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BGH legt EuGH vor: Ist Werbung mit Zahlungsmodalität "bequemer Kauf auf Rechnung" ein Angebot zur Verkaufsförderung im Sinne der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr

BGH
Beschluss vom 21.12.2023
I ZR 14/23
Bequemer Kauf auf Rechnung
Richtlinie 2000/31/EG Art. 6 Buchst. c; TMG § 6 Abs. 1 Nr. 3; Richtlinie 2005/29/EG Art. 7 Abs. 5 und Anhang II; UWG § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob die Werbung mit Zahlungsmodalitäten wie "bequemer Kauf auf Rechnung" ein Angebot zur Verkaufsförderung im Sinne der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr ist.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 6 Buchst. c der Richtlinie
2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs,im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr"; ABl. L 178 vom 17. Juni 2000,S. 1) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt die Werbung mit einer Zahlungsmodalität (hier: "bequemer Kauf auf Rechnung"),
die zwar nur einen geringen Geldwert hat, jedoch dem Sicherheits- und Rechtsinteresse
des Verbrauchers dient (hier: keine Preisgabe sensibler Zahlungsdaten; bei Rückabwicklung des Vertrags keine Rückforderung einer Vorleistung), ein Angebot zur Verkaufsförderung im Sinne des Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr dar?

BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2023 - I ZR 14/23 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Digital Services Acts - DSA - Stand 15.01.2024

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Digital Services Acts (DSA) - Stand 15.01.2024 vorgelegt.

Aus dem Entwurf:
Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze

A. Problem und Ziel

Am 16. November 2022 ist die Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG in Kraft getreten (im Folgenden „DSA“ [= Digital Services Act]). Der DSA gilt ab dem 17. Februar 2024. Mit dem DSA wird ein horizontaler Rechtsrahmen, also ein einheitlicher Rechtsrahmen für alle Kategorien digitaler Vermittlungsdienste, geschaffen.

Ziel des DSA ist es, für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) einheitliche horizontale Regeln festzulegen für ein sicheres und vertrauenswürdiges Online-Umfeld, in dem die in der EU-Grundrechtecharta verankerten Grundrechte, darunter der Verbraucherschutz, wirksam geschützt werden. Zudem soll eine starke und dauerhafte Aufsichtsstruktur aufgesetzt werden, die eine wirksame Aufsicht über digitale Vermittlungsdienste in der EU sicherstellt. Als neue Aufsichtsbehörde soll in jedem Mitgliedstaat ein Koordinator für digitale Dienste eingesetzt werden, der auch Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern aus dem jeweiligen Mitgliedstaat entgegennimmt und Zugriff auf die Daten der sehr großen Online-Plattformen und sehr großen Online-Suchmaschinen (mit mehr als 45 Mio. Nutzern in der EU) erhält. Ergänzend regelt der DSA das Verhältnis der digitalen Vermittlungsdienste zu ihren Nutzerinnen und Nutzern neu. So müssen Hostingdiensteanbieter Melde- und Abhilfeverfahren für illegale Inhalte vorhalten. Zudem werden Hostingdiensteanbieter zu Maßnahmen gegen illegale Aktivitäten und Anbieter von Online-Plattformen zu Maßnahmen gegen eine mögliche missbräuchliche Verwendung der Melde- und Abhilfeverfahren verpflichtet. Vertrauenswürdige Hinweisgeber sollen bei Meldungen bevorzugt werden. OnlineMarktplätze müssen die Händler, die auf ihren Plattformen Produkte oder Dienstleistungen anbieten wollen, vorher überprüfen. Ferner sieht der DSA im Bereich kommerzieller Werbung Transparenzverpflichtungen sowie ein Verwendungsverbot bestimmter personenbezogener Daten vor sowie für sehr große Online-Plattformen bzw. sehr große Online-Suchmaschinen strengere Verpflichtungen als für kleine und mittlere Anbieter. Dies alles soll die Sicherheit des digitalen Umfelds fördern. Schließlich wird ein Rahmen für die Umsetzung, Zusammenarbeit, Sanktionierung und Durchsetzung des DSA festgelegt, der konkrete, an die Mitgliedstaaten gerichtete Regelungsaufträge enthält. Neben einer Durchführung im nationalen Recht erfordert der DSA auch eine Überprüfung und Anpassung des bestehenden nationalen Rechts.

B. Lösung

Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze (Digitale-Dienste-Gesetz) wird der nationale Rechtsrahmen an den Vorgaben des DSA ausgerichtet und entsprechend angepasst.

Bestehende nationale Regelungen, die sich zu Angelegenheiten verhalten, die durch den DSA geregelt werden, sind im Lichte der vom europäischen Gesetzgeber bezweckten vollständigen Harmonisierung des Regulierungsrahmens für digitale Dienste entweder anzupassen oder aufzuheben.

Der Gesetzentwurf schafft vor allem einen Rechtsrahmen für die behördliche Überwachung der Einhaltung von DSA-Vorschriften durch Anbieter von Vermittlungsdiensten. Zu diesem Zweck wird insbesondere eine zentrale Stelle für die Beaufsichtigung der Anbieter von Vermittlungsdiensten und für die Durchsetzung des DSA benannt: Die Koordinierungsstelle für digitale Dienste wird innerhalb der zuständigen Bundesnetzagentur eingerichtet, um eine wirksame und zugleich unabhängige Aufsicht über digitale Vermittlungsdienste zu gewährleisten. Der vorliegende Entwurf regelt auch Organisation und Funktion der Koordinierungsstelle für digitale Dienste. Ergänzend werden Sonderzuständigkeiten für die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz, für nach den medienrechtlichen Bestimmungen der Länder benannte Stellen und für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit geschaffen. Zudem werden – wo nicht bereits durch den DSA geregelt – Befugnisse der vorgenannten Stellen festgelegt. Der Gesetzentwurf regelt ebenfalls die Zusammenarbeit der jeweils zuständigen Stellen mit weiteren Behörden, deren Zuständigkeit im Einzelfall berührt werden kann. Der vom DSA vorgegebene Spielraum für Sanktionen bei Verstößen gegen den DSA wird durch diesen Gesetzentwurf ausgeschöpft. Ergänzend werden erforderliche Gesetzesänderungen vorgenommen, um nationales Recht an die Terminologie des DSA anzupassen.


Den vollständigen Entwurf finden Sie hier:


EU-Kommission: Verfahren gegen X / Twitter wegen Verletzung der Vorschriften des Digital Services Act (DSA) durch Verbreitung illegaler Inhalte eröffnet

Die EU-Kommission hat ein Verfahren gegen X / Twitter wegen Verletzung der Vorschriften des Digital Services Act (DSA) durch Verbreitung illegaler Inhalte eröffnet.

Die Pressemitteilung des EU-Kommission:
The European Commission has opened formal proceedings to assess whether X may have breached the Digital Services Act (DSA) in areas linked to risk management, content moderation, dark patterns, advertising transparency and data access for researchers.

On the basis of the preliminary investigation conducted so far, including on the basis of an analysis of the risk assessment report submitted by X in September, X's Transparency report published on 3 November, and X's replies to a formal request for information, which, among others, concerned the dissemination of illegal content in the context of Hamas' terrorist attacks against Israel, the Commission has decided to open formal infringement proceedings against X under the Digital Services Act.

The proceedings will focus on the following areas:

The compliance with the DSA obligations related to countering the dissemination of illegal content in the EU, notably in relation to the risk assessment and mitigation measures adopted by X to counter the dissemination of illegal content in the EU, as well as the functioning of the notice and action mechanism for illegal content in the EU mandated by the DSA, including in light of X's content moderation resources.

The effectiveness of measures taken to combat information manipulation on the platform, notably the effectiveness of X's so-called ‘Community Notes' system in the EU and the effectiveness of related policies mitigating risks to civic discourse and electoral processes.

The measures taken by X to increase the transparency of its platform. The investigation concerns suspected shortcomings in giving researchers access to X's publicly accessible data as mandated by
Article 40 of the DSA, as well as shortcomings in X's ads repository.

A suspected deceptive design of the user interface, notably in relation to checkmarks linked to certain subscription products, the so-called Blue checks.

If proven, these failures would constitute infringements of Articles 34(1), 34(2) and 35(1), 16(5) and 16(6), 25(1), 39 and 40(12) of the DSA. The Commission will now carry out an in-depth investigation as a matter of priority. The opening of formal infringement proceedings does not prejudge its outcome.

These are the first formal proceedings launched by the Commission to enforce the first EU-wide horizontal framework for online platforms' responsibility, just 3 years from its proposal.

Next Steps
After the formal opening of proceedings, the Commission will continue to gather evidence, for example by sending additional requests for information, conducting interviews or inspections.

The opening of formal proceedings empowers the Commission to take further enforcement steps, such as interim measures, and non-compliance decisions. The Commission is also empowered to accept any commitment made by X to remedy on the matters subject to the proceeding.

The DSA does not set any legal deadline for bringing formal proceedings to an end. The duration of an in-depth investigation depends on a number of factors, including the complexity of the case, the extent to which the company concerned cooperate with the Commission and the exercise of the rights of defence.

The opening of formal infringement proceedings does not prejudge its outcome. It relieves Digital Services Coordinators, or any other competent authority of EU Member States, of their powers to supervise and enforce the DSA in relation to the suspected infringements of Articles 16(5), 16(6) and 25(1).

Background
X (formerly known as Twitter) has been designated as a Very Large Online Platform (VLOP) on 25 April 2023 under the EU's Digital Services Act, following its declaration of having 112 million monthly active users in the EU as reported to the Commission on 17 February 2023.

As a VLOP, since four months from its designation, X has had to comply with a series of obligations set out in the DSA. In particular:

Pursuant to Articles 34(1), 34(2) and 35(1), VLOPs are obliged to diligently identify, analyse, and assess any systemic risks in the Union stemming from the design or functioning of their service and its related systems, or from the use made of their services. When conducting risk assessments, VLOPs shall take into account a number of factors that influence the systemic risks, including recommender systems, advertising systems or the intentional manipulation of the service, including through inauthentic use or automated exploitation of the service, as well as the amplification and potentially rapid and wide dissemination of illegal content and of information that is incompatible with their terms and conditions. VLOPs are obliged to put in place reasonable, proportionate and effective mitigation measures, tailored to the specific systemic risks identified.
Pursuant to Articles 16(5) and 16(6), online platforms have to notify without undue delay individuals or entities of content moderation decision, providing information on the possibilities for redress in respect of that decision; platforms shall take such decisions in a timely, diligent, non-arbitrary and objective manner.

Pursuant to Article 25(1), online platforms shall not design, organise or operate their online interfaces in a way that deceives or manipulates their users or in a way that otherwise materially distorts or impairs the ability of the users of their service to make free and informed decisions.
Pursuant to Article 39, VLOPs have to compile and make publicly available through a searchable and reliable tool a repository containing advertisements on their platforms, until one year after the advertisement was presented for the last time, in a way that the information is accurate and complete.

Pursuant to Article 40(12), VLOPs have to provide researchers with effective access to platform data
.



BMDV: Entwurf Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) zur Umsetzung des Digital Services Acts (DSA)

Das BMDV hat den Entwurf des Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) zur Umsetzung des Digital Services Acts (DSA) vorgelegt.

Aus dem Entwurf:
A. Problem und Ziel
Am 16. November 2022 ist die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG in Kraft getreten (im Folgenden „Digital Services Act“ oder „DSA“). Die Verordnung gilt ab dem 17. Februar 2024. Mit der Verordnung wird ein horizontaler Rechtsrahmen für digitale Dienste geschaffen.

Ziel des DSA ist es, einheitliche horizontale Regeln festzulegen für ein sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld. Zudem soll eine robuste und dauerhafte Aufsichtsstruktur aufgesetzt werden, die eine wirksame Aufsicht über Online-Plattformen in Europa sicherstellt. Als neue Aufsichtsbehörde soll in jedem Mitgliedstaat ein Koordinator für digitale Dienste eingesetzt werden, der Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern aus dem jeweiligen Mitgliedstaat entgegennehmen und Zugriff auf die Daten der Plattformen erhalten soll. Ergänzend regelt der DSA das Verhältnis der Plattformen zu ihren Nutzerinnen und Nutzern neu. Die Anbieter müssen ein Melde- und Beschwerdeverfahren für illegale Inhalte vorhalten. Zudem werden Online-Plattformen zu Maßnahmen gegen illegale Aktivitäten und Missbrauch der Meldeverfahren verpflichtet. Vertrauenswürdige Hinweisgeber sollen bei Meldungen bevorzugt werden. Online-Marktplätze müssen die Händler, die auf ihren Plattformen Produkte oder Dienstleistungen anbieten, vorher überprüfen. Ferner sieht der DSA Transparenzverpflichtungen für kommerzielle Werbung vor, sowie strengere Verpflichtungen für sehr große Plattformen / Suchmaschinen (mit mehr als 45 Mio. Nutzern in der EU) als für kleine und mittlere Anbieter vor. Dies alles soll ein sicheres digitales Umfeld fördern. Schließlich wird ein Rahmen für die Umsetzung, die Zusammenarbeit, für Sanktionen und die Durchsetzung des DSA angelegt, der konkrete, an die Mitgliedstaaten gerichteten Regelungsaufträge enthält. Neben einer Durchführung im nationalen Recht erfordert der DSA auch eine Überprüfung und Anpassung des bestehenden nationalen Rechts.

B. Lösung

Der DSA ist im nationalen Recht durchzuführen und das nationale Recht ist anzupassen. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze (Digitale-Dienste-Gesetzes, oder DDG) ist der nationale Rechtsrahmen auf die Vorgaben des DSA auszurichten und anzupassen. Bestehende nationale Regelungen, die sich zu Angelegenheiten verhalten, die durch den DSA geregelt werden, sind im Lichte der vom europäischen Gesetzgeber bezweckten vollständigen Harmonisierung des Regulierungsrahmens für digitale Dienste, abzulösen. Zur Durchführung des DSA sind insbesondere die zuständige nationale Koordinierungsstelle für die Beaufsichtigung der Anbieter von Vermittlungsdiensten und zur Durchsetzung des DSA zu benennen, Sanktionsvorschriften zu erlassen und erforderliche Gesetzesänderungen vorzunehmen


Den vollständigen Entwurf finden Sie hier:


OLG Stuttgart: SWR darf NEWSZONE-App jedenfalls vorerst weiter verbreiten - Prozesshindernis durch Schlichtungszwang in Schlichtungsvereinbarung

OLG Stuttgart
Urteil vom 28.06.2023
4 U 31/23


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass der SWR seine NEWSZONE-App jedenfalls vorerst weiter verbreiten darf, da ein Prozesshindernis durch einen Schlichtungszwang in der zwischen den Parteien geschlossenen Schlichtungsvereinbarung besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
OLG Stuttgart hebt einstweilige Verfügung zum Verbreitungsverbot der NEWSZONE-App auf

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat mit seinem heutigen Urteil in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben, mit der die Verbreitung des Telemedien-App-Angebots „NEWSZONE“ untersagt worden war.

