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OLG München: Kein Schadensersatz- und kein Unterlassungsanspruch in Facebook-Scraping-Fällen wenn keine fühlbare reale Beeinträchtigung vorliegt bzw. dargelegt und bewiesen wird

OLG München
Verfügung vom 14.09.2023
14 U 3190/23 e


Das OLG München hat in einer Verfügung im Rahmen eines Berufungsverfahrens ausgeführt, dass kein Schadensersatzanspruch und kein Unterlassungsanspruch in Facebook-Scraping-Fällen besteht, wenn keine fühlbare reale Beeinträchtigung vorliegt bzw. dargelegt und bewiesen wird.

Aus den Verfügungsgründen:
Das strukturiert begründete Urteil des Landgerichts leidet nicht an Rechtsfehlern (§ 546 ZPO). Die zugrunde zu legenden Tatsachen (§ 529 ZPO) gebieten keine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

1. Zutreffend versagt das Landgericht einen Schadensersatzanspruch.

Das Ersturteil arbeitet überzeugend heraus, dass der Beklagten eine schadenskausale Pflichtverletzung, die in den Anwendungsbereich des Art. 82 DSGVO fiele, nicht angelastet werden kann; auf die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts ist Bezug zu nehmen.

Ihnen ist hier lediglich hinzuzufügen: Insbesondere einen Verstoß gegen Art. 32 durch „zu weite“ Voreinstellungen musste das Landgericht nicht annehmen. Art. 32 DSGVO schreibt nicht schlechthin datenschutzfreundliche Voreinstellungen vor, sondern gebietet – wesentlich allgemeiner gehalten – „geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten“. Das ist bei einer Kontaktplattform auch dadurch möglich, dass dem Nutzer durch Anleitungen und Hilfen die Möglichkeit gegeben wird, die Einstellungen enger zu fassen und zudem einen „Privacy-Check“ durchzuführen.

Anderes ergibt sich auch nicht etwa aus Erwägungsgrund 78 zur DSGVO, denn dort werden datenschutzfreundliche Voreinstellungen lediglich als Beispiel für Schutzmaßnahmen genannt, die je nach Sachlage und Zusammenhang empfehlenswert seien.

Er lautet:
„Zum Schutz der in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten bestehenden Rechte und Freiheiten natürlicher Personen ist es erforderlich, dass geeignete technische und organisatorische Maßnahmen getroffen werden, damit die Anforderungen dieser Verordnung erfüllt werden. Um die Einhaltung dieser Verordnung nachweisen zu können, sollte der Verantwortliche interne Strategien festlegen und Maßnahmen ergreifen, die insbesondere den Grundsätzen des Datenschutzes durch Technik (data protection by design) und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen (data protection by default) Genüge tun. Solche Maßnahmen könnten unter anderem darin bestehen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten minimiert wird, personenbezogene Daten so schnell wie möglich pseudonymisiert werden, Transparenz in Bezug auf die Funktionen und die Verarbeitung personenbezogener Daten hergestellt wird, der betroffenen Person ermöglicht wird, die Verarbeitung personenbezogener Daten zu überwachen, und der Verantwortliche in die Lage versetzt wird, Sicherheitsfunktionen zu schaffen und zu verbessern. In Bezug auf Entwicklung, Gestaltung, Auswahl und Nutzung von Anwendungen, Diensten und Produkten, die entweder auf der Verarbeitung von personenbezogenen Daten beruhen oder zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten verarbeiten, sollten die Hersteller der Produkte, Dienste und Anwendungen ermutigt werden, das Recht auf Datenschutz bei der Entwicklung und Gestaltung der Produkte, Dienste und Anwendungen zu berücksichtigen und unter gebührender Berücksichtigung des Stands der Technik sicherzustellen, dass die Verantwortlichen und die Verarbeiter in der Lage sind, ihren Datenschutzpflichten nachzukommen. Den Grundsätzen des Datenschutzes durch Technik und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen sollte auch bei öffentlichen Ausschreibungen Rechnung getragen werden“.

Das Landgericht durfte hier berücksichtigen, dass Facebook eine Plattform für Nutzer ist, die sich in erster Linie „finden lassen“ wollen, um sogenannte „Freundschaftsanfragen“ zu erhalten, wobei der Begriff „Freundschaft“ hier nicht in dem engen Sinne zu verstehen ist, der die deutsche Sprachtradition prägt. Als „technische und organisatorische Maßnahme“ durfte es das Landgericht in diesem Zusammenhang als ausreichend ansehen, dass die Nutzer hier das Ausmaß der Findbarkeit selbst einstellen konnten, angeleitet durch transparente Hilfen und Erklärungen, die umfangreich, aber verständlich und sinnvoll gegliedert sowie zugänglich waren.

2. Das kann indessen dahinstehen, da im vorliegenden Einzelfall auch kein Schaden im Rechtssinne eingetreten ist.

Das Landgericht hat unter zutreffender Einwertung von Erwägungsgrund 146 herausgearbeitet, dass der Schadensbegriff zwar im Prinzip weit reicht, aber eine fühlbare reale Beeinträchtigung voraussetzt. An dieser fehlt es hier, wie das Landgericht anhand der persönlichen Anhörung des Klägers herausgearbeitet hat. Was die Berufungsbegründung hiergegen erinnert, überzeugt nicht:

(a) Erwägungsgrund 85 besagt nicht, dass jeder Kontrollverlust ein Schaden ist.

Er lautet in seinem Satz 1, den die Berufung hier offensichtlich anzieht:
„Eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten kann – wenn nicht rechtzeitig und angemessen reagiert wird – einen physischen, materiellen oder immateriellen Schaden für natürliche Personen nach sich ziehen, wie etwa Verlust der Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten oder Einschränkung ihrer Rechte, Diskriminierung, Identitätsdiebstahl oder betrug, finanzielle Verluste, unbefugte Aufhebung der Pseudonymisierung, Rufschädigung, Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden Daten oder andere erhebliche wirtschaftliche oder gesellschaftliche Nachteile für die betroffene natürliche Person“.

(b) Dass der Kläger „durch Ärger, Angst, Stress, Sorge“ geplagt sei, hat die Anhörung nicht ergeben, sondern seinen freimütigen Angaben war u.a. zu entnehmen, dass er die Plattform weiter nutzt, was dem Landgericht zeigte, dass der Kläger nicht durchgreifend bekümmert ist. Was er an Zeit und Kraft aufgewendet habe, um sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, war nicht in der Weise greifbar geworden, dass ein „erlittener“ Schaden darin gesehen werden musste.

(c) Dass der Kläger seit dem Datenleck Kontaktversuche von unbekannten Dritten in Form von „Spam“-SMS und „Spam“-Anrufen erhalten habe, hat der Kläger dahin relativiert, diese beruhten wahrscheinlich darauf, dass er seine Mobiltelefