüber hinaus ergibt sich aus der Anlage K 35, dass der Rechtsschutzversicherer etwaige außergerichtliche Kosten des Klägers beglichen hat. Daher bestünde ein etwaiger Freistellungsanspruch des Klägers nicht mehr, sondern ein Zahlungsanspruch aus abgetretenem Recht des Versicherers, den der Kläger jedoch nicht geltend macht.

b) Auch für die Einholung der Deckungszusagen seines Rechtsschutzversicherers kann der Kläger keinen Freistellungsanspruch geltend machen.

Die durch die Pflichtverletzung der Beklagten verursachten Rechtsverfolgungskosten sind nur zu ersetzen, soweit sie aus der Sicht des Klägers zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2011 – VIII ZR 132/10, Rn. 23 f., juris; Urteil vom 13. Dezember 2011 – VI ZR 274/10, Rn. 20 f., juris). Dem Geschädigten ist in der Regel zuzumuten, die Deckungszusage selbst anzufordern (aaO). Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, eine einfache Anfrage, ggf. unter Beifügung des von seiner Prozessbevollmächtigten gefertigten Entwurfs des Abmahnschreibens bzw. der Klage, an den Versicherer zu senden. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass von vornherein davon auszugehen war, dass der Versicherer den Deckungsschutz nur bei einer anwaltlichen Aufforderung gewähren würde. Dies ergibt sich auch nicht aus der vorgelegten Korrespondenz mit dem Versicherer (Anlagen K 36 - K 42).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG München: Facebook darf Nutzerkonto ohne vorherige Anhörung sperren und Beiträge löschen wenn pornographische bzw. ausbeuterische Fotos von Minderjährigen gepostet werden

LG München
Urteil vom 31.01.2022
42 O 4307/19

Das LG München hat entschieden, dass Facebook ein Nutzerkonto ohne vorherige Anhörung sperren und Beiträge löschen darf, wenn pornographische bzw. ausbeuterische Fotos von Minderjährigen (sogenannte Child Exploitative Imagery (CEI)-Inhalte) gepostet werden.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

„Keine zwingende Anhörung bei Kontosperrung aufgrund außerordentlicher Kündigung“

Die 42. Zivilkammer des Landgerichts München I hat am 31.01.2022 die Klage eines ehemaligen Nutzers gegen Facebook abgewiesen (42 O 4307/19). Der Kläger hatte auf Wiederherstellung seines Nutzerkontos und Schadenersatz geklagt, nachdem die Beklagte am 10.12.2018 sein Konto ohne seine vorherige Anhörung gesperrt hatte.

Der Kläger hatte neun Fotos von weiblichen Personen über den Messenger Dienst der Beklagten weitergeleitet. Die von der Beklagten eingesetzte Software „PhotoDNA“ identifizierte diese Fotos als „Child Exploitative Imagery“ (CEI), als ausbeuterische Bilder von Kindern. Daraufhin wurde das Konto des Klägers bei der Beklagten dauerhaft gesperrt. Die Beklagte teilte dem Kläger erst zeitgleich mit der Deaktivierung mit, dass sein Konto gesperrt werde. Der Kläger beschwerte sich daraufhin bei der Beklagten und ein Mitarbeiter der Beklagten überprüfte die Fotos und bestätigte den CEI-Inhalt der Bilder.

Der Kläger vertrat die Ansicht, er hätte vor der Sperrung seines Kontos angehört werden müssen. Die Fotos habe er von Freunden erhalten und er könne sich nicht vorstellen, dass diese unerlaubtes Material versendeten. Außerdem habe er die Fotos nicht öffentlich, sondern lediglich im Rahmen eines privaten Gesprächsverlaufs versandt.

Den Argumenten des Klägers ist die Kammer entgegengetreten. Die außerordentliche Kündigung ist wirksam, eine vorherige Anhörung des betroffenen Klägers war in diesem Fall entbehrlich.

Nach der vollen Überzeugung der erkennenden Kammer gemäß § 286 Abs. 1 ZPO beinhalten die vom Kläger versandten streitgegenständlichen Fotos Inhalte, die pornographische und damit ausbeuterische Darstellungen von Minderjährigen enthielten. Es ist nicht erkennbar oder auch nicht vorgebracht worden, dass sich sowohl die Software als auch der konkret ein-gesetzte Mitarbeiter beim Abgleich der streitgegenständlichen Fotos mit den bekannten CEI-Inhalten geirrt hätten.

In rechtlicher Hinsicht führte die Kammer aus, das vertragliche Nutzungsvertragsverhältnis zwischen den Parteien sei auf Dauer angelegt und könne daher gemäß § 314 BGB bei Vorliegen eines wichtigen Grundes außerordentlich und ausnahmsweise ohne vorherige Anhörung gekündigt werden.

Zur Begründung des Urteils hat die Kammer umfassend abgewogen.

Nach eigener Aussage nutzte der Kläger sein Konto bei der Beklagten ausschließlich zu privaten Zwecken, insbesondere um Kontakt mit Freunden und Familie zu halten. Durch die Sper-rung war ihm die elektronische Kommunikation zu Freunden und Familie mittels der Dienste der Beklagten nicht mehr möglich. Der Wechsel zu einem Netzwerk eines anderen Betreibers könne mit dem Verlust von Kontakten verbunden sein. Auch verfüge die Beklagte über eine bedeutende Markt- und soziale Macht. Durch die Deaktivierung seines Kontos sei der Kläger zudem zumindest abstrakt daran gehindert, mittels den Diensten der Beklagten seine Meinung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG kundzutun – auch wenn in der Vergangenheit nicht erkenntlich gewesen sei, dass er das Netzwerk dazu tatsächlich genutzt habe. Die Versendung der streitgegenständlichen Fotos stelle jedenfalls keine Meinungsäußerung dar.

Demgegenüber habe die Beklagte ein geschäftliches Interesse daran, den Nutzern ihrer Dienstleistungen ein sicheres Kommunikationsumfeld und ihren Werbekunden ein attraktives Werbeumfeld zu bieten. Für diese Tätigkeit könne sie sich auf die auch für sie geltende Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG berufen. Weiterhin sei auch zugunsten der Beklagten das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zu berücksichtigen, da diese Vorschrift auch den Kommunikationsprozess als solchen schütze, den die Beklagte als Betreiberin eines Netzwerkes, der dem Austausch von Meinungen dient, unterstütze. Durch die Pflicht der Nutzer, die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards zu beachten, werde zudem das auf die Einhaltung der Mitgliedsbedingungen gerichtete Interesse anderer Nutzer geschützt. Bei der erforderlichen Abwägung der Grundrechtspositionen seien daher auch die Persönlichkeitsrechte der ande-ren Nutzer zu berücksichtigen. Schließlich obliege es der Beklagten im Eigeninteresse, Beiträge mit strafbaren oder rechtsverletzenden Inhalten zu entfernen oder zu sperren. Das in Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards genannte Verbot von Fotos mit CEI-Inhalten, welches die Beklagte mit ihrer Kündigung gegenüber dem Kläger durchsetzt, diene nicht nur dem Schutz einer sicheren Kommunikationsumgebung, sondern auch und insbesondere dem Schutz von Kindern und Jugendlichen. Aufgrund der besonders vulnerablen Stellung von Kindern und Jugendlichen komme der Verhinderung ihrer Ausbeutung ein ungemein hoher Stellenwert. Reflektiert werde diese Priorität durch die Straftatbestände in § 184b StGB und § 184c StGB, die die Verbreitung, den Erwerb und Besitz kinder- und jugend-pornographischer Inhalte unter Strafe stellten. Um die Verbreitung von Inhalten mit CEI-Inhalt auf dem sozialen Netzwerk der Beklagten nachhaltig zu unterbinden, sei es ein probates Mit-tel, bei einem Verstoß gegen das Verbot der Verbreitung das Konto des betroffenen Nutzers zu sperren und das Vertragsverhältnis zu kündigen.

Im entschiedenen Fall habe die Beklagte ein besonderes Interesse an einer sofortigen, nicht durch eine Fristsetzung oder Abmahnung verzögerten Beendigung des Vertragsverhältnisses gehabt. Der Kläger habe über den Messenger Dienst der Beklagten Fotos mit CEI-Inhalt versandt. Gerade durch die digitale Verbreitung solcher Inhalte bestehe die Gefahr der multiplen Weiterverbreitung. Nur durch eine sofortige Kündigung des Nutzungsverhältnisses sei es der Beklagten möglich, sicherzustellen, dass der Kläger die streitgegenständlichen Fotos weiterverbreite. Der Kläger habe die Möglichkeit, die er vorliegend genutzt habe, die Kündigung nachträglich anzugreifen und spätestens im Rahmen des zivilrechtlichen Verfahrens die Gründe für die Sperrung anzugreifen und sich hierzu Gehör zu verschaffen.

Der Beklagten sei es angesichts dieser Situation nicht zuzumuten gewesen, das Vertragsverhältnis mit dem Kläger aufrechtzuerhalten.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Zum Hintergrund:

Die Gemeinschaftsstandards der Beklagten stellen ausweislich Ziffer 5 ihrer Nutzungsbedingungen „Richtlinien“ dar, welche die „Standards“ der Beklagten bezüglich der Inhalte, die gepostet werden, sowie bezüglich der Aktivitäten auf anderen Produkten der Beklagten skizzieren. Nach Ziffer 3.2.1 der streitgegenständlichen Nutzungsbedingungen dürfen die Produkte der Beklagten nicht dazu genutzt werden, „etwas zu tun oder zu teilen“, das insbesondere gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards verstößt.

Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards lautet wie folgt:

„Nacktdarstellung von Kindern und deren sexuelle Ausbeutung

Grundgedanke dieser Richtlinie

Wir lassen keinerlei Inhalte zu, in denen Kinder sexuell ausgebeutet oder gefährdet werden. Wenn wir Kenntnis von möglicher Ausbeutung von Kindern erlangen, melden wir dies in Einklang mit geltendem Recht dem Nationalen Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder (NCMEC – National Center for Missing and Exploited Children). […]“
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Die Entscheidung des Landgerichts München I ergänzt hier die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021, III ZR 192/20 und III ZR 179/20, in denen der BGH die aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Facebook verhängte Sperren für unwirksam erklärte, weil die AGB keine vorherige verpflichtende Anhörung des Betroffenen vor Verhängung einer Sperre des Benutzerkontos vorsahen.



LG Lübeck: Twitter muss Account-Sperre aufheben und Tweet wiederherstellen - Addams-Family-GIF mit Halsabschneide-Geste keine Aufforderung zum Töten

LG Lübeck
Urteil vom 17.01.2022
10 O 387/21


Das LG Lübeck hat entschieden, dass ein Addams-Family-GIF mit Halsabschneide-Geste keine unzulässige Aufforderung zum Töten darstellt, so dass Twitter die darauf hin ausgesprochene Account-Sperre aufheben und den Tweet wiederherstellen muss.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet.

Der Verfügungskläger hat einen Anspruch auf Wiederherstellung des gelöschten Tweets mit der Bilddatei und auf Freischalten seines Accounts, §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB.

Zwischen dem Verfügungskläger und der Verfügungsbeklagten besteht ein Nutzungsvertrag, in dessen Rahmen sich die Verfügungsbeklagte verpflichtet, das Nutzerkonto des Verfügungsklägers zu unterhalten und ihm die Möglichkeit zu gewähren, Beiträge und Kommentare zu fertigen. Gegen diese vertragliche Verpflichtung hat die Verfügungsbeklagte verstoßen, indem sie die am 24. November 2021 vom Verfügungsbeklagten ausgewählte Bilddatei löschte und seinen Account für unbestimmte Zeit suspendierte. Die Veröffentlichung der Bilddatei verstieß weder gegen Strafgesetze noch gegen die vertraglichen Bestimmungen oder Richtlinien der Verfügungsbeklagten. Inwieweit die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verfügungsbeklagten ggf. unwirksam sein könnten, ist daher für die Entscheidung dieses Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht erheblich.

1. Bei der streitgegenständlichen Abbildung, die der Verfügungskläger als Kommentar veröffentlichte, handelt es sich um eine Äußerung, die von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG wird nicht schrankenlos gewährt. Es findet seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG). Ein allgemeines Gesetz liegt vor, wenn sich dieses nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solche richtet, sondern vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dient, das gegenüber der Meinungsfreiheit Vorrang hat (Burghart, in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 84. Lfg 2021, Art. 5 Rn. 672). Dies trifft auf Strafgesetze wie § 241 StGB und § 111 StGB, die die körperliche und seelische Integrität anderer Menschen schützen, zu. Die Meinungsäußerungsfreiheit muss hier zurücktreten, wenn durch ihre Ausübung schutzwürdige Interessen anderer von höherem Rang verletzt würden.

a) Die Äußerung des Verfügungsklägers erfüllt jedoch keinen der genannten Straftatbestände. Sie ist in ihrem Gesamtzusammenhang, aus dem sie nicht herausgelöst werden darf, zu beurteilen (BGH, Urteil vom 30. Januar 1996 – VI ZR 386/94 – Juris Rn. 24). Entscheidend ist nicht die subjektive Vorstellung der Parteien, sondern die Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsempfängers (BGH, Urteil vom 29. Januar 2002 – VI ZR 20/01 – Juris Rn. 25 ff; OLG München, Urteil vom 7. Januar 2020 – 18 U 1491/19 – Juris Rn. 136.). Bei der Beurteilung einer Meinungsäußerung auf einer Plattform ist auf einen eher flüchtigen Durchschnittsbeobachter abzustellen (OLG Stuttgart, Urteil vom 6. September 2018 – 4 W 63/18 – Juris Rn. 70). Bei mehrdeutigen Äußerungen, die verschiedene Deutungen zulassen, ist diejenige zugrunde zu legen, die für den sich Äußernden am günstigsten ist, es sei denn, diese günstigste Deutung ist fernliegend oder kann unter Angabe besonderer Gründe ausgeschlossen werden (Klass, in: Erman, BGB Kommentar, 16. Auflage 2020, Anhang zu § 12, Abschnitt G I. Ehrschutz Rn. 112).

Aus Sicht eines flüchtigen, unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsbeobachters ist bei der vom Verfügungskläger veröffentlichten Bilddatei nicht anzunehmen, dass es sich um eine Aufforderung zum Töten von [xxx] handelt.

Die abgebildete Szene zeigt ein etwa sechsjähriges Mädchen, das eine kopflose Puppe in der Hand hält und mit ausgestrecktem Zeigefinger eine fließende Bewegung quer über ihre Kehle ausführt (bzw. im Standbild nur andeutet). Ihr Finger symbolisiert dabei ein Messer, mit dem die Kehle durchgeschnitten wird. Diese Zeichensprache kann als universal bekannt angenommen werden. Damit kann die Geste unmittelbar so verbalisiert werden, dass ein anderer Mensch getötet wird oder werden solle, und in einem bereits gelockerten Sinn, dass ein Mensch (an irgendeinem Einfluss) sterben möge. Gleichwohl werden der Geste je nach Zusammenhang ihrer Verwendung zahlreiche weitere unterschiedliche Bedeutungen beigemessen. So findet sie sich häufig als Aufforderung an einen anderen dazu, ein begonnenes Verhalten abzubrechen oder eine geplante Handlung zu unterlassen. Der Verfügungskläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass er das Bild in der von der Verfügungsbeklagten bereitgestellten App aus zahlreichen weiteren Bildern („mimes“) der Kategorien „Stop it!“ oder „Kill it!“ ausgewählt habe. Damit steht fest, dass die Geste bei Nutzern der Plattform auch als Metapher für den Wunsch stehen kann, dass ein (aus Sicht des Verwenders unerfreulicher) Zustand oder eine Betätigung enden möge. Der fast schon allgegenwärtige Einsatz der Geste hat außerdem dazu geführt, dass ihr in einer weiteren, vom unmittelbaren Aussagegehalt vollends gelösten Übertragung nahezu jeder Bedeutungsgehalt zukommen kann, der mit einem gewissen Überlegenheitsgefühl dessen, der die Geste vollzieht, gegenüber jenem, dem sie gezeigt wird verbunden ist (z. B. „Ich bin schlauer/stärker/besser usw.“). Mit verwandtem Bedeutungsgehalt kann die halsabschneidende Geste deshalb auch so etwas wie „Schach matt“ nach einem Kräftemessen zweier Opponenten heißen. Dies wird von dem durchschnittlichen Beobachter zwar als (aggressive) Siegesgeste verstanden, keinesfalls jedoch als Ankündigung einer Tötung des Gegners oder einem Aufruf zu dessen Tötung.

Es ist für den Durchschnittsbeobachter ersichtlich, dass die Verwendung des Bildes durch den Verfügungskläger in dem konkreten Zusammenhang keine ernstgemeinte Aufforderung zum Töten oder eine sonstige Bedrohung von [xxx] darstellt.

Dass es dem Verfügungskläger bei objektiver Betrachtung um die übertragene, nicht die direkte Bedeutung der Geste ging, wird schon daraus deutlich, dass die Szene der bekannten US-amerikanischen Fernsehserie „The Addams Family“ entstammt. Inzwischen gibt es neben der Fernsehserie unzählige Cartoons, Kinoverfilmungen, einen Zeichentrick-Ableger, sowie ein Musical und ein Handyspiel. In der Fernsehserie wird die Addams Familie als satirische, düstere Version der perfekten amerikanischen Kernfamilie dargestellt. Jedes Familienmitglied hat exzentrische Züge, alle lieben sie das Makabre. Die abgebildete Darstellerin der fiktiven Wednesday Addams hat zwar eine Vorliebe dafür, Mordpläne gegen ihren Bruder zu schmieden. Dies fügt sich jedoch in andere, rätselhafte Umstände ein, die die Addams Familie auf absurde Weise charakterisieren. Die für die Kunstform der Satire typische Übertreibung springt dem Durchschnittsbeobachter auch in der Abbildung des Kindes ins Auge, das die Geste des Halsabschneidens vollzieht und – allegorisch überzeichnet – überdies eine kopflose Puppe bei sich führt. Für den Beobachter deutet nichts hieran ernstlich auf eine Tötung. Hätte der Verfügungskläger tatsächlich Tötungsgedanken zum Ausdruck bringen wollen, hätte er hierfür einen kämpferisch auftretenden Agenten anstelle der Figur Wednesday Addams auswählen müssen.

Die Deutung, es liege ein Aufruf zur Tötung vor, ergibt sich auch nicht aus dem Zusammenspiel der Geste mit dem Tweet „Shall we play a game?“ des Nutzers „@Theanonleaks“. Die Frage „Shall we play a game?“ ist der Film-Serie „Saw“ entlehnt. Die Hauptfigur dieses Horror-Thrillers ist ein psychopatischer Serienmörder, der sich Opfer sucht und deren Überlebenswillen durch Folter testet. Bevor er seine Opfer foltert, fragt er seine Opfer wahlweise „Do you wanna play a game?“ oder „I want to play a game.“ Dies ist freilich keine wirkliche Frage, da seine Opfer keine andere Wahl haben als „mitzuspielen“. In Anlehnung an die Film-Serie Saw ist „Shall we play a game?“ für den Durchschnittsbetrachter als eine rhetorische Frage aus dem Bereich des Fiktionalen aufzufassen. Dabei ist den Angaben des Verfügungsklägers, die nicht bestritten worden sind, Glauben zu schenken, „@Theanonleaks“ stehe für eine Gruppe von Aktionisten namens „Anon“, der es keinesfalls um das Töten eines Menschen oder einen Aufruf zu Gewalt gehe, sondern die dafür bekannt sei, geheime Informationen zu hacken und der Öffentlichkeit zu unterbreiten („leaken“). Mit der Einstellung des Bildes der Wednesday Addams habe er der Gruppe, mit deren Aktionen er durchaus gelegentlich sympathisiere, zeigen wollen, dass sie mit einem Hacker- Angriff auf das Nutzerkonto [xxx] zu weit gehe. Diese Bedeutung, die nach den Ausführungen des Verfügungsklägers nicht fernliegt, kann die Kammer nicht ausschließen.

Strafbares Verhalten des Verfüfungsklägers liegt jedoch auch dann nicht vor, wenn die Äußerung „Shall we play a game?“ in ihrem vollständigen Kontext erfasst und mit einer weiteren Bedeutung versehen wird. Sie bezieht sich auf den Post „Freiheit ist wichtiger als Gesundheit“ von [xxx]. Dieser ist Mitglied der Jungen Liberalen im Kreis [xxx] nd der Öffentlichkeit durch seine Auseinandersetzung mit Jan Bö. und [xxx] bei Tw. bekannt. Über diese berichteten bereits der Stern, tagesspiegel.de, Cicero Online, Welt online und der Spiegel (nachzulesen [xxx]). Der Tweet „Freiheit ist wichtiger als Gesundheit“ bezieht sich nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen Durchschnittsempfängers auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Alle bisherigen Corona-Bekämpfungsmaßnahmen sind gedacht als Einschränkung der Freiheiten zur Bekämpfung der Pandemie und damit zur Verbesserung der Gesundheit der Bürger. Vor dem Hintergrund, dass Corona-Maßnahmen wiederholt von Gerichten auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden und in der Politik und Gesellschaft eine Konsensfindung immer schwieriger wird, ist offensichtlich, dass der Tweet von [xxx] polarisiert. Eine Polarisierung trägt zur leichteren Verständlichkeit bei, ist aber oft überspitzt und provozierend. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Gegenreaktion auf eine provozierende Aussage ebenfalls überspitzt, polarisierend und provozierend ist. Die Aussage „Shall we play a game?“ kann daher ebenso wie die Geste des Halsabschneidens von einem durchschnittlichen Empfänger auch als krasse Ablehnung der Aussage [xxx] verstanden werden. Daraus folgt für den unvoreingenommenen Betrachter jedoch nicht, dass die Tweets tatsächliche Konsequenzen haben sollen.

Dass die Bedeutung der Abbildung den Wunsch ausdrücke, [xxx] möge sterben oder sein Wohlbefinden leiden, hat die Verfügungsbeklagte auch nicht anhand weiterer Tatsachen glaubhaft gemacht. Es mag zwar sein, dass weitere Nutzer Botschaften in diesem Sinne verbreiteten, wie der Nutzer [xxx] mit dem Kommentar: „Ich bleib dabei, er darf gerne in Freiheit krepieren“. Die Verfügungsbeklagte trägt aber selbst nicht vor, dass der Verfügungskläger sich auf diesen oder ähnliche Tweets bezogen habe, während der Verfügungskläger angab, allein den Ausgangs- Tweet des Nutzers „@Theanonleaks“ kommentiert zu haben.

b) Die Veröffentlichung des Bildes liefert auch nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen und Richtlinien der Verfügungsbeklagten keinen Anlass zu dessen Löschung. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass Netzwerkbetreiber durchaus die Möglichkeit haben, in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nicht strafbare oder rechtsverletzende Meinungsäußerungen einschränken zu dürfen, sofern sichergestellt wird, dass die Entfernung von Inhalten im Einzelfall unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Position des jeweiligen Nutzers erfolgt und sachlich gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – III ZR 179/20 –, Juris Rn. 58 ff., 78). Dass ein Verstoß gegen die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verfügungsbeklagten nach dem glaubhaft gemachten Vortrag der Parteien nicht vorliegen kann, leuchtet schon deswegen ein, weil die Verfügungsbeklagte, wie der Verfügungskläger unwidersprochen vorträgt, die entsprechende Bilddatei selbst in ihrer Anwendersoftware zur Verwendung bereithält. Es wäre äußerst widersprüchlich, wenn die Verfügungsbeklagte Sanktionen gegen Nutzer ihres Dienstes ergreifen könnte, weil diese eine von ihr selbst zu Kommentarzwecken zur Verfügung gestellte Bilddatei verwenden.

2. Da dem Kommentar des Verfügungsklägers in Form der bildlichen Darstellung weder ein Aufruf zu Gewalt entnommen werden kann noch ein wiederholter Regelverstoß des Verfügungsklägers vorliegt, kommt eine Sperrung dessen Nutzerkontos nach der Richtlinie der Verfügungsbeklagten über missbräuchliches Verhalten in Verbindung mit ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht in Betracht. Dabei bedarf es keiner näheren Prüfung, inwieweit die allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Inhaltskontrolle gemäß (dem kollisionsrechtlich anwendbaren) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhielten. Soweit es in den allgemeinen Geschäftsbedingungen heißt,

„Wir können Ihre Accounts sperren oder kündigen oder Ihnen die Bereitstellung der Dienste jederzeit aus beliebigem Grund ganz oder teilweise verwehren, insbesondere, wenn ...“ (Hervorhebung hier [Anmerkung der Redaktion: durch das Gericht]),

kann dies jedenfalls nicht dahingehend verstanden werden, dass überhaupt kein ernsthafter Grund für die Sperrung eines Nutzerkontos vorliegen müsste. Die Kammer versteht die allgemeinen Geschäftsbedingungen daher auch dahingehend, dass die im Weiteren („insbesondere ...“) genannten Beispiele den Schweregrad eines Verstoßes andeuten, der erreicht sein muss, bevor eine scharfe Sanktion greifen kann. Bei anderer Auslegung läge vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Nichtigkeit dieser Bestimmung auf der Hand. Der erforderliche schwere Verstoß gegen den Nutzervertrag und die hierfür maßgeblichen Bedingungen ist jedoch – wie ausgeführt – nicht gegeben.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Regensburg: Kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO oder wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung bei unberechtigter Sperrung eines Facebook-Accounts

LG Regensburg
Urteil vom 27.08.2019
72 O 1943/18


Das LG Regensburg hat entschieden, dass kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO oder wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung bei unberechtigter Sperrung eines Facebook-Accounts besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
5. Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 BGB, 287 Abs. 1 S. 1 ZPO oder § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

a) Die Sperrung des Klägers war rechtmäßig. Auf die Ausführungen zu Ziffer 1 wird verwiesen.

b) Selbst für den Fall der unrechtmäßigen Sperrung liegen jedoch die besonderen Voraussetzungen für die Gewährung einer Geldentschädigung nicht vor, sodass unter keinen Umständen ein entsprechender Zahlungsanspruch des Klägers gegeben ist.

aa) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann, nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also Umfang, Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens (BGH, Urteil vom 17.12.2013, Az: VI ZR 211/12). Zweifelhaft ist bereits, ob der Kläger durch die teilweise berechtigte Löschung seines Beitrags und die dreitägige Versetzung in den „read only“-Modus in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt ist. Der behauptete Eingriff betrifft vorliegend jedenfalls die Sozialsphäre und gerade nicht die Privat- oder Intimsphäre. Der Kläger konnte während dieses kurzen Zeitraums weiterhin Nachrichten empfangen und wesentliche Funktionen des …-Dienstes nutzen (vgl. Auch OLG München, Beschluss vom 24.05.2019, Az: 18 U 335/19; LG Traunstein, Urteil vom 04.04.2019, Az: 8 O 3510/18).

bb) Dem Kläger ist auch kein materieller Schaden entstanden, z.B. infolge der Nutzung seiner persönlichen Inhalte durch die Beklagte während des Sperrzeitraums. Nach der sogenannten Differenzhypothese wird die tatsächlich eingetretene Vermögenslage mit der hypothetischen Vermögenslage verglichen, die ohne das haftungsbegründende Ereignis eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 5.2.2015, Az: IX ZR 167/13). Der Schadensbegriff orientiert sich im gesamten Schadensrecht stets am Leistungsinteresse des Gläubigers. Für den vom Kläger angenommenen Schaden bzw. die behauptete ungerechtfertigte Bereicherung auf Seiten der Beklagten ist es daher nicht ausreichend, dass der Beklagten während der Dauer der Einschränkung der Benutzungsrechte des Klägers die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit von deren Daten offenstand (vgl. LG Traunstein, Urteil vom 04.04.2019, Az: 8 O 3510/18).

Einen konkreten finanziellen Schaden hat der Kläger schon nicht substantiiert dargelegt. Zwar mögen seine Kommunikationsmöglichkeiten in Folge der Sperre kurzzeitig eingeschränkt gewesen sein; ein Schaden allein unter dem abstrakten Gesichtspunkt des Verlusts von Kommunikationsmöglichkeiten kommt bei einer nicht im unternehmerischen Verkehr stehenden Person nicht in Betracht. Der Kläger erhielt und erhält auch ohne Sperrung keine Lizenzgebühr für die Nutzung seiner Daten, sodass eine fiktive Lizenzgebühr von 50 Euro täglich nicht als Schaden angesetzt werden kann. Weiterhin ist fraglich, ob der Kläger selbst bereit wäre, für die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit eine tägliche Gebühr in der genannten Höhe zu zahlen. Sinn und Zweck des Schadensersatzes ist es gerade, eingetretene Schäden auszugleichen, nicht, diese überzukompensieren (vgl. BGH, Urteil vom 22.2.2018. Az: VII ZR 46/17). Das Gericht schließt sich zudem der höchstrichterlichen Rechtsprechung an, derzufolge eine fiktive wie auch abstrakt-normative Schadensberechnung Ausnahmefällen vorbehalten ist (vgl. Heinemeyer: Ende der fiktiven Mängelbeseitigungskosten auch im Kaufrecht?, NJW 2018, 2441; BGH, Urteil vom 22.03.1990, Az: I ZR 59/88).

cc) Schließlich steht dem Kläger auch nach Art. 82 Abs. 2 S. 1 DSGVO kein Ersatzanspruch für materielle oder immaterielle Schäden zu. Soweit dieser Anspruch mit einer Einschränkung der Datenverarbeitung durch den Kläger infolge der Sperrung seines Nutzerkontos bei … begründet wird, ist schon der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet, die nach Art. 2 Abs. 2 c) keine Anwendung findet auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten; über persönliche Tätigkeiten hinausgehende Nutzungszwecke wurden vom Kläger nicht vorgetragen. Auch wird lediglich der Eintritt eines materiellen Schadens durch die Sperrung des Nutzerkontos behauptet, weil der Kläger gehindert gewesen sei, seine geäußerte Meinung weiter zu verbreiten, ohne diesen behaupteten Schaden konkret darzulegen oder sonst nachvollziehbar zu begründen (vgl. LG Traunstein, Urteil vom 04.04.2019, Az: 8 O 3510/18).


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OLG Düsseldorf: Sperren der Auflademöglichkeit einer Elektroauto-Batterie per Fernzugriff ist verbotene Eigenmacht - AGB-Klausel in Mietbedingungen von Renault unwirksam

OLG Düsseldorf
Urteil vom 07.10.2021
I-20 U 116/20


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass das Sperren der Auflademöglichkeit einer Elektroauto-Batterie per Fernzugriff verbotene Eigenmacht ist. Eine entsprechende AGB-Klausel in den Mietbedingungen von Renault, welche dies vorsah, ist somit unwirksam und wettbewerbswidrig.

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei der streitgegenständlichen , von der Beklagten verwendeten Klausel - Ziffer XVI. der Allgemeinen Mietbedingungen - handelt es sich unstreitig um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB. Die Klausel unterliegt gemäß §§ 307 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle.Aus dieser folgt, dass die Klausel gemäß §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.

1. Eine AGB-Klausel benachteiligt den Vertragspartner , wenn sie seine Interessen in einer vom Gesetz abweichenden Weise regelt (Roloff/Looschelders , in: Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 307 Rn. 8). Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel dann anzunehmen , wenn eine Bestimmung mit wesentl ichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

Dies ist bei der streitgegenständlichen Klausel der Fall. Ziffer XVI. der Allgemeinen Mietbedingungen der Beklagten sieht vor, dass die Beklagte nach Beendigung des Mietvertrages aufgrund außerordentlicher Kündigung nach Ankündigung und Ablauf einer 14-tägigen Frist berechtigt ist, die Auflademöglichkeit der Batterie zu „sperren", d.h. das Aufladen der Batterie durch den Mieter der Batterie per „Fernzugriff" mittels Software zu unterbinden. Ob dieser Fernzugriff mit Hilfe einer sog. Blockchain, d.h. ohne Mitwirkung eines Mitarbeiters der Beklagten im Rahmen eines sog. „Smart Contracting" automatisiert geschieht (vgl. zu solchen Fallgestaltungen bei vernetzten Geräten, sog. „Smart Devices" und dem Anwendungsbereich von Smart Contracts, z.B. bei Stilllegung eines gemieteten Fahrzeugs mittels Wegfahrsperre bei Zahlungsverzug des Mieters, Blockieren des elektronischen Schlosses einer gemieteten Wohnung oder Einstellung der Grundversorgung bei Zahlungsverzug des Wohnungsmieters: Möslein, ZHR 2019, 254; Regenfus, JZ 2018 , 79; Paulus/Matzke, CR 2017, 769; dies. NJW 2018 , 1905; Fries, NJW 2019, 901; Lindner, NZM 2021, 665) oder von einem Mitarbeiter der Beklagten der Zugriff auf die Software der Batterie - ggf. nach Prüfung der Vertragsbeendigung und des Ablaufs der zweiwöchigen Frist - ausgelöst werden muss, ist für die rechtliche Bewertung des Sachverhalts ohne Relevanz und war vom Senat deshalb nicht weiter aufzuklären.

Eine solche „Sperre", d.h. das Unmöglichmachen des Aufladens nach Kündigung des Mietvertrages ist vom Gesetz nicht vorgesehen. Zwar ist der Kunde nach Kündigung des Mietvertrages zur Herausgabe der Mietsache (der Batterie) gemäß § 546 BGB sowie § 985 BGB verpflichtet. Ein Zugriffsrecht des Vermieters im Wege der Selbsthilfe gemäß § 229 BGB existiert jedoch nicht, wenn der Mieter dem Herausgabeanspruch nicht (sofort) nachkommt. Das Sperren der Auflademöglichkei t stellt vielmehr eine verbotene Eigenmacht der Beklagten i.S.d. § 858 Abs. 1 BGB dar.

Das Rechtsinstitut der verbotenen Eigenmacht (§§ 858 ff. BGB) verbietet die Entziehung oder sonstige Störung des Besitzes ohne den Willen des Besitzers. Es dient dem Schutz des staatlichen Gewaltmonopols, indem es eigenmächtige Eingriffe in Sachen , die in fremdem Besitz stehen, unabhängig von der schuldrechtlichen Rechtslage untersagt. Die §§ 858 ff. BGB sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die unmittelbare Sachherrschaft des Besitzers nur aufgrund eines staatlichen Vollstreckungstitels in einem geordneten Verfahren erfolgen darf (Riehm in: Fries/ Paal, Smart Contracts, 2019, Seite 89).

Verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 BGB liegt im Falle einer Besitzentziehung oder einer sonstigen Besitzstörung vor. Eine Besitzstörung liegt vor, wenn die Ausübung der Sachherrschaft in einzelnen Beziehungen verhindert wird, ohne dass der Besitz vollständig entzogen wird (Joost in: Münchner Kommentar, BGB, § 858 Rn.5). Dies ist hier der Fall: Zwar hat der Mieter der Batterie auch nach der Sperrung der W iederauflademögl ichkeit noch die faktische Sachherrschaft über die Batterie, er kann sie jedoch nicht mehr bestimmungsgemäß nutzen, um sie aufzuladen, in seinem Elektrofahrzeug einzusetzen und sich mit seinem Elektrofahrzeug fortzubewegen .

Die Möglichkeit der Nutzung ist jedoch Bestandteil der tatsächlichen Sachherrschaft und damit des Besitzes. Der Besitz besteht als Voraussetzung des Besitzschutzes in dem dauernden Zustand der tatsächlichen Gewalt, welche mit der Einwirkungsmacht auf die Sache und der Ausschlussmacht zwei Komponenten enthält (Elzer in: Erman, BGB, 16. Auflage 2020, Vorbern. vor § 854 Rdn. 1). Durch das Sperren der Auflademöglichkei t wird diese Einwirkungsmacht des Mieters eingeschränkt.

a.
Der Annahme einer Besitzstörung bei dem vorliegenden Sachverhalt steht nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 6. Mai 2009 (BGH NJW 2009, 1947, 1049) entschieden hat, dass in der Einstellung der vom Vermieter vertraglich geschuldeten Versorgung mit Warmwasser und Heizleistungen nach Beendigung eines Mietverhältnisses über Gewerberäume nach Kündigung wegen Zahlungsverzuges des Mieters keine Besitzstörung des Vermieters gegenüber dem Mieter zu sehen sei, weil die zur Nutzung des Mietobjekts erforderlichen Energielieferungen nicht Bestandteil des Besitzes seien und daher auch nicht Gegenstand des Besitzschutzes nach §§ 858 ff. BGB sein könnten.

Die Beklagte schuldet bei der Vermietung einer Batterie für den Antrieb eines Elektrofahrzeugs gegenüber dem Mieter gerade nicht noch zusätzlich zur Übergabe der Mietsache die Erbringung weiterer (Versorgungs-)Leistungen. Sie ist lediglich dazu verpflichtet, dem Mieter den unmittelbaren Besitz an der Batterie einzuräumen. Die für das Aufladen der Batterie notwendige Energie muss der Mieter auf eigene Kosten bereitstellen. Die unterlassene Rückgabe der Batterie an die Beklagte nach Beendigung des Mietvertrages führt deshalb zwar dazu, dass der Mieter dem Herausgabeanspruch der Beklagten aus § 546 BGB sowie § 985 BGB nicht nachkommt und der Beklagten die Sachherrschaft an der Batterie vorenthält , sie führt - anders als bei dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Sachverhalt - jedoch nicht dazu, dass der Beklagten ein weiterer Schaden droht, wenn sie die Auflademöglichkei t der Batterie nicht unterbindet. Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung darauf abgestellt hat, dass dem Vermieter der gekündigten Gewerbemieträume die Weiterbelieferung des Mieters mit Versorgungsleistungen nicht zumutbar sei, wenn dieser keine Vorauszahlungen erbracht habe, weil ihm durch die weitere Versorgung ein weiterer Schaden drohe, hat die Beklagte einen solchen - zusätzlichen - Schaden gerade nicht zu befürchten, weil der Mieter der Batterie diese gerade nicht mit von der Beklagten geliefertem Strom auflädt, sondern den Strom auf eigene Kosten von anderer Stelle beziehen muss. Bei der von der Beklagten geltend gemachten Gefahr der weitergehenden Abnutzung der Batterie bei fortgesetztem Wiederaufladen realisiert sich lediglich das typische Risiko eines Vermieters bei Nichtrückgabe und Weiternutzung .

Darüber hinaus kann der Mieter der Batterie diese nach Unterbindung der Auflademöglichkeit durch die Beklagte überhaupt nicht mehr bestimmungsgemäß

zum Betrieb seines Elektrofahrzeugs nutzen, während der Mieter einer Gewerberaumimmobilie diese auch bei einer Unterbrechung der Versorgung mit Warmwasser uind Heizleistungen noch nutzen kann, indem weil er sie weiterhin betreten und sich in ihr aufhalten kann. Für den Besitzer der Batterie wird der Besitz nach Sperrung der Auflademögl ichkeit dagegen nutzlos.

b.
Auch der Umstand, dass sich Mobilfunkanbieter im Rahmen von Mobilfunkverträgen in ihren Geschäftsbedingungen regelmäßig (insbesondere im „Prepaid"-Bereich) das Recht einräumen lassen, die Mobilfunkleistungen einzuschränken und schließlich vollständig zu sperren, wenn der Mobilfunkkunde mit seinen Zahlungen im Rückstand bzw. das Kreditlimit überschritten ist, steht der Annahme einer Besitzstörung im Sinne des § 858 BGB vorliegend nicht entgegen.

Zum einen ist eine derartige teilweise oder vollständige Sperre von Leistungen durch den Anbieter von Festnetztelefonleistungen in § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG (zukünftig § 61 Abs. 3 ff. TKG 2021) gesetzlich vorgesehen, und die Wertung dieser Regelung wird jedenfalls bei der Beurteilung der Angemessenhe it der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf den Mobilfunkbereich übertragen (BGH WM 2011, 615), während eine derartige Vorschrift bei der Vermietung von Batterien zum Antrieb eines Elektrofahrzeugs oder allgemein für Mietverträge gerade nicht existiert.

Darüber hinaus soll die Regelung des § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG den Telefondienstanbieter davor schützen, dass er verpflichtet wird , weiterhin kostenpflichtige Leistungen an einen säumigen Vertragspartner zu erbringen und damit das Insolvenzrisiko zu tragen. Dieses Risiko besteht für die Beklagte jedoch nicht, weil sie neben der Übergabe der Batterie gerade keine weiteren Leistungen an ihre Mieter erbringt. Es besteht daher auch kein Risiko, dass sie weiterhin Leistungen erbringt, die der Mieter nicht vereinbarungsgemäß vergütet.

Es dürfte zudem auch zu berücksichtigen sein, dass ein Festnetz- oder Mobilfunkkunde durch Wechsel des Anbieters in der Regel weiterhin zur Nutzung seines Telefongeräts in der Lage bleibt, auch wenn der bisherige Vertragspartner eine Sperrung von Leistungen oder der gesamten SIM-Karte vornimmt. Dagegen ist es dem Mieter einer Batterie für den Betrieb seines Renault-Elektrofahrzeugs - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - mangels technischer Kompatibilität gerade

nicht möglich, bei einem anderen Anbieter eine Batterie zu mieten und diese zum Betrieb seines Elektrofahrzeugs zu verwenden. Ein (Weiter-)Betrieb seines Elektrofahrzeugs ist ihm nach Sperrung der Auflademögl ichkeit der Batterie durch die Beklagte deshalb gerade nicht mehr möglich.

c.
Soweit die Beklagte darauf verweist, dass für den Mieter nach Beendigung des Mietvertrages die Möglichkeit bestehe, die Batterie bei der Beklagten zu kaufen, kann auch dieser Umstand eine Besitzstörung durch Unterbinden der Auflademöglichkeit der Batterie nicht ausschließen. Es dürfte bereits fraglich sein, ob die Beklagte im Streitfall nach außerordentlicher Kündigung des Mietvertrages noch bereit ist, ein weiteres Rechtsgeschäft mit dem Mieter abzuschließen. Zudem ist davon auszugehen, dass der Mieter das Miet-Modell der Renault-Bank gerade deshalb gewählt hat, um den finanziellen Aufwand für die Nutzung eines Elektrofahrzeugs zu reduzieren. Jedenfalls kann nicht angenommen werden, dass jeder Mieter einer Batterie wirtschaftlich auch dazu in der Lage wäre, die Kosten für den Erwerb der Batterie aufzubringen .

d.
Schließlich führt auch die vereinzelt in der Literatur für den Bereich der „selbstvollziehenden Verträge" („Smart Contracts") vertretene Auffassung , das Sachenrecht mit dem Selbsthilferecht des § 859 ff. BGB stehe Verbrauchern bei der Rechtsdurchsetzung mittels Software im Rahmen von „selbstvollziehenden Verträgen" (Smart Contracts) nicht zur Verfügung, weil der dingliche Besitzschutz der
§§ 858 ff. BGB auf Beeinträchtigungen von außen gerichtet sei, weshalb Störungen von innen nicht zu verbotener Eigenmacht führten, weil die Sachherrschaft hier von vornherein mit dem Schatten einer eventuellen späteren Selbstsperrung der Sache behaftet sei (Fries, NJW 2019, 901), bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu einem abweichenden Ergebnis, weshalb es auch insoweit keiner Aufklärung bedarf, ob die Beklagte die Auflademöglichkeit der Batterie mittels selbstvollziehender Software ohne Mitwirkung eines Mitarbeiters sperrt. Denn selbst nach dieser Auffassung soll jedenfalls durch Allgemeine Geschäftsbedingungen der dingliche Besitzschutz nicht ausgeschlossen werden können (Schrey/Thalhofer, NJW 2017, 1431; Fries, NJW 2019, 901, Fn. 10; Lindner, NZM 2021, 665).

2.
Es bedarf keiner weiteren Abwägung , ob die mit der streitgegenständlichen Klausel verbundene Benachteiligung der Vertragspartner der Beklagten auch unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB ist, insbesondere , ob die Beklagte missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten ihrer Vertragsgegners durchzusetzen versucht , ohne deren Interessen ausreichend zu berücksichtigen und ihnen einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. st. Rspr. BGH NJW 1997, 2598), weil sie aufgrund einer technischen Einwirkungsmöglichkeit mittels installierter Software die Möglichkeit des Zugriffs „von außen" auf die Mietsache hat, obwohl sich diese weiterhin im Besitz des Mieters befindet und hierdurch die Klage- und lnitiativlast auf den Mieter verlagert wird. Da die streitgegenständliche Klausel gegen die Vorschrift des § 858 Abs. 1 BGB verstößt bzw. eine unberechtigte Selbsthilfe im Sinne des §
229 BGB ermöglichen soll und damit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen, von denen abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, ist sie unwirksam (vgl. zu Entgeltklauseln BGH, NJW 2019, 3771, 3775; BGH, NJW 2017, 3649).

Der Mieter der Batterie kann durch Abschluss des Mietvertrages unter Einbeziehung der Allgemeinen Mietbedingungen auch nicht in die Sperrung der Batterie und damit in die Besitzstörung einwilligen, weil das Recht zur Selbsthilfe einer stark eingeschränkten Dispositionsbefugnis der Parteien unterliegt (RGZ 131, 213, 222; Rövekamp in: beck-online, Gsell, Großkommentar BGB, § 229 Rn. 63 ff.). Selbst für den Fall, dass der Mieter durch Abschluss des Mietvertrages der Sperrung der Batterie im Falle der außerordentlichen Vertragskündigung zugestimmt hätte, liegt trotz vorheriger Zusage im Vertrag verbotene Eigenmacht vor, wenn bei Eingriff in den Besitz der Wille des Besitzers, eine solche Maßnahme zu gestatten, nicht mehr vorhanden ist (BGH NJW 1977, 1818).


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LG München: Zur internationalen und örtlichen Zuständigkeit bei unberechtigter Sperrung eines deutschen Amazon Marketplace-Händlers durch Amazon mit Sitz in Luxemburg

LG München
Urteil vom 03.09.2021
37 O 9343/21


Das LG München hat sich mit der internationalen und örtlichen Zuständigkeit bei unberechtigter Sperrung eines deutschen Amazon Marketplace-Händlers durch Amazon mit Sitz in Luxemburg befasst.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Das Landgericht München I ist für die geltend gemachten kartell- und wettbewerbsrechtlichen Ansprüche zwar international, nicht aber örtlich zuständig. Für den vertraglichen Erfüllungsanspruch fehlt es bereits an einer internationalen Zuständigkeit.

1. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I für die geltend gemachten kartell- und wettbewerbsrechtlichen Ansprüche beurteilt sich vorliegend nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel-Ia-VO).

Die Verfügungsklägerin beruft sich unter anderem darauf, dass die Verfügungsbeklagte mit der Deaktivierung des Verkäuferkontos ihre marktbeherrschende Stellung i.S.d. §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 3 S. 1 GWB missbraucht hat bzw. als Mitbewerberin die Verfügungsklägerin im geschäftlichen Verkehr behindert hat i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 4, 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG. Damit macht sie auf eine unerlaubte Handlung i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO gestützte Ansprüche geltend.

a) Die Brüssel-Ia-VO ist auf das vorliegende Verfahren anwendbar, da es sich um eine Zivilsache handelt und die Verfügungsbeklagte ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU, nämlich in Luxemburg, hat (vgl. Art. 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO).

b) Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten schließt das Bestehen einer Vertragsbeziehung zwischen den Parteien die Beurteilung des Klageanspruchs als deliktischen Anspruch i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO nicht aus. Entscheidend für die Abgrenzung des besonderen Gerichtsstands des Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO von dem besonderen Gerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 Brüssel-Ia-VO ist vielmehr, ob ein gesetzlicher Anspruch geltend gemacht wird, der unabhängig von einem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Dies ist dann der Fall, wenn die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mit der Klage beanstandeten Handlung des Anspruchsgegners nicht vom Inhalt der beiderseitigen vertraglichen Rechte und Pflichten abhängt, sondern hiervon unabhängig nach Deliktsrecht zu beurteilen ist (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 - C- 59/19, Rn. 32f. - Wikingerhof; BGH, Urteil vom 10.02.2021 - KZR 66/17, Rn. 11, juris).

c) So verhält es sich im vorliegenden Fall. Für die Kartellrechtswidrigkeit des beanstandeten Verhaltens kommt es allein darauf an, ob der Verfügungsbeklagten eine marktbeherrschende Stellung zukommt und sie diese missbräuchlich ausgenutzt hat. Auf den Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen ASE-Vertrags oder der sonstigen dem Vertragsverhältnis zugrundeliegenden Bestimmungen kommt es dagegen nicht an. Es ist deshalb im Sinne der Abgrenzungsformel des EuGH (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 - C-59/19, Rn. 32 - Wikingerhof) zur Beurteilung der Begründetheit der Klage nicht unerlässlich, den Vertrag zwischen den Parteien auszulegen.

Zwar erfordert die nach § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB stets gebotene Interessenabwägung im Einzelfall bei einer Vertragsbeziehung der Parteien auch eine Betrachtung der vertragstypischen Rechte und Pflichten und der zwischen den Parteien getroffenen Regelungen. Für die Qualifikation des Klageanspruchs als deliktischen Anspruch ist dies jedoch ohne Belang, zumal dabei Interessen nicht berücksichtigt werden dürfen, deren Durchsetzung insbesondere nach den kartellrechtlichen Wertungen rechtlich missbilligt werden (BGH, Urt. v. 10.02.2021 - KZR 66/17, Rn. 13, juris).

d) Soweit die Verfügungsbeklagte unter Berufung auf Urteile der Landgerichte Düsseldorf und Wiesbaden die Unanwendbarkeit von Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO damit begründet, dass die geltend gemachten deliktsrechtlichen Ansprüche in untrennbarem Zusammenhang mit der vertraglichen Vereinbarung der Parteien stehen (LG Wiesbaden, Urt. v. 11.02.2020 - 2 O 130/20 - Anlage HM 23, S.6), bzw. der Vertrag nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der Anspruch entfiele (LG Düsseldorf, Urt. v. 15.07.2020 - 12 O 285/19, Anlage HM 24 S. 9) kann ihr nicht gefolgt werden. Zwar knüpft der hier geltend gemachte Anspruch insofern an das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien an, als die Verfügungsklägerin ohne den Abschluss des ASE-Vertrages nicht über die Plattform der Verfügungsbeklagten hätte verkaufen können und es somit auch nicht zu einer Deaktivierung ihres Verkäuferkontos hätte kommen können. Dies dürfte jedoch bereits mit der vom EuGH in seiner früheren Rechtsprechung noch angeführten Anknüpfung an ein Vertragsverhältnis (EuGH Urt. v. 13.03.2014 - C-548/12, Rn. 27 - Brogsitter zur Vorgängernorm Art. 5 Nr. 3 VO (EG) 44/2001 (Brüssel-I-VO)) nicht gemeint gewesen sein. Maßgeblich ist vielmehr, wie der EuGH nunmehr - den beiden angeführten Urteilen des LG Wiesbaden und LG Düsseldorf zeitlich nachgelagert - klargestellt hat (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 - C-59/19, Rn. 32 - Wikingerhof) und wie oben bereits ausgeführt wurde, dass sich die Verfügungsklägerin in ihrer Antragsschrift auf einen Verstoß gegen das deutsche Wettbewerbsrecht beruft, das den Missbrauch einer beherrschenden Stellung unabhängig von einem Vertrag oder einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung allgemein verbietet. Der kartellrechtliche Missbrauchsanspruch kann sich aus dem Gesetz unabhängig davon ergeben, ob die Verfügungsbeklagte sich mit der Deaktivierung im Rahmen ihrer vertraglichen Befugnisse gehalten hat. Eine Auslegung des Vertrages ist für die Beurteilung dieses Anspruchs daher nicht unerlässlich.

e) Auch bei den von der Verfügungsklägerin geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO, da es sich hierbei um quasi-deliktische Ansprüche im Sinne dieser Norm handelt (Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, Artikel 7 (Artikel 5 LugÜ) EuGVVO, Rn. 54). Für die Einordnung der beanstandeten Verhaltensweisen als unlauter, kommt es auf eine Auslegung des zwischen den Parteien bestehenden Vertragswerks nicht an. Die Frage, ob die Parteien Mitbewerber sind und die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin im geschäftlichen Verkehr unbillig behindert hat, bemisst sich allein nach den Vorschriften des anwendbaren Lauterkeitsrechts. Dabei ist es unschädlich, dass die aufgrund der Vertragsbeziehung gegebene Interessenlage gegebenenfalls bei der Beurteilung einer etwaigen Unbilligkeit in die Abwägung einzubeziehen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2021 - KZR 66/17, Rn. 13, juris).

f) Die durch Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO begründete Zuständigkeit deutscher Gerichte ist nicht durch eine zwischen den Parteien geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 25 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO ausgeschlossen. Zwar haben die Parteien in Ziff. 17 des ASE-Vertrages eine Zuständigkeit der Gerichte von Luxemburg Stadt, Luxemburg, vereinbart. Diese steht der Annahme der Zuständigkeit deutscher Gerichte jedoch nicht entgegen, da sie bereits nach ihrem Wortlaut keinen ausschließlichen Gerichtsstand begründet.

2. Soweit die Verfügungsklägerin ihr Unterlassungsbegehren dagegen auf einen vertraglichen Anspruch aus dem ASE-Vertrag stützt, besteht hierfür keine internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I. Für vertragliche Ansprüche ist gem. Art. 7 Nr. 1 a) Brüssel-Ia-VO das Gericht an dem Ort zuständig, an dem die vertragliche Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Bei Dienstleistungen ist dies der Ort, an dem die Dienstleistung erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen, Art. 7 Nr. 1 b) Brüssel-IA-VO. Wo im Einzelfall der mit der Dienstleistung bezweckte Erfolg eintritt, ist grundsätzlich unbeachtlich (Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 61. EL Januar 2021, VO (EG) 1215/2012 Art. 7 Rn. 124). Da die Verfügungsbeklagte ihre Dienstleistungen nach dem Parteivorbringen von ihrem Sitz in Luxemburg aus erbringt, sind die dortigen Gerichte für vertragliche Ansprüche zuständig.

Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO begründet im Falle einer Anspruchskonkurrenz auch keine Annexzuständigkeit kraft Sachzusammenhangs auch für die vertraglichen Ansprüche (EuGH, Urt. v. 27.09.1988 - C 189/87, Rn. 19 f.; BGH, Beschluss vom 10.12.2002 - X ARZ 208/02, Rn. 19, juris; OLG Bamberg, Urt. v. 24.04.2013 - 3 U 198/12, Rn. 64, juris; aA Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, Artikel 7 (Artikel 5 LugÜ) Brüssel-Ia-VO, Rn. 106 m.w.N.).

Die besonderen Zuständigkeiten der Art. 7,8 Brüssel-Ia-VO sind als Ausnahmen zur Allzuständigkeit des Wohnsitzstaates des Beklagten (Art. 4 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO) einschränkend auszulegen. Die Gerichte des nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO international zuständigen Mitgliedstaates sind daher nicht auch dafür zuständig, über die Klage unter anderen, nichtdeliktischen Gesichtspunkten entscheiden. Zwar kann dies dazu führen, dass einzelne Aspekte eines Rechtsstreits von verschiedenen Gerichten entschieden werden, doch hat der Kläger stets die Möglichkeit, seine Klage unter sämtlichen Gesichtspunkten vor das Gericht des Wohnsitzes des Beklagten zu bringen (EuGH, Urt. v. 27.09.1988 - C 189/87, Rn. 19 f.).

3. Dem Landgericht München I fehlt, soweit es vorliegend international zuständig ist, jedoch die örtliche Zuständigkeit.

a) Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO regelt neben der internationalen auch die örtliche Zuständigkeit. Ein Deliktsgerichtsstand ist dabei sowohl am Handlungs- als auch am Erfolgsort gegeben (EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C-352/13, Rn. 38 - CDC Hydrogene Peroxide; BGH, Urt. v. 06.11.2007 - VI ZR 34/07, Rn. 17). Dabei ist der Handlungsort der Ort des ursächlichen Geschehens, der hier angesichts des Sitzes der handelnden Verfügungsbeklagten in Luxemburg liegt. Der Erfolgsort ist der Ort, an dem sich der behauptete Schaden konkret zeigt.

b) Der Erfolgsort liegt hier - worauf die Kammer in der Verhandlung mündlich hingewiesen hat - jedenfalls in Mannheim als Sitz der Verfügungsklägerin, weil diese hier durch die Sperrung ihres Verkäuferkontos in ihrem Geschäftsbetrieb unmittelbar getroffen wird (vgl. auch EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C-352/13, Rn. 52 - CDC Hydrogene Peroxide). Ein Erfolgsort i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO ist dagegen nicht in München gegeben.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Erfolgsort i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO auch in München gegeben ist, ist zu berücksichtigen, dass Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO als Ausnahmeregelung autonom und eng auszulegen ist (EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C- 352/13, Rn. 37 CDC Hydrogene Peroxide). Zudem beruht die Zuständigkeitsregel nach ständiger Rechtsprechung des EuGH darauf, dass zwischen der Streitigkeit und den Gerichten des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt. Bei unerlaubten Handlungen oder ihnen gleichgestellten Handlungen ist nämlich das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, insbesondere wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme in der Regel am besten in der Lage, den Rechtsstreit zu entscheiden. Die Ermittlung eines der Anknüpfungspunkte, die nach dieser Rechtsprechung anerkannt sind, muss es somit erlauben, die Zuständigkeit des Gerichts zu begründen, das objektiv am besten beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für die Haftung des Beklagten vorliegen, so dass nur das Gericht zulässigerweise angerufen werden kann, in dessen Zuständigkeitsbereich der relevante Anknüpfungspunkt liegt (EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C-352/13, Rn. 39-41 - CDC Hydrogene Peroxide).

c) Zwar können konkrete Auswirkungen des Verhaltens der Verfügungsbeklagten auch in München auftreten. Die Verkaufsplattform der Verfügungsbeklagten AHZOn.deMarketplace richtet sich in erster Linie an Kunden auf dem deutschen Markt. Daher kann der Ausschluss von einzelnen Verkäufern, gleich welchen Sitzlandes, den Wettbewerb auf dem gesamten deutschen Endkundenmarkt, mithin auch in München, beeinträchtigen (vgl. LG München I, Urt. v. 12.05.2021 - 37 O 32/21, Rn. 55, juris).

Der Zweck des Deliktsgerichtsstands ist es nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH jedoch, eine möglichst enge Verbindung von Gericht und Streitgegenstand herzustellen. Die Maxime des EuGH, dass das „am besten“ zur Entscheidung geeignete Gericht zur Entscheidung berufen ist, sowie der Ausnahmecharakter des Art. 7 Brüssel-Ia-VO sprechen dafür, dass trotz der durch den Verstoß möglichen Auswirkungen auf den gesamten deutschen Markt nicht alle deutschen Gerichte für den Rechtsstreit zuständig sein sollen. Zwar ist es fraglich, welche tatsächlichen Vorteile eine Verhandlung am Sitz der Verfügungsklägerin gegenüber anderen deutschen Gerichten bietet, zumal es vorliegend nicht um die Ermittlung eines bei der Verfügungsklägerin eingetretenen Schadens, sondern um die Entscheidung über einen Unterlassungsanspruch geht. Hiervon kann jedoch nicht in jedem Einzelfall die Zuständigkeit abhängen, da dies dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit und der Rechtssicherheit zuwiderliefe, die der gesamten Zuständigkeitsordnung der Brüssel-Ia-VO inhärent ist (vgl. Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 61. EL Januar 2021, VO (EG) 1215/2012 Art. 7 Rn. 138).

Eine Abweichung von der Zuständigkeit am Ort des Geschäftssitzes kommt insbesondere in Betracht, wenn die Verfügungsklägerin außerhalb der EU ansässig ist und daher innerhalb des international zuständigen Mitgliedsstaates keine besonders enge Verbindung zu einem bestimmten Gerichtsort besteht (vgl. LG München I, Urt. v. 12.05.2021 - 37 O 32/21, Rn. 55, juris). Vorliegend ist dagegen eine örtliche Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO lediglich in Mannheim begründet, da die Verfügungsklägerin ihren Sitz in Deutschland hat. Auch weist die Streitigkeit vorliegend nach dem Parteivorbringen keinen sonstigen Bezug zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des Landgerichts München I auf.


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Volltext BGH II: Löschung von Nutzerbeiträgen durch Facebook - Nutzer muss informiert und Gegenäußerung möglich sein

BGH
Urteil vom 29.07.2021
III ZR 179/20
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 Satz 1; BGB § 123 Abs. 1, § 138 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 305 Abs. 2, § 307 Abs. 1 Satz 1


Die zweite der zwei Entscheidungen des BGH zur Löschung von Nutzerbeiträgen durch Facebook liegt im Volltext vor. Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Klauseln in Facebook-Nutzungsbedingungen zur Löschung von Nutzerbeiträgen und Accountsperren unwirksam - Nutzer muss informiert und Gegenäußerung möglich sein über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Da die widerrechtliche Drohung in § 123 BGB gesondert geregelt ist, ist ein Rechtsgeschäft nur anfechtbar und nicht gemäß § 138 BGB nichtig, wenn seine Anstößigkeit ausschließlich auf einer unzulässigen Willensbeeinflussung durch widerrechtliche Drohung beruht. Nur wenn besondere Umstände zu der durch iderrechtliche Drohung bewirkten Willensbeeinflussung hinzutreten, die das Geschäft nach seinem Gesamtcharakter als sittenwidrig erscheinen lassen, kann § 138 Abs. 1 BGB neben § 123 BGB anwendbar sein. Dies gilt auch, wenn der Anbieter eines sozialen Netzwerks dessen weitere Nutzung davon abhängig macht, dass der Nutzer sein Einverständnis mit den neuen Geschäftsbedingungen des Anbieters erklärt (Fortführung Senat, Urteil vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06, NJW 2008, 982).

b) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks ist grundsätzlich berechtigt, den Nutzern seines Netzwerks in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Einhaltung objektiver, überprüfbarer Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Er darf sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Maßnahmen zu ergreifen, die eine Entfernung einzelner Beiträge und die Sperrung des Netzwerkzugangs einschließen.

c) Der Anbieter des sozialen Netzwerks hat sich jedoch in seinen Geschäftsbedingungen zu verpflichten, den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegendarstellung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags einhergeht. Fehlt eine entsprechende Bestimmung in den Geschäftsbedingungen, sind diese gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

d) Hat der Anbieter eines sozialen Netzwerks vertragswidrig den im Netzwerk eingestellten Beitrag eines Nutzers gelöscht, hat der Nutzer gegen den Anbieter einen vertraglichen Anspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB auf Freischaltung des gelöschten Beitrags.

e) Zum Anspruch auf Unterlassung einer Sperrung des Nutzerkontos und Löschung des Beitrags bei dessen erneuter Einstellung in diesem Fall.

BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20 - OLG Nürnberg - LG Nürnberg-Fürth

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Volltext BGH: Löschung von Nutzerbeiträgen durch Facebook - Nutzer muss informiert und Gegenäußerung möglich sein

BGH
Urteil vom 29.07.2021
III ZR 192/20


Die erste der zwei Entscheidungen des BGH zur Löschung von Nutzerbeiträgen durch Facebook liegt im Volltext vor. Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Klauseln in Facebook-Nutzungsbedingungen zur Löschung von Nutzerbeiträgen und Accountsperren unwirksam - Nutzer muss informiert und Gegenäußerung möglich sein über die Entscheidung berichtet.

Sie finden den Volltext der Entscheidung hier:

BGH: Klauseln in Facebook-Nutzungsbedingungen zur Löschung von Nutzerbeiträgen und Accountsperren unwirksam - Nutzer muss informiert und Gegenäußerung möglich sein

BGH
Urteile vom 29.07.2021
III ZR 179/20 und III ZR 192/20


Der BGH hat entschieden, dass die Klauseln in den Facebook-Nutzungsbedingungen zur Löschung von Nutzerbeiträgen und Accountsperren unwirksam sind. Ein betroffener Nutzer muss über Löschung bzw. Sperrung und Gründe informiert werden. Zudem muss dem Nutzer eine Gegenäußerung möglich sein.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zu Ansprüchen gegen die Anbieterin eines sozialen Netzwerks, die unter dem Vorwurf der "Hassrede" Beiträge gelöscht und Konten gesperrt hat

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass die Geschäftsbedingungen von Facebook vom 19. April 2018 zur Löschung von Nutzerbeiträgen und Kontensperrung bei Verstößen gegen die in den Bedingungen festgelegten Kommunikationsstandards unwirksam sind. Dies gilt jedenfalls, weil sich die beklagte Anbieterin nicht gleichzeitig dazu verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen. Wurde aufgrund der unwirksamen Geschäftsbedingungen der Beitrag eines Nutzers gelöscht und dessen Konto vorübergehend mit einer Teilsperrung belegt, hat der Nutzer einen Anspruch auf Freischaltung des gelöschten Beitrags und gegebenenfalls auch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Löschung des Beitrags bei dessen erneuter Einstellung.

Der Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer vorübergehenden Teilsperrung der Facebook-Benutzerkonten der Kläger und der Löschung ihrer Kommentare durch die Beklagte.

Die Kläger unterhalten jeweils ein Nutzerkonto für ein von der Muttergesellschaft der Beklagten betriebenes weltweites soziales Netzwerk, dessen Anbieterin und Vertragspartnerin für Nutzer mit Sitz in Deutschland die Beklagte ist. Sie nehmen die Beklagte - soweit für die Revisionsverfahren noch von Bedeutung - auf Freischaltung der von ihnen in dem Netzwerk veröffentlichten und von der Beklagten gelöschten Beiträge, auf Unterlassung einer erneuten Sperre ihrer Nutzerkonten und Löschung ihrer Beiträge sowie - in einem der Revisionsverfahren - auf Auskunft über ein mit der Durchführung der Kontosperre beauftragtes Unternehmen in Anspruch.

Nach den Nutzungsbedingungen des Netzwerks in der seit dem 19. April 2018 geltenden Fassung darf nicht gegen die "Gemeinschaftsstandards" verstoßen werden. Diese verbieten eine - dort näher definierte - "Hassrede".

In dem Verfahren III ZR 179/20 stellte die Klägerin folgenden Beitrag ein:

"Schon der Wahnsinn, kann mich nicht an ein Attentat erinnern, das sog. Reichsbürger verübt haben. Im Gegensatz dazu dann die Morde von islamischen Einwanderern, die man zwar beobachtet hat, aber nichts dazu machen konnte. Deutsche Menschen werden kriminalisiert, weil sie eben eine andere Ansicht von ihrem Heimatland haben als das Regime. Migranten können hier morden und vergewaltigen und keinen interessiert's! Da würde ich mir mal ein Durchgreifen des Verfassungsschutzes wünschen."

In dem Verfahren III ZR 192/20 kommentierte der Kläger den Beitrag eines Dritten, der ein Video beinhaltet, in dem eine Person mit Migrationshintergrund es ablehnt, von einer Polizistin kontrolliert zu werden, wie folgt:

"Was suchen diese Leute hier in unserem Rechtsstaat … kein Respekt … keine Achtung unserer Gesetze … keine Achtung gegenüber Frauen … DIE WERDEN SICH HIER NIE INTEGRIEREN UND WERDEN AUF EWIG DEM STEUERZAHLER AUF DER TASCHE LIEGEN … DIESE GOLDSTÜCKE KÖNNEN NUR EINES MORDEN … KLAUEN … RANDALIEREN … UND GANZ WICHTIG … NIE ARBEITEN."

Die Beklagte löschte diese Äußerungen im August 2018, da sie gegen das Verbot der "Hassrede" verstießen. Sie sperrte vorübergehend die Nutzerkonten, so dass die Kläger in dieser Zeit nichts posten, nichts kommentieren und auch die Messenger-Funktion nicht nutzen konnten. Mit ihren Klagen machen die Kläger geltend, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihre Beiträge zu löschen und ihre Nutzerkonten zu sperren.

