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OLG Frankfurt: Filesharing eines Computerspiels - Faktorenrechtsprechung für Berechnung des Schadensersatzes bei Filesharing von Musiktiteln auch auf Computerspiele anwendbar

OLG Frankfurt
Urteil vom 31.03.2020
11 U 44/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Faktorenrechtsprechung für die Berechnung des Schadensersatzes bei Filesharing von Musiktiteln auch auf Computerspiele anwendbar ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

In Fällen des Filesharing von Musiktiteln hat sich in der Rechtsprechung eine höchstrichterlich akzeptierte Bemessung nach Faktoren etabliert (vgl. u.a. Senatsurteil vom 15.07.2014 - 11 U 115/13 - WRP 2014, 1232). Der Bundesgerichtshof erkennt es als hinreichende Schätzgrundlage an, wenn der zum Zeitpunkt geltende verkehrsübliche Entgeltsatz (also der Preis für den legalen Download der Datei) mit einem Faktor multipliziert wird, der den möglichen Abrufen durch andere Mitglieder der Tauschbörsen entspricht. Für Musikstücke hat der Bundesgerichtshof die Schätzung eines Faktors von 400 als nicht unangemessen akzeptiert (BGH aaO - Tauschbörse I, Rn 61).

Es ist umstritten, ob die der „Faktorrechtsprechung“ zugrundeliegenden Erwägungen auch beim Filesharing von Computerspielen gelten können:

Das Landgericht hat angenommen, dass beim Filesharing von Computerspielen verlässliche Anknüpfungspunkte für eine auf dieser Grundlage beruhende Schadensschätzung fehlen. Die Bemessungsgröße „mögliche Downloadanzahl“ sei bei Computerspielen nicht zur Schadensschätzung geeignet, weil wegen der Dateigröße im selben Zeitraum deutlich weniger Dateien heruntergeladen werden könnten als bei Musikstücken, so dass vernünftige Vertragsparteien die Zahl möglicher Downloads nicht zum Maßstab für die Bemessung der Lizenzgebühr gemacht hätten.

In dieselbe Richtung gehen die Erwägungsgründe einer Entscheidung des LG Frankenthal (Urteil vom 12.3.2019 - 6 O 313/18 - juris). Dort wird eine Übertragung der sog. „Faktorrechtsprechung“ für Computerspiele mit folgender - auszugsweise wiedergegebener - Begründung abgelehnt:

„…Bereits der Grundgedanke einer Übertragung der Rechtsprechung von Musiktiteln auf Computerspiele überzeugt nicht. Während die Downloadgeschwindigkeit eines Musiktitels auf Grund des relativ geringen Datenvolumens vergleichsweise schnell ist und bei Vorhandensein einer leistungsfähigen Hardware sowie eines schnellen Internetzuganges ein solcher Download in wenigen Augenblicken abgeschlossen sein kann, benötigt der Download eines modernen Computerspieletitels - mit regelmäßig mehreren Gigabyte an notwendigen Speichervolumen - auch bei leistungsstarker Hardware - einen vergleichsweise längeren Zeitraum von mehreren Stunden. Eine Schätzung, wann ein solcher Download im Zuge des Filesharings - im Rahmen eines „Peer-to-Peer Netzwerkes“ - im Durchschnitt zeitlich abgeschlossen ist, ist nicht möglich. Je nach Größe der Datenübertragungsrate, die jeder Downloader bekommen kann, hängt die Geschwindigkeit von der Menge der fertigen und der Menge der unfertigen Downloads sowie der individuellen Uploadraten der Nutzer ab, es kann demnach zu einer deutlich abweichenden Rate von mehr oder weniger Kilobytes pro Sekunde kommen. Dies betrifft besonders große Dateien stärker als sehr keine Dateien, die auch bei schwacher Auslastung, geringer Anzahl der Uploader und schwacher Hardware rasch verbreitet werden können. Der zu Musiktiteln entwickelte Gedanke einer pauschalen Multiplikation auf Grund der Möglichkeit der besonders raschen Verbreitung lässt sich zur Überzeugung der Kammer gerade nicht übertragen...(aaO., Rn 47 bei juris)“

Das Landgericht Frankenthal hält die hier vom Ausgangsgericht angewandte pauschale Bewertungsmethode mit einem Betrag von 1.000 € für ebenfalls falsch und vertritt die Ansicht, dass der Schadensersatzanspruch mit einem Verletzeraufschlag von 100 % auf den zum Verletzungszeitpunkt geltenden Marktwert zu bemessen sei (dort also 200 % des damaligen Marktpreises von 30,-- € = 60 €).

Die in der Rechtsprechung überwiegende Ansicht stellt dagegen darauf ab, dass die Technik des Filesharing sowohl beim Austausch von Musikstücken als auch beim Austausch von Computerspielen identisch ist. Da das Filesharing der Erlangung und Bereitstellung funktionsfähiger Dateien diene und da die dazu verwendete Client-Software in der Lage sei, aus Dateifragmenten, die von unterschiedlichen Seiten bereit gestellt würden, vollständige Dateien zusammenzusetzen, bestehen nach dieser Auffassung aus technischer Sicht keine Hinderungsgründe, die Faktorrechtsprechung dem Grunde nach auch auf den Dateiaustausch von Computerspielen zu übertragen (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 26.04.2018 - 6 U 41/17, K&R 2018, 591; OLG Celle, Beschlüsse vom 26.11.2018 - 13 U 72/18, juris und vom 12.4.2018 - 13 W 7/19 = GRUR-RR 2019, 420 - Schadensschätzung; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.10.2019 - 3 U 1387/19, GRUR-RS 2019, 27257; Landgericht Köln, Urteil vom 19. April 2018 - 14 O 38/17, juris; Landgericht Stuttgart, Urteil vom 9.5.2018 - 24 O 28/18 = GRUR-RR 2019, 99). In diesen Entscheidungen wird hervorgehoben, dass die beträchtlichen Unterschiede zwischen der Dateigröße von Musikstücken und von Computerspielen durch einen entsprechend geringeren Faktor berücksichtigt werden können.

Der Senat hat zwar Verständnis für die vom Ausgangsgericht geäußerten Vorbehalte gegenüber einer pauschalen Übertragung der „Faktorrechtsprechung“ auf das Filesharing von Computerspielen. Der Ansatz eines Pauschalbetrags für alle Filesharing-Fälle blendet aber die aufgezeigten technischen Parallelen beim Filesharing von Musiktiteln bzw. Computerspielen aus und führt letztlich zu undifferenzierten und für beide Seiten nicht nachvollziehbaren Ergebnissen, weil dadurch die wirtschaftliche Bedeutung des Werks (ausgedrückt durch den jeweiligen Marktpreis) und die durchaus unterschiedliche Gefährdung der Rechtsposition des Nutzungsberechtigten bei unterschiedlicher Intensität der Verletzungshandlungen nicht hinreichend erfasst wird. Diese Differenzierung hat der Bundesgerichtshof bereits bei der Bemessung der Gegenstandswerte des Unterlassungsanspruchs beim Filesharing gefordert (BGH, Urteil vom 12.5.2016 - I ZR 43/15, Rn 28 - Alan Wake).

Die Klägerin hat nachvollziehbar dargestellt, dass das von ihr vertriebene Computerspiel mit erheblichem Kostenaufwand entwickelt, mit großem Aufwand vermarktet und deshalb schnell zu einem Verkaufserfolg wurde. Der deutliche Abfall der Marktpreise nach wenigen Monaten spiegelt zugleich das große Interesse der angesprochenen Verkehrskreise am Erwerb des Spiels in den ersten Monaten nach Erscheinen wider und hat natürlich Auswirkungen auf die Anzahl von Downloads der Datei bzw. Dateifragmente während dieses Zeitraums und damit auch für deren illegale Vervielfältigung des Computerspiels im Folgezeitraum.

Auch die Häufigkeit und Dauer der Verletzungshandlungen hat erheblichen Einfluss auf die illegale Verbreitung der Software und damit eine Schädigung der Rechteinhaberin, weil der Täter bei einem zeitlich längeren Angebot der Software auch einen deutlich größeren Kreis potentieller Nutzer erreicht, die der Rechteinhaberin als Käufer verloren gehen.

Diese Gesichtspunkte, nämlich die Attraktivität und Aktualität des Programmes und die Anzahl und Dauer der ermittelten Verletzungshandlungen können dementsprechend als Parameter für eine Schadensschätzung herangezogen worden, weil sie Anhaltspunkte für die Anzahl möglicher Abrufe liefern (vgl. OLG Nürnberg a.a.O.). Auch wenn damit streng genommen nicht von einem „Faktor“ als Ausdruck möglicher Downloads gesprochen werden kann, so wäre es verfehlt, diesen Gesichtspunkten gar keine Bedeutung beizumessen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass der Verkaufspreis der Computerspiele im Anschluss an die ca. 2-3 monatige Markteinführungsphase deutlich abnimmt, weil das Kundeninteresse dann merklich nachlässt. Im Hinblick auf diese im Zeitverlauf eintretende Preisreduktion muss ein längerer Zeitraum zwischen Erstveröffentlichung und Verletzungshandlung nicht zwingend mit einem großen Abschlag verbunden sein, wenn zugleich die lange Dauer und die nachgewiesene Häufigkeit der Verletzungshandlungen den Schadensumfang erhöht haben.

Mit Blick auf die oben zitierte instanzgerichtliche Rechtsprechung und die dort entschiedenen Fallkonstellationen hält es der Senat für angemessen, den Schadensersatz bei häufigen und zeitlich umfangreichen Rechtsverletzungen, die durch eine größere zweistellige Zahl von Erfassungen dokumentiert sind - unabhängig von deren „Nähe“ zur Markteinführung - grundsätzlich mit dem 100 - fachen des Marktpreises zu bemessen. Andere Rechtsverstöße, die erst nach der o.g. Markteinführungsphase begonnen haben und nicht mit einer so großen Zahl von Erfassungen dokumentiert wurden oder Rechtsverletzungen innerhalb des Markteinführungszeitraums, die nur in Einzelfällen ermittelt werden konnten, sollten dagegen in der Regel zu einem Schadensersatz in Höhe des 50 - fachen des Marktpreises führen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass in Ausnahmefällen bei sehr geringfügig zu bewertenden Rechtsverletzungen ein noch darunterliegender Multiplikationsfaktor angesetzt werden kann.

Der Senat hat nicht übersehen, dass in einigen der zitierten Gerichtsentscheidungen deutlich höhere „Multiplikatoren“ für die Schadensbemessung angesetzt worden sind, so z.B. in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig vom 26.04.2018 - 6 U 41/17, K&R 2018, 591. Der dort angenommene Multiplikator von 227 ist aber in einem besonders eklatanten Fall angewandt worden, bei dem 172 Verstöße an 52 Tagen, beginnend einen Monat ab Markteinführung des Computerspiels dokumentiert wurden. Im Übrigen bleibt auch bei Anwendung der dargestellten Maßstäbe hinreichender Spielraum, die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles im Rahmen der Gesamtwürdigung schadensersatzerhöhend oder -reduzierend zu berücksichtigen.

Wenn man die vorgenannten Grundsätze auf den hiesigen Fall anwendet, dann ist ein Ersatzbetrag in Höhe von 1.999,50 € angemessen. Dieser Betrag entspricht dem im Verletzungszeitpunkt geltenden 50-fachen Verkaufspreis der „Download-Version“ von 39,99 €. Er berücksichtigt zum einen, dass die Verletzungshandlung nur wenige Tage nach der Markteinführung begangen wurde, auf der anderen Seite aber, dass lediglich eine einzige Handlung über einen sehr kurzen Zeitraum dokumentiert wurde.


2. Das Landgericht hat der Klägerin mit Recht lediglich einen Anspruch auf Erstattung ihrer Abmahnkosten in Höhe von 124,- € (basierend auf einem Gegenstandswert von 1.000,- €) zuerkannt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die dagegen von der Klägerin vorgebrachten Argumente haben im Ergebnis keinen Erfolg:

a) Nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG in der vorliegend anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 1.10.2013 ist der Aufwendungsersatzanspruch für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen auf die gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert von 1.000 € für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch beschränkt, wenn der Abgemahnte eine natürliche Person ist, die erstens nicht im Rahmen ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, und zweitens nicht bereits aufgrund Vertrages oder gerichtlicher Entscheidung zur Unterlassung verpflichtet ist. Diese Deckelung greift nach § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG ausnahmsweise dann nicht ein, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist.

Vorliegend sind die Voraussetzungen des § 97 a Abs. 3 Satz 2 UrhG unzweifelhaft erfüllt.

Die Anwendung dieser Bestimmung ist auch nicht i.S.d. § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG unbillig.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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OLG Nürnberg: Deckelung der Abmahnkosten nach § 97a Abs. 3 UrhG in Filesharing-Fällen ist mit Enforcement-Richtlinie zu vereinbaren - Zur Schadensschätzung bei Filesharing eines Computerspiels

OLG Nürnberg
Beschluss vom 28.10.2019
3 U 1387/19


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass die Deckelung der Abmahnkosten nach § 97a Abs. 3 UrhG in Filesharing-Fällen mit der Enforcement-Richtlinie zu vereinbaren ist. Bei der Schätzung des Lizenzschadens nach § 287 ZPO kann - so das Gericht - auch die Anzahl von möglichen Abrufen durch Tauschbörsennutzer mit einfließen. Zudem ist die Größe des Gesamtdatenvolumens zu berücksichtigen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit Beschluss vom 12.09.2019 wies der Senat die Klagepartei darauf hin, dass er beabsichtige, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 02.05.2019, Az. 3 O 7259/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Zur Begründung führte er Folgendes aus:

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den nach der Lizenzanalogie zu berechnenden Schadensersatzbetrag im Streitfall auf 900,00 Euro bemessen hat.

a) Bei der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung. Dabei ist unerheblich, ob und inwieweit der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen. Im Rahmen der Ermittlung des objektiven Werts der Benutzungsberechtigung, der für die Bemessung der Lizenzgebühr maßgebend ist, müssen die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (BGH, GRUR 2019, 292, Rn. 18 - Foto eines Sportwagens).

Gibt es keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Dabei sind an Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen; dem Tatrichter kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu (BGH, a.a.O., Rn. 24 - Foto eines Sportwagens).

b) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs hat die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG in Höhe von 900,00 Euro.

aa) Die vom Landgericht gewählten Bemessungskriterien für die Schätzung der angemessenen Lizenz nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO sind zutreffend.

So ist zu berücksichtigen, dass die Rechteverletzung über eine Internettauschbörse vorgenommen wurde, was grundsätzlich mit erheblichen Gefahren für den Schutzrechtsinhaber verbunden ist.
In die Ermessensentscheidung einzubeziehen sind auch die Häufigkeit (hier 14 Verstöße zwischen dem 27.09.2014 und dem 25.10.2014) sowie die Dauer der Rechtsverletzung von knapp einem Monat.
Zu beachten ist ebenfalls der Verkaufspreis des Spiels zum jeweiligen Verletzungszeitpunkt. Das Spiel erzielte bei Erstveröffentlichung einen Kaufpreis von ca. 50 Euro. Der Preis für die Downloadversion des Computerspiels im Oktober 2014 betrug 35,82 Euro.

Ins Gewicht fällt schließlich die Nähe der jeweiligen Verletzungshandlung zur Erstveröffentlichung des Computerspiels im August 2018. Vorliegend wurden bereits knapp zwei Monate nach der Erstveröffentlichung - somit im ersten Quartal - die streitgegenständlichen Verletzungshandlungen begangen. In diesen Zeitraum fällt einerseits die für ein Computerspiel noch wichtige Vermarktungsphase. Andererseits war der Downloadpreis bereits gegenüber dem Kaufpreis bei Erstveröffentlichung nicht unerheblich gesunken.

bb) Vor diesem Hintergrund entspricht der Betrag von 900,00 Euro unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls dem Lizenzsatz, den vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Beklagten vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten. Soweit die Klägerin moniert, dass dieser Betrag nicht mathematisch nachvollziehbar sei, ist darauf hinzuweisen, dass eine Einzelfallbetrachung unter Würdigung aller relevanten Kriterien gerade dem Wesen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO entspricht.

c) Eine höhere Schätzung der angemessenen Lizenz ist auch nicht aufgrund der sogenannten „Faktorrechtsprechung“ veranlasst.

aa) Ein Kriterium für die Berechnung der Schadensersatzhöhe bei Rechtsverletzungen durch Filesharing von Musikstücken kann der Ansatz einer bestimmten Anzahl von möglichen Abrufen durch unbekannte Tauschbörsenteilnehmer darstellen. Diese sogenannte „Faktorrechtsprechung“ basiert auf dem Einsatz der konkreten Tauschsoftware sowie dem Gefährdungspotenzial der zur Tatzeit online befindlichen Nutzer, die uneingeschränkt auf das urheberrechtlich geschützte Werk zugreifen können (BGH, GRUR 2016, 176, Rn. 59 ff. - Tauschbörse I). Die geschätzte Lizenzvergütung ist allerdings niedriger anzusetzen, sobald es sich bei den Verletzungsgegenständen um eine höhere Zahl von Musikdateien handelt (BGH, a.a.O., Rn. 65 - Tauschbörse I).
bb) Es ist streitig, ob diese im Bereich der Musikstücke entwickelte Berechnungsmethode auf Computerspiele angewandt werden kann. Teilweise wird dies aufgrund der wesensverschiedenen Downloadgeschwindigkeiten verneint (LG Frankenthal, Urteil vom 12.03.2019 - 6 O 313/18, BeckRS 2019, 17402, Rn. 38). Nach anderer Ansicht sind die Sachverhalte hinreichend vergleichbar. Dem Umstand, dass Musikstücke ein geringeres Datenvolumen aufweisen und daher schneller und häufiger heruntergeladen werden können, könne durch den Ansatz eines entsprechend geringeren Faktors Rechnung getragen werden (OLG Celle, MMR 2019, 450, Rn. 13).

Nach Auffassung des Senats bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, in geeigneten Fällen die sogenannte „Faktorrechtsprechung“ auf das Filesharing von Computerspielen anzuwenden. Denn maßgeblich ist, wie das Oberlandesgericht Celle zutreffend ausführt, der Einsatz der konkreten Tauschsoftware sowie das Gefährdungspotenzial der zur Tatzeit online befindlichen Nutzer, die uneingeschränkt auf das urheberrechtlich geschützte Werk zugreifen könnten. Diese Gefahr besteht unabhängig davon, ob es sich um Musikstücke, Filme oder Computerspiele handelt (vgl. OLG Celle, a.a.O., Rn. 13).
Dies darf jedoch nicht dazu führen, schematisch die angemessene Lizenz dadurch zu berechnen, dass der Online-Verkaufspreis für das Werk mit der Anzahl der während der Dauer der Verletzungshandlung hypothetischen oder möglichen Abrufe multipliziert wird. Denn die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr ist vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Auch in der Entscheidung „Tauschbörse I“ führt der Bundesgerichtshof lediglich aus, dass eine Schadensermittlung unter Berücksichtigung der möglichen Abrufe durch unbekannte Tauschbörsenteilnehmer beim Filesharing von Musikstücken im Rahmen des dem Tatrichter zustehenden weiten Ermessensspielraums nicht zu beanstanden ist, was eine Schadensschätzung im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls jedoch nicht ausschließt.

cc) Im vorliegenden Fall würde auch die Berücksichtigung der sogenannten „Faktorrechtsprechung“ als ein Kriterium für die Bemessung der angemessenen Lizenz nicht zu einer Erhöhung der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO führen.
Auch bei Anwendung dieser Berechnungsmethode ist dem Umstand, dass Musikstücke ein deutlich geringeres Datenvolumen aufweisen und daher schneller und häufiger heruntergeladen werden können als Computerspiele, durch den Ansatz eines entsprechend erheblich geringeren Faktors Rechnung zu tragen (so auch OLG Celle, a.a.O., Rn. 13). Denn während die Downloadgeschwindigkeit eines Musiktitels auf Grund des relativ geringen Datenvolumens vergleichsweise schnell ist und bei Vorhandensein einer leistungsfähigen Hardware sowie eines schnellen Internetzuganges ein solcher Download in wenigen Augenblicken abgeschlossen sein kann, benötigt der Download eines modernen Computerspieletitels - mit regelmäßig mehreren Gigabyte an notwendigen Speichervolumen - auch bei leistungsstarker Hardware - einen vergleichsweise längeren Zeitraum von mehreren Stunden (vgl. LG Frankenthal, a.a.O., Rn. 38).

So wäre im vorliegenden Fall bei Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Musikstück oftmals nur 6 Megabyte, ein Computerspiel hingegen regelmäßig 3 Gigabyte oder mehr Speicherplatz beansprucht, nur ein 1/500 Faktor anzusetzen. Dies würde bei Zugrundelegung des Preises für die Downloadversion des Computerspiels im Oktober 2014 von 35,82 Euro und der Tatsache, dass 723 weitere Nutzer der fraglichen Tauschbörse nach dem streitgegenständlichen Computerspiel suchten, einen Schadensersatzbetrag von ca. 52,00 Euro ergeben. In diesem Zusammenhang kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Computerspiel in insgesamt 14 Fällen tatsächlich zum Download bereitgestellt wurde, was bei einem Downloadpreis von 35,82 Euro zu einem Schadensersatzbetrag von 501,48 Euro führen würde.

2. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Tatsache, dass das Landgericht den für die erstattungsfähigen Abmahnkosten maßgeblichen Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch auf 1.000,00 Euro festgesetzt hat.
a) Nach § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG können die erforderlichen Aufwendungen für die Abmahnung ersetzt verlangt werden. Der Gegenstandswert, der für die Höhe der Abmahnkosten maßgeblich ist, richtet sich grundsätzlich nach dem für ein Klageverfahren relevanten Streitwert.