In dem Verfahren wenden sich mehrere Verlagsunternehmen für Presseerzeugnisse und ein Online-Portal gegen das Angebot der App NEWSZONE, mit der auf Smartphones und anderen onlinefähigen Mobilgeräten abgestimmte Nachrichteninhalte aus einem von der Beklagten – einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt – betriebenen Internetauftritt abgerufen werden konnten. Die Klägerinnen rügen, dass die App NEWSZONE ein eigenständiges und nicht nach § 32 MStV genehmigtes Telemedienangebot der Beklagten darstelle; darüber hinaus sei die App hinsichtlich ihrer nichtsendungsbezogenen Inhalte presseähnlich und greife daher in wettbewerbswidriger Weise in den ihnen als Presseorgane vorbehaltenen Bereich ein.

Das Landgericht Stuttgart hatte mit Urteil vom 21.10.2022 dem Verfügungsantrag der Klägerinnen zur Unterlassung der beanstandeten Verbreitung des Telemedien-App-Angebots NEWSZONE stattgegeben. Hiergegen wehrt sich die Beklagte mit ihrer Berufung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Sie stellt die Genehmigungsbedürftigkeit und die Presseähnlichkeit ihres Angebots in Abrede. In erster Linie stützt sie sich jedoch darauf, dass vor Durchführung eines Gerichtsverfahrens ein Schlichtungsverfahren gemäß § 30 Abs. 7 S. 6 MStV hätte durchgeführt werden müssen, nachdem von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Spitzenverbänden der Presse eine Schlichtungsstelle eingerichtet und zwischen dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der ARD eine entsprechende Schlichtungsvereinbarung geschlossen worden ist.

Der 4. Zivilsenat schloss sich dieser Auffassung der Beklagten nun an, hob die vom Landgericht Stuttgart erlassene einstweilige Verfügung wieder auf und wies das Begehren der Klägerinnen als derzeit unzulässig zurück.

Anders als zuvor das Landgericht erkennt der Senat im Fehlen eines vorab durchgeführten Schlichtungsverfahrens ein Prozesshindernis, das der Zulässigkeit des Verfügungsantrags zur Unterlassung der beanstandeten Verbreitung des Telemedien-App-Angebots NEWSZONE entgegensteht. Jedenfalls nach der – hier unstreitig erfolgten – Einrichtung einer Schlichtungsstelle und dem Abschluss einer entsprechenden Schlichtungsvereinbarung bestehe ein Schlichtungszwang. Neben dem sachlichen sei auch der persönliche Anwendungsbereich der Schlichtungsvereinbarung eröffnet. Alle Klägerinnen seien entweder über eine gestufte Mitgliedschaft im BDZV oder wegen gesellschaftsrechtlicher Verflechtungen an die Schlichtungsvereinbarung gebunden, die Beklagte als eine der ARD zugehörige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt. Die Anrufung der staatlichen Gerichte sei so lange ausgeschlossen, bis die vertraglich bestimmte Schlichtungsstelle den Versuch unternommen habe, zwischen den Parteien eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen.

Die Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist rechtskräftig.

Aktenzeichen:
LG Stuttgart - 53 O 177/22 - Urteil vom 21.10.2022
OLG Stuttgart - 4 U 31/23 - Urteil vom 28.06.2023



OLG Karlsruhe: Facebook ist unabhängig von den Nutzungsbedingungen kraft Gesetzes verpflichtet und berechtigt strafbare Inhalte zu löschen

OLG Karlsruhe
Urteil vom 26.05.2023
10 U 24/22


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass Facebook unabhängig von den Nutzungsbedingungen kraft Gesetzes verpflichtet und berechtigt ist, strafbare Inhalte zu löschen

Aus den Entscheidungsgründen:
d) Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Wiederherstellung der Facebook-Beiträge zu, die am 7.8., 26.10. und 27.10.2020 gelöscht wurden und die Bezeichnung des Andreas K. als „Vollcovidiot“ sowie private bzw. intime Fotografien von Hunter Biden enthalten (Klageanträge 7 und – soweit zulässig – 8).

aa) Allerdings besteht zwischen den Parteien ein Nutzungsvertrag, in dessen Rahmen sich die Beklagte gemäß ihren Nutzungsbedingungen gegenüber dem Kläger verpflichtet hat, diesem ihre Produkte und Dienste zur Verfügung zu stellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten und sich mit ihnen auszutauschen, insbesondere Nachrichten zu senden und Daten wie Texte, Fotos und Videos zu teilen. Daraus folgt, dass die Beklagte Beiträge, die der Kläger in ihr Netzwerk eingestellt hat, nicht grundlos löschen darf.

bb) Zur Begründung von Beitragslöschungen kann sich die Beklagte nicht auf die Regelungen auf den Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt in Nr. 3.2 ihrer Nutzungsbedingungen vom 19.4.2018 i. V. m. Teil 1 Nr. 2 ihrer Gemeinschaftsstandards gleichen Datums berufen. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, sind diese gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Auf die diesbezüglichen grundlegenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteile vom 29.7.2021, III ZR 179/20, ZUM 2021, 953, 957 ff., und III ZR 192/20, ZUM-RD 2021, 612, 618 ff.), denen sich der erkennende Senat bereits zu einem früheren Zeitpunkt angeschlossen hat (OLG Karlsruhe, Urteil vom 4.2.2022, 10 U 17/20), wird zustimmend Bezug genommen.

cc) Ein Recht zur Löschung folgt auch nicht aus einer ergänzenden Auslegung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Nutzungsvertrags (vgl. BGH, a. a. O., OLG Karlsruhe, a. a. O.). Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Nach § 306 Abs. 2 BGB tritt an die Stelle der unwirksamen Klauseln das dispositive Gesetzesrecht. Bei strafbaren Inhalten war die Beklagte auch unter Geltung ihrer Nutzungsbedingungen vom 19.4.2018 zur Entfernung von Beiträgen und zur (vorübergehenden) Sperrung des Nutzerkontos berechtigt und verpflichtet (siehe sogleich). Auch im Übrigen stand die Beklagte etwaigen Vertragsverstößen der Nutzer nicht wehrlos gegenüber, da in diesem Fall die gesetzlich geregelten Möglichkeiten der Reaktion bei einer Pflichtverletzung des anderen Teils eingreifen (OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.2021, 4 U 484/20; OLG Karlsruhe Urteil vom 4.2.2022, 10 U 17/20).

dd) Die Beklagte war aber kraft Gesetzes wegen des strafbaren Inhalts der betreffenden Beiträge zur Löschung berechtigt. Gemäß § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 NetzDG war und ist die Beklagte unabhängig von dem Inhalt ihrer Nutzungsbedingungen gehalten, unverzüglich tätig zu werden, um strafbare Inhalte in ihrem sozialen Netzwerk zu entfernen oder zu sperren, sobald sie Kenntnis von Tatsachen oder Umständen erlangt hat, aus denen die Rechtswidrigkeit der Beiträge offensichtlich wird (BGH, Urteil vom 29.7.2021, III ZR 179/20, BGH, NJW 2021, 3179, 3188). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die von dem Beklagten abgesetzten Posts, die die Beklagte am 7.8.2020, am 26.10.2020 und am 27.10.2020 gelöscht hat und die die Bezeichnung des Andreas K. als „Vollcovidiot“ bzw. private und intime Fotografien von Hunter Biden enthielten, waren strafbaren Inhalts.

(1) Der Post „Andreas WER? Landet jetzt jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufregen?“ enthält eine gemäß § 185 StGB strafbewerte Beleidigung. Diese Äußerung ist als Kundgabe eigener Missachtung oder Nichtachtung des Klägers gegenüber Andreas K. zu qualifizieren (vgl. zum strafrechtlichen Begriff der Beleidigung nur BGH, Urteil vom 29.5.1951, 2 StR 153/51, BGHSt 1, 288, 289), ohne dass die Äußerung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers vorgenommen wurde (vgl. § 193 StGB).

(a) Um zu dieser Beurteilung zu gelangen, war zunächst zu ermitteln, in welcher Hinsicht die Äußerung ihrem objektiven Sinn nach das Persönlichkeitsrecht des Andreas K. beeinträchtigt. Maßgeblich für die Deutung ist dabei weder die subjektive Absicht des Klägers noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums haben. Fernliegende Deutungen sind dabei ausgeschlossen (zum Vorstehenden BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 682; BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005, 1 BvR 1696/98, NJW 2006, 207, 208; BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995, 1 BvR 1476/91 u.a., NJW 1995, 3303, 3305). Diese Sinnermittlung fällt vorliegend eindeutig aus. Durch die Verwendung des Schimpfwortes „Idiot“ hat der Kläger seine Missachtung des Andreas K. als ein vernünftiges Wesen durch den Vorwurf elementarer menschlicher Unzulänglichkeiten klar zur Geltung gebracht (vgl. Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 185 Rn. 2). Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass das Wort „Idiot“ nicht als solches verwendet, sondern im Rahmen eines Wortspiels mittels des zusammengesetzten Wortes „Covidiot“ benutzt wurde; der Stamm des Schimpfwortes blieb dadurch erhalten, es war auch weiterhin sofort als solches zu identifizieren. Umgekehrt wurde der abwertende Charakter der Bezeichnung durch die Vorsilbe „Voll-“, die aus der Bezeichnung als „Vollidiot“ bekannt ist, inhaltlich ausgeweitet und der Teil „Idiot“ des zusammengesetzten Wortes „Covidiot“ dadurch noch verstärkt. Eine abweichende Deutung des Begriffs als bloßes Wortspiel, das gerade wegen seines spielerischen Charakters den die Person des Andreas K. abwertenden Kern verlieren könnte, scheidet bei dieser Sachlage aus. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung des Kontextes der Äußerung. Mit der Formulierung „Landet jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufzuregen?“ hat der Kläger die Abwertung der Person des Andreas K., der „Mist“ äußere und dadurch Grund zur Aufregung gebe, noch weiter verstärkt. Auch durch die Formulierung „Andreas WER?“ hat er zum Ausdruck gebracht, dass seine Äußerungen in der Gesamtschau gerade auf eine Zurücksetzung der Person des Andreas K. gerichtet gewesen sind.

(b) Allerdings ist der Begriff „Covidiot“ – auch im vorgenannten Äußerungskontext – nicht bereits deshalb als ohne weitere Abwägung strafbare Beleidigung anzusehen, weil es sich bei ihr um eine Schmähung oder Schmähkritik, eine Formalbeleidigung oder einen Angriff auf die Menschenwürde handeln würde. Dieser Ausnahmefall ist nur gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Es sind dies Konstellationen, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen, etwa in Fällen der Privatfehde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 682; BVerfG, Beschluss vom 17.9.2012, 1 BvR 2979/10, NJW 2012, 3712, 3713). Dies kann hier aber nicht angenommen werden. Die Bezeichnung als „Covidiot“ und auch der Verweis auf den „Mist“, den Andreas K. verbreitet habe, stellt einen Sachbezug zu dem vorangegangenen Beitrag des Andreas K. auf „Facebook“ her. Die Formulierung des Klägers beschränkte sich also nicht auf die Abwertung der Person des Andreas K., sondern bezog sich auch auf den Inhalt dessen eigener Äußerungen zum Erfordernis von infektionsschützenden Maßnahmen in der Corona-Pandemie (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8.2.2017, 1 BvR 2973/14, NJW 2017, 1460, 1461, zur Bezeichnung der Teilnehmer an einer Demonstration als „rechtsextreme Idioten“).

(c) Bei dieser Sachlage besteht bei der Beurteilung, ob eine strafrechtlich relevante Beleidigung vorliegt, weder ein genereller Vorrang für die Meinungsfreiheit des Klägers noch für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Andreas K. Geboten ist vielmehr eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte im Wege einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte. Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen gehören insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 682; BVerfG, Beschluss vom 19.5.2020, 1 BvR 2397/19, NJW 2020, 2622, 2625).

Diese Abwägung ergibt vorliegend den Vorrang des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Andreas K. und führt daher zur Annahme einer strafbaren, insbesondere auch nicht gemäß § 193 StGB gerechtfertigten Beleidigung.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, spricht für den Kläger, dass er an eine inhaltliche Äußerung des Andreas K. angeknüpft und diese (als „Mist“ bezeichnet) ebenfalls zum Gegenstand seines Facebook-Beitrags gemacht hat. Er mag die Äußerung auch subjektiv nicht in erster Linie als persönlichen Angriff gegen Andreas K. verstanden, sondern nur gegen dessen inhaltliche Äußerung gerichtet haben wollen. Zudem erfolgte die Äußerung in dem Kontext einer durch Debatten über das Erfordernis von infektionsschützenden Maßnahmen in der gesellschaftlichen Extremsituation einer Pandemie bereits aufgeheizten öffentlichen Stimmung, was – allgemeinkundig – derbe und pointierte Äußerungen von allen Seiten des Meinungsspektrums einschloss. Schließlich mag der Kläger auch durch das Wortspiel „Covidiot“ dazu verleitet worden sein, diesen Begriff zu verwenden.