Der Prozessverlauf

Im Verfahren III ZR 179/20 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Im Verfahren III ZR 192/20 hat das Landgericht die Beklagte dazu verurteilt, es zu unterlassen, den Kläger für das Einstellen des Textes:

"Was suchen diese Leute in unserem Rechtsstaat - kein Respekt - keine Achtung unserer Gesetze - keine Achtung gegenüber Frauen. Die werden sich hier nie integrieren und werden auf ewig dem Steuerzahler auf der Tasche liegen."

erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen, wenn sich der Beitrag auf Personen bezieht, die sich der Anweisung einer Polizistin mit dem Argument widersetzen, dass sie sich von einer Frau nichts sagen ließen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Mit den vom Oberlandesgericht - beschränkt - zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Freischaltung der gelöschten Beiträge, auf Unterlassung einer erneuten Kontosperre und Löschung der Beiträge sowie - im Verfahren III ZR 192/20 - auf Auskunft über ein mit der Durchführung der Kontosperre beauftragtes Unternehmen weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Berufungsurteile teilweise aufgehoben und - im Verfahren III ZR 192/20 unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - die Beklagte verurteilt, die von ihr gelöschten Beiträge der Kläger wieder freizuschalten. Darüber hinaus hat er im Verfahren III ZR 179/20 die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin für das Einstellen ihres Beitrags erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen.

Die Beklagte war nicht aufgrund ihrer Nutzungsbestimmungen und Gemeinschaftsstandards zur Löschung der Beiträge der Kläger und Sperrung ihrer Nutzerkonten berechtigt. Zwar wurden die geänderten Nutzungsbedingungen der Beklagten in der Fassung vom 19. April 2018 wirksam in das Vertragsverhältnis der Parteien dadurch einbezogen, dass die Kläger auf die ihnen in Form eines Pop-up-Fensters zugegangene Mitteilung der Beklagten über die beabsichtigte Änderung die entsprechende, mit "Ich stimme zu" bezeichnete Schaltfläche anklickten. Die in den geänderten Nutzungsbedingungen der Beklagten eingeräumten Vorbehalte betreffend die Entfernung von Nutzerbeiträgen und die Sperrung von Nutzerkonten sind jedoch gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil dadurch die Nutzer des Netzwerks entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt werden.

Bei der Prüfung, ob eine Klausel unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, bedarf es einer umfassenden Würdigung und Abwägung der wechselseitigen Interessen. Dabei sind vorliegend die kollidierenden Grundrechte der Parteien - auf Seiten der Nutzer die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, auf Seiten der Beklagten vor allem die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG - zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Diese Abwägung ergibt, dass die Beklagte grundsätzlich berechtigt ist, den Nutzern ihres Netzwerks die Einhaltung bestimmter Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die strafrechtlichen Vorgaben (z.B. Beleidigung, Verleumdung oder Volksverhetzung) hinausgehen. Sie darf sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Beiträge zu entfernen und das betreffende Nutzerkonto zu sperren. Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechte und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jedoch erforderlich, dass sich die Beklagte in ihren Geschäftsbedingungen verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zumindest nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt.

Diesen Anforderungen werden die Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte in den Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht gerecht. Die Beklagte war daher nicht berechtigt, die Beiträge der Kläger zu löschen und ihre Nutzerkonten zu sperren. Sie muss die Beiträge wiederherstellen und hat eine Sperrung der Nutzerkonten und Löschung der Beiträge bei deren erneuter Einstellung zu unterlassen. Der entsprechende Unterlassungsantrag des Klägers scheiterte im Verfahren III ZR 192/20 indes an den Besonderheiten des dortigen Prozessverlaufs.

Vorinstanzen:

Verfahren III ZR 179/20:

LG Nürnberg-Fürth - Urteil vom 14. Oktober 2019 - 11 O 7080/18

OLG Nürnberg - Urteil vom 4. August 2020 - 3 U 4039/19

und

Verfahren III ZR 192/20:

LG Regensburg - Urteil vom 27. August 2019 - 72 O 1943/18 KOIN

OLG Nürnberg - Urteil vom 4. August 2020 - 3 U 3641/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

Art 12 Abs. 1 GG

Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

§ 307 Abs. 1 BGB

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.



LG Frankenthal: Facebook darf Nutzerbeitrag bei Verdacht auf Hassposting vorübergehend sperren und prüfen

LG Frankenthal
Urteil vom 08.09.2020
6 O 23/20


Das LG Frankenthal hat entschieden, dass Facebook einen Nutzerbeitrag bei Verdacht Hassposting vorübergehen sperren und prüfen darf.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Der Antrag Ziff. 1 auf Berichtigung der bei der Beklagten gespeicherten Daten des Klägers dahingehend, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den am 18.10.2019 gelöschten Beitrag aus dem Datensatz gelöscht und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um einen Verstoß zurückgesetzt wird, ist unbegründet.

Der Kläger kann sich nicht auf einen solchen Anspruch gegenüber der Beklagten aus Art. 16 Satz 1 DSGVO berufen. Aus Art. 16 Satz 1 DSGVO folgt das Recht der betroffenen Person, von dem Verantwortlichen unverzüglich die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen. Hinsichtlich der Unrichtigkeit der Daten ist aufgrund des Zusammenhangs und des Zwecks auf den Zeitpunkt der Datenerfassung abzustellen. Werturteile, die aufgrund der Datenverarbeitung entstehen, unterfallen nicht dem Berechtigungsanspruch (vgl. LG Köln, Urt. v. 13.05.2019 – 21 O 283/18, Anlage B31).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist nicht ersichtlich, dass unrichtige Daten des Klägers bzw. seines Nutzerkontos bei der Beklagten gespeichert sind. Vorliegend kann nur davon ausgegangen werden, dass eine Speicherung bezüglich des Nutzerkontos des Klägers dahingehend erfolgte, dass wegen eines angenommenen Verstoßes gegen die Gemeinschaftsstandards der streitgegenständliche Beitrag des Klägers sowie dessen Nutzerkonto am 18.10.2019 vorübergehend gelöscht bzw. gesperrt wurde, diese Löschung und Sperre aber am selben Tag wieder aufgehoben und der streitgegenständliche Beitrag wiederhergestellt wurde. Hierbei handelt es sich nicht um unrichtige Daten iSd Art. 16 Satz 1 DSGVO, da lediglich das tatsächliche Geschehen zutreffend wiedergegeben wurde. Insbesondere kommt es hier nicht darauf an, ob die Beklagte zur vorübergehenden Löschung des Beitrags und Sperrung des Nutzerkontos berechtigt war.

Es ist nicht ersichtlich, dass unrichtige Daten in der Form gespeichert wurden, dass tatsächlich ein Verstoß des Klägers gegen die Gemeinschaftsstandards erfasst wurde, weswegen der Kläger nun zu befürchten habe, dass bei etwaigen künftigen Verstößen ihn weitergehende Nachteile treffen würden. Die Beklagte hat im Rahmen der Klageerwiderung klargestellt, dass in den Daten des Klägers gerade nicht gespeichert ist, dass der Kläger mit der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Beitrags gegen die vertraglichen Bestimmungen verstoßen hat. Der Kläger ist seiner Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Unrichtigkeit der Daten nicht nachgekommen, da die Speicherung anderer Daten weder darlegen noch beweisen konnte.

2. Der auf Feststellung der Erledigung gerichtete Antrag Ziff. 3 ist unbegründet. Der Antrag wäre begründet, wenn der Klageantrag Ziff. 3 zulässig und begründet war, aber durch ein nach Anhängigkeit eingetretenes Ereignis unzulässig und/oder unbegründet geworden ist. Vorliegend war der ursprüngliche Klageantrag Ziff. 3 bereits im Zeitpunkt der Anhängigkeit unbegründet und ist nicht erst nachträglich unbegründet geworden. Der streitgegenständliche Beitrag wurde unstreitig am 18.10.2019 wiederhergestellt. Hinsichtlich des auf Wiederherstellung gerichteten ursprünglichen Klageantrags ist daher bereits am 18.10.2019 und somit vor Klageerhebung am 19.01.2020 Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB eingetreten.

3. Der Klageantrag Ziff. 4 auf Unterlassung einer erneuten Sperrung des Benutzerkontos sowie Löschung des Beitrags ist unbegründet. Dem Kläger steht ein solcher Anspruch nicht nach §§ 1004, 241 Abs. 2 BGB zu, da es an der erforderlichen Voraussetzung der Wiederholungsgefahr fehlt.

a) Die tatsächliche Vermutung greift nicht, da es an einer früheren rechtswidrigen Beeinträchtigung fehlt. Die Beklagte war zur vorübergehenden Löschung des Beitrags und Sperrung des Nutzerkontos berechtigt, da der streitgegenständliche Beitrag den Anschein erweckte gegen die Gemeinschaftsstandards zu verstoßen.

aa) Die Parteien haben unstreitig einen Vertrag über die Nutzung des sozialen Netzwerks der Beklagten geschlossen, bei dem es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag mit Elementen des Miet-, Werk- sowie Dienstvertragsrechts handelt (so auch: OLG München, Beschl. v. 24.08.2018 – 18 W 1294/18, NJW 2018, 3115).

bb) Die Beklagte war aufgrund ihrer wirksam einbezogenen Gemeinschaftsstandards berechtigt, den streitgegenständlichen Beitrag des Klägers vorübergehend zu löschen als auch das Nutzerkonto des Klägers vorübergehend zu sperren.

(1) Bei den Gemeinschaftsstandards handelt es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um AGB i.S.d. §§ 305 ff. BGB. Die Bedingungen hat die Beklagte durch Veröffentlichung auf ihrer Homepage wirksam einbezogen. Weder die in den Gemeinschaftsstandards niedergelegte Definition von "Gewalt und Anstiftung" sowie der „Hassrede“ noch die hieran anknüpfende Sanktion der Nutzungsbedingungen verstoßen gegen § 307 Abs. 1 S. 2 oder Abs. 2 BGB (so auch: OLG Dresden, Beschl. v. 08.08.2018 – 4 W 577/18, NJW 2018, 3111 zur vorangegangenen Regelung).

(a) Der Bewertung sind die aktualisierten Gemeinschaftsstandards zugrunde zu legen, da diese wirksam in den Vertrag zwischen den Parteien einbezogen wurden. Der Kläger hat auf den detaillierten Vortrag der Beklagten zur erteilten Zustimmung vom 01.05.2018 (Bl. 302 d. A.) nicht mehr substantiiert erwidert. Gründe, warum die neuen Standards zum 19.04.2018 durch nachträgliche Zustimmung des Klägers nicht wirksam geworden sein sollen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere folgt dies nicht aus einer Unwirksamkeit der Einbeziehung auf Grund der im ursprünglichen Vertrag vorgesehenen Möglichkeit einer Anpassung der Gemeinschaftsstandards. Dass die Anbieter bekannter Onlinedienste ihre Nutzungsbedingungen fortdauernd anpassen, ist einem jeden durchschnittlich versierten Internetnutzer geläufig und kann keinesfalls als überraschend i.S.d. § 305c BGB bewertet werden. Der am 18.10.2019 geteilte streitgegenständliche Beitrag erfolgte nach dem Zeitpunkt der wirksamen Anpassung der Gemeinschaftsstandards im Frühjahr 2018.

(b) Die Regelungen sind insbesondere nicht unwirksam, weil sie die Nutzer als Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben nicht unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligen. Es wird im Rahmen der Gemeinschaftsstandards ausführlich und verständlich ausgeführt, welche Art von Beiträgen durch die Beklagte nicht gestattet werden, da sie ihr soziales Netzwerk nicht für die Unterstützung von Hassorganisationen zur Verfügung stellen möchte. Insbesondere enthalten die Gemeinschaftsstandards eine ausführliche, in leicht verständlicher Sprache verfasste Definition der „Hassrede“ und „Hassorganisation“.

(c) Insbesondere erscheint die durch die Beklagte eröffnete Möglichkeit der Sperrung auch nicht ungewöhnlich i.S.d. § 305c BGB. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Gesamtumständen des Vertrages hauptsächlich danach, ob eine Klausel vom Leitbild des Vertragstyps oder von den üblichen Vertragsbedingungen oder dem dispositiven Recht erheblich abweicht (vgl. BGH, Urt. v. 19.02.1992 – VIII ZR 65/91, NJW 1992, 1236). Eine solche Abweichung ist hier nicht ersichtlich. Gemessen an den gesetzlichen Maßstäben können die Gemeinschaftsstandards für den durchschnittlichen Nutzer kaum als überraschend qualifiziert werden: Denn fast alle vergleichbaren Kommunikationsplattformen kennen in der ein oder anderen Form vergleichbare Verhaltensregeln; sie sind auch in der Öffentlichkeit hinreichend diskutiert worden, durchaus in Gestalt als Kritik bezüglich der Löschung bzw. Sperrung an sich zulässiger Inhalte durch soziale Netzwerke, aber auch im Rahmen der Diskussion um das NetzDG bzw. „hate speech“. Daher dürfte es jedem durchschnittlichen Nutzer bewusst sein, dass Betreiber sozialer Netzwerke sich entsprechende Rechte vorbehalten und versuchen, Teilnahmebedingungen bzw. Qualitätsstandards durchzusetzen, auch wenn in den letzten Jahren eine Verrohung der Kommunikationssitten um sich gegriffen hat. Ferner sind die Bedingungen nicht unüblich, wie die Vertragswerke bzw. Regeln anderer Plattformen zeigen, so dass der durchschnittliche Nutzer mit ihnen rechnen kann (Spindler, CR 2019, 238, 241).

(2) Unter Anwendung der wirksam einbezogenen Gemeinschaftsstandards im vorliegenden Fall durfte die Beklagte den streitgegenständlichen Beitrag dem ersten Anschein nach als Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards werten und daher vorübergehend sperren.

(a) Zunächst kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass er sich durch das Teilen des streitgegenständlichen Beitrags den Inhalt nicht zu eigen macht. Bereits begrifflich ist das Teilen als konkludentes Zueigenmachen zu werten und zielt darauf ab, auf den geteilten Beitrag hinzuweisen. Etwas anderes könnte erst dann angenommen werden, wenn im Rahmen des Teilens durch einen ergänzenden Beitrag eine Distanzierung des Teilenden von dem Inhalt des geteilten Beitrags vorgenommen wird. Sodann könnte man das Teilen lediglich als Verweis auf fremde Inhalte und Meinungen ansehen. Vorliegend fehlt es jedoch an jeglicher Stellungnahme des Klägers zu dem geteilten Beitrag. Hieraus lässt sich nicht auf eine Distanzierung schließen. Vielmehr ist bei einem Teilen ohne einer ergänzenden Bemerkung davon auszugehen, dass der Teilende allein auf den geteilten Beitrag Bezug nehmen möchte und sich diesen zu eigen macht.

(b) Eine Abbildung von Adolf Hitler als Anführer der NSDAP, die zweifellos eine terroristische und kriminelle Organisation im Sinne der Gemeinschaftsstandards darstellt, ist stets darauf zu prüfen, ob die Abbildung als Unterstützung dieser kriminellen Organisation zu werten ist. Vorliegend fehlt es an jeglicher kritischen Auseinandersetzung mit der Person Adolf Hitlers und es erfolgt ebenso wenig eine offensichtlich lächerliche Darstellung. Vielmehr kann die Darstellung Adolf Hitlers Game Boy spielend auf dem Sofa als Verharmlosung angesehen werden. Nach Auffassung des OLG München (Beschl. v. 30.11.2018 – 24 W 1771/18, GRUR-RS 2018, 50857) ist eine Abbildung samt Wortbeiträgen ohne jede Distanzierung als Unterstützung von Hitler bzw. der NSDAP zu werten. Aus verständiger und unvoreingenommener Sicht konnte der streitegegenständliche Beitrag im Rahmen einer ersten Überprüfung somit durchaus als Hassrede verstanden werden. Die vorübergehende Löschung ist daher keineswegs als willkürlich zu bewerten, sondern wurde durch den Beitrag des Klägers veranlasst. Aufgrund der in Betracht kommenden Hassrede war die Beklagte berechtigt im Rahmen einer schnellen Reaktion eine vorläufige Sperre des Beitrags vorzunehmen. Zudem ist ihr im Rahmen der ersten Beurteilung ein gewisser Ermessensspielraum einzuräumen ohne dass dies im Falle einer fehlerhaften Ersteinschätzung sogleich weitere Rechtsfolgen nach sich zieht (LG Karlsruhe, Urt. v. 04.07.2019 – 2 O 160/18, Anlage B33).

b) Selbst wenn man die vorübergehende Löschung des Beitrags und Sperrung des Kontos nicht durch die Gemeinschaftsstandards als gedeckt ansehen würde - wovon das Gericht jedoch ausgeht -, fehlt es an der Wiederholungsgefahr. Das konkrete Verhalten der Beklagten, die noch am selben Tag den streitgegenständlichen Beitrag wiederherstellte und die Sperrung des Nutzerkontos aufhob, zeigt, dass diese konkludent anerkannt hat, dass der streitgegenständliche Beitrag nicht gegen ihre Gemeinschaftsstandards verstößt. Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass die Beklagte denselben Beitrag erneut löschen oder zum Anlass für eine erneute Sperrung des Nutzerkontos des Klägers nehmen wird (LG Köln, Urt. v. 13.05.2019 – 21 O 283/18, Anlage B31; LG Karlsruhe, Urt. v. 04.07.2019 – 2 O 160/18, Anlage B33). Es fehlt bereits an jeglichem Anhaltspunkt, warum die Beklagte den Beitrag überhaupt erneut prüfen und sodann bei erneuter Prüfung zu einem anderen Ergebnis kommen sollte (LG Hamburg, Urt. v. 02.12. 2019 – 322 O 109/19, Anlage B86).