Unter bestimmten Umständen ist die Höhe des Erstattungsanspruchs für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts nach § 97a Abs. 3 S. 2, 3 UrhG gedeckelt. Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich danach für die Geltendmachung des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs auf die gesetzlichen Gebühren nach einem Gegenstandswert von 1.000,00 Euro, wenn der Abgemahnte eine natürliche Person ist, die nicht gewerblich oder im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit handelt, und nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet worden ist. Ein Eingriff in Streitwert oder Gegenstandswert findet - wie die Klagepartei zutreffend ausführt - durch die Regelung in § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG nicht statt, sondern nur eine Begrenzung der erstattbaren Kosten.
Die Deckelung des Erstattungsanspruchs kommt nach § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG dann nicht in Betracht, wenn die Höhe des Anspruchs aus einem Gegenstandswert von 1.000,00 Euro nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Zu den in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden „besonderen Umständen des Einzelfalles“ kann auch eine im Einzelfall in relevantem Ausmaß vom üblichen Maß abweichende Anzahl oder Schwere der Rechtsverletzung gehören (vgl. Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BT-Drs. 17/13057, S. 29). Wann das übliche Ausmaß einer Rechtsverletzung überschritten ist, bestimmt sich je nach Einzelfall und sollte auf absolute Ausnahmefälle beschränkt sein (vgl. Specht, in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl. 2018, § 97a Rn. 19b). Denn während § 97 Abs. 1 UrhG a.F. von der Ersatzfähigkeit ausging und in § 97 Abs. 2 UrhG a.F. die Deckelung in Ausnahmefällen vorsah, liegt § 97a Abs. 3 S. 1, 2 UrhG umgekehrt die Deckelung als Grundsatz zugrunde, welche im Ausnahmefall nach § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG ausscheiden kann (Spindler, in Spindler/Schuster, Recht der Elektron. Medien, 4. Aufl. 2019, § 97a UrhG Rn. 18). Da die Deckelung die Regel darstellt, liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Unbilligkeit beim Abmahnenden (Nordemann, in Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl. 2018, § 97a Rn. 50).
Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber mit der Deckelung gerade auch Filesharingfälle erfassen wollte, genügt es für die Erfüllung der Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands nicht, dass der private Nutzer ein urheberrechtlich geschütztes Werk über das Internet zugänglich macht, auch wenn der Senat nicht verkennt, dass bei der öffentlichen Zugänglichmachung von Werken im Rahmen anonymer Online-Tauschbörsen durch den Multiplikatoreffekt der viralen Weiterverbreitung ein erhebliches Gefährdungspotential besteht.

Dagegen kann ein qualifizierter Verstoß vorliegen, wenn die Privatperson ein geschütztes Werk vor oder unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erscheinen öffentlich zugänglich macht (OLG Celle, MMR 2019, 450, Rn. 21). Maßgeblich ist, ob die Weiterverbreitung ein aktuelles, hochpreisiges und sehr erfolgreiches Computerspiels im zeitlichen Zusammenhang mit der Erstveröffentlichung betrifft, weil dann ein erhebliches wirtschaftliches Interesse des Rechteinhabers an der Rechtsverfolgung besteht (vgl. AG München, Urteil vom 06.04.2018 - 158 C 13140/17, ZUM 2018, 742, Rn. 33). Als besonders umsatzstarke Erstverwertungsphase eines Computersiels kann regelmäßig der Zeitraum bis etwa zwei Monate nach Erscheinen angenommen werden (AG Düsseldorf, Urteil vom 07.08.2018 - 13 C 72/18, BeckRS 2018, 18535, Rn. 34). Nach anderer Auffassung kann die öffentliche Zugänglichmachung des Computerspiels im unmittelbar zeitlichen Zusammenhang mit der Veröffentlichung keine Ausnahme begründen, wenn das Werk schon veröffentlicht ist (vgl. AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 28.08.2017 - 213 C 99/17, BeckRS 2017, 127021, Rn. 14). Der Bundesgerichtshof wiederum stellt bei der vergleichbaren Problematik der Bestimmung des angemessenen Gegenstandswerts des Unterlassungsanspruchs u.a. darauf ab, ob das Werk „nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht“ wurde (BGH, GRUR 2016, 1275, Rn. 59 - Tannöd).

b) Die Vorschrift des § 97a Abs. 3 UrhG ist mit den Vorgaben aus Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG vom 29.04.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (Enforcement-RL) vereinbar.

Nach Art. 14 Enforcement-RL müssen die EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Prozesskosten und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen werden, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen.

Der Europäische Gerichtshof führte zur Auslegung von Art. 14 Enforcement-RL u.a. Folgendes aus (EuGH, GRUR Int. 2016, 963, Rn. 30 f. - United Video Properties):

„Daher muss eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die eine absolute Obergrenze für die Kosten im Zusammenhang mit dem Beistand eines Anwalts vorsieht, zum einen gewährleisten, dass diese Obergrenze die tatsächlich für Anwaltsleistungen im Bereich des geistigen Eigentums geltenden Tarife widerspiegelt, und zum anderen, dass wenigstens ein erheblicher und angemessener Teil der zumutbaren Kosten, die der obsiegenden Partei tatsächlich entstanden sind, von der unterlegenen Partei getragen wird. Eine solche Regelung kann nämlich, insbesondere falls die absolute Obergrenze zu niedrig ist, nicht ausschließen, dass die Höhe dieser Kosten die vorgesehene Obergrenze weit überschreitet, so dass die Erstattung, auf die die obsiegende Partei Anspruch hätte, unangemessen und gegebenenfalls sogar unerheblich wird, wodurch Art. 14 Enforcement-RL seine praktische Wirksamkeit genommen wird.

Die Schlussfolgerung in der vorangehenden Randnummer kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass Art. 14 Enforcement-RL von deren Anwendungsbereich Fälle ausschließt, in denen Billigkeitsgründe dem entgegenstehen, dass die Prozesskosten von der unterlegenen Partei getragen werden. Dieser Ausschluss betrifft nämlich nationale Vorschriften, die es dem Gericht ermöglichen, in einem Einzelfall, in dem die Anwendung der allgemeinen Prozesskostenregelung zu einem Ergebnis führen würde, das als ungerecht angesehen wird, ausnahmsweise von dieser Regelung abzuweichen. Hingegen können Billigkeitsgründe schon allein aufgrund ihres Wesens einen allgemeinen und bedingungslosen Ausschluss der Erstattung von Kosten, die eine bestimmte Obergrenze überschreiten, nicht rechtfertigen.“

Im vorliegenden Fall steht Art. 14 Enforcement-RL auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Regelung § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH ist es dem nationalen Gesetzgeber nur untersagt, einen „bedingungslosen Ausschluss“ vorzunehmen (vgl. AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 28.08.2017 - 213 C 99/17, BeckRS 2017, 127021, Rn. 14). Dagegen handelt es sich bei § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG um eine Einzelfallentscheidung, bei der das Gericht ausnahmsweise beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine Deckelung des Gegenstandswerts für außergerichtliche Kosten annehmen darf. Diese Deckelung wird zudem für Fälle der Unbilligkeit eingeschränkt. Es handelt sich somit nicht um einen allgemeinen und bedingungslosen Ausschluss der Erstattung von Kosten jenseits einer bestimmten Obergrenze, weshalb die Deckelung des Gegenstandswerts - da der deutsche Gesetzgeber lediglich von der von Art. 14 Enforcement-RL eröffneten Möglichkeit, Billigkeitserwägungen bei der Regelung der Kostentragungspflicht einzustellen, Gebrauch gemacht hat - europarechtskonform ist (so auch OLG Celle, MMR 2019, 450, Rn. 22; AG Düsseldorf, Urteil vom 07.08.2018 - 13 C 72/18, BeckRS 2018, 18535, Rn. 31). Die bei § 97a Abs. 3 UrhG vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls folgt gerade aus Art. 3 und Art. 14 Enforcement-RL (Spindler, a.a.O., § 97a UrhG Rn. 18).

c) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs ist die Deckelung des Gegenstandswerts für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch auf 1.000,00 Euro nicht zu beanstanden.

aa) Beim Beklagten handelt es sich um eine natürliche Person, welche die nach dem Urhebergesetz geschützten Werke nicht für eine gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit verwendete und die nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet war.