Diese Gesichtspunkte tragen aber nicht darüber hinweg, dass es sich bei dem Wortstamm „Idiot“ um ein derbes Schimpfwort handelt, das die Ehre des Betroffenen in erheblicher Weise tangiert (zum objektiven Sinn siehe bereits oben). Der Begriff wurde – in für das Wortspiel keinesfalls erforderlicher Weise – noch gesteigert, indem die Vorsilbe „Voll-“ vorangestellt wurde, die aus dem Schimpfwort „Vollidiot“ bekannt ist und den ehrenrührigen Teil des zusammengesetzten Wortes „Covidiot“ in besonderer Weise betont. Die Äußerung erfolgte zudem in Bezug auf eine einzelne Person und nicht eine Personengruppe, was der individuellen Abwertung der Person des Andreas K. ein besonderes Gewicht verleiht. Sie geschah in einer Facebook-Gruppe, also gegenüber mehreren Adressaten, und erhielt auch dadurch eine größere Tragweite. Schließlich gab der Kläger dem – wie ausgeführt – im Ausgangspunkt (auch) vorhandenen Sachbezug seiner Äußerung keinen diskursiven Raum, indem er den vorangegangenen Beitrag des Andreas K. – ebenfalls derb und abwertend – als „Mist“ qualifizierte, es also an jedem von Argumenten getragenen sachlichen Diskurs von vornherein vermissen ließ. Umgekehrt hatte Andreas K. mit dem Inhalt seines Posts, der in nachdenklichem und zurückhaltenden Duktus gehalten und frei von Schärfe oder gar Schimpfworten ist, keinerlei Anlass zu einer derben Reaktion gegeben. Der Kläger hätte auch vor diesem Hintergrund seine Meinung bei „Facebook“ vertreten und auch pointiert äußern können, ohne dass irgendein Grund dafür bestand, hierfür – wie geschehen – auf ein auch noch gesteigertes Schimpfwort – und sei es auch im Rahmen eines Wortspiels – zurückzugreifen. In der Gesamtschau überwiegen die für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Andreas K. sprechenden Gesichtspunkte daher in erheblicher Weise.

(d) Der Senat hat zur Kenntnis genommen, dass die Generalstaatsanwaltschaft Berlin die Bezeichnung von Demonstranten gegen Corona-Maßnahmen als „Covidioten“ durch die Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Saskia Esken nicht als strafrechtlich relevante Beleidigung eingestuft hat. Dieser Umstand ändert aber nichts an der Einschätzung des Senats betreffend den vorliegenden Fall. Das Landgericht hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die Äußerung selbst, aber insbesondere auch ihr Kontext von der vorliegend zu entscheidenden Konstellation mehrfach und maßgeblich abweichen, ohnehin aber keine Bindungswirkung der in dem genannten Strafverfahren getroffenen Entscheidung für den vorliegenden Rechtsstreit besteht.

(2) Auch die Beiträge des Klägers, die private und intime Fotografien des Hunter Biden enthalten bzw. verlinkt haben, sind strafbaren Inhalts. Sie verstoßen gegen die Strafvorschrift des § 33 KunstUrhG i. V. m. §§ 22, 23 KunstUrhG.

(a) Nach § 22 Satz 1 KunstUrhG dürfen Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Dagegen hat der Kläger verstoßen, als er Fotografien von Hunter Biden postete bzw. verlinkte, ohne dass dieser – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – damit einverstanden war.

(b) Soweit sich der Kläger auf die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG berufen hat, wonach Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte verbreitet und zur Schau gestellt werden dürfen, dringt er damit nicht durch.

Die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung richtet sich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KunstUrhG (grundlegend BGH, Urteil vom 6.3.2007, VI ZR 51/06, NJW 2007, 1977, 1978 f.; BGH, Urteil vom 6.3.2007, VI ZR 13/06, NJW 2007, 1981, 1982). Die danach im Rahmen der Prüfung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG erforderliche Beurteilung, ob es um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte geht, erfordert eine umfassende Abwägung zwischen den Rechten der abgebildeten Person aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der das Bild verbreitenden Person aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. BGH, Urteil vom 8.11.2022, VI ZR 57/21, GRUR 2023, 196, 198). Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung ist insoweit, wenn das Bildnis nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, der Informationswert der Veröffentlichung auch im Kontext der begleitenden Wortberichterstattung zu ermitteln. Für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der abgebildeten Person sind ergänzend die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Aufnahme entstanden ist oder in welcher Situation die betroffene Person erfasst bzw. dargestellt wird. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt umso schwerer, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise öffentlicher Erörterung entzogener Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt oder wenn der Betroffene nach den gegebenen Umständen typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, in der konkreten Situation nicht in den Medien abgebildet zu werden (vgl. Herrmann, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 39. Edition 2023, § 23 KunstUrhG Rn. 14).

Der Kläger führt insoweit – bereits wenig substantiiert – aus, die Vorgänge rund um das „Laptop from Hell“ von Hunter Biden „rund um die systematische Unterdrückung dieser Informationen vor den letzten Präsidentschaftswahlen“ hätten zu mehrjähriger internationaler Presseberichterstattung und mehreren Buchveröffentlichungen, die sich ausschließlich mit diesem Vorgang beschäftigt hätten, geführt; es handele sich „geradezu um ein Paradebeispiel des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG“. Offenbar nimmt der Kläger damit auf – aufgrund Medienberichterstattung allgemeinkundige – Vorgänge in den Vereinigten Staaten von Amerika Bezug. Danach seien vor den US-Präsidentschaftswahlen im November 2020 auf einem Hunter Biden, dem Sohn des amerikanischen Präsidenten Jon Biden, zugerechneten Laptop E-Mails und Bankunterlagen aufgefunden worden, die Hinweise auf umfangreiche geschäftliche Beziehungen des Hunter Biden mit ukrainischen und chinesischen Geschäftspartnern ergeben hätten, bei denen er möglicherweise von der politischen Stellung seines Vaters profitiert habe. Außerdem habe das Laptop kompromittierende Bilder und Videos des Hunter Biden enthalten (vgl. zum Ganzen nur Neue Zürcher Zeitung, https://www.nzz.ch/feuilleton/laptop-saga-hunter-biden-bringt-seinen-vater-in-bedraengnis-ld.1685440). Der Senat versteht den klägerischen Vortrag vor diesem Hintergrund dahingehend, er wolle die Veröffentlichung der privaten und intimen Fotografien des Hunter Biden mit einem berechtigten öffentlichen Interesse an dem Inhalt dessen Laptops rechtfertigen.

Dieser Sichtweise tritt der Senat jedoch nicht bei. Zwar ist dem Kläger zuzubilligen, dass an der Person des Hunter Biden im Zusammenhang mit der „Laptop-Affäre“ ein grundsätzliches Informationsinteresse bestand. Denn er ist im Zusammenhang mit einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Veröffentlichung eines Lichtbildes des Hunter Biden mit nacktem Oberkörper in einer Badewanne sowie anderer, intimer Lichtbilder, die keinerlei Bezug zu geschäftlichen Beziehungen in die Ukraine sowie nach China aufweisen, auf welche sich das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im Ausgangspunkt bezieht. Diese Lichtbilder sind in einem rein privaten Umfeld entstanden und zeigen Lebenssituationen, die üblicherweise der öffentlichen Erörterung entzogen sind und von denen die abgebildete Person daher ersichtlich davon ausgehen durfte, sie werde in dieser konkreten Situation nicht öffentlich abgebildet. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Hunter Biden ist daher erheblich höher zu bewerten als die Meinungsäußerungsfreiheit des Klägers, zumal es diesem unbenommen bleibt, sich über die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Rolle des Hunter Biden auch weiterhin zu äußern, und der ausschließlich darauf verzichten muss, solche Äußerungen mit Lichtbildern aus der Intim- oder Privatsphäre zu illustrieren.

(c) Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass auch § 23 Abs. 2 KunstUrhG einer Verbreitung der fraglichen Lichtbilder von Hunter Biden durch den Kläger entgegengestanden hätte. Danach dürfen solche zeitgeschichtlich relevanten Bildnisse von Personen der Zeitgeschichte nicht verbreitet oder zur Schau gestellt werden, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Die Veröffentlichung von Fotografien aus der Intimsphäre des Betroffenen ist vor diesem Hintergrund stets unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 10.1.1985, VI ZR 28/83, NJW 1985, 1617; OLG Frankfurt, Urteil vom 21.9.1999, 11 U 28/99, NJW 2000, 594, 595). Soweit lediglich Fotos aus der Privatsphäre betroffen wären, führte die auch im Rahmen des § 23 Abs. 2 KunstUrhG erforderliche Abwägung im Übrigen zu demselben Ergebnis, das vorstehend zu § 23 Abs. 1 KunstUrhG gefunden wurde (vgl. Herrmann, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 39. Edition 2023, § 23 KunstUrhG Rn. 29).

(3) Demnach war die Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Klageantrags Ziffer 7 zurückzuweisen. Die Berufung der Beklagten gegen die Verurteilung zur Wiederherstellung der Hunter Biden betreffenden Beiträge hatte dagegen Erfolg.

e) Dem Kläger steht kein Anspruch auf Datenberichtigung zu (Klageantrag Ziffer 1).

(1) Dem Kläger steht der mit dem insoweit gestellten Hauptantrag geltend gemachte umfassende Anspruch gegen die Beklagte nicht zu, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass alle Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden und der Zähler, der die den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst, vollständig zurückgesetzt wird.

(a) Soweit der Kläger die Beseitigung von Lösch- und Sperrvermerken aus seinem Nutzerdatensatz bei der Beklagten begehrt, kann er dies nicht mit der Begründung erreichen, die Beklagte speichere insoweit unzutreffende Daten. Denn die Beitragslöschungen und Accountsperrungen haben tatsächlich – unstreitig – stattgefunden (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19, GRUR-RS 2022, 1200; siehe auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19). Ein Anspruch auf Datenberichtigung mit der Begründung, die gespeicherten Daten seien unrichtig, besteht damit weder auf der Grundlage von §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB noch gemäß Art. 16 DSGVO.

(b) Ein Anspruch auf umfassende Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke besteht auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO. Diese Vorschrift gibt ein „Recht auf Vergessenwerden“, also auf Löschung personenbezogener Daten insbesondere dann, wenn sie unrechtmäßig verarbeitet wurden (Art. 17 Abs. 1 d) DSGVO), wofür nach den obigen Ausführungen keine Anhaltspunkte vorhanden sind, oder wenn sie für die Zwecke, für die sie verarbeitet wurden, nicht mehr erforderlich sind (Art. 17 Abs. 1 a) DSGVO). Der Kläger beruft sich insoweit darauf, dass die Lösch- und Speichervermerke bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten keine Relevanz mehr besäßen. Die Beklagte wendet ein, sie halte die entsprechenden Daten zur Abwehr von Rechtsansprüchen und damit gemäß Art. 17 Abs. 3 lit. e) DSGVO berechtigt vor. Dieser Einwand greift jedenfalls im vorliegenden Fall ersichtlich durch, nachdem der Kläger die Beklagte wegen angeblicher unberechtigter Sperrungen und Beitragslöschungen in Anspruch nimmt und es der Beklagten jedenfalls während des noch laufenden Verfahrens unbenommen sein muss, Informationen darüber vorzuhalten, die ihr eine sachgerechte Rechtsverteidigung erlauben. Dazu gehört es, dass es ihr möglich sein muss, den klägerischen Vortrag zu stattgefundenen Beitragslöschungen und Sperrungen anhand eigener Aufzeichnungen verifizieren oder falsifizieren zu können. Soweit die Beklagte bemerkt, der Kläger könne „nicht einfach eine Klage wegen Vertragsverletzung einreichen und gleichzeitig von der Beklagten verlangen, ihre Aufzeichnungen darüber zu löschen, ob solche Verstöße stattgefunden haben“, tritt der Senat dieser Einschätzung vollumfänglich bei.

(c) Soweit der Kläger außerdem eine Rückstellung des Zählers verlangt, der die den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst, hat die Beklagte vorgetragen, nach einem Jahr aus ihrer Sicht erfolgte Verstöße ohnehin nicht mehr zu zählen, und damit der Sache nach Erfüllung eingewandt. Der Kläger hat diese Einwendung nicht bestritten. Dass im – aktuell – zurückliegenden Jahr von der Beklagten als solche gezählte Verstöße vorgekommen wären, hat der Kläger nicht behauptet, so dass der von ihm insoweit geltend gemachte Anspruch – jedenfalls – nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen wäre (siehe auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 89/20). Ob und in welchem Umfang der Anspruch zuvor bestanden hat (hierzu OLG Rostock, Urteil vom 29.9.2021, 2 U 4/20, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.

(2) Soweit der Kläger hilfsweise die Verurteilung der Beklagten beantragt, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den

a. am 7.8.2020 gelöschten Beitrag,

b. am 26.10.2020 gelöschten Beiträge,

c. am 27.10.2020 gelöschten Beiträge,

d. Beitrag, der der am 15.2.2020 verhängten Sperre zugrunde liegt,

e. Beitrag, der der am 6.5.2020 verhängten Sperre zugrunde liegt,

aus dem Datensatz gelöscht und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um alle an diesen Tagen erfassten Verstöße zurückgesetzt wird, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen. Der Kläger macht damit der Sache nach geltend, die Beklagte vermerke in ihrem System, dass er der Löschung unterliegende Beiträge gepostet habe, die tatsächlich aber gar nicht hätten gelöscht werden dürfen.

Ein solcher Anspruch besteht aber nicht, nachdem zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Beklagte – von ihr gesehene – unzulässige Inhalte nach Ablauf eines Jahres nicht mehr als Grundlage etwaiger Sanktionen bei ggf. neuerlichen Vertragsverstößen eines Nutzers heranzieht. Ein etwaiger Anspruch auf Rücksetzung des Zählers, der die Zahl der Verstöße erfasst, ist daher auch insoweit jedenfalls wegen Erfüllung erloschen (siehe oben (1)). Soweit in der Datenbank der Beklagten darüber hinaus noch Informationen über von ihr gesehene Verstöße als Teil des Chatverlaufs enthalten sind, besteht kein Berichtigungsanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Eine vertragliche Pflichtverletzung durch die Beklagte ist insoweit jedenfalls dann nicht ersichtlich, wenn die betreffenden Beiträge des Nutzers keine Grundlage mehr für weitere Sanktionen der Beklagten bei etwaigen zukünftigen Vertragsverstößen sein können, weil sie ohnehin von der Beklagten nicht mehr als zurückliegende Vertragsverstöße gezählt werden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19; siehe auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.7.2020, 15 U 120/19, GRUR-RS 2020, 41910; OLG München, Urteil vom 7.1.2020, 18 U 1491/19, MMR 2021, 79). Es liegen insoweit auch keine unrichtigen Daten im Sinne von Art. 16 DSGVO vor, wenn und weil die Accountsperrungen und Beitragslöschungen – unabhängig von ihrer Berechtigung – tatsächlich stattgefunden haben und es sich bei der in ihrem System ebenfalls hinterlegten Auffassung der Beklagten, Löschung und Sperrung seien rechtmäßig gewesen, um ein nicht dem Anspruch aus Art. 16 DSGVO unterfallendes Werturteil handelt (OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19, GRUR-RS 2022, 1200; im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19). Soweit das Oberlandesgericht Stuttgart in einer vergleichbaren Konstellation einen Anspruch aus Art. 16 DSGVO angenommen hat, weil es irreführende, unklare oder missverständliche Daten gesehen hat, die nach der Zweckbestimmung ihrer Verarbeitung die betroffene Person „in ein falsches Licht“ rücken und somit ihre Rechtsstellung beeinträchtigen könnten (OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.2021, 4 U 484/20, GRUR-RS 2021, 57810), tritt der Senat dem jedenfalls im vorliegend zu entscheidenden Fall nicht bei. Es liegen weder Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte irreführende, unklare, oder missverständliche personenbezogene Daten des Klägers gespeichert hätte, noch rechtfertigen die getroffenen Feststellungen die Annahme, von der Beklagten gespeicherte Daten hätten die Zweckbestimmung, den Kläger „in ein falsches Licht zu rücken“.