4. Der Klageantrag Ziff. 5 ist bereits mangels Schlüssigkeit unbegründet. Ein Auskunftsanspruch kann sich grundsätzlich aus § 242 BGB ergeben, wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung es mit sich bringt, dass der Auskunftsberechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer erteilen kann (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. § 260 Rn. 4 m.w.N.). Verpflichtet ist dabei in der Regel derjenige, gegen den der Leistungsanspruch geltend gemacht werden soll, für den die Auskunft benötigt wird (Palandt/Grüneberg BGB, 78. Aufl. § 260 Rn. 9). Inwieweit die hier begehrten Informationen allerdings für die Durchsetzung der von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche erforderlich sind, ist weder ersichtlich noch schlüssig dargetan. Insbesondere ist es für die erhobenen Ansprüche vollkommen unerheblich, ob die Sperre durch die Beklagte selbst oder in ihrem Auftrag durch einen externen Dienstleister vorgenommen wurde. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Einschaltung von Drittunternehmen weitere Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte begründen könnte, zumal sich aus den AGB der Beklagten, insbesondere deren Datenrichtlinie, sehr weit gehende Rechte zur Nutzung und Weitergabe der von den Nutzern ihrer Dienste erhobenen Daten ergeben und nicht ersichtlich ist, dass durch die Offenlegung gegenüber beauftragten Unternehmen ein Schaden entstehen könnte (OLG München, Beschl. v. 22.08.2019 – 18 U 1310/19, BeckRS 2019, 26477). Der Kläger trägt auch nicht substantiiert vor, unter welchem Gesichtspunkt ihm Ansprüche gegen Dritte auf Grundlage der Auskunftserteilung zustehen könnten.

5. Der Auskunftsantrag Ziff. 6 ist ebenfalls unbegründet. Für die erhobenen Ansprüche ist es unerheblich, ob die Bundesregierung irgendwelche Erklärungen gegenüber der Beklagten hinsichtlich der Löschung von Beiträgen abgegeben hat. Somit fehlt es an einer schlüssigen Darlegung, inwiefern die begehrte Information zur Durchsetzung der Klageansprüche erforderlich ist. Ein Interesse des Klägers an der Auskunft darüber, ob die Beklagte „Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat“, legt der Kläger in seinem Vorbringen nicht schlüssig dar. Zudem werden auch keine Anhaltspunkte vorgetragen, die für eine Einflussnahme der Bundesregierung oder sonstiger Bundesbehörden auf Sperrungen oder Löschungen durch die Beklagte sprechen könnten (OLG München, Beschl. v. 22.08.2019 – 18 U 1310/19, BeckRS 2019, 26477).

6. Der in Ziff. 7 geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz oder Zahlung eines „Schmerzensgeldes“ i.H.v 1.500,00 € ist unbegründet, da er dem Kläger unter keinem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt zusteht. Ein Schadensersatzanspruch, sei es aus § 280 Abs. 1 oder §§ 823 ff. BGB, scheitert – ungeachtet aller übrigen Voraussetzungen – daran, dass der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass ihm ein materieller Schaden in Höhe des geltend gemachten Betrags entstanden ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die Entstehung des Schadens und dessen Höhe trifft bei sämtlichen Haftungstatbeständen den Geschädigten (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. § 280 Rn. 34; Palandt/Sprau, BGB, 78 Aufl. § 823 Rn. 80 f.).

a) Vorliegend fehlt es bereits nach dem klägerischen Vortrag an der schlüssigen Darlegung des geltend gemachten Betrages in Höhe von 1.500,00 €. Nach der klägerischen Auffassung sind als Schadensersatz 50,00 € für jeden Tag, an welchem der Kläger sein Konto nicht nutzen konnte, zugrunde zu legen. Die Sperrung des klägerischen Nutzerkontos dauerte im gegebenen Fall keine 24 Stunden, weswegen nicht einmal der Schadensersatz für einen Tag schlüssig dargelegt ist. Erst recht ist nicht ersichtlich, wieso der Sperrung des Nutzerkontos des Klägers für ein paar Stunden ein Wert von 1.500,00 € zukommen solle.

b) Der Kläger verkennt darüber hinaus hinsichtlich des geltend gemachten Schadens, dass der zeitweiligen Einschränkung seiner privaten Kommunikationsmöglichkeiten auf dem sozialen Netzwerk der Beklagten für sich genommen kein Vermögenswert zukommt. Die Einschränkung des „Kontakts nach außen“ kann allenfalls im Rahmen des von § 823 Abs. 1 BGB als „sonstiges Recht“ geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. hierzu Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl. § 823 Rn. 133 ff.) einen Vermögensschaden begründen. Wegen eines immateriellen Schadens kann gem. § 253 Abs. 1 BGB Entschädigung in Geld nur in den gesetzlich bestimmten Fällen gefordert werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schmerzensgeldanspruchs aus § 253 Abs. 2 BGB liegen offensichtlich nicht vor. Der Kläger ist nicht in einem der in dieser Vorschrift genannten Rechtsgüter verletzt worden. Auf andere Rechtsgüter und absolute Recht ist die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. § 253 Rn. 11). Dem Kläger steht schließlich auch kein Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu (OLG München, Urt. v. 07.01.2020 – 18 U 1491/19Pre, GRUR-RR 2020, 174).

7. Mangels zu bejahendem Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch auf die in Ziff. 8 a) beantragte Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Zudem sind unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens Rechtsverfolgungskosten nur dann zu erstatten, wenn die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Wahrung und Durchsetzung der Rechte unter den Umständen des Falles erforderlich und zweckmäßig ist. Zum Zeitpunkt der Beauftragung war die Löschung und Sperrung bereits rückgängig gemacht worden, weswegen die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich war."

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OLG Dresden: Löschung von Posts durch soziales Netzwerk ist Verarbeitung von Daten im Sinne der DSGVO löst allein aber keinen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO aus

OLG Dresden
Urteil vom 20.08.2020
4 U 784/20


Das OLG Dresden hat entschieden, dass die Löschung von Posts durch ein soziales Netzwerk eineVerarbeitung von Daten im Sinne der DSGVO ist, aber allein keinen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO auslöst.

Leitsätze des Gerichts:

1. Die Änderung der Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerkes kann wirksam durch Anklicken einer Schaltfläche in einem "pop-up"-Fenster erfolgen (Festhaltung Senat, Beschluss vom 19. November 2019 - 4 U 1471/19, juris).

2. Auskunftsansprüche gegen den Betreiber eines sozialen Netzwerkes, ob und durch welches beauftragte Drittunternehmen die Löschung eines Beitrages vorgenommen wurde, kommen mangels einer schuldrechtlichen Sonderbindung nicht in Betracht.

3. Die Löschung von Posts ist grundsätzlich eine Verarbeitung von Daten im Sinne der DSGVO; sie stellt jedoch für sich genommen noch keinen ersatzfähigen Schaden dar (Festhaltung Senat, Beschlusse vom 11. Dezember 2019 - 4 U 1680/19, juris).

Aus den Entscheidungsgründen:

c) Schließlich scheidet auch ein Anspruch auf Zahlung von 1.500,00 € mangels Anspruchsgrundlage für einen Zahlungsanspruch aus.

(1) Der aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG hergeleitete Anspruch auf eine immaterielle Geldentschädigung liegt nicht bei jeder Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, schon gar nicht bei jeder Vertragsverletzung vor. Er setzt vielmehr voraus, dass ihm ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht zugrunde liegt und die hiervon ausgehende Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Dabei hängt die Entscheidung, ob eine hinreichend schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner auch von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von
dem Grad seines Verschuldens ab (Senat Urteil vom 30. Januar 2018 – 4 U 1110/17 –, Rn. 4, juris mit weiteren Nachweisen). Dass der Kläger durch die Löschung des Beitrages und die zeitlich befristete Sperrung von dreißig Tagen eine solche Beeinträchtigung erlitten haben soll, wird nicht behauptet und erscheint auch nicht vorstellbar. Der Kläger bemisst seine immaterielle Einbuße mit lediglich 1500,- € und gibt hierdurch zu erkennen, dass er selbst dem Verhalten der Beklagten keine hinreichende Eingriffsschwere beimisst. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (Senat a.a.O; Urteil vom 13. Februar 2018 – 4 U 1234/17 –, juris) liegt die Mindestuntergrenze für eine Geldentschädigung bei 2500,- €. Unterhalb dieser Mindestuntergrenze ist regelmäßig davon auszugehen, dass die
erforderliche hinreichende Eingriffsschwere nicht vorliegt. So ist es auch hier.

(2) Bereicherungsrechtliche Ansprüche auf eine fiktive Lizenzgebühr aus § 812 BGB kann der Kläger ebenfalls nicht geltend machen. Ob die Beklagte seine Daten während des Zeitraums der Sperrung seine persönlichen Daten zu Werbezwecken tatsächlich genutzt hat, kann hierfür dahinstehen. Denn jedenfalls hatte der Kläger nach seinem eigenen Vortrag in der Klageschrift mit der Nutzung seine Einwilligung zu der in den Nutzungsbedingungen festgelegten Befugnis, „alle Beiträge und erhaltenen Daten dauerhaft zu speichern und zu nutzen" erteilt. Einen Vorbehalt für den Zeitraum etwaiger Sperrungen hatte er nicht erklärt. Eine rechtsgrundlose Nutzung von durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Daten liegt nach alledem nicht vor. Auch für einen fiktiven Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie fehlt es an den erforderlichen Voraussetzungen. Für einen
Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 241 BGB i.V.m. dem Nutzungsvertrag enthält der Vortrag in der Klageschrift keine substantiierten Tatsachengrundlagen.

(3) Schließlich scheiden auch die geltend gemachten Ansprüche nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO aus. Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat hiernach Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen. Ein Verstoß gegen die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung liegt jedoch nicht vor. Erhebung und Verarbeitung seiner Daten, wozu gem. Art. 4 Nr. 2 DSGVO auch die Löschung des streitgegenständlichen Posts und die Sperrung seines Kontos zählen, beruhen auf der vom Kläger vorab erteilten Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen der Beklagten (Art. 6 Abs. 1 lit a DSGVO). Diese ist gerade nicht daran geknüpft, dass auch die Beklagte ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommt und umfasst daher auch Zeiträume, in denen der Account gesperrt ist. Dass dem Kläger durch die Sperrung ein materieller oder immaterieller Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO entstanden wäre, kann der Senat überdies nicht erkennen. Die bloße Sperrung seiner Daten stellt ebenso wie der Datenverlust noch keinen Schaden im Sinne der DSGVO dar (Wybitu/Haß/Albrecht, NJW 2018 S. 113 (114). Die behauptete Hemmung in der Persönlichkeitsentfaltung durch die dreißigtägige Sperrung hat allenfalls Bagatellcharakter, was die Zuerkennung eines immateriellen Schadensersatzes nicht rechtfertigt (zu den geltend gemachten Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen so bereits ausdrücklich Senatsbeschluss vom 11.12.2019 - 4 U 1680/19 im Hinblick auf eine insofern ebenfalls gleichgelagerte Berufungsbegründung).


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LG Frankfurt: Örtlich zuständig für Anspruch gegen soziales Netzwerk auf Unterlassung von Löschung und Sperrung ist Gericht am Wohnsitz des Betroffenen

LG Frankfurt
Beschluss vom 30.06.2020
2-03 O 238/20

Das LG Frankfurt hat entschieden, dass für Ansprüche gegen ein soziales Netzwerk auf Unterlassung von Löschung und Sperrung des Accounts das Gericht am Wohnsitz des Betroffenen örtlich zuständig ist.

Entscheidungsgründen:

Das Landgericht Frankfurt a.M. ist örtlich unzuständig. Die Zuständigkeit richtet sich vorliegend nach Art. 7 Nr. 1 EuGVVO. Der Antragsteller macht hier einen nebenvertraglichen Anspruch auf Unterlassung der Löschung und Sperre wegen eines seiner Posts geltend. Die Erfüllung dieses Anspruchs kann der Antragsteller jedoch nicht im hiesigen Gerichtsbezirk verlangen, sondern nur an seinem Wohnsitz.

Auch ein deliktischer Gerichtsstand gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ergibt sich nicht im hiesigen Gerichtsbezirk. Handlungsort wäre in Irland. Erfolgsort der Löschung und Sperre wäre in Berlin, am Sitz des Nutzers, weil sich dort die Löschung und Sperre auswirken. Auf die Abrufbarkeit der Beiträge, die die Antragsgegnerin als Anlass der Löschung genommen haben soll, kommt es hingegen nicht an, da anders als in üblichen äußerungsrechtlichen Konstellationen nicht die Unterlassung der Verbreitung der Äußerung begehrt wird, sondern eben nur Unterlassung der Löschung bzw. Sperre, die sich allein beim Nutzer auswirkt. Dass seine Beiträge an anderen Orten nicht mehr verfügbar sind, ist lediglich eine mittelbare Folge der Löschung. Ein Bezug zum hiesigen Gerichtsbezirk ergibt sich hieraus jedenfalls nicht.


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OLG München: Nutzer trägt Darlegungs- und Beweislast dafür dass Löschung oder Sperrung bei Facebook zu Unrecht erfolgte

OLG München
Urteil vom 18.02.2020
18 U 3465/19


Das OLG München hat entschieden, dass der betroffene Nutzer die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass eine Löschung oder Sperrung bei Facebook zu Unrecht erfolgte, wenn der Nutzer wegen der vom Betreiber der Social-Media-Plattform verhängten Sanktionen Ansprüche geltend macht.

Leitsätze des Gerichts:

1. Dem Nutzer einer Social-Media-Plattform, die nach ihrer Zweckbestimmung einen allgemeinen Informations- und Meinungsaustausch ermöglichen soll, steht aus dem Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB und der mittelbaren Drittwirkung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gegen den Betreiber ein Anspruch darauf zu, dass eine von ihm eingestellte zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt wird (Bestätigung des Urteils des Senats v. 7.1.2020, 18 U 1491/19).

2. Der Nutzer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass gegen ihn verhängte Sanktionen unberechtigt waren, denn mit der Behauptung, dass eine Löschung oder Sperrung zu Unrecht erfolgt sei, wirft er dem Betreiber der Social-Media-Plattform eine Pflichtverletzung vor, die er nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat. Deren Betreiber trifft regelmäßig auch keine sekundäre Darlegungslast.

3. Ohne ausreichende Angaben des Nutzers zum konkreten Kontext des Beitrags kann regelmäßig nicht beurteilt werden, ob der Betreiber diesen zu Recht als „Hassbotschaft“ gewertet oder mit dessen Löschung seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Nutzer verletzt hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Das Landgericht München I hat seine internationale Zuständigkeit, die auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02 -, NJW 2003, 426), zutreffend bejaht.

Maßgeblich ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), weil die Beklagte ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kann dahinstehen, ob es sich bei den streitgegenständlichen Ansprüchen um vertragliche Erfüllungsansprüche oder um Ansprüche aus unerlaubter Handlung handelt, denn in beiden Fällen wäre das Landgericht München I örtlich und damit auch international zuständig.

Eine Vertragspflicht der Beklagten im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO auf Bereitstellung von „Facebook-Diensten“ wäre mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz des Klägers zu erfüllen.

Falls die Sperrung des Klägers bzw. die Löschung eines von ihm auf „Facebook“ eingestellten Beitrags ein „schädigendes Ereignis“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO darstellen sollte, träte auch dieses primär am Wohnsitz des Klägers ein. Denn dort käme es zur Kollision der widerstreitenden Interessen der Parteien, des Klägers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Beklagten auf Wahrung ihrer Gemeinschaftsstandards (vgl. zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im Falle einer Klage wegen einer Persönlichkeitsverletzung durch eine im Internet abrufbare Veröffentlichung BGH, Urteil vom 2.3.2010 - VI ZR 23/09 -, Rn. 20 ff., BGHZ 184, 313).