bb) Die Deckelung des Erstattungsanspruches ist auch nicht nach § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG ausgeschlossen, da entgegen der Auffassung der Klägerin eine Begrenzung des Streitwertes auf 1.000,00 Euro nach den besonderen Umständen des Einzelfalles - unter Berücksichtigung der Tatsache, dass § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG eine Ausnahmevorschrift darstellt, die bezweckt, dass die Deckelung der erstattbaren Abmahnkosten nicht unterlaufen wird - nicht unbillig ist.
Allein die Tatsache, dass das Zugänglichmachen über eine Online-Tauschbörse erfolgte, ist nicht geeignet, um die Unbilligkeit zu bejahen, da der Gesetzgeber bei Einführung des § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG gerade diese Sachverhalte privilegieren wollte.
Es liegen auch nicht die Voraussetzungen vor, unter denen ein qualifizierter Verstoß ausnahmsweise aufgrund der Nähe der Verletzungshandlung zur Erstveröffentlichung des Computerspiels angenommen werden kann. In diesem Zusammenhang ist einerseits zu berücksichtigen, dass das Computerspiel in dem Zeitpunkt, als es in der Internettauschbörse zum Download bereitgestellt wurde, bereits veröffentlicht war. Andererseits ist zu beachten, dass die streitgegenständlichen Verletzungshandlungen bereits knapp zwei Monate nach der Erstveröffentlichung - somit im ersten Quartal - begangen wurden. In diesen Zeitraum fällt die für ein Computerspiel noch wichtige Vermarktungsphase. Schließlich kann nicht außer Acht bleiben, dass im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verstöße der Downloadpreis bereits gegenüber dem Kaufpreis bei Erstveröffentlich nicht unerheblich gesunken war. Insgesamt kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass das Computerspiel nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht wurde und die Weiterverbreitung ein aktuelles, hochpreisiges und sehr erfolgreiches Computerspiels im zeitlichen Zusammenhang mit der Erstveröffentlichung betrifft.
III.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 02.05.2019, Aktenzeichen 3 O 7259/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen und unter Ziffer II. dargestellten Hinweis des Senats Bezug genommen. Auch die Ausführungen in der Gegnerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.

1. Auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Klägerin im Schriftsatz vom 18.10.2019 schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller relevanten Umstände des vorliegenden Einzelfalles die angemessene und - da regelmäßig für den Vertrieb von Computerspielen über Internettauschbörsen eine Lizenzierung gerade nicht stattfindet - fiktive Lizenz auf 900,00 €.

Der Senat gesteht der Klagepartei zu, dass - wie bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt - ein Kriterium für die Berechnung der Schadensersatzhöhe der Ansatz einer bestimmten Anzahl von möglichen Abrufen durch unbekannte Tauschbörsenteilnehmer darstellen kann. Die Berücksichtigung dieser sogenannten „Faktorrechtsprechung“ als ein mögliches Kriterium der Schadensschätzung führt jedoch vor dem Hintergrund der - bereits im Hinweisbeschluss umfangreich dargelegten - sonstigen Bemessungskriterien für die Schätzung der angemessenen Lizenz im Wege einer Gesamtwürdigung nicht zu einem Erfolg der Berufung.

Die Ausführungen des Senats im letzten Absatz auf Seite 6 des Hinweisbeschlusses stellten - wie der Gesamtzusammenhang eindeutig zeigt - keine Hinwendung zu einer konkreten Schadensschätzung dar. Vielmehr sollte dadurch lediglich beispielhaft die Wichtigkeit des Datenvolumens des urheberrechtlich geschützten Werks beim Ansatz einer bestimmten Anzahl von möglichen Abrufen durch unbekannte Tauschbörsenteilnehmer verdeutlicht werden.

Zwar weist die Klagepartei zutreffend darauf hin, dass in Bit-Torrentnetzwerken die angebotenen Dateien in Teilstücke aufgeteilt werden und es beim Herunterladen eines derartigen Teilstücks in Bezug auf die Dauer keinen Unterschied macht, ob das Teilstück von einem Musikstück oder einem Computerspiel stammt. Im Rahmen der Berechnung der angemessenen Lizenz kann jedoch nicht auf ein derartiges Teilstück, sondern muss auf das Gesamtwerk abgestellt werden, weil nur dafür vernünftige Vertragspartner eine Vergütung als Gegenleistung für die Lizenzierung gezahlt hätten.

2. In Bezug auf den für die erstattungsfähigen Abmahnkosten maßgeblichen Gegenstandswert veranlasst die Gegenerklärung folgende ergänzende Anmerkungen:

Damit die Deckelung des § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG greift, muss es sich bei dem Abgemahnten erstens um eine natürliche Person handeln, die nicht im Rahmen einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt hat, und der Abgemahnte darf zweitens nicht bereits durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet sein. Aus diesem Grund hat der Senat im Hinweisbeschluss - möglicherweise leicht missverständlich - ausgeführt, dass es sich bei dieser Vorschrift um eine Einzelfallentscheidung handele, bei der das Gericht (ausnahmsweise) beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine Deckelung des Gegenstandswerts für außergerichtliche Kosten annehmen darf. Davon unberührt bleibt die Richtigkeit der vorangegangenen Aussage des Hinweisbeschlusses, wonach bei Vorliegen der Voraussetzungen die Deckelung den Regelfall darstelle und § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG eine Ausnahme von der Deckelung für die Fälle vorsehe, in denen die Deckelung nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.

Zur Vorgängerregelung des § 97a Abs. 2 UrhG a.F. führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung dessen, was als angemessene Verwertung eines Werkes anzusehen ist, einen verhältnismäßig weiten Gestaltungsraum habe. Dieser beziehe sich auch auf die gesetzliche Ausgestaltung der Maßgaben, nach denen Urheber ihren Anspruch auf Vergütung, auch gegenüber etwaigen Verletzern, verfolgen und dabei entstehende Kosten ersetzt verlangen können. Von der Verfassungsbeschwerde werde nicht geltend gemacht, dass schon das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel illegitim wäre, nämlich zu verhindern, dass Verletzer von Urheberrechten in Bagatellfällen überzogene Anwaltshonorare bezahlen müssen (BVerfG, GRUR 2010, 416, Rn. 22 - Fotoarchiv). Diese Erwägung gelten auch für die aktuelle Vorschrift des § 97a Abs. 3 UrhG.

3. Der Senat hält in Bezug auf die Abmahnkosten und die Deckelung des § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV zur Frage der Auslegung von Art. 14 der Enforcement-Richtlinie nicht für angezeigt.

a) Eine Vorlagepflicht besteht dann nicht, wenn die Frage nicht entscheidungserheblich ist, d.h., wenn die Antwort auf diese Frage, wie auch immer sie ausfällt, keinerlei Einfluss auf die Entscheidung des Rechtsstreits haben kann (EuGH, Urteil vom 06.10.1982 - C-283/81, Rn. 10 - Cilfit).