Soweit sich der Kläger auf Art. 17 DSGVO beruft, wird auf die obigen Ausführungen unter (1) (b) verwiesen.

(3) Damit hatte die Berufung der Beklagten in diesem Punkt Erfolg, soweit sie erstinstanzlich zur Datenberichtigung verurteilt worden ist. Soweit der Kläger eine weitergehende Verurteilung der Beklagten zur Datenberichtigung erstrebt hat, war seine Berufung zurückzuweisen.

f) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, steht dem Kläger kein Anspruch gegen die Beklagte zu, eine erneute Löschung des Beitrags „Andreas WER? Landet jetzt jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufregen?“ sowie eine Sperrung des Accounts des Klägers bei erneuter Einstellung des Beitrags zu unterlassen (Klageantrag Nr. 9).

Wie oben ausgeführt, ist der fragliche Beitrag strafrechtlich relevant. Die Beklagte wäre daher bei einer Wiederholung des Beitrags gemäß § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 NetzDG erneut zur Löschung berechtigt (und verpflichtet).

Das Landgericht hat außerdem zu Recht darauf hingewiesen, dass der von dem Kläger geltend gemachte pauschale Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung wegen eines – wie ausgeführt – strafbaren und damit kraft Gesetzes unzulässigen Inhalts nicht besteht (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 4.2.2022, 10 U 17/20, GRUR-RS 2022, 1154). Daher kann auch keine entsprechende pauschale Unterlassungsverpflichtung der Beklagten ausgesprochen werden (vgl. KG, Beschluss vom 20.2.2023, 10 W 85/22, GRUR-RS 2023, 2693; OLG München, Urteil vom 12.4.2022, 18 U 6473/20, GRUR-RS 2022, 11666).

Die Berufung des Klägers konnte vor diesem Hintergrund insoweit keinen Erfolg haben.

g) Das Landgericht hat die Klage ebenfalls zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Unterlassung einer erneuten Accountsperrung ohne vorherige Gelegenheit zur Gegenäußerung gerichtet ist (Klageantrag Nr. 11). Ein derartiger allgemeiner Unterlassungsanspruch steht dem Kläger aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Nutzervertrag – und auch sonst – nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist vor Durchführung einer Kontosperre lediglich im Regelfall geboten, dass der Nutzer von der Beklagten dazu angehört wird; in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen ist dies dagegen nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 29.7.2021, III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, 3181, 3189). Ein Unterlassungsanspruch in dem von dem Kläger begehrten umfassenden Umfang besteht vor diesem Hintergrund nicht, denn dies würde voraussetzen, dass ausnahmslos in jedem Fall vor jeder Sperre eine Anhörung unerlässlich wäre (ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.4.2022, 14 U 270/20, GRUR-RS 2022, 11300; KG, Beschluss vom 20.2.2023, 10 W 85/22, GRUR-RS 2023, 2693; OLG München, Urteil vom 12.4.2022, 18 U 6473/20, GRUR-RS 2022, 11666).

Es kommt daher nicht entscheidend darauf an, dass die Beklagte in ihren aktuellen Nutzungsbedingungen vom 26.7.2022 unter Nummer 3.2 ohnehin vorsieht, dass Einschränkungen bestimmter Funktionen von Facebook-Konten grundsätzlich nur erfolgen, nachdem der betroffene Nutzer darüber informiert worden ist und eine Gelegenheit zur Gegenäußerung erhalten hat. Auch die Frage, ob die Nutzungsbedingungen vom 26.7.2022 zwischen den Parteien wirksam vereinbart wurden, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.

Die Berufung des Klägers hatte mithin auch in diesem Punkt keinen Erfolg.

h) Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Auskunft über die Beteiligung beauftragter Unternehmen bei den erfolgten Accountsperren und Beitragslöschungen zu (Klageantrag Ziffer 13).

(1) Soweit sich der Kläger zur Begründung dieses Anspruchs erstinstanzlich allein auf § 242 BGB als Anspruchsgrundlage berufen hat, schließt sich der Senat der hierzu bereits vorliegenden – soweit ersichtlich einheitlichen – Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte an (OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.4.2022, 14 U 270/20, GRUR-RS 2022, 11300; OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19; OLG München, Urteil vom 20.9.2022, 18 U 6314/20, GRUR 2023, 96, 100; OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19, GRUR-RS 2022, 1200; OLG Dresden, Urteil vom 20.8.2020, 4 U 784/20, NJW-RR 2020, 1370, 1372; OLG Frankfurt, Urteil vom 30.6.2022, 16 U 229/20, MMR 2023, 212, 218 f.) an. Der Kläger hat auch im vorliegenden Rechtsstreit nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihm Ansprüche gegen etwaige von der Beklagten beauftragte Dritte zustehen könnten, zu deren Geltendmachung er der begehrten Auskunft bedarf.

(2) Soweit sich der Kläger in der Berufungsinstanz erstmals auf Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO als Anspruchsgrundlage beruft, ist diese Vorschrift bereits nicht dazu geeignet, den von ihm formulierten Anspruch auf Auskunftserteilung, „ob die Sperren […] sowie die Beitragslöschungen […] durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgten und in letzterem Fall, durch welches“, zu begründen. Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO gibt einen Anspruch, im Falle der Verarbeitung personenbezogener Daten über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, informiert zu werden. Diese Anspruchsgrundlage bezieht sich damit auf die Kenntnis von der Verbreitung der eigenen personenbezogenen Daten. Einen solchen Anspruch macht der Kläger aber ausweislich der Formulierung seines Antrags gerade nicht geltend, sondern er möchte vielmehr über die logistische Beteiligung anderer Unternehmen an Accountsperrungen sowie Beitragslöschungen der Beklagten informiert sein. Er macht damit einen inhaltlich vom Gehalt des Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO abweichenden Anspruch geltend.

Aber auch unabhängig davon könnte der Kläger mit einem Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO im Ergebnis nicht durchdringen.

Zwar gibt ihm diese Vorschrift grundsätzlich einen Anspruch, von der Beklagten im Falle der Verarbeitung ihn betreffende personenbezogene Daten über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegen über denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, informiert zu werden. Aus dieser Vorschrift ergibt sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (trotz ihres missverständlichen Wortlauts) grundsätzlich ein Anspruch auf Mitteilung der Identität der konkreten Empfänger und nicht nur der Kategorien von Empfängern, es sei denn, dass die Informationserteilung über konkrete Empfänger nicht möglich oder der Auskunftsantrag offenkundig unbegründet oder exzessiv ist (EuGH, Urteil vom 12.1.2023, C-154/21, NVwZ 2023, 319, 321).

Einer solchen Auskunftserteilung steht vorliegend aber jedenfalls Art. 15 Abs.4 DSGVO entgegen, wonach das Recht auf Auskunft „die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen“ darf. Die Beklagte hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, dass die Offenlegung der Identität ihrer Diensteanbieter die Sicherheit der jeweiligen Diensteanbieter und damit auch diejenige der Nutzer gefährde. Sie mache die betreffenden Diensteanbieter anfällig für Cyberangriffe und könne die Diensteanbieter dem Risiko von Vergeltungsmaßnahmen durch Nutzers aussetzen, die von etwaigen Maßnahmen betroffen und damit nicht einverstanden seien. Weiterhin könne ein möglicher Schädiger anhand der Informationen über die Identität der Diensteanbieter zusammen mit Einzelheiten zu den spezifischen Aufgaben oder der Art, der ihnen von der Beklagten zugewiesenen Aufgaben nachvollziehen, wie die Beklagte ihre Überprüfungsprozesse durchführt. Dies könne es solchen Personen ermöglichen, Durchsetzungsmaßnahmen der Beklagten zu umgehen. Schließlich würde eine Offenlegung der Identität und Aufgaben der Diensteanbieter die Beklagte zur von Geschäftsgeheimnissen zwingen und ihr so schaden. Auf der Grundlage der damit anhand dieser unstreitigen Tatsachen vorzunehmenden umfassenden Abwägung der gegenläufigen Interessen der Beteiligten (vgl. Schmidt-Wudy, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 43. Edition 2023, Art. 15 DS-GVO Rn. 96) kann der Kläger keine Auskunftserteilung verlangen, weil die von der Beklagten angeführten (und unstreitigen) Belange das Informationsinteresse des Klägers an der konkreten Person des Empfängers seiner Daten überwiegen, zumal dieser – wie oben ausgeführt – diese Information zur Durchsetzung etwaiger sonstiger Rechte nicht benötigt.

Auf die Frage, ob der Kläger mit seinem Vorbringen zu Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO in der Berufungsinstanz nicht ohnehin gemäß § 531 Abs. 2 ZPO auszuschließen wäre, kommt es daher nicht an.

(3) Die Berufung des Klägers hatte daher auch in diesem Punkt keinen Erfolg.

i) Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, soweit der Kläger Auskunft über etwaige Einflussnahmen der Bundesregierung oder nachgeordneter Dienststellen begehrt hat (Klageantrag Ziffer 14). Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht auf der Grundlage von § 242 BGB. Die durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ausgelösten Handlungsaufforderungen für Betreiber sozialer Netzwerke lassen sich dem Gesetzestext entnehmen; einer Information darüber seitens der Beklagten bedarf es für den Kläger daher nicht. Für eine weitergehende Einflussnahme von Bundesbehörden im konkreten Einzelfall trägt der Kläger keine belastbaren Tatsachen vor. Eine Auskunftspflicht über bloße, bei objektiver Betrachtung fernliegende Mutmaßungen kann eine Vertragspartei gegenüber der anderen jedoch auch und gerade unter Berücksichtigung der Maßstäbe von Treu und Glauben nicht geltend machen (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.4.2022, 14 U 270/20, GRUR-RS 2022, 11300; OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19; OLG Dresden, Urteil vom 20.8.2020, 4 U 784/20, NJW-RR 2020, 1370, 1372; OLG München, Urteil vom 20.9.2022, 18 U 6314/20, GRUR 2023, 96, 100; OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19, GRUR-RS 2022, 1200; OLG Frankfurt, Urteil vom 30.6.2022, 16 U 229/20, MMR 2023, 212, 219). Die Berufung des Klägers war daher insoweit zurückzuweisen.

j) Das Landgericht hat die Klage ebenfalls zu Recht abgewiesen, soweit der Kläger materiellen und immateriellen Schadensersatz begehrt (Klageantrag Ziffer 15). Soweit der Kläger zur Begründung auf die Löschung seiner Beiträge Bezug nimmt, fehlt es nach obigen Ausführungen bereits an einer Pflichtverletzung. Soweit er sich auf die vorübergehenden Nutzungseinschränkungen seines Kontos bezieht, fehlt es jedenfalls am schlüssigen Vortrag eines ersatzfähigen Schadens.

Ein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden wegen einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, eine schwerwiegende, nicht anders ausgleichbare Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus (vgl. nur BGH, Urteil vom 15.11.1994, VI ZR 56/94, NJW 1995, 861, 864; BGH, Urteil vom 17.12.2013, VI ZR 211/12, NJW 2014, 2029, 2033). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die vorübergehende Deaktivierung von Funktionen eines Facebook-Accounts stellt – wenn überhaupt – jedenfalls keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung dar (siehe auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.7.2020, 15 U 120/19; OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 89/20; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.2021, 4 U 484/20, GRUR-RS 2021, 57810; OLG München, Urteil vom 7.1.2020, 18 U 1491/19, GRUR-RS 2020, 2103; OLG München, Urteil vom 14.12.2021, 18 U 6997/20, GRUR-RS 2021, 53369; OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19; OLG Dresden, Beschluss vom 11.6.2019, 4 U 760/19, ZD 2019, 567, 568).

Einen ersatzfähigen materiellen Schaden, etwa wegen einer unberechtigten Nutzung der von dem Kläger generierten Daten durch die Beklagte, hat der Kläger bereits nicht schlüssig vorgetragen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.7.2020, 15 U 120/19; OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 89/20; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.2021, 4 U 484/20, GRUR-RS 2021, 57810; OLG München, Urteil vom 7.1.2020, 18 U 1491/19, GRUR-RS 2020, 2103; OLG München, Urteil vom 14.12.2021, 18 U 6997/20, GRUR-RS 2021, 53369; OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19).

Für einen Anspruch aus Art. 82 DSGVO fehlt es bereits – wie oben ausgeführt – an einer datenschutzrechtlichen Pflichtverletzung der Klägerin.

Auch in diesem Punkt hatte die Berufung des Klägers daher keinen Erfolg.

k) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus § 280 Abs. 1 BGB (Klageantrag Ziffer 16). Die mit den Anwaltsschreiben vom 29.10.2020 und 18.6.2021 geltend gemachten Ansprüche standen dem Kläger zur fraglichen Zeit nach den vorangegangenen Ausführungen sämtlich nicht zu. Dies gilt auch, soweit mit dem Schreiben vom 29.10.2020 die Aufhebung der Nutzungsbeschränkung vom 7.8.2020 begehrt worden ist, da diese bereits nach drei Tagen beendet worden war, zur Zeit des anwaltlichen Tätigwerdens also nicht fortdauerte.


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BMDV: Entwurf der Einwilligungsverwaltungs-Verordnung (EinwVO) nach § 26 Abs. 2 TTDSG - Einwilligung zum Speichern von Informationen nach § 25 Abs.1 TTDSG

Das BMDV hat am 01.06.2023 die Beteiligung von Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Fachkreisen und Verbänden zum Entwurf der Einwilligungsverwaltungs-Verordnung (EinwVO) nach § 26 Abs. 2 TTDSG - Einwilligung zum Speichern von Informationen nach § 25 Abs.1 TTDSG eingeleitet.

Aus dem Entwurf:
A. Problem und Ziel § 26 Absatz 1 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG) bestimmt, dass eine zuständige unabhängige Stelle Dienste anerkennen kann, die nutzerfreundliche und wettbewerbskonforme Verfahren bereitstellen, um die nach § 25 Absatz 1 TTDSG erforderliche Einwilligung von Endnutzern zu verwalten.