2. Die vom Landgericht unter Ziffer 1 des angefochtenen Urteils getroffene Feststellung, dass die am 13.12.2017 vorgenommene Sperrung des Profils des Klägers auf www.facebook.com rechtswidrig war, kann aus prozessualen Gründen keinen Bestand haben. Der diesbezügliche Antrag ist bereits unzulässig, da damit entgegen § 256 Abs. 1 ZPO nicht die Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses begehrt wird und es an einem Feststellungsinteresse des Klägers fehlt.

a) Dies folgt zwar nicht bereits daraus, dass die Klage nur auf die Feststellung einer Vorfrage oder eines Elements eines Rechtsverhältnisses gerichtet wäre, wenn auch grundsätzlich bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, reine Tatsachen oder etwa die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein können (vgl. BGH, Urteil vom 27.3.2015 - V ZR 296/13 -, NJW-RR 2015, 915; Urteil vom 3.5.1977 - VI ZR 36/74 -, BGHZ 68, 331, 332). Die Auslegung des Klageantrags ergibt nämlich, dass er auf die Feststellung zielt, der Beklagten habe gegenüber dem Kläger kein Recht zugestanden, am 13.12.2017 dessen Profil auf www.facebook.com zu sperren, also auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinn des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 17.6.2016 - V ZR 272/15 -, NJW-RR 2016, 1404). Es fehlt aber an dem für die Feststellungsklage notwendigen rechtlichen Interesse.

b) Gegenstand einer Feststellungsklage kann grundsätzlich nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses sein. Ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und die Zukunft ergeben können (BGH, Urteil vom 17.6.2016, a.a.O.; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 256 Rn. 3a). Da sich der vorliegende Feststellungsantrag auf eine Maßnahme der Beklagten bezieht, die unstreitig seit 13.1.2018 beendet ist, hängt die Zulässigkeit des Antrags davon ab, ob der Kläger noch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, dass die Beklagte eine „Sperrung“ seines Profils nicht vornehmen durfte. Davon kann auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers nicht ausgegangen werden.

aa) Der Kläger kann sein Feststellungsinteresse nicht mit seinem Rehabilitierungsbedürfnis begründen, denn die Rechtswidrigkeit der Sperrung ist Voraussetzung der mit der Klage ebenfalls geltend gemachten Wiederherstellungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche und in diesem Zusammenhang ohnehin inzident zu prüfen. Durch eine Bekanntgabe einer diese Ansprüche zusprechenden Entscheidung könnten mögliche Beeinträchtigungen des Ansehens des Klägers ebenso leicht behoben werden wie durch die Bekanntgabe eines Feststellungsurteils.

bb) Auch mit der Behauptung, dass die Beklagte bei künftigen Verstößen gegen ihre Gemeinschaftsstandards frühere Sperren berücksichtige und im Wiederholungsfalle längere Sperren anordne, lässt sich ein gegenwärtiges Feststellungsinteresse nicht begründen. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrung hätte noch nicht zur Folge, dass der diese Sperrung betreffende Vermerk aus dem Datensatz der Beklagten entfernt oder auch nur korrigiert würde. Einen hierauf gerichteten Leistungsanspruch könnte der Kläger gesondert geltend machen. Ist dem Kläger aber eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar, so ist im Interesse der endgültigen Klärung der Streitfrage in einem Prozess das erforderliche Feststellungsinteresse regelmäßig zu verneinen (vgl. Zöller/Greger a.a.O. § 256 Rn. 7a m.w.N.; vgl. auch Senat, Beschluss vom 24.5.2019 - 18 U 335/19 Pre - und Urteil vom 7.1.2020 - 18 U 1491/19 Pre).

Falls eine Leistungsklage deswegen abgewiesen würde, weil die Beklagte tatsächlich keinen Vermerk über die frühere Sperrung gespeichert hat, wäre der Kläger dadurch auch nicht mehr beschwert.

cc) Anders als der Kläger meint, könnte das beantragte Feststellungsurteil keine „verbindliche Klarheit“ darüber schaffen, dass eine zukünftige Sperre durch die Beklagte nicht wegen Vertragsverstößen des Klägers durch Beiträge in Betracht komme, soweit diese keinen Straftatbestand erfüllten. Mit einem solchen Urteil würde mit Rechtskraft nach § 322 ZPO und damit „verbindlich“ nur über die Frage entschieden, ob die konkrete streitgegenständliche Äußerung in dem konkreten streitgegenständlichen Kontext die Beklagte zur Sperrung des Profils des Klägers berechtigt. Auf die Begründung des festgestellten Rechtsverhältnisses würde sich die Rechtskraft nicht erstrecken (vgl. Zöller/Vollkommer a.a.O. § 322 Rn. 6/8).

3. Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht dem Kläger gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Auskunft darüber zu, ob die streitgegenständlichen Sperren durch ein beauftragtes Unternehmen und gegebenenfalls durch welches erfolgt sind.

a) Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche sind durchwegs nach deutschem Recht zu beurteilen. Dies ergibt sich für vertragliche Ansprüche aus Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO in Verbindung mit der Rechtswahl in den besonderen Nutzungsbedingungen der Beklagten für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (Anlage KTB 2), für etwaige außervertragliche Ansprüche aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. Der Kläger hat sein Bestimmungsrecht zugunsten des deutschen Rechts durch seine Prozessbevollmächtigten in der Klageschrift (dort S. 18) ausdrücklich ausgeübt.

b) Aus dem Nutzungsvertrag in Verbindung mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten lässt sich ein derartiger Auskunftsanspruch nicht ableiten.

c) Ein Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB), wie ihn das Landgericht angenommen hat, besteht ebenfalls nicht, weil der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass ihm Ansprüche gegen etwaige Dritte, die von der Beklagten mit der Vornahme der Sperrungen beauftragt worden waren, zustehen könnten.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Auskunftsanspruch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (BGH, Urteil vom 1.8.2013 - VII ZR 268/11 -, NJW 2014, 155 m.w.N.). Besteht zwischen den Parteien ein Vertrag, reicht es aus, dass für den Leistungsanspruch oder die Einwendung, die mit Hilfe der Auskunft geltend gemacht werden soll, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht (Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 260 Rn. 6 m.w.N.). Bei gesetzlichen Ansprüchen muss dagegen - sofern es sich nicht um bestimmte erbrechtliche Ansprüche handelt - dargetan werden, dass der Anspruch, dessen Durchsetzung die Auskunft dienen soll, dem Grunde nach besteht; es genügt grundsätzlich nicht, dass die Anspruchsvoraussetzungen wahrscheinlich gemacht werden (st. Rspr., vgl. BGHZ 74, 379, 381; BGH, Urteil vom 14.7.1987 - IX ZR 57/86 -, NJW-RR 1987, 1296; Palandt/Grüneberg a.a.O.). bb) Wegen einer von der Beklagten veranlassten Sperrung seines Profils können dem Kläger ausschließlich Ansprüche gegen die Beklagte zustehen, weil rechtliche Grundlage aller denkbaren Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche der zwischen den Parteien bestehende Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB ist. Dritte haften dem Kläger wegen des relativen Charakters des Schuldverhältnisses weder auf Erfüllung noch auf Schadensersatz. Die Beklagte müsste sich vielmehr ein etwaiges Verschulden der von ihr mit der Vornahme der Sperrung beauftragten Personen nach § 278 BGB zurechnen lassen, weil diese in Bezug auf die ihr obliegende Pflicht, Rücksicht auf die Rechte und Interessen des Klägers zu nehmen, ihre Erfüllungsgehilfen sind.

cc) In einer im Auftrag der Beklagten vorgenommenen Sperrung des Profils durch Dritte kann auch keine Verletzung des Klägers in absoluten Rechten im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, etwa in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) oder in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gesehen werden. Der Kläger verkennt, dass ihm die Möglichkeit, seine Meinung auf der von der Beklagten betriebenen Plattform zu äußern und zu verbreiten, nicht per se, sondern nur aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrags eröffnet ist. Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, auf die sich der Kläger beruft, prägt das zwischen den Parteien als rechtliche Sonderverbindung bestehende Schuldverhältnis, verwandelt die vertraglichen Ansprüche des Klägers auf Nutzung der von der Beklagten bereit gestellten Leistungen aber nicht in absolut geschützte Rechte, die von jedermann zu respektieren sind und deren Verletzung deliktische Schadensersatzansprüche auslösen kann.
B.

Die zulässige Anschlussberufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers darauf verneint, dass die Beklagte es unterlässt, den Kläger für das erneute Einstellen des im Tenor des angefochtenen Urteils unter Ziffer 2. wiedergegebenen Beitrags auf www.facebook.com zu sperren oder den Beitrag zu löschen. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB.

a) Zwischen den Parteien besteht unstreitig ein Vertragsverhältnis. Die Beklagte bietet ihren Nutzern unter der Bezeichnung „Facebook-Dienste“ Funktionen und Dienstleistungen an, die sie unter anderem über ihre Webseite unter www.f. .com bereitstellt (vgl. hierzu die Definitionen unter Nr. 17.1 der „Erklärung der Rechte und Pflichten“, vorgelegt als Anlage KTB 1). Insbesondere eröffnet sie ihren Nutzern die Möglichkeit, innerhalb ihres eigenen Profils Beiträge zu posten und die Beiträge anderer Nutzer zu kommentieren, soweit diese eine Kommentierung zulassen, oder mit verschiedenen Symbolen zu bewerten.

Für die von ihr angebotenen Dienste beansprucht die Beklagte kein Entgelt, weshalb der Nutzungsvertrag nicht als Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB eingeordnet werden kann. Es dürfte sich vielmehr um einen Vertrag sui generis handeln. Das ausführliche Regelwerk der Beklagten (Anlagen KTB 1 bis KTB 3) lässt jedenfalls erkennen, dass die Beklagte ihre Dienste mit Rechtsbindungswillen anbietet.

Mit Abschluss des Nutzungsvertrags hat der Kläger gegen die Beklagte einen schuldrechtlichen Anspruch auf die Nutzung der von dieser angebotenen „Facebook-Dienste“ erworben. Da eine unberechtigte Einschränkung dieser Nutzung in der Vergangenheit, die die Beklagte mit einem Verstoß des Klägers gegen ihre Gemeinschaftsstandards rechtfertigte, die Besorgnis begründen würde, dass sie ihre vertraglichen Pflichten in Zukunft in gleicher Weise verletzen würde, könnte der Kläger nach § 259 ZPO grundsätzlich bereits jetzt auf Erfüllung in Form der Unterlassung der Nutzungseinschränkung klagen.

b) Aufgrund der fehlenden Angaben des Klägers zum konkreten Kontext des streitgegenständlichen Beitrags kann der Senat nicht beurteilen, ob die Beklagte diesen zu Recht als „Hassbotschaft“ gewertet oder mit dessen Löschung ihre vertraglichen Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt hat. Da der Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die gegen ihn verhängten Sanktionen unberechtigt waren, geht diese Ungewissheit zu seinen Lasten und führt zur Abweisung des Unterlassungsantrags.

aa) Die Verurteilung der Beklagten zur Wiederherstellung des streitgegenständlichen Beitrags, die vom Landgericht mit der Rechtswidrigkeit der Löschung begründet wurde, ist zwar rechtskräftig. Der Senat ist an diese Einschätzung des Landgerichts aber bei der Entscheidung über die sonstigen Klageanträge nicht gebunden, denn bei der Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit der Löschung handelt es sich bei allen Leistungsanträgen im vorliegenden Verfahren um eine bloße Vorfrage, auf die sich die Rechtskraft nicht erstreckt (Zöller/Vollkommer a.a.O. vor § 322 Rn. 28 f. m.w.N.).

bb) Der Vertrag zwischen Nutzer und Plattformbetreiber verpflichtet seinem Inhalt nach gemäß § 241 Abs. 2 BGB beide Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Die Beklagte ist in dem durch den Zweck der von ihr betriebenen Plattform, den Nutzern einen allgemeinen Informations- und Meinungsaustausch zu ermöglichen, vorgegebenen Rahmen grundsätzlich berechtigt, die den Nutzern obliegenden Pflichten durch das Aufstellen von Verhaltensregeln zu konkretisieren (vgl. Senat, Beschluss vom 17.9.2018 - 18 W 1383/18 -, NJW 2018, 3119; Beschluss vom 12.12.2018 - 18 W 1873/18). Mit solchen Verhaltensregeln definiert der Plattformbetreiber zugleich seine eigenen Rechte, Rechtsgüter und Interessen, auf die der Nutzer gemäß § 241 Abs. 2 BGB bei der Inanspruchnahme der bereit gestellten Leistungen Rücksicht zu nehmen hat. Dabei muss jedoch im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts des Nutzers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von einer Plattform mit der vorgenannten Zweckbestimmung entfernt werden darf.

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt den Grundrechten insoweit eine mittelbare Drittwirkung zu, als sie zugleich Elemente objektiver Ordnung enthalten, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen (BVerfG, Beschluss vom 23.4.1986 - 2 BvR 487/80 -, Rn. 25, BVerfGE 73, 261; Urteil vom 15.1.1958 - 1 BvR 400/51 -, Rn. 26, BVerfGE 7, 198; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., Art. 1 Rn. 54 m.w.N.). Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektive Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und -bedürftigen Begriffe, die im Sinne dieses Rechtsgehalts ausgelegt werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 23.4.1986 - 2 BvR 487/80 -, Rn. 25, BVerfGE 73, 261). Im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrags bildet die Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB die konkretisierungsbedürftige Generalklausel, bei deren Auslegung auch dem Grundrecht des Nutzers auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) Rechnung zu tragen ist.

Eine zulässige Meinungsäußerung liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn die Äußerung dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz GG unterfällt. Andererseits ist eine Meinungsäußerung aber nicht erst dann unzulässig, wenn sie einen Straftatbestand erfüllt. Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre sowie in kollidierendem Verfassungsrecht (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., Art. 5 Rn. 43). Als ausländische juristische Person des Privatrechts kann sich die Beklagte zwar gemäß Art. 19 Abs. 3 GG nicht unmittelbar auf die Grundrechte des Grundgesetzes berufen. Ihr kommen aber durchaus „eigentumsähnliche“ Rechte an der von ihr bereit gestellten Plattform zu. Zudem ist auf Seiten der Beklagten die Europäische Grundrechtscharta (EuGRCh) einzustellen, die auch juristische Personen schützt und deren Art. 16 die unternehmerische Freiheit nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ausdrücklich anerkennt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6.11.2019 - 1 BvR 276/17 - ZUM-RD 2020, 1, 13).

Im Hinblick auf die fundamentale Bedeutung, die der Meinungsfreiheit für die menschliche Person und die demokratische Ordnung zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9.10.1991 - 1 BvR 1555/88 -, BVerfGE 85, 1), kann die Entscheidung über die Entfernung der dort eingestellten Inhalte nicht im Ermessen des Plattformbetreibers liegen. Andererseits muss ihm zumindest das Recht zustehen, Inhalte mit einem strafbaren oder die Rechte Dritter verletzenden Inhalt von der Plattform zu entfernen, weil er andernfalls Gefahr läuft, berechtigten Klagen auf Löschung solcher Inhalte oder anderen Sanktionen ausgesetzt zu sein.

(2) Nach diesen Grundsätzen kann die Beklagte die Löschung einer Äußerung zwar nicht unmittelbar auf Ziffer 5.2 der „Erklärung der Rechte und Pflichten“ in der zum Zeitpunkt der Löschung des streitgegenständlichen Beitrags am 13.12.2017 geltenden Fassung (Anlage KTB 1) stützen, da diese Klausel die Löschung in das freie Ermessen der Beklagten stellt und dadurch den Nutzer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dagegen ist die Klausel betreffend die Entfernung von „Hassbotschaften“ in den bis zum 19.4.2018 geltenden „Gemeinschaftsstandards“ der Beklagten (Anlage KTB 3, S. 11 f., bzw. Anlage B 3) wirksam, da sie an objektive, gerichtlich überprüfbare Gesichtspunkte anknüpft.

Die Befugnis der Beklagten zur Verhängung temporärer Sperren gegen einen Nutzer, der gegen diese Gemeinschaftsstandards verstoßen hat, ergibt sich aus Ziffer 14 der „Erklärung über Rechte und Pflichten“ (Anlage KTB 1). Diese Klausel ist zwar mit „Beendigung“ überschrieben. Entscheidend ist jedoch, dass die Beklagte sich in dieser Klausel die Befugnis vorbehält, auf einen Verstoß des Nutzers gegen den Inhalt dieser Erklärung hin „die Bereitstellung von Facebook … ganz oder teilweise ein(zu) stellen“.

cc) Ob eine Äußerung auf der Plattform der Beklagten gegen deren Gemeinschaftsstandards verstößt oder zulässig ist, kann, wenn die Äußerung nicht bereits gegen ein allgemeines Gesetz verstößt, regelmäßig nur aufgrund einer Abwägung zwischen den kollidierenden Rechtspositionen des Nutzers und der Beklagten festgestellt werden.

(1) Unabdingbare Voraussetzung für die zutreffende rechtliche Bewertung des streitgegenständlichen Beitrags ist die Ermittlung seines vollständigen Aussagegehalts. Maßgeblich dafür ist der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Bei der Interpretation ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen, der ihren Sinn aber nicht abschließend festlegt. Dieser wird vielmehr auch von dem Kontext bestimmt, in dem die umstrittene Äußerung steht, und von den Begleitumständen, unter denen sie fällt, soweit diese für den Rezipienten erkennbar sind (BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91, NJW 1995, 3303/3305). Die Äußerung darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteile vom 22.9.2009 - VI ZR 19/08; vom 3.2.2009 - VI ZR 36 /07; vom 16.11.2004 - VI ZR 298/03).

(2) Der streitgegenständliche Facebook-Beitrag ist nicht aus sich heraus verständlich, denn er bezieht sich mit der einleitenden Frage „Ja, und jetzt?“ erkennbar auf eine vorangegangene Äußerung, die er kommentiert. Der Beitrag selbst lässt erkennen, dass er sich gegen „Schlepper“ wendet und für das Schützen von Grenzen eintritt. Er äußert ferner, dass jeder, der sich in ein Schlauchboot setze, das Risiko kenne, und bezieht sich dabei offensichtlich auf Personen, die keine Deutschen sind, da er einen - ironischen - Vergleich mit „uns doofen Deutschen“ anstellt. Wegen des erkennbaren Bezugs zu „Ethnizität“ oder „nationaler Herkunft“ der Personen, mit denen sich der Beitrag befasst, ist nicht fernliegend oder gar ausgeschlossen, dass er in einem denkbaren Kontext als „Hassbotschaft“ im Sinn der bis zum 19.4.2018 geltenden Gemeinschaftsstandards oder als „Hassrede“ im Sinn der jetzt maßgeblichen Gemeinschaftsstandards (Anlage B 35) gewertet werden könnte. Das gilt insbesondere dann, wenn der Beitrag die Kommentierung eines Artikels über im Mittelmeer ertrunkene Migranten darstellte, wie die Parteien in erster Instanz übereinstimmend vorgetragen haben (u.a. auf S. 11 der Klageschrift. Bl. 11 d.A., und S. 2 der Klageerwiderung, Bl. 64 d.A.).