Darüber hinaus sind Gerichte dann nicht zur Vorlage einer vor ihnen aufgeworfenen Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts verpflichtet, wenn das letztinstanzliche nationale Gericht in dem bei ihm schwebenden Verfahren feststellt, dass die betreffende entscheidungserhebliche gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand der Auslegung durch den EuGH war oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts offenkundig ist, und damit für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 15.09.2005 - C-495/03 - Intermodal Transport).

b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Nach Art. 14 der Enforcement-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Prozesskosten und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen werden, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen. Diese Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dahingehend auszulegen, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass wenigstens ein erheblicher und angemessener Teil der zumutbaren Kosten, die der obsiegenden Partei entstanden sind, von der unterlegenen Partei getragen wird (EuGH, GRUR Int. 2016, 963, Rn. 30 - United Video Properties). Darunter fallen - als sonstige Kosten - auch vorgerichtliche Abmahnkosten, weil sie - insbesondere unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 93 ZPO - unerlässlich sind, um sinnvoll eine Klage zur Durchsetzung eines Rechts des geistigen Eigentums in einem konkreten Fall erheben zu können (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 39 f. - United Video Properties). Art. 14 der Enforcement-Richtlinie verbietet somit einen allgemeinen und bedingungslosen Ausschluss der Erstattung von Kosten, die eine bestimmte Obergrenze überschreiten (EuGH, a.a.O., Rn. 31 - United Video Properties).

Vor diesem Hintergrund ist § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG offenkundig mit Art. 14 der Enforcement-Richtlinie vereinbar. Denn es handelt sich bei dieser Vorschrift gerade nicht um einen allgemeinen und bedingungslosen Ausschluss der Erstattung von - eine bestimmte Obergrenze überschreitenden - Kosten im Sinne der EuGH-Entscheidung „United Video Properties“ (so auch Kiersch, ZUM 2018, 667).

In diesem Zusammenhang ist - über die bereits im Hinweisbeschluss dargestellten Argumente hinaus - zum einen zu berücksichtigen, dass nach Art. 3 Abs. 2 der Enforcement-Richtlinie die Mitgliedstaaten nur verhältnismäßige Maßnahmen und Verfahren vorsehen müssen und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben sein muss. Auch Art. 14 der Enforcement-Richtlinie verpflichtet nur zur Erstattung der zumutbaren und angemessenen Kosten. Die damit vorgegebene Interessenabwägung wird gerade durch die Regelung in § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG konkretisiert. Denn nach dieser Vorschrift setzt die Deckelung des Gegenstandswerts voraus, dass es sich um eine natürliche Person handelt, welche die nach dem Urhebergesetz geschützten Werke nicht für eine gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit verwendete und die nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet war. Erfasst wird somit nur die Abmahnung des privaten Ersttäters. Diese Voraussetzungen stellen gerade typische Regelbeispiele für „minderschwere Fälle“, dar, bei denen aus Verhältnismäßigkeitsgründen eine Deckelung der Abmahnkosten in Betracht kommt.

Zum anderen enthält § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG keinen allgemeinen und bedingungslosen Ausschluss der Kostenübernahme, da § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG eine Rückausnahme für Fälle enthält, in denen die Kostendeckelung unbillig wäre. Fälle der Unbilligkeit im Sinne des § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG sind damit solche Fälle, in denen gerade keine Billigkeitsgründe nach Art. 14 der Enforcement-RL einer Unterliegenshaftung entgegenstehen (so auch Kiersch, ZUM 2018, 667). Dadurch wird dem Richter eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ermöglicht. Dabei ist unter Berücksichtigung der Ausführungen im Hinweisbeschluss nicht entscheidungerheblich, ob die Vorschrift des § 97a Abs. 3 UrhG richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, dass das Regel-Ausnahmeverhältnis umzukehren und lediglich in Fällen der Unbilligkeit eine Deckelung anzunehmen ist.

Nach Art. 3 Abs. 2 der Enforcement-Richtlinie müssen die Maßnahmen des nationalen Rechts schließlich auch wirksam und abschreckend sein. Auch diesen Vorgaben genügt die deutsche Regelung. Denn auch die Pflicht des Verletzers, aus dem Gegenstandswert von 1.000,00 € Kosten der Abmahnung zu tragen, führt zu einer hinreichenden Abschreckungswirkung. Denn die Deckelung des Gegenstandswertes betrifft nur Abmahnungen gegenüber Privatpersonen, so dass bei Annahme auch nur durchschnittlicher Einkommensverhältnisse die Abmahnkosten bereits eine spürbare Beeinträchtigung darstellen können.

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin zitierten Gerichtsentscheidungen, weil es darin lediglich um die Frage der Unbilligkeit der Deckelung der Abmahnkosten gemäß § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG und nicht um die Frage der generellen Unanwendbarkeit der Deckelung gemäß § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG wegen Europarechtswidrigkeit ging.

4. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche - über den Streitfall hinausgehende - Bedeutung. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht durch Urteil. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, welche die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Obergerichtliche Entscheidungen, die einer Zurückweisung der Berufung durch den Senat im Beschlusswege entgegenstehen, sind nicht bekannt."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Celle: Deckelung der Abmahnkosten nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG ist auf typische Filesharing-Abmahnungen anzuwenden

OLG Celle
Beschluss vom 12.04.2019
13 W 7/19


Das OLG Celle hat entschieden, dass die Deckelung der Abmahnkosten nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG auf typische Filesharing-Abmahnungen anzuwenden ist. Eine Ausnahme kann nach Ansicht des Gerichts gemäß § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG bestehen, wenn die Verletzungshandlungen im zeitlichen Zusammenhang mit der Erstveröffentlichung erfolgen oder es um Urheberrechtsverletzungen in einem großen Umfang geht.



OLG Schleswig: 5000 EURO Schadensersatz für Verbreitung eines Computerspiels per Filesharing noch im zulässigen Rahmen bei einer Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO

OLG Schleswig
Urteil vom 26.04.2018
6 U 41/17


Das OLG Schleswig hat entschieden, dass 5000 EURO Schadensersatz für Verbreitung eines Computerspiels per Filesharing noch im zulässigen Rahmen bei einer Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der im angefochtenen Urteil zuerkannte Betrag von 5.000 E hält sich im Rahmen dessen, was bei einer Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO als Verletzungsfolge zugebilligt werden kann. Der Betrag entspricht in seiner Höhe noch dem, was vernünftigerweise für die Vergabe einer Unterlizenz, die die hier fragliche Verletzungshandlung abgedeckt hätte, hätte vereinbart werden können. Dabei ist einerseits die Neuheit des Spiels zu Beginn der Verletzungshandlungen und seine anhaltende Beliebtheit zu berücksichtigen, andererseits der Umfang der Nutzung durch die Beklagte oder ihren Sohn, die das Computerspiel in großem Umfang über einen längeren Zeitraum hinweg allen Teilnehmern der Tauschbörse zugänglich gemacht haben. Dies waren letztlich mehrere 1.000 oder gar 10.000 Nutzer, wie die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.06.2017 Seite 2 unbestritten vorgetragen hat und wie es im Hinblick auf den Umfang und die Dauer der Teilnahme der Beklagten oder ihres Sohnes an der Tauschbörse auch naheliegend ist. Unter diesen Umständen hält sich ein Schadensbetrag in Höhe von etwa dem 227fachen des mittleren Preises für
das Computerspiel – rund 22 € – im Rahmen des Vertretbaren."

Filesharing-Abmahnung durch IPPC LAW Rechtsanwaltsgesellschaft mbH - ehemals Rechtsanwalt Daniel Sebastian - Dauerbrenner Abmahnung wegen Tauschbörsennutzung

Seit einiger Zeit werden Abmahnungen durch die IPPC LAW Rechtsanwaltsgesellschaft mbH wegen Urheberrechtsverletzungen durch die Nutzung von Filesharing-Programmen verschickt. Hinter IPPC LAW steckt der in der Filesharing-Szene bekannte Rechtsanwalt Daniel Sebastian (siehe dazu Filesharing-Abmahnung durch Rechtsanwalt Daniel Sebastian für DigiRights Administration GmbH - Dauerbrenner Abmahnung wegen Tauschbörsennutzung ). Die Abmahnungen sind auf jeden Fall ernst zu nehmen, da andernfalls noch höhere Kosten drohen. Dabei ist es wichtig richtig auf die Abmahnung zu reagieren und dabei die Besonderheiten des Einzelfalls zu beachten. Inzwischen hat sich die rechtliche Situation für Anschlussinhaber jedenfalls deutlich gebessert.