Viele Anbieter von Telemedien greifen auf die Endeinrichtungen der Endnutzer zu, um hier Informationen zu speichern oder bereits gespeicherte Informationen abzurufen. Dies geschieht häufig durch den Einsatz von Cookies. Anhand der im Cookie gespeicherten Informationen kann der Webserver u. a. den Endnutzer wiedererkennen, benutzerspezifische Einstellungen wiederherstellen, Reichweitenmessungen vornehmen, Aktivitäten nachverfolgen (sog. Tracking) oder individuelle Werbung einblenden. Nach § 25 Absatz 1 TTDSG dürfen Anbieter von Telemedien nur dann Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers speichern oder auf dort bereits gespeicherte Informationen zugreifen, wenn der Endnutzer nach Maßgabe der Verordnung (EU) 216/679 eingewilligt hat. Eine Ausnahme vom Einwilligungserfordernis in Cookies besteht nach § 25 Absatz 2 TTDSG nur, wenn der alleinige Zweck hierfür die Durchführung der Übertragung einer Nachricht über ein öffentliches Telekommunikationsnetz ist oder ein Cookie unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Telemediendienstes einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Telemediendienst zur Verfügung stellen kann. Für das Erfordernis einer Einwilligung nach § 25 Absatz 1 TTDSG kommt es nicht darauf an, ob personenbezogene Daten verarbeitet werden. Die Möglichkeiten der Verordnung (EU) 216/679, Daten ohne Einwilligung zu verarbeiten, finden hier keine Anwendung. Deshalb müssen Anbieter von Telemedien die Endnutzer bei jeder Inanspruchnahme ihres Dienstes nach den Einwilligungen der Endnutzer in die unterschiedlichen Arten von Cookies fragen. In der Praxis erfolgt dies häufig mittels sogenannter Cookie-Einwilligungs-Banner.

Anerkannte Dienste zur Einwilligungsverwaltung sollen eine anwenderfreundliche Alternative zu der Vielzahl zu treffender Einzelentscheidungen für Endnutzer schaffen. Sie verwalten die vom Endnutzer getroffenen Entscheidungen, ob sie eine Einwilligung nach § 25 Absatz 1 TTDSG gegenüber einem Anbieter von Telemedien erteilen oder nicht, und übermitteln die Entscheidung an den Anbieter von Telemedien, wenn dieser sie nachfragt. Bekommen die Anbieter von Telemedien die Einstellungen des Endnutzers zur Einwilligung auf diese Weise übermittelt, sind sie nicht mehr auf eine eigene Abfrage der Einwilligung nach § 25 Absatz 1 TTDSG angewiesen.

§ 26 Absatz 2 TTDSG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung zu regeln:

- die Anforderungen an die Nutzerfreundlichkeit und Wettbewerbskonformität, die ein Dienst zu Einwilligungsverwaltung erfüllen muss, um anerkannt werden zu können,
- das Anerkennungsverfahren und
- die technischen und organisatorischen Maßnahmen, die Software zum Abrufen und Darstellen von Informationen aus dem Internet und Anbietern von Telemedien ergreifen können, damit diese die Einstellungen, die ein Endnutzer über einen anerkannten Dienst zur Einwilligungsverwaltung vornimmt, befolgen und sie die Einbindung des anerkannten Dienstes bei der Abfrage der Einwilligung nach § 25 TTDSG berücksichtigen.

Mit dieser Verordnung soll diese Ermächtigung umgesetzt werden.

B. Lösung
Die EinwV regelt die erforderlichen Anforderungen für nutzerfreundliche und wettbewerbskonforme Verfahren zur Verwaltung der von den Endnutzern erteilten Einwilligungen nach § 25 Absatz 1 TTDSG. Durch die Einbindung eines anerkannten Dienstes zur Einwilligungsverwaltung wird den Endnutzern ein transparentes Werkzeug zur Verfügung gestellt, durch das sie Einstellungen zur Einwilligung vornehmen, jederzeit nachvollziehen und überprüfen können. Die Anerkennung durch eine zuständige Stelle soll für die Endnutzer und Anbieter von Telemedien einen Anreiz bieten, solche Dienste zur Einwilligungsverwaltung zu nutzen und das Vertrauen in ein rechtssicheres Verfahren stärken. Für Anbieter von Telemedien bietet dieses Verfahren eine Möglichkeit, die Einwilligungen nach § 25 Absatz 1 TTDSG nutzerfreundlich zu erfragen, ohne die Inanspruchnahme ihres Dienstes durch die Einblendung eines Cookie-Einwilligungs-Banner stören zu müssen.



VGH München: Anordnung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde gegenüber Access-Provider den Zugriff auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet zu sperren mangels Befugnisnorm rechtswidrig

VGH München:
Beschluss vom 23.03.2023
23 CS 23.195


Der VGH München hat entschieden, dass die Anordnung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde gegenüber einem Access-Provider, den Zugriff auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet zu sperren, mangels Befugnisnorm rechtswidrig war.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts, auf dessen Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen wird, ist auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Vortrags der Antragsgegnerin sowie ihres Beschwerdevorbringens im Ergebnis zutreffend. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare (§ 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021, § 9 des Ausführungsgesetzes des Landes S.-A. zur Verwaltungsgerichtsordnung (AG VwGO LSA)) Verfügung der Antragsgegnerin vom 6. Oktober 2022, mit der die Antragstellerin als Internet-Access-Provider zur Sperrung von Internetseiten verpflichtet wurde, auf denen die Beigeladenen unerlaubtes Glücksspiel anbieten, ist zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Var. 1 VwGO) und begründet. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Denn die im Bescheid vom 6. Oktober 2022 ihr gegenüber getroffenen Anordnungen, 1. die Internetseiten (= Domains) der Beigeladenen „im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren, so dass ein Zugriff über die von ihr in Deutschland zur Verfügung gestellten Zugänge zum Internet nicht mehr möglich ist“, 2., „künftig von der Antragsgegnerin mitzuteilende Internetseiten (= Domains), auf denen sich nach Art und Umfang wesentlich deckungsgleiche unerlaubte Glücksspielangebote (sog. Mirror-Pages) von unter Nr. 1 benannten Anbietern oder deren Rechtsnachfolgern vermittelt bzw. veranstaltet werden, im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren“, sowie die daran anknüpfenden Umsetzungsfristen (Nrn. 3 und 4) und die Zwangsgeldandrohung (Nr. 5) erweisen sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen und möglichen summarischen Prüfung aller Voraussicht nach als rechtswidrig.

Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Anordnungen weder auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 (2.1.) noch auf die allgemeine Auffangermächtigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 (2.2.) gestützt werden können. Schließlich kann auch das für die Antragsgegnerin grundsätzlich anzuwendende allgemeine Ordnungsrecht des Landes S.-A. (vgl. § 27a Abs. 3 und Abs. 4 GlüStV 2021) nicht Grundlage der Entscheidung sein (2.3.).

2.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 hat die Antragsgegnerin als Glücksspielaufsicht (vgl. § 27a Abs. 1 und 2 GlüStV 2021) die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrags begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben; sie kann im Rahmen ihrer Zuständigkeit (vgl. §§ 27f Abs. 2, 9a Abs. 3 GlüStV 2021) die hierfür erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021). Unbeschadet sonstiger in diesem Staatsvertrag und anderen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehener Maßnahmen kann sie insbesondere gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes – TMG – verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangsvermittler und Registrare, ergreifen, sofern sich Maßnahmen gegenüber einem Veranstalter oder Vermittler dieses Glücksspiels als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen; diese Maßnahmen können auch erfolgen, wenn das unerlaubte Glücksspielangebot untrennbar mit weiteren Inhalten verbunden ist.

Die Antragsgegnerin hat die gegenüber der Antragstellerin erlassene Sperrverfügung auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 gestützt und die Antragstellerin als verantwortliche Diensteanbieterin in Anspruch genommen. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 sind nach summarischer Prüfung indes nicht erfüllt. Zwar war vor Erlass der streitgegenständlichen Sperrverfügung eine Bekanntgabe des unerlaubten Glücksspielangebots gegenüber der Antragstellerin als deren Adressatin erfolgt. Auch dürfte nach Aktenlage davon auszugehen sein, dass sich Maßnahmen gegenüber den Beigeladenen als Veranstalter bzw. Vermittler unerlaubten Glücksspiels als nicht durchführbar erwiesen haben, da mehrere bestandskräftige, von verschiedenen Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder erlassene Untersagungsverfügungen nicht zur Einstellung des unerlaubten Angebots geführt haben.

Allerdings handelt es sich bei der Antragstellerin als Zugangsvermittlerin nicht um eine – wie von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 vorausgesetzt – im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Diensteanbieterin (2.1.1.). Eine Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV Maßnahmen zur Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote gegenüber Diensteanbietern unabhängig von deren Verantwortlichkeit nach §§ 8 bis 10 TMG erlassen werden können, weil sich die Verantwortlichkeit – wie von der Antragsgegnerin angenommen – unmittelbar aus der glücksspielrechtlichen Norm selbst ergibt, kommt nicht in Betracht (2.1.2.).

2.1.1. Den Ausgangspunkt der Auslegung der gesetzlichen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 bildet zunächst deren Wortlaut.

a) Dieser streitet mit seiner ausdrücklichen Gesetzesformulierung, wonach nur im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Diensteanbieter als Adressaten von Sperrverfügungen in Betracht kommen, dafür, dass das Haftungssystem der §§ 8 bis 10 TMG in Bezug genommen wird. Damit muss neben dem Erfordernis des Vorliegens eines Diensteanbieters i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG als weiteres Tatbestandsmerkmal dessen (telemedienrechtliche) „Verantwortlichkeit“ i.S.d. §§ 8 bis 10 TMG bestehen. Demnach scheidet die Inanspruchnahme eines nach dem TMG nicht verantwortlichen Diensteanbieters auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aus (vgl. OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – 6 B 11175/22.OVG – juris Rn. 7; Liesching, Sperrverfügungen gegen Access-Provider in Bezug auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet, ZfWG 2022, 404, 405; Dünchheim, GlücksspielR, 2021, § 9 Rn. 29 ff.; Anstötz/Tautz, Internetsperre 2.0 – Eine effektive Maßnahme gegen illegale Online-Glücksspielangebote, ZdiW 2022, 173, 176, 178).

Angesichts der ausdrücklichen Inbezugnahme als Rechtsgrundverweisung steht dem entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht entgegen, dass die §§ 8 bis 10 TMG für sich genommen eine Verantwortlichkeit des Diensteanbieters nicht zu begründen oder zu erweitern vermögen, sondern im Rahmen der Anwendung bestehender gesetzlicher Tatbestände zu beachtende Privilegierungen darstellen. Einem Verständnis der Verweisung auf §§ 8 bis 10 TMG als bloße Umschreibung der Tätigkeit der jeweiligen zu adressierenden Diensteanbieter steht entgegen, dass der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 ausdrücklich von „im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortlichen“ Diensteanbietern und nicht lediglich von Diensteanbietern im Sinne des §§ 8 bis 10 TMG spricht, so dass explizit vorausgesetzt wird, dass deren Verantwortlichkeit nicht gemäß §§ 8 bis 10 TMG ausscheidet.
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b) Bei der Antragstellerin handelt es sich nicht um eine im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Diensteanbieterin.

Nach diesen Vorschriften wird die Verantwortlichkeit der jeweiligen Diensteanbieter für fremde Informationen in Abhängigkeit zu ihrer Verbindung zu diesen Informationen beschränkt. Für die Antragstellerin als Access-Provider ist die Regelung des § 8 TMG maßgeblich. Danach sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie (1.) die Übermittlung nicht veranlasst, (2.) den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und (3.) die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben. Der Freistellung von der Verantwortlichkeit nach § 8 TMG liegt das Regulierungsziel zugrunde, einen Diensteanbieter, welcher von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz übermittelt oder den Zugang zu einem solchen Netz vermittelt, von der Verantwortlichkeit bezogen auf solche Informationen zu befreien, mit denen er in keiner Weise in Verbindung steht. Die Regelung fungiert mithin als Filter, welcher die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach den allgemeinen Gesetzen einschränkt, soweit deren Kontroll- oder Einflussmöglichkeiten begrenzt sind (vgl. BT-Drs. 14/6098, S. 23 f.; Erwägungsgrund 42 der RL 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“ = E-Commerce-Richtlinie); Liesching, a.a.O., ZfWG 2022, 404, 406; Hennemann in Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, 38. Ed. 1.11.2022, § 7 TMG Rn. 6, § 8 TMG Rn. 5 und Rn. 8). Auch eine positive Kenntnis von Drittinhalten und rechtswidrigen Handlungen von Drittanbietern hebt die Verantwortlichkeitsprivilegierung grundsätzlich nicht auf; lediglich wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen, findet die Privilegierung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG keine Anwendung (§ 8 Abs. 1 Satz 3 TMG).

Die Antragstellerin erfüllt den Privilegierungstatbestand, denn sie veranlasst weder die Übermittlung der Glücksspielangebote noch wählt sie diese oder den Adressaten aus. Ein Fall des kollusiven Zusammenwirkens, der die Privilegierung entfallen ließe, scheidet offenkundig aus.

2.1.2. Die Benennung von Registraren und Zugangsvermittlern als Regelbeispiele, die Gesetzeshistorie, die Gesetzessystematik oder der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 vermögen keine anderweitige Auslegung dahingehend zu begründen, dass deren Anwendungsbereich unabhängig von einer Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach §§ 8 bis 10 TMG eröffnet wäre.

a) Zunächst folgt aus dem Wortlaut und der Benennung von Zugangsvermittlern und Registraren als Regelbeispiele keine erweiternde Auslegung dergestalt, dass ein Zugangsvermittler oder ein Registrar in jedem Falle verantwortlicher Diensteanbieter im Sinne der Vorschrift und damit eine Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal des verantwortlichen Diensteanbieters i.S.d. §§ 8 bis 10 TMG stets entbehrlich wäre.

Allerdings stellt sich der Wortlaut mit Blick auf die genannten Regelbeispiele in zweierlei Hinsicht als widersprüchlich dar. Zum einen ist hinsichtlich des Registrars der Anwendungsbereich der §§ 8 bis 10 TMG von vornherein nicht eröffnet, weil der Registrar kein Diensteanbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG ist. Der Registrar stellt Nutzern keine Informationen bereit und vermittelt keinen Zugang zur Nutzung von Telemedien, sondern nimmt lediglich die administrative Abwicklung der Domainregistrierung vor, indem er der Registrierungsstelle die für die Registrierung der Domain erforderlichen Daten mitteilt (BGH, U.v. 15.10.2020 – I ZR 13/19CR 2021, 58 = juris Rn. 16 f.).