(3) Den näheren Kontext, insbesondere den genauen Inhalt des kommentierten Beitrags, gibt der Kläger nicht an. Auf genauen Vortrag zum Kontext der streitgegenständlichen Äußerung kann im vorliegenden Fall auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Beklagte die Verurteilung zur Wiederherstellung des gelöschten Beitrags hingenommen hat und nach ihrem Berufungsvorbringen nicht mehr an der Ansicht festhält, dass dieser gegen ihre Gemeinschaftsstandards verstoßen habe. Ob ein solcher Verstoß vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die vom Gericht zu entscheiden ist und nicht zugestanden werden kann. Gegenstand eines Geständnisses im Sinn des § 288 ZPO können nur Tatsachenbehauptungen sein, an denen es hier gerade fehlt.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die gegen den Kläger verhängten Sanktionen unberechtigt waren, trägt entgegen seiner Ansicht der Kläger, nicht die Beklagte, denn mit der Behauptung, dass eine Löschung oder Sperrung zu Unrecht erfolgt sei, wirft der Kläger der Beklagten eine Pflichtverletzung vor, die er nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat. Da der Kläger seiner Darlegungslast nicht nachgekommen ist, war der Unterlassungsantrag abzuweisen.

(4) Die Beklagte trifft insoweit auch keine sekundäre Darlegungslast. Eine solche wäre dann anzunehmen, wenn der primär darlegungsbelastete Kläger außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs stünde und den Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln könnte, während der Beklagten die erforderliche tatsächliche Aufklärung möglich und zumutbar wäre (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28.6.2016 - VI ZR 559/14, Rn. 18, NJW 2016, 3244).

Im vorliegenden Fall fehlt es erkennbar bereits an der ersten Voraussetzung, denn es handelt sich um die Umstände einer eigenen Handlung des Klägers. Der Senat geht mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon aus, dass der Kläger den streitgegenständlichen Beitrag in unbeschränkt geschäftsfähigem Zustand wissentlich auf der Plattform der Beklagten eingestellt hat und dabei sowohl die Äußerung, die er damit kommentierte, als auch die Seite, die er benutzte, kannte.

Die bloße Behauptung, er könne sich nicht daran erinnern, ändert an der Darlegungslast des Klägers nichts, denn sie ist nicht näher begründet und erscheint wenig glaubhaft. Wie allgemein bekannt ist, folgen die Sanktionen der Beklagten in der Regel rasch auf die - angeblichen - Verstöße der Nutzer und der Kläger hat nicht behauptet, dass es im vorliegenden Fall anders gewesen sei. Da er noch am Tag der Löschung des streitgegenständlichen Beitrags und Sperrung seines Nutzerkontos mit anwaltlicher Hilfe dagegen vorgegangen ist, erscheint es nach der Lebenserfahrung naheliegend, dass er den Gegenstand der Auseinandersetzung mit der Beklagten besonders gut im Gedächtnis behielt. Dafür spricht auch, dass er den ungefähren Inhalt des streitgegenständlichen Beitrags bei Klageerhebung „aus der Erinnerung beschrieben“ hat (S. 5 des Schriftsatzes vom 11.12.2018, Bl. 151 d.A.).

2. Zu Recht hat das Landgericht dem Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Auskunft darüber versagt, ob sie Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonstige Vorschläge der Bundesregierung oder nachgeordneter Dienststellen in Bezug auf die Löschung von Beiträgen oder die Sperrung von Nutzern erhalten hat.

a) Eine Anspruchsgrundlage für dieses Auskunftsbegehren ist nicht ersichtlich. Einem Anspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht ungeachtet aller übrigen Voraussetzungen bereits der Umstand entgegen, dass Ansprüche des Klägers gegen die Bundesregierung und dieser nachgeordnete Stellen im Zusammenhang mit der Löschung von Beiträgen und der Sperrung seines Profils, deren Vorbereitung die verlangte Auskunft dienen könnte, aus Rechtsgründen von vornherein ausgeschlossen sind. Wie oben unter A. 3. c) dargelegt, finden sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit der Löschung eines von ihm auf Facebook eingestellten Beitrages oder einer von der Beklagten gegen ihn verhängten Sperrung ihre Rechtsgrundlage ausschließlich in dem zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnis und richten sich deshalb gegen die Beklagte als seine Vertragspartnerin.

b) Für Weisungen der Bundesregierung oder sonstiger Bundesbehörden an die Beklagte fehlt es im Übrigen an einer Rechtsgrundlage. Selbst wenn die Beklagte mit den streitgegenständlichen Löschungen und Sperrungen rechtswidrigen Weisungen der Bundesregierung nachgekommen wäre, wofür der Kläger keinerlei belastbare Tatsachen vorträgt, würde dies nichts daran ändern, dass für diese Maßnahmen und deren Folgen dem Kläger gegenüber allein die Beklagte verantwortlich wäre. Das gilt erst recht, wenn die Beklagte unverbindlichen Hinweisen, Ratschlägen oder sonstigen Vorschlägen nachgekommen sein sollte.

c) Der Kläger legt in seiner Berufungsbegründung auch nicht dar, dass Anhaltspunkte für eine Einflussnahme der Bundesregierung auf Sperrungen oder Löschungen durch die Beklagte bestehen, die über die aus den Anlagen K 7 bis K 12 ersichtlichen politischen Meinungsäußerungen und das Einbringen des Gesetzentwurfs zum NetzDG hinaus gehen.

Dieses Gesetz, in dem der Kläger die Grundlage für das Vorgehen der Beklagten zu sehen scheint, ist keine Weisung der Bundesregierung oder einer nachgeordneten Behörde, sondern ein formelles Gesetz, das vom Bundestag beschlossen wurde und veröffentlicht ist; einer Auskunft der Beklagten darüber bedarf der Kläger nicht.

3. Der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.500 € steht dem Kläger unter keinem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt zu.

a) Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) lägen auch dann nicht vor, wenn die zeitweilige Sperre rechtswidrig gewesen wäre.

aa) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei der Kollision mit der Meinungs- bzw. Pressefreiheit einen Anspruch auf Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Bei der Prüfung der Frage, ob die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessenschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013 - VI ZR 211/12, Rn. 38, NJW 2014, 2029).

bb) Im vorliegenden Fall hat die Beklagte durch die vorübergehende - teilweise - Sperrung seines Nutzerkontos nicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen.

Zwar ergibt sich aus der durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit und der durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber dem Staat ein Abwehrrecht des Einzelnen gegen ungerechtfertigte und insbesondere unverhältnismäßige Verbote jeder Art. Diesen grundrechtlichen Gewährleistungen, die unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze stehen, lässt sich aber nicht mit derselben Allgemeinheit eine Wertentscheidung der Verfassung entnehmen, nach der in jedem Privatrechtsstreit die unbenannte Freiheit zu jedwedem selbstbestimmten Handeln die Auslegung des Privatrechts im Wege der mittelbaren Drittwirkung anleiten müsste. Die Freiheit, nach subjektivem Belieben ein bestimmtes Verhalten zu verwirklichen, kann privatrechtlichen Veranstaltern oder Plattformbetreibern wie der Beklagten nicht unter Berufung auf die allgemeine Handlungsfreiheit schon grundsätzlich zur Einschränkung ihrer Eigentümerbefugnisse oder ihrer unternehmerischen Freiheit entgegengehalten werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018 - 1 BvR 3080/09 -, NJW 2018, 1667).

Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass das zwischen den Parteien bestehende Schuldverhältnis über § 241 Abs. 2 BGB durch die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte der Parteien geprägt wird, beeinträchtigt daher eine pflichtwidrige Einschränkung von Kommunikationsmöglichkeiten, die dem Kläger ohnehin nur aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrags zur Verfügung stehen, den Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

cc) Auch wenn man die bestehende Einschränkung, während der befristeten Sperre Beiträge auf Facebook einzustellen, als Beeinträchtigung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts werten wollte, läge im Übrigen - auch ihre Rechtswidrigkeit unterstellt - jedenfalls keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor. Die Funktionseinschränkung war auf 30 Tage befristet. Dass dem Kläger während dieser Zeit nicht nur das Einstellen weiterer Beiträge, sondern auch der Zugriff auf seine „höchstpersönlichen Inhalte“ verwehrt gewesen sei, hat der Kläger weder substantiiert dargelegt noch unter Beweis gestellt. Nach dem unwiderlegten Vortrag der Beklagten konnte der Kläger auch während der Sperrfrist auf sein Konto zugreifen und Inhalte auf dem Facebook-Dienst zur Kenntnis nehmen. Er konnte während dieser Zeit lediglich keine Beiträge auf Facebook veröffentlichen, war aber nicht daran gehindert, seine Meinung auf andere Weise kundzutun.

b) Ansprüche auf eine fiktive Lizenzgebühr kann der Kläger ebenfalls nicht mit Erfolg geltend machen.

Er hat weder nachvollziehbar vorgetragen, dass und warum die von ihm der Beklagten zur Verfügung gestellten Daten einen Nutzwert von 50 € pro Tag hatten, noch dass die Beklagte während des Zeitraums der Sperrung seine persönlichen Daten tatsächlich zu Werbezwecken oder anderweitig genutzt und dadurch Einnahmen erzielt hat. Zudem hatte der Kläger nach seinem eigenen Vortrag in der Klageschrift mit Abschluss des Nutzungsvertrages die Einwilligung zur umfassenden Nutzung seiner Beiträge und Daten erteilt, ohne einen Vorbehalt für den Fall vorübergehender Sperrung der Möglichkeit, aktiv Beiträge einzustellen, zu erklären. Eine rechtsgrundlose Nutzung durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützter Daten liegt demnach nicht vor.

c) Schließlich scheidet auch ein Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung, im Folgenden: DSGVO) aus. Danach hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen. Die Verarbeitung der Daten des Klägers durch die Beklagte verstieß aber nicht gegen die DSGVO, denn sie beruhte auf der vorab erteilten Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen der Beklagten (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO). Diese Zustimmung gilt auch für die Sperrung des Nutzerkontos des Klägers, zumal, wie oben ausgeführt, von deren Rechtmäßigkeit auszugehen ist, und umfasst auch den Zeitraum der Sperrung.

d) Dass dem Kläger durch die Sperrung ein materieller Schaden in Höhe des geltend gemachten Betrages entstanden ist, hat er nicht dargelegt. Entgegen seiner Ansicht kommt der zeitweiligen Einschränkung seiner privaten Kommunikationsmöglichkeiten auf „Facebook“ und dem Verlust der Kontrolle über seine personenbezogenen Daten - auch wenn ein solcher Verlust eingetreten sein sollte - für sich genommen kein Vermögenswert zu.

4. Einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Gesamtumfang von 1.763,82 € (vgl. die Aufschlüsselung im Berufungsantrag 5) hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht verneint.

a) Der Anspruch auf Wiederherstellung des zuletzt streitgegenständlichen Beitrags ist dem Kläger zwar rechtskräftig zugesprochen worden. In dem Schreiben vom 13.12.2017 (Anlage KTB 13) hat der Klägervertreter jedoch auf den zunächst in der Klage genannten Text Bezug genommen, der nicht Gegenstand des angegriffenen Urteils ist, und die Beklagte zur unverzüglichen Freischaltung „etwaige(r) gelöschte(r) Beiträge“ aufgefordert. Darin kann keine hinreichend bestimmte vorgerichtliche Aufforderung zur Wiederherstellung des streitgegenständlichen Beitrags gesehen werden.

b) Die übrigen von seinem Prozessbevollmächtigten mit vorgenanntem Schreiben außergerichtlich geltend gemachten Ansprüche stehen dem Kläger, wie oben dargelegt, nicht zu. Ob es dem Kläger zuzumuten gewesen wäre, die Beklagte zunächst selbst auf Erfüllung der ihr obliegenden Pflichten in Anspruch zu nehmen, kann daher dahinstehen.

c) Die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die für die Einholung von Deckungszusagen der Rechtsschutzversicherung angefallen sind, könnte der Kläger unabhängig davon nicht verlangen.

Selbst wenn man annimmt, dass die Deckungsanfrage überhaupt eine besondere Angelegenheit ist, für die dem Rechtsanwalt eine gesonderte Gebühr zusteht, und es sich nicht um eine Vorbereitungshandlung im Sinne von § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG handelt (so aber OLG München, Urteil vom 4.12.1990 - 13 U 3085/90 -, JurBüro 1993, 163; offen gelassen von BGH, Urteil vom 9.3.2011 - VIII ZR 132/10 -, NJW 2011, 1222), bedarf es für den Gebührenanspruch eines gesonderten Auftrags zur Einholung der Deckungszusage und eines auftragsgemäßen Tätigwerdens des Rechtsanwalts. Dazu trägt der Kläger nichts vor. Angesichts dessen, dass nach der von den Parteien nicht angegriffenen Feststellung in dem landgerichtlichen Urteil die streitgegenständliche Löschung und Sperrung am 13.12.2017 erfolgte und der Klägervertreter sich deswegen noch am selben Tag an die Beklagte wandte, erscheint es jedenfalls fernliegend, dass er vorher eine Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit eingeholt hatte.

Auch wenn ein Auftrag und eine entsprechende Tätigkeit vorliegt, sind solche Kosten nur dann zu erstatten, wenn die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Wahrung und Durchsetzung der Rechte unter den Umständen des Falles erforderlich und zweckmäßig war (BGH, Urteil vom 9.3.2011 a.a.O.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.10.2011 - 1 U 105/11 -, juris). Im vorliegenden Fall hat der Kläger zwar allgemein ausgeführt, dass eine Deckungsanfrage in Fällen wie dem hier vorliegenden ohne Einschaltung eines Anwalts „typischerweise“ abschlägig beschieden werde. Dass die Rechtsschutzversicherung des Klägers im konkreten Fall eine Deckungszusage jedenfalls zunächst verweigert hätte und in Schreiben des Prozessbevollmächtigten an die Versicherung - wenn es solche gegeben haben sollte - entscheidende Argumente enthalten gewesen wären, die der Kläger nicht auch selbst hätte vorbringen können, hat er aber weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Düsseldorf: Facebook können gerichtliche Entscheidungen auch in deutscher Sprache zugestellt werden - Facebook kann Deutsch

OLG Düsseldorf
Beschluss von 18.12.2019
I-7 W 66/19


Nunmehr hat auch das OLG Düsseldorf zutreffend entschieden, dass Facebook gerichtliche Entscheidungen auch in deutscher Sprache zugestellt werden können.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Facebook kann Deutsch: Zustellungen in deutscher Sprache auch in Irland möglich

Facebook kann in einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit einem deutschen Nutzer nicht auf einer Übersetzung deutschsprachiger Schriftstücke in das Englische bestehen. Das hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter dem Vorsitz von Dr. Thomas Fleischer am 18. Dezember 2019 entschieden (Aktenzeichen I-7 W 66/19).

Ein Mann aus Düsseldorf hatte im September 2018 bei dem Landgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung erwirkt, die dem Unternehmen Facebook mit Sitz in Irland untersagte, den Mann für das Einstellen eines bestimmten Textes auf www.facebook.com zu sperren oder den Beitrag zu löschen. Diese einstweilige Verfügung ließ er Facebook ohne englische Übersetzung zustellen. Facebook machte darauf geltend, das Unternehmen verstehe den Inhalt nicht und benötige eine englische Übersetzung.

Dies lässt der 7. Zivilsenat in seinem Beschluss nicht gelten. Für das Sprachverständnis komme es auf die Organisation des Unternehmens insgesamt an. Facebook verfüge in Deutschland über eine Vielzahl von Nutzern, denen die Plattform vollständig in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt werde. Auch die dabei verwendeten vertraglichen Dokumente seien in deutscher Sprache gehalten. Konkreten Formulierungen in den Nutzungsbedingungen ließen sich gründliche Kenntnisse der deutschen Sprache und des deutschen Rechts entnehmen.

Befassen musste sich der Senat mit dieser Frage, weil der Mann aus Düsseldorf die ihm entstandenen Kosten in Höhe von rund 730 EUR geltend macht. Dafür ist eine Zustellung der einstweiligen Verfügung erforderlich. Die Wirksamkeit dieser Zustellung hatte der Senat zu klären.

Der Inhalt des Beitrags, der nicht gelöscht werden sollte, war für die Entscheidung ohne Belang.


Siehe auch zum Thema

OLG München: Facebook können gerichtliche Entscheidungen auch in deutscher Sprache zugestellt werden - Facebook beherrscht die deutsche Sprache im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. a) EuZustVO

Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann - Man spricht deutsch - Urteil des OLG München zu einstweiligen Verfügungen gegen Facebook & Co.