Zum Thema unser Beitrag:
Abwehr von Filesharing-Abmahnungen - bereits bei der ersten Reaktion auf eine Abmahnung dürfen keine Fehler gemacht werden


BGH: Wer Dateifragmente eines urheberrechtlich geschützten Werkes per Filesharing zum Download anbietet ist regelmäßig Mittäter einer gemeinschaftlich begangenen Urheberrechtsverletzung

BGH
Urteil vom 06.12.2017
I ZR 186/16
Konferenz der Tiere
ZPO § 4 Abs. 1, § 511 Abs. 2 Nr. 1; UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 6, §§ 19a, 85 Abs. 1 Satz 2, § 94 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 2 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass auch derjenige der lediglich Dateifragmente eines urheberrechtlich geschützten Werkes per Filesharing zum Download anbietet, regelmäßig Mittäter einer gemeinschaftlich begangenen Urheberrechtsverletzung ist. Es ist daher in Einklang mit der ohnehin herrschenden Meinung nicht erforderlich, dass die komplette Datei zum Download zur Verfügung gestellt wurde.

Leitsatz des BGH:

Der Teilnehmer einer Internettauschbörse, der Dateifragmente in der Tauschbörse zum Herunterladen anbietet, die einem urheberrechtlich geschützten Werk zuzuordnen sind, das im zeitlichen Zusammenhang mit der beanstandeten Handlung in der Tauschbörse zum Herunterladen bereit gehalten wird, haftet regelmäßig als Mittäter einer gemeinschaftlich mit den anderen Nutzern der Internettauschbörse begangenen Verletzung des Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung des Werks.

BGH, Urteil vom 6. Dezember 2017 - I ZR 186/16 - LG Frankenthal (Pfalz) - AG Frankenthal (Pfalz)

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Mahnbescheide in Filesharing-Sachen zur Weihnachtszeit und zum Jahresende - Ruhe bewahren - Fristen beachten

Jedes Jahr werden zur Weihnachtszeit und zum Jahresende zahlreiche gerichtliche Mahnbescheide in Filesharing-Angelegenheiten verschickt. Dabei handelt es sich oft um Altfälle.

Tipp: Wer einen gerichtlichen Mahnbescheid erhält, sollte Ruhe bewahren. Auch wer bislang noch keinen anwaltlichen Rat eingeholt hatte, sollte sich juristisch beraten lassen. Ein gerichtlicher Mahnbescheid bedeutet nicht, dass das Gericht den Anspruch geprüft hat.

Die Widerspruchsfrist gegen den Mahnbescheid beträgt 14 Tage. Wird die Frist versäumt muss unbedingt die 14tägige Einspruchsfrist gegen den nachfolgenden Vollstreckungsbescheid eingehalten werden. Andernfalls wird die Sache rechtskräftig, auch wenn an sich kein Anspruch besteht.

Siehe auch zum Thema:
"Abwehr von Filesharing-Abmahnungen - bereits bei der ersten Reaktion auf eine Abmahnung dürfen keine Fehler gemacht werden"


Volltext BGH liegt vor - Anschlussinhaber muss in Filesharing-Fällen Familienangehörige im Rahmen der sekundären Darlegungslast benennen

BGH
Urteil vom 30.03.2017
I ZR 19/16
Loud
GG Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 A; EU-Grundrechtecharta Art. 7, Art. 17 Abs. 2, Art. 47; UrhG § 85 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 2 Satz 1; ZPO §§ 138, 383, 384


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Anschlussinhaber haftet für Filesharing von Familienangehörigen wenn dieser ermittelt aber nicht benannt wird - sekundäre Darlegungslast beim Filesharing über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Im Falle einer über den von Eltern unterhaltenen Internetanschluss begangenen Urheberrechtsverletzung durch Teilnahme an einer Internettauschbörse umfasst die sekundäre Darlegungslast der Anschlussinhaber bei Inanspruchnahme durch
den Urheber oder den Inhaber eines verwandten Schutzrechts - hier durch den Tonträgerhersteller - die Angabe des Namens ihres volljährigen Kindes, das ihnen gegenüber die Begehung der Rechtsverletzung zugegeben hat.

BGH, Urteil vom 30. März 2017 - I ZR 19/16 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Düsseldorf: TOR-Exit-Node-Betreiber haftet für als Störer für Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing

OLG Düsseldorf
Urteil vom 16.03.2017
I-20 U 17/16


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass ein TOR-Exit-Node-Betreiber als Störer für Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing haftet.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Gleiches gilt vollumfänglich für das Betreiben eines Tor-Exit-Node durch den Beklagten, wobei allein die Frage der Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Sicherung im Rahmen des Tor-Netzwerkes gesondert zu betrachten ist. Weitergehende Maßnahmen (wie z.B. Sperrung des Zugangs zum Tor-Netzwerk) sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens und werden auch von der Klägerin nicht verlangt: Insofern hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich festgestellt, dass die Möglichkeit P2P-Saftware zu sperren, technisch gegeben und auch bei einem Tor-Server zumutbar ist. Dies hat der Beklagte nicht, jedenfalls nicht mit Gründen angegriffen, und zwar auch nicht in der mündlichen Verhandlung. Ein begründeter Angriff wäre ihm, der nach eigenem Vorbringen Angestellter in der IT-Sicherheit, also ausgesprochen fachkundig ist, möglich gewesen.
"

Filesharing-Abmahnung durch Rechtsanwaltskanzlei CSR Christoph Schmietenknop wegen Verbreitung von Pornofilmen - Dauerbrenner Abmahnung wegen Tauschbörsennutzung

Ein Dauerbrenner in unserer Kanzlei sind Filesharing-Abmahnungen der Rechtsanwaltskanzlei CSR ( Rechtsanwalt Christoph Schmietenknop ) für diverse Rechteinhaber wegen der Verbreitung von Pornofilmen über Internettauschbörsen. Die Abmahnungen sind auf jeden Fall ernst zu nehmen, da andernfalls noch höhere Kosten drohen. Dabei ist es wichtig richtig auf die Abmahnung zu reagieren und dabei die Besonderheiten des Einzelfalls zu beachten. Inzwischen hat sich die rechtliche Situation für Anschlussinhaber jedenfalls deutlich gebessert.

Zum Thema unser Beitrag:
Abwehr von Filesharing-Abmahnungen - bereits bei der ersten Reaktion auf eine Abmahnung dürfen keine Fehler gemacht werden

Aufgepasst - Betrug durch Fake-Mahnungen im Namen der Kanzlei Auer Witte Thiel wegen angeblich offener Forderungen aufgrund youporn.com-Nutzung

Aufgepasst. Derzeit werden in großer Zahl betrügerische Fake-Mahnungen per Email verschickt, die fälschlicherweise den Eindruck erwecken, dass diese von Kanzlei Auer Witte Thiel stammen.
Gegenstand der Fake-Mahnungen sind angebliche Ansprüche einer Wondo GmbH & Co. KG. wegen der Nutzung der Webseite youporn.com. Die Forderungen sind frei erfunden.

Die Fake-Mahnungen sehen wie folgt aus:


Betreff: Aktenzeichen: 131213371312 | Vorname Nachname

Sehr geehrter Herr [Vorname Nachname],
wir zeigen Ihnen an, dass wir die Firma Wondo GmbH & Co. KG., Stadthausbrücke 1 – 3, 20355 Hamburg, anwaltlich vertreten. Sie haben das Onlineangebot youporn.com in Anspruch genommen.