Aber auch der Zugangsvermittler resp. Internet-Access-Provider, den die Landesgesetzgeber mit der Formulierung des Regelbeispiels zu adressieren beabsichtigt haben dürften, ist zwar Diensteanbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG, wird aber hinsichtlich der in Rede stehenden Glücksspielangebote mit Blick auf das dargestellte abgestufte technikbezogene Haftungssystem in aller Regel den Privilegierungstatbestand des § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG erfüllen, so dass bei der dargestellten Auslegung nach dem Gesetzeswortlaut entgegen der Konzeption des Regelbeispiels lediglich im Ausnahmefall eine Verantwortlichkeit nach dem TMG und damit eine Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 auf den Zugangsvermittler in Betracht kommt (vgl. Liesching, a.a.O., ZfWG 2022, 406; Anstötz/Tautz, ZdiW 2022, 173, 177 f.; Ennuschat/Klestil, ZfWG 2009, 389, 390; Frey/Rudolph/Oster, MMR-Beilage 2012, 1, 17; Sieber/Nolde, Sperrverfügungen im Internet, 2008, S. 23).

Dennoch rechtfertigt bzw. erlaubt die Benennung der Zugangsvermittler als Regelbeispiel eines verantwortlichen Diensteanbieters keine erweiternde Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 dahingehend, dass die Vorschrift selbst eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter unabhängig von einer Privilegierung gemäß §§ 8 bis 10 TMG begründet. Zwar bleiben gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 TMG behördliche und gerichtliche Anordnungen zur Sperrung von Internetseiten aufgrund allgemeiner Gesetze auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit eines Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 TMG unberührt. Derartige Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen müssen allerdings „klar gesetzlich geregelt“ sein (Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes, BT-Drs. 18/12202, S. 11). Mit Blick auf die von einer solchen gesetzlichen Regelung berührten grundrechtlich geschützten Interessen der unternehmerischen Freiheit des Diensteanbieters (Art. 16 EU-Grundrechtecharta; Art. 12 Abs. 1 GG) und des Rechts der Nutzer des Dienstes auf Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) sind staatlicherseits angeordnete Maßnahmen der Sperre oder Entfernung von Informationen nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig, das die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs hinreichend klar bestimmt (vgl. BGH, U.v. 26.11.2015 – I ZR 174/14GRUR 2016, 268, 276 Rn. 72 f. unter Verweis auf BVerfG, B.v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77BVerfGE 49, 89, 126 = NJW 1979, 359, sowie BVerfG, U.v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02BVerfGE 108, 282, 311 = NJW 2003, 3111). Der Gesetzgeber ist gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfG, B.v. 26.9.1978 – 1 BvR 525/77BVerfGE 49, 168, 181 = NJW 1978, 2446; BVerfG, B.v. 24.11.1981 – 2 BvL 4/80BVerfGE 59, 104, 114 = NJW 1982, 1275; BVerfG, B.v. 18.5.1988 – 2 BvR 579/84BVerfGE 78, 205, 212 = NJW 1998, 2593; BVerfG, B.v. 7.5.2001 – 2 BvK 1/00BVerfGE 103, 332, 384 = NVwZ-RR 2002, 81). Die notwendige Bestimmtheit fehlt nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist (vgl. BVerfG, B.v. 22.6.1977 – 1 BvR 799/76BVerfGE 45, 400, 420 = NJW 1977, 1723; BVerfG, B.v. 8.11.2006 – 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02BVerfGE 117, 71, 111 = NJW 2007, 1933; stRspr). Die Betroffenen müssen jedoch die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfG, B.v. 7.5.2001 – 2 BvK 1/00BVerfGE 103, 332, 384 = NVwZ-RR 2002, 81; BVerfG, U.v. 27.7.2005 – 1 BvR 668/04BVerfGE 113, 348, 375 = NJW 2005, 2603 m.w.N.) und die gesetzesausführende Verwaltung muss für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92BVerfGE 110, 33, 54 = NJW 2004, 2213; BVerfG, U.v. 27.7.2005 – 1 BvR 668/04BVerfGE 113, 348, 375 = NJW 2005, 2603). Zur notwendigen Erkennbarkeit des Norminhalts gehört die Klarheit (vgl. BVerfG, B.v. 31.5.1988 – 1 BvR 520/83BVerfGE 78, 214, 226 = NJW 1989, 666; BVerfG, U.v. 2.3.2006 – 2 BvR 2099/04BVerfGE 115, 166, 190 = NJW 2006, 976; BVerfG, U.v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04BVerfGE 119, 331, 366 = NVwZ 2008, 183; stRspr) und, als deren Bestandteil, die Widerspruchsfreiheit (vgl. BVerfG, U.v. 7.5.1998 – 2 BvR 1991/95, 2 BvR 2004/95BVerfGE 98, 106, 118 f. = NJW 1998, 2341; BVerfG, U.v. 15.7.2003 – 2 BvF 6/98BVerfGE 108, 169, 181, 183 = NVwZ 2003, 1497; BVerfG, U.v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04BVerfGE 119, 331, 366 = NVwZ 2008, 183, stRspr) der Norm. Die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit sind umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht (vgl. BVerfG, B.v. 24.11.1981 – 2 BvL 4/80BVerfGE 59, 104, 114 = NJW 1982, 1275; BVerfG, B.v. 6.5.1987 – 2 BvL 11/85BVerfGE 75, 329, 342 = NJW 1987, 3175; BVerfG, B.v. 3.6.1992 – 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89BVerfGE 86, 288, 311 = NJW 1992, 2947; BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92BVerfGE 110, 33, 55 = NJW 2004, 2213; BVerfG, B.v. 8.11.2006 – 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02BVerfGE 117, 71, 111 = NJW 2007, 1933; vgl. zu alldem BVerfG, B.v. 23.3.2011 – 2 BvR 882/09BVerfGE 128, 282, 318).

Nach diesen Maßstäben stellt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 trotz der Benennung des Zugangsvermittlers als Regelbeispiel keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine Sperrverfügung gegenüber einem Zugangsvermittler als nicht im Sinne des § 8 bis 10 TMG verantwortlichem Diensteanbieter dar, weil die Vorschrift insoweit den Anforderungen, die an die Klarheit und Bestimmtheit der gesetzlichen Grundlage für einen Grundrechtseingriff zu stellen sind, nicht genügt. Angesichts der dargestellten Inkonsistenz der Regelung fehlt es an der notwendigen Klarheit der gesetzlichen Grundlage. Diese lässt sich insoweit auch nicht anhand der Gesetzesgenese, der Gesetzesmaterialien oder einer systematischen Auslegung herstellen, weil sich auch hieraus nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen lässt, dass der Gesetzgeber des Glücksspielstaatsvertrags 2021 entgegen dem Wortlaut des Tatbestands auf eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz verzichten und Sperrverfügungen gegenüber diesen auch im Falle einer Privilegierung nach den §§ 8 bis 10 TMG zulassen wollte.

b) Aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt sich nicht, dass eine Inanspruchnahme des Diensteanbieters ohne inhaltliche Bezugnahme auf dessen Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz beabsichtigt war.

aa) So werden auch in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 die „im Sinne der §§ 8 bis 10 Telemediengesetz verantwortlichen Diensteanbieter“ adressiert und die staatsvertragliche Ermächtigung zu Sperranordnungen ausdrücklich vor dem Hintergrund als angemessen erachtet, dass sie „dem System abgestufter Verantwortlichkeit, wie es auf der Grundlage der E-Commerce-Richtlinie der EU in den §§ 8 bis 10 Telemediengesetz vorgesehen ist, Rechnung trägt“ (LT-Drs. 18/11128, S. 122). Dies spricht gegen ein Verständnis des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 als eine von den Anforderungen der §§ 8 bis 10 TMG unabhängige Störerbestimmung, sondern dafür, dass nach dem Willen der Landesgesetzgeber nicht jeder Diensteanbieter losgelöst von den §§ 8 bis 10 TMG verantwortlich und damit Adressat einer Sperrverfügung sein soll.

Soweit die Antragsgegnerin auf die Erwägung des Landesgesetzgebers verweist, dass „unabhängig von der neu geschaffenen Ermächtigung eine vollständige Unterbindung des unerlaubten Glücksspiels grundsätzlich zu bevorzugen“ sei (LT-Drs. 18/11128, S. 122), bezieht sich dies auf den Vorrang eines Vorgehens unmittelbar gegen die Veranstalter und Vermittler unerlaubten Glücksspiels gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2021.

bb) Hinreichend eindeutige Anhaltspunkte für eine Planwidrigkeit der Rechtsgrundverweisung auf die §§ 8 bis 10 TMG in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 lassen sich auch aus der Gesetzeshistorie nicht ableiten.

Schon die Ermächtigungsgrundlage für Sperrverfügungen nach dem GlüStV 2008 setzte gesetzlich eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach den telemedienrechtlichen Regelungen des damals geltenden Teledienstegesetzes (TDG) voraus. Die hierzu ergangene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ging davon aus, dass – wenngleich hierdurch faktisch der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2008 eingeschränkt werde – eine systemwidrige erweiternde Auslegung nicht möglich sei (VG Köln, U.v. 15.12.2011 – 6 K 5404/10 – juris Rn. 39; vgl. auch OVG NW, B.v. 26.1.2010 – 13 B 760/09 – juris Rn. 9 und 12; VG Düsseldorf, U.v. 29.11.2011 – 27 K 3883/11, 27 K 5887/10 – juris). Auch in der wissenschaftlichen Fachliteratur wurde auf die praktisch erheblichen Beschränkungen wegen des Erfordernisses einer telemedienrechtlichen Verantwortlichkeit und die Möglichkeit einer gesetzgeberischen Nachbesserung im Falle einer politisch erachteten Notwendigkeit von Internetsperren hingewiesen (vgl. Ennuschat/Klestil, ZfWG 2009, 389, 390 f.; Sieber/Nolde, Sperrverfügungen im Internet, 2008, S. 23).

Der erste Entwurf des Glücksspieländerungsstaatsvertrags vom 14. April 2011 sah sodann zunächst eine Änderung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2008 dahingehend vor, dass unabhängig von der Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz die zuständige Behörde diesen nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den Angeboten untersagen könne (abrufbar unter https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/de/search zum Notifizierungsverfahren Nr. 2011/0188/D; vgl. auch Mitteilung 201 der Kommission – SG(2011) D/52931, Nr. 2.8). Nachdem die Europäische Kommission unter dem 18. Juli 2011 im Rahmen des Notifizierungsverfahrens eine ausführliche Stellungnahme abgegeben hatte und zuvor auch die Arbeitsgruppe „Glücksspielstaatsvertrag“ der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien unter Berücksichtigung der abgegebenen Stellungnahmen unter dem 8. Juni 2011 die (vollständige) Streichung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 der Entwurfsfassung vom 14. April 2011 empfohlen hatte (vgl. Bericht der Landesregierung NRW für die 19. Sitzung des Haupt- und Medienausschusses des Landtages NRW am 14.7.2011, TOP 4, Vorlage 15/745, Anlage 2, S. 3 f. und 7), überarbeiteten die Landesgesetzgeber ihre Entwurfsfassung. In der Antwort der Bundesrepublik Deutschland vom 7. Dezember 2011 zu der Stellungnahme der Europäischen Kommission heißt es, die Bundesländer wiesen darauf hin, dass sie die von der Kommission und Malta kritisierte Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 gestrichen hätten (vgl. Mitteilung 201 der Kommission – SG(2011) D/52931, Nr. 2.8). Die Regelung war dementsprechend in der am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen Fassung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags nicht mehr enthalten.

Auch der am 1. Januar 2020 in Kraft getretene Dritte Glücksspieländerungsstaatsvertrag sah keine Änderung des § 9 GlüStV 2012 vor. Erst durch den am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag 2021 wurde die Ermächtigung zum Erlass von Sperrverfügungen in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 wieder aufgenommen, welche – auch bereits in der der Kommission am 18. Mai 2020 notifizierten Entwurfsfassung (abrufbar unter https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/de/search/?trisaction=search.detail& year=2020& num=304, Notifizierungsnummer 2020/0304/D) – wiederum den Verweis auf die Verantwortlichkeitsprivilegierungen des TMG beinhaltet (vgl. zur Entstehungsgeschichte auch OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 8 ff.). Vor dem Hintergrund, dass die Landesgesetzgeber die telemedienrechtliche Verantwortlichkeit im Bewusstsein der zur Vorgängervorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2008 ergangenen Rechtsprechung, der dieser zustimmenden Literaturstimmen und des im GlüStV 2012 gescheiterten Versuchs, eine sonderordnungsrechtliche Störerbestimmung unabhängig von der Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz einzuführen, beibehalten und ausweislich der amtlichen Erläuterungen zum Staatsvertrag, welche den einzig verlässlichen Anhaltspunkt für den Willen der Ländergesamtheit bilden (vgl. BVerfG, U.v. 11.9.2007 – 1 BvR 2270/05 – juris Rn. 168 zum Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag; OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 14), ein Vorgehen nach dem „System abgestufter Verantwortlichkeit, wie es auf der Grundlage der E-Commerce-Richtlinie der EU in den §§ 8 bis 10 Telemediengesetz vorgesehen ist“, aus Gründen der Angemessenheit für notwendig erachtet haben, lässt sich nicht darauf schließen, sie hätten nunmehr das Haftungssystem des Telemediengesetzes, das die jeweilige Nähe des Diensteanbieters zur angebotenen Information berücksichtigt, trotz dessen ausdrücklicher Inbezugnahme außer Acht lassen wollen.

Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, die Landesgesetzgeber hätten im Glücksspielstaatsvertrag 2021 – anders als noch im Glücksspielstaatsvertrag 2008 – erkannt, dass die Durchleitung fremder Informationen keine strafrechtliche Relevanz aufweise, da sich in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 der strafrechtliche Mitwirkungsgedanke nicht mehr finde und die Norm nicht mehr als bloße Klarstellung bezeichnet werde, so dass § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 losgelöst von strafrechtlichen Erwägungen als Grundlage für Maßnahmen gegenüber Diensteanbietern diene, lässt allein dies nicht darauf schließen, die Landesgesetzgeber hätten nunmehr eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter unabhängig von der Anwendung des technikbezogenen abgestuften Haftungssystems des TMG begründen wollen. Zwar finden die Privilegierungen gemäß §§ 8 bis 10 TMG auch im Strafrecht Anwendung (BGH, U.v. 11.3.2004 – I ZR 304/01 = GRUR 2004, 860, 862; Hoffmann/Volkmann in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, vor § 7 TMG Rn. 15); umgekehrt begründet der Ausschluss eines Privilegierungsgrundes nach dem TMG aber allein noch keine Strafbarkeit (Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Allgemeine Probleme des Internetstrafrechts, Stand 58. EL März 2022, Rn. 25). Auch die Anwendung der Privilegierungstatbestände der §§ 8 bis 10 TMG erfolgt daher losgelöst von strafrechtlichen Erwägungen.

c) Ebenso wenig lässt die systematische Gesamtschau vergleichbarer Ermächtigungsgrundlagen für Maßnahmen gegen Diensteanbieter zur Sperrung fremder Inhalte darauf schließen, der Landesgesetzgeber habe mit dem Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 auch nicht verantwortliche Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG erfassen wollen.

Nach der bis zum 6. November 2020 und damit während der Vertragsverhandlungs- und Ratifizierungsphase des Glücksspielstaatsvertrags 2021 noch geltenden Regelung in § 59 Abs. 4 des Rundfunkstaatsvertrags – RStV – konnten Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten gegen den „Diensteanbieter von fremden Inhalten nach den §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes“ gerichtet werden (vgl. auch OVG NW, B.v. 19.3.2003 – 8 B 2567/02 – juris Rn. 45 zur entsprechenden Vorgängerregelung in § 22 Abs. 3 Mediendienste-Staatsvertrag). Soweit § 20 Abs. 4 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags – JMStV – in seiner ebenfalls bis zum 6. November 2020 geltenden Fassung eine entsprechende Geltung des § 59 Abs. 4 RStV anordnete, bestand diese jugendschutzrechtliche Eingriffsermächtigung zunächst nur „unter Beachtung der Regelungen zur Verantwortlichkeit nach den §§ 7 bis 10 des Telemediengesetzes“. Nach der zum 7. November 2020 geänderten Fassung des § 20 Abs. 4 JMStV sowie der gleichzeitig in Kraft getretenen Regelung in § 109 Abs. 3 des Medienstaatsvertrags als Nachfolger des Rundfunkstaatsvertrags können Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten nunmehr gegen Dritte unter Beachtung der Vorgaben des Telemediengesetzes gerichtet werden (vgl. dazu: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Netzsperren, Rechtslage und gesetzgeberischer Spielraum, WD 10 – 3000 – 016/21, S. 23). Angesichts dieser Gesetzesentwicklungen zur Frage der Verantwortlichkeit der Diensteanbieter für fremde Inhalte kann nicht davon ausgegangen werden, der Landesgesetzgeber habe mit dem am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 versehentlich an das abgestufte Haftungssystem der §§ 8 bis 10 TMG angeknüpft (OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 20).

Soweit der Landesgesetzgeber in den amtlichen Erläuterungen darauf verweist, eine § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 entsprechende Ermächtigung („IP-Blocking“) finde sich in einer Vielzahl von Glücksspielregulierungen europäischer Staaten („60% der EU/EWR-Mitgliedstaaten“), die wie die deutsche Glücksspielregulierung an die grundrechtlichen Vorgaben der EMRK gebunden seien (LT-Drs. 18/11128, S. 122), lässt auch dies nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit auf ein Versehen bei der Ausgestaltung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 schließen. Aufgrund des in den Erläuterungen zitierten Abschlussberichts der Europäischen Kommission vom November 2018 zu der Studie „Evaluation of Regulatory Tools for Enforcing Online Gambling Rules and Channelling Demand towards Controlled Offers” (LT-Drs. 18/11128, S. 62) musste dem Landesgesetzgeber nämlich bewusst sein, dass in den meisten der an der Studie teilnehmenden Staaten eine erlassene Sperrungsanordnung zugleich für sämtliche Internet-Service-Provider gilt (vgl. S. 38 des Abschlussberichts, abrufbar unter https://single-market-economy.ec.europa.eu/ publications_en). Gleichwohl hat eine danach naheliegende Anordnung einer sonderordnungsrechtlichen Störerbestimmung unter Verzicht auf ein System abgestufter Verantwortlichkeit in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 keinen Niederschlag gefunden (OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 21).

Für das Vorliegen einer Planwidrigkeit der dynamischen Rechtsgrundverweisung auf die §§ 8 bis 10 TMG in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 spricht – anders als die Antragsgegnerin wohl meint – auch nicht die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 1 TMG. Hiernach bleiben Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 TMG unberührt. Diese Regelung begründet aber nicht selbst solche Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung für den Diensteanbieter und stellt keinen Tatbestand dar, mit dem eine Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz begründet wird, sondern sieht lediglich vor, dass anderweitig begründete gesetzliche Verpflichtungen unberührt bleiben, d.h. fortbestehen (Spindler in Spindler/Schmitz, TMG – Kommentar, 2. Aufl. 2018, § 7 TMG Rn. 43 f. m.w.N.).

Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG. Zwar dürfte § 8 TMG, insbesondere § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG, wonach die Inanspruchnahme auf Beseitigung bzw. Unterlassung von nichtverantwortlichen Diensteanbietern ausgeschlossen ist, vorrangig im Zivilrecht Geltung beanspruchen. Durch die ausdrückliche Inbezugnahme im § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 in Gestalt einer Rechtsgrundverweisung lässt sich der Anwendungsbereich der §§ 8 bis 10 TMG jedoch vorliegend nicht auf die zivilrechtliche Haftung begrenzen. Demnach bleibt in der hiesigen Konstellation eines Rechtsgrundverweises einer öffentlich-rechtlichen Norm auf § 8 TMG kein Raum für die Beschränkung der Privilegierungen auf zivilrechtliche Ansprüche.

d) Bei dem vorstehenden Befund einer dem Wortlaut nach widersprüchlichen – da mit dem Tatbestand inkonsistenten – Benennung von Regelbeispielen und einer historischen und systematischen Auslegung, die nicht den Schluss zulässt, der Gesetzgeber habe nur versehentlich an das System der telemedienrechtlichen Verantwortlichkeit nach den §§ 8 bis 10 TMG angeknüpft, scheidet eine erweiternde Auslegung der Vorschrift nach deren Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Ziele des Staatsvertrags (§ 1 GlüStV 2021) im Sinne einer teleologischen Extension nach dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz sowie dem Demokratieprinzip aus, da sie mit dem Gebot der Normenklarheit unvereinbar wäre und unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers eingriffe (BVerfG, B.v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10BVerfGE 128, 193/210 = NJW 2011, 836; BVerfG, B.v. 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06BVerfGE 126, 286/306 = NJW 2010, 3422 Rn. 64; BVerfG (K), B.v. 3.3.2015 – 1 BvR 3226/14NZS 2015, 502 Rn. 18; BVerfG (K), B.v. 23.5.2016 – 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15NJW-RR 2016, 1366 Rn. 39).

Zwar sollten nach den amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 durch diesen die Vollzugsmöglichkeiten zur Unterbindung unerlaubter Glücksspielangebote als wesentliches Ziel der Glücksspielregulierung mit Blick auf ein konsequentes, zügiges und nachhaltiges Vorgehen der Länder verbessert werden (LT-Drs. 18/11128, S. 51) und die Neuregelung der Rechtsgrundlage für Maßnahmen gegen Diensteanbieter mit dem Ziel der Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote („IP-Blocking“) die Erreichung der Zielsetzungen des § 1 GlüStV 2021 fördern, wobei die Landesgesetzgeber davon ausgehen, die Wiedereinführung der Ermächtigung zu Sperranordnungen habe sich im Gefolge der Schwierigkeiten des Vollzugs des Glücksspielstaatsvertrags 2012/2020 nicht zuletzt gegenüber ausländischen Veranstaltern und Vermittlern von nach diesem Staatsvertrag nicht erlaubten Glücksspielen, die auf den Geltungsbereich dieses Staatsvertrags ausgerichtet seien, als geeignet und erforderlich erwiesen, um die genannten Ziele des § 1 GlüStV 2021 effektiv zu erreichen (LT-Drs. 18/11128, S. 122). Tatsächlich ist der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aber sowohl seinem Wortlaut nach als auch nach den amtlichen Erläuterungen durch die dynamische Rechtsgrundverweisung auf das abgestufte Haftungssystem der §§ 8 bis 10 TMG faktisch eingeschränkt (s.o.). Soweit die Antragsgegnerin fordert, die Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021

BfDI: Bundesbeauftragter für Datenschutz hat dem Bundespresseamt den Betrieb der Facebook Fanpage der Bundesregierung untersagt

Der Bundesbeauftragter für Datenschutz (BfDI) hat dem Bundespresseamt den Betrieb der Facebook Fanpage der Bundesregierung untersagt.

Die Pressemitteilung des BfDI:
BfDI untersagt Betrieb der Fanpage der Bundesregierung
Der BfDI, Professor Ulrich Kelber, hat das Bundespresseamt (BPA) angewiesen, den Betrieb der Facebook Fanpage der Bundesregierung einzustellen. Ein entsprechendes Schreiben hat der BfDI zu Beginn der Woche versendet. Das BPA hat ab Erhalt des Bescheids vier Wochen Zeit diesen umzusetzen.

Der BfDI sagte dazu: „Ich habe lange darauf hingewiesen, dass der Betrieb einer Facebook Fanpage nicht datenschutzkonform möglich ist. Das zeigen unsere eigenen Untersuchungen und das Kurzgutachten der Datenschutzkonferenz. Alle Behörden stehen in der Verantwortung, sich vorbildlich an Recht und Gesetz zu halten. Dies ist nach dem Ergebnis meiner Prüfungen beim Betrieb einer Fanpage wegen der umfassenden Verarbeitung personenbezogener Daten der Nutzenden aktuell unmöglich. Ich finde es wichtig, dass der Staat über soziale Medien erreichbar ist und Informationen teilen kann. Das darf er aber nur, wenn die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger gewahrt bleiben.“

Da sich insbesondere die Interessen von Betreibenden von Fanpages und von Meta ergänzen, besteht nach Einschätzung des BfDI eine gemeinsame Verantwortlichkeit für die Verarbeitung der bei Nutzung der Fanpage erhobenen personenbezogenen Daten. Das BPA muss als Verantwortlicher nachweisen können, dass die Grundsätze des Datenschutzrechts eingehalten werden. Einen solchen Nachweis konnte das BPA im Verfahren nicht zur aufsichtsbehördlichen Überzeugung erbringen. Der BfDI kritisiert insbesondere, dass es nach seiner Begutachtung hier bislang an einer wirksamen Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung fehlt. Außerdem muss nach dem Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz für die Verwendung nicht unbedingt erforderlicher Cookies und ähnlicher Trackingtechnologien eine Einwilligung eingeholt werden. Im Falle der Facebook Fanpages wird eine solche Einwilligung jedoch nach Ergebnis der aufsichtsbehördlichen Prüfungen derzeit nicht wirksam eingeholt.

Das BPA hat die Möglichkeit innerhalb eines Monats gegen den Bescheid des BfDI zu klagen.


Volltext der BGH-Entscheidung zu DNS-Sperren liegt vor: Voraussetzungen für Sperrung des Zugangs zu Internetseiten nach § 7 Abs. 4 TMG

BGH
Urteil vom 13.10.2022
I ZR 111/21
DNS-Sperre
TMG § 7 Abs. 4

Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Zu den Voraussetzungen unter denen Rechteinhaber von Internetzugangsanbietern nach § 7 Abs. 4 TMG die Sperrung des Zugangs zu Internetseiten verlangen können über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Für den Rechtsinhaber besteht dann im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 TMG keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, wenn zumutbare Anstrengungen zur Inanspruchnahme der Beteiligten, die die Rechtsverletzung selbst begangen oder zu ihr durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben, gescheitert sind oder ihnen jede Erfolgsaussicht fehlt. Der Access-Provider, der lediglich allgemein den Zugang zum Internet vermittelt, haftet nur subsidiär gegenüber denjenigen Beteiligten, die (wie der Betreiber der Internetseite) die Rechtsverletzung selbst begangen oder (wie der Host-Provider) zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben und daher wesentlich näher an der Rechtsgutsverletzung sind (Fortführung von BGH, Urteil vom 26. November 2015 - I ZR 174/14, BGHZ 208, 82 [juris Ls. 2 und Rn. 82 f.] - Störerhaftung des Access-Providers; Urteil vom 15. Oktober 2020 - I ZR 13/19, GRUR 2021, 63 [juris Rn. 27 und 31] = WRP 2021, 56 - Störerhaftung des Registrars).

b) Die Einschränkung des Sperranspruchs nach § 7 Abs. 4 TMG durch ein Subsidiaritätserfordernis steht im Einklang mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Fortführung von BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 - I ZR 64/17, GRUR 2018, 1044 [juris Rn. 58] = WRP 2018, 1202 - Dead Island).

c) Welche Anstrengungen zur Inanspruchnahme des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers zumutbar sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Der Rechtsinhaber ist in zumutbarem Umfang dazu verpflichtet, Nachforschungen zur Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten anzustellen. Die außergerichtliche Inanspruchnahme eines bekannten Betreibers der Internetseite oder Host-Providers auf Entfernung der urheberrechtsverletzenden Inhalte ist dem Rechtsinhaber im Regelfall ebenfalls zumutbar. Mit Blick auf eine gerichtliche Durchsetzung von Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen ist allerdings in besonderem Maß zu berücksichtigen, dass dem Rechtsinhaber keine Maßnahmen auferlegt werden dürfen, die zu einer unzumutbaren zeitlichen Verzögerung seiner Anspruchsdurchsetzung führen. Ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen innerhalb der Europäischen Union ansässige Betreiber oder Host-Provider hat der Rechtsinhaber jedoch grundsätzlich anzustrengen. Grundsätzlich zumutbare Anstrengungen können im Einzelfall unterbleiben, wenn ihnen aus vom Anspruchsteller darzulegenden Gründen jede Erfolgsaussicht fehlt.

BGH, Urteil vom 13. Oktober 2022 - I ZR 111/21 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zu den Voraussetzungen unter denen Rechteinhaber von Internetzugangsanbietern nach § 7 Abs. 4 TMG die Sperrung des Zugangs zu Internetseiten verlangen können

BGH
Urteil vom 13.10.2022
I ZR 111/21
DNS-Sperre


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung dazu geäußert, unter welchen Voraussetzungen ein Rechteinhaber von Internetzugangsanbietern nach § 7 Abs. 4 TMG die Sperrung des Zugangs zu Internetseiten, über die urheberrechtlich geschützte Werke verbreitet werden, verlangen kann.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof konkretisiert Maßnahmen, die Rechtsinhaber vor Geltendmachung eines Anspruchs auf
Einrichtung von Websperren zu ergreifen haben

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen Rechtsinhaber von Internetzugangsanbietern nach § 7 Abs. 4 TMG die Sperrung des Zugangs zu Internetseiten beanspruchen können.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist ein Telekommunikationsunternehmen. Die Klägerinnen sind Wissenschaftsverlage. Sie verlangen von der Beklagten, dass diese den Zugang zu den Internetseiten von zwei Internetdiensten sperrt, auf denen - nach Darstellung der Klägerinnen - wissenschaftliche Artikel und Bücher bereitgehalten werden, an denen ihnen die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Klägerinnen hätten entgegen § 7 Abs. 4 TMG nicht die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft, der Verletzung ihrer Rechte abzuhelfen. Es sei ihnen zumutbar gewesen, vor Inanspruchnahme der Beklagten den in der Europäischen Union (Schweden) ansässigen Host-Provider der beiden Internetdienste gerichtlich auf Auskunft in Anspruch zu nehmen, um anschließend mit den erlangten Informationen gegen die Betreiber der Internetdienste vorzugehen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

Für den Rechtsinhaber besteht dann im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 TMG keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, wenn zumutbare Anstrengungen zur Inanspruchnahme der Beteiligten, die die Rechtsverletzung selbst begangen oder zu ihr durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben, gescheitert sind oder ihnen jede Erfolgsaussicht fehlt. Der Access-Provider, der lediglich allgemein den Zugang zum Internet vermittelt, haftet nur subsidiär gegenüber denjenigen Beteiligten, die (wie der Betreiber der Internetseite) die Rechtsverletzung selbst begangen oder (wie der Host-Provider) zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben und daher wesentlich näher an der Rechtsgutsverletzung sind.

Als Maßnahme der Sperrung kommt die von den Klägerinnen begehrte DNS(Domain-Name-System)-Sperre in Betracht. Mit dieser wird die Zuordnung zwischen dem in die Browserzeile eingegebenen Domainnamen und der IP-Adresse des Internetdiensts auf dem DNS-Server des Access-Providers verhindert, so dass der Domainname nicht mehr zur entsprechenden Internetseite führt, die allerdings unter ihrer IP-Adresse weiterhin erreichbar ist.

Welche Anstrengungen zur Inanspruchnahme des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers zumutbar sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Der Rechtsinhaber ist in zumutbarem Umfang dazu verpflichtet, Nachforschungen zur Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten anzustellen. Die außergerichtliche Inanspruchnahme eines bekannten Betreibers der Internetseite oder Host-Providers auf Entfernung der urheberrechtsverletzenden Inhalte ist dem Rechtsinhaber im Regelfall ebenfalls zumutbar. Mit Blick auf eine gerichtliche Durchsetzung von Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen ist allerdings in besonderem Maß zu berücksichtigen, dass dem Rechtsinhaber keine Maßnahmen auferlegt werden dürfen, die zu einer unzumutbaren zeitlichen Verzögerung seiner Anspruchsdurchsetzung führen. Ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen innerhalb der Europäischen Union ansässige Betreiber oder Host-Provider hat der Rechtsinhaber jedoch grundsätzlich anzustrengen. Grundsätzlich zumutbare Anstrengungen können im Einzelfall unterbleiben, wenn ihnen aus vom Anspruchsteller darzulegenden Gründen jede Erfolgsaussicht fehlt.

Nach diesen Maßstäben ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, es wäre den Klägerinnen zumutbar gewesen, vor der Inanspruchnahme der Beklagten den Host-Provider der betroffenen Internetdienste in Schweden gerichtlich auf Auskunft in Anspruch zu nehmen, nicht frei von Rechtsfehlern. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Rechtslage in Schweden lassen offen, ob den Klägerinnen in Schweden ein Rechtsbehelf des einstweiligen Rechtsschutzes für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Drittauskunft gegen den dort ansässigen Host-Provider zur Verfügung gestanden hätte.

Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig. Von den Klägerinnen ist jedenfalls der Versuch zu verlangen, vor einem deutschen Gericht im Wege der einstweiligen Verfügung einen Auskunftsanspruch gegen den schwedischen Host-Provider geltend zu machen. Es besteht kein Anlass zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Klägerinnen haben umfassend zu den von ihnen ergriffenen Maßnahmen vorgetragen. Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es nicht, den Klägerinnen durch eine Zurückverweisung die Möglichkeit zu verschaffen, bisher unterbliebene Ermittlungsmaßnahmen erst noch zu veranlassen.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 25. Oktober 2019 - 21 O 15007/18

OLG München - Urteil vom 27. Mai 2021 - 29 U 6933/19

Die maßgebliche Vorschrift lautet auszugsweise:

§ 7 Abs. 4 TMG

Wurde ein Telemediendienst von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein



BMDV: Referentenentwurf der Einwilligungsverwaltungs-Verordnung (EinwVO) nach § 26 Abs. 2 TTDSG - Einwilligung für Speichern von Informationen nach § 25 Abs.1 TTDSG

Das BMDV hat den Referentenentwurf der Einwilligungsverwaltungs-Verordnung (EinwVO) nach § 26 Abs. 2 TTDSG vorgelegt.

Aus dem Entwurf:
A. Problem und Ziel
In § 26 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG) wurde ein Rechtsrahmen für die Anerkennung von Diensten geschaffen, die nutzerfreundliche und wettbewerbskonforme Verfahren zur Einholung und Verwaltung der nach § 25 Absatz 1 TTDSG erforderlichen Einwilligung in das Speichern von Informationen auf Endeinrichtungen der Endnutzer oder in den Abruf von Informationen, die bereits auf Endeinrichtungen gespeichert sind, ermöglichen. Unabhängige Dienste zur Einwilligungsverwaltung sollen es den Endnutzern unter Mitwirkung von Software zum Abrufen und Darstellen von Informationen aus dem Internet (in der Regel Browser) und der verantwortlichen Telemedienanbieter ermöglichen, über die erforderliche Einwilligung in den Zugriff auf ihre Endeinrichtungen durch Dritte in informierter Weise zu entscheiden. Vor allem geht es dabei um die Einwilligung in Cookies oder ähnliche Technologien, die von Telemedienanbietern zum Zwecke der Ausspielung von Werbung eingesetzt werden. Ziel ist die Überwindung der derzeitigen Praxis der Telemedienanbieter, die einzelnen Einwilligungen bei jedem Besuch der Webseite mittels sog. Einwilligungs-Cookie-Banner einzuholen. Diese Praxis überfordert die meisten Endnutzer. Durch die Einbindung anerkannter Dienste zur Einwilligungsverwaltung soll für die Endnutzer eine anwenderfreundliche Alternative zur bisherigen Praxis geschaffen und die Endnutzer von vielen Einzelentscheidungen entlastet werden. § 26 Absatz 2 TTDSG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung Anforderungen an das nutzerfreundliche und wettbewerbskonforme Verfahren der Einwilligungsverwaltung und technische Anwendungen, an das Verfahren der Anerkennung von Diensten der Einwilligungsverwaltung und die technischen und organisatorischen Anforderungen an Browser-Software und Telemedienanbieter zur Befolgung von Endnutzer-Einstellungen und Berücksichtigung von anerkannten Diensten zu regeln. Mit dieser Verordnung soll diese Ermächtigung umgesetzt werden.

B. Lösung
Die Einw-VO enthält die Anforderungen, bei deren Einhaltung die Erteilung einer wirksamen Einwilligung in das Speichern von Informationen auf Endeinrichtungen sowie in den Abruf von Informationen, die auf Endeinrichtungen gespeichert sind, in nutzerfreundlicher und wettbewerbskonformer Weise möglich ist. Damit können wiederholende Aufforderungen zur Erteilung von Einwilligungen insbesondere beim Besuch von Webseiten und die damit verbundene Belastung der Endnutzer vermieden werden. Zugleich wird sichergestellt, dass Telemedienanbieter, die im Rahmen ihrer Geschäftsmodelle Einwilligungen benötigen,diese durch Dienste zur Einwilligungsverwaltung auch wirksam und nachweisbar erhalten können und nicht diskriminiert werden.


Sie finden den vollständigen Entwurf hier:
Referentenentwurf - Verordnung zur Regelung eines nutzerfreundlichen und wettbewerbskonformen Verfahrens zur Einwilligungsverwaltung, zur Anerkennung von Diensten und zu technischen und organisatorischen Maßnahmen nach § 26 Absatz 2 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz (Einwilligungsverwaltungs-Verordnung – EinwVO)


LG Berlin: Werbung in einem Newsletter muss durch deutlichen Hinweis als Werbung gekennzeichnet werden - hellgraue Schrift auf weißem Hintergrund reicht nicht

LG Berlin
Urteil vom 28.06.2022
102 O 61/22


Das LG Berlin hat entschieden, dass Werbung in einem Newsletter mit redaktionellen und werbenden Bestandteilen durch einen deutlichen Hinweis als Werbung gekennzeichnet werden muss. Hellgraue Schrift auf weißem Hintergrund reicht nicht. Die Wettbewerbszentrale war gegen einen Newsletterversender vorgegangen.



OLG Frankfurt: Instagram-Influencerin muss Beiträge mit kostenlos erhaltenen Büchern mit Verlinkung auf Unternehmen per Tap Tag als Werbung kennzeichnen

OLG Frankfurt
Urteil vom 19.05.2022
6 U 56/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine Instagram-Influencerin Beiträge mit kostenlos erhaltenen Büchern mit Verlinkung auf Unternehmen per Tap Tag als Werbung kennzeichnen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Anpreisung kostenlos erhaltener Bücher durch Influencerin auf Instagram mit Verlinkung zu den Unternehmen über Tap-Tags ist als Werbung kenntlich zu machen

Ein ohne finanzielle Gegenleistung erfolgter Beitrag einer Influencerin auf Instagram ist als Werbung zu kennzeichnen, wenn er kostenlos überlassene E-Books anpreist und jeweils mit sog. Tap-Tags zu den Unternehmen der Bücher verlinkt. Aufgrund der Vermischung von privaten und kommerziellen Darstellungen ist es für den Durchschnittsverbraucher ohne diese Kennzeichnung nicht erkennbar, ob es sich um Werbung handelt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) wies mit heute verkündetem Urteil die Berufung einer Influencerin zurück, die vom Landgericht zum Unterlassen der Veröffentlichung derartiger Posts ohne Werbehinweis verurteilt worden war.

Die Klägerin ist Verlegerin mehrerer Print- und Onlinezeitschriften. Sie verfügt über einen Instagram-Account und bietet Kunden u.a. entgeltlich Werbeplatzierungen an. Die Beklagte ist sog. Influencerin und betreibt auf Instragram ein Nutzerprofil mit mehr als einer halbe Million Followern. Sie stellt dort zum einen Produkte und Leistungen von Unternehmen vor, für deren Präsentation sie von diesen vergütet wird. Zum anderen veröffentlicht sie Posts, bei denen sie mittels sog. Tap-Tags auf die Instragram-Accounts von Unternehmen verlinkt, deren Produkte zu sehen sind. Hierfür erhält sie keine finanzielle Gegenleistung. Im Herbst 2019 verwies die Beklagte auf ein Bündel von E-Books, das sich mit veganer Ernährung befasste. Sie erhielt dafür keine finanzielle Gegenleistung; die E-Books waren ihr jedoch kostenlos zur Verfügung gestellt worden.

Das Landgericht verurteilte die Beklagte, es zu unterlassen, kommerzielle Inhalte vorzustellen, ohne die Veröffentlichung als Wertung kenntlich zu machen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.
Der Klägerin stehe der geltend gemacht Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu, begründete das OLG seine Entscheidung. Die Parteien seien Mitbewerber. Beide böten Dritten an, auf ihrem Instagram-Account entgeltlich zu werben. Die Posts der Beklagten seien auch geschäftliche Handlungen. Erfasst würden Handlungen, die bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet seien, durch „Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher, den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern“, betont das OLG.

Der Betrieb des Instagram-Profils fördere zum einen das eigene Unternehmen der Beklagten. Die Steigerung des Werbewerts komme unmittelbar ihrem Unternehmen zugute. Gerade scheinbar private Posts machten es für das Publikum attraktiver, Influencern zu folgen, da diese so „glaubwürdiger, nahbarer und sympathischer“ wirkten. Zum anderen fördere der Post auch die Unternehmen der Anbieter der E-Books. Es liege ein „geradezu prototypischer Fall des werblichen Überschusses“ vor. Es finde keinerlei Einordnung oder inhaltliche Auseinandersetzung oder Bewertung der herausgestellten Produkte statt. Die Beklagte habe vielmehr werbend unter Hervorhebung des außergewöhnlich hohen Rabattes die E-Books angepriesen.

Diese Förderung der Drittunternehmen nicht kenntlich zu machen, sei unlauter. Die Beklagte habe die E-Books im von ihr behaupteten Wert von rund 1.300 € unentgeltlich erhalten und dies nicht gekennzeichnet. Die Kennzeichnung als Werbung sei auch nicht entbehrlich gewesen. „Selbst followerstarke Profile auf Instagram sind nicht stets (nur) kommerziell motiviert“, erläutert das OLG, so dass die Follower zu Recht erwarteten, dass ein etwaiges ernährungsbezogenes Engagement des Influencers nicht kommerziell beeinflusst sei. Die Beklagte habe allerdings nicht darauf hinweisen müssen, dass ihr Verhalten auch ihrem Unternehmen zu gute komme. Dies sei dem durchschnittlichen Verbraucher unzweifelhaft erkennbar gewesen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann der Kläger die Zulassung der Revision beim BGH begehren.



IHK-Magazin - Ostwestfälische Wirtschaft - Interview mit Rechtsanwalt Marcus Beckmann zur BGH-Rechtsprechung zum Influencer-Marketing bei Instagram und Co.

In Ausgabe Januar/Februar 2022, Seiten 36-37 des IHK-Magazins - Ostwestfälische Wirtschaft erschien ein Interview mit Rechtsanwalt Marcus Beckmann zur BGH-Rechtsprechung zum Influencer-Marketing bei Instagram und Co.