Trotz Fälligkeit haben Sie leider bislang die geschuldete Vergütung in Höhe von
EUR 99,60 zzgl. Mahngebühr, Bankspesen i.H.v. EUR 48,00 nicht bezahlt.

Wir bitten Sie daher, diesen Betrag sowie die bei uns angefallenen gesetzlichen Anwaltsgebühren
in Höhe von EUR 59,40, insgesamt also EUR 207,00 bis zum 20.08.2017 zu überweisen.

Nach Zahlungseingang werden wir die Angelegenheit abschließen und die Akte zur Ablage bringen.

Kontoinhaber: Auer Witte Thiel
Bankinstitut: Commerzbank
IBAN : DE58 1204 0000 0066 3385 00
BIC: COBADEFFXXX

Betrag: EUR 207,00
Betreff: 131213371312

Mit freundlichen Grüßen
Auer Witte Thiel
Rechtsanwälte



BGH: Streitwert in Filesharing-Sachen - Wert, Aktualität und Popularität des Werkes zu berücksichtigen - 15.000 EURO Streitwert für Computerspiel angemessen

BGH
Urteil vom 06.10.2017
i ZR 97/15


Der BGH hat sich abermals zur Bemessung des Streitwerts in Filesharing-Sachen geäußert. Der BGH führt aus, dass Wert, Aktualität und Popularität des streitgegenständlichen Werkes zu berücksichtigen sind. Bei einem durchschnittlich erfolgreichen Computerspiel ist - so der BGH - ein Streitwert von 15.000 EURO angemessen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei der Bestimmung des angemessenen Gegenstandswertes des Unterlassungsanspruchs
ist einerseits dem Wert des verletzten Schutzrechts angemessen Rechnung zu tragen, wobei das Angebot zum Herunterladen eines Spielfilms, eines Computerprogramms oder eines vollständigen Musikalbums regelmäßig einen höheren Gegenstandswert rechtfertigen wird, als er etwa für das Angebot nur eines Musiktitels anzusetzen ist (vgl. BGH, GRUR 2016, 184 Rn. 73 - Tauschbörse II). Weiter ist die Aktualität und Popularität des Werkes und der Umfang der vom Rechtsinhaber bereits vorgenommenen Auswertung zu berücksichtigen. Wird ein durchschnittlich erfolgreiches Computerspiel nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht, so ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht unter 15.000 € angemessen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 43/15, K&R 2017, 45 Rn. 48). Liegen besondere Umstände vor (z.B. eine in erheblichen Verkaufszahlen zum Ausdruck kommende besondere Popularität), kann auch ein höherer Gegenstandswert anzunehmen sein (vgl. BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 59 - Tannöd).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH-Entscheidung - Keine Störerhaftung in Filesharing-Sachen bei WPA2-Verschlüsselung und Verwendung des werkseitigen individuellen Passworts

BGH
Urteil vom 24.11.2016
I ZR 220/15
WLAN-Schlüssel
UrhG § 97 Abs. 1 Satz 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Anschlussinhaber haftet nicht als Störer für Filesharing bei WPA2-Verschlüsselung des WLAN-Routers auch wenn werkseitiges individuelles Passwort vewendet wird" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Der Inhaber eines Internetanschlusses mit WLAN-Funktion ist nach den Grundsätzen der Störerhaftung zur Prüfung verpflichtet, ob der verwendete Router über die im Zeitpunkt seines Kaufs für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen verfügt. Hierzu zählt der im Kaufzeitpunkt aktuelle Verschlüsselungsstandard sowie die Verwendung eines individuellen, ausreichend langen und sicheren Passworts (Festhaltung an BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 34 - Sommer unseres Lebens).

b) Ein aus einer zufälligen 16-stelligen Ziffernfolge bestehendes, werkseitig für das Gerät individuell voreingestelltes Passwort genügt den Anforderungen an die Passwortsicherheit. Sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Gerät schon im Kaufzeitpunkt eine Sicherheitslücke aufwies, liegt in der Beibehaltung eines solchen werkseitig eingestellten Passworts kein Verstoß gegen die den Anschlussinhaber treffende Prüfungspflicht (Fortführung von BGHZ 185, 330 Rn. 34 - Sommer unseres Lebens).

c) Dem vom Urheberrechtsinhaber gerichtlich in Anspruch genommenen Anschlussinhaber obliegt eine sekundäre Darlegungslast zu den von ihm bei der Inbetriebnahme des Routers getroffenen Sicherheitsvorkehrungen, der er durch Angabe des Routertyps und des Passworts genügt. Für die Behauptung, es habe sich um ein für eine Vielzahl von Geräten voreingestelltes Passwort gehandelt, ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig.

BGH, Urteil vom 24. November 2016 - I ZR 220/15 - LG Hamburg - AG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Lizenzschaden in Filesharing-Fällen verjährt nach 10 Jahren - Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach 3 Jahren

BGH
Beschluss vom 23.01.2017
I ZR 265/15


Der BGH hat in diesem Beschluss nochmals seinen Standpunkt zur Verjährung in Filesharing-Fällen bestätigt. Danach verjährt der Lizenzschaden in Filesharing-Fällen nach 10 Jahren und der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach 3 Jahren.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Annahme des Berufungsgerichts, die Schadensersatzforderung sei nicht verjährt, ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern. Der Anspruch aus § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB verjährt gemäß § 852 Satz 2 BGB in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf seine Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 - I ZR 148/13, GRUR 2015, 780 Rn. 28 = WRP 2015, 972 - Motorradteile). Diese Verjährungsfrist war im Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung durch die Klägerin noch nicht abgelaufen.

[...]
bb) Das Berufungsgericht hat weiter rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Abmahnkostenforderung nicht verjährt sei.

(1) Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Beru-fungsgerichts, es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass der Anspruch vor dem Jahr 2010 entstanden sei. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Verjährung des Erstattungsanspruchs sei im Jahr 2010 angelaufen, ist da-nach nicht zu beanstanden. Die Revision streitet erfolglos für eine Anwendung des § 199 Abs. 5 BGB auf den Abmahnkostenerstattungsanspruch. Diese Vorschrift führt im Falle des Unterlassungsanspruchs zu einer Verlagerung des Verjährungsbeginns auf den Zeitpunkt der Zuwiderhandlung, weil der Gläubiger zuvor weder Anlass noch Möglichkeit hat, gegen den Unterlassungsschuldner vorzugehen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1972 - I ZR 154/70, BGHZ 59, 72, 74 f. - Kaffeewerbung). Eine Anwendung dieser Vorschrift auf den Anspruch auf Abmahnkostenerstattung kommt nicht in Betracht. Die Verjährung des Erstat-tungsanspruchs kann nicht vor seiner Entstehung beginnen.

(2) Die durch Zustellung des Mahnbescheids am 12. Dezember 2013 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB bewirkte Hemmung der Verjährung endete gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB sechs Monate nach Vornahme der letzten Verfahrenshandlung des Gerichts in Gestalt der an die Klägerin gerichteten Aufforderung vom 20. Dezember 2013, den Kostenvorschuss für das streitige Verfahren einzuzahlen. Die am 25. Juni 2014 vorgenommene Einzahlung des Kostenvorschusses erfolgte zwar nach Ablauf der sechsmonatigen Hemmung, jedoch mit Blick auf die im Zeitpunkt der Hemmung bis zum Ende des Jahres 2013 verbliebene Restlaufzeit der Verjährung in unverjährter Zeit."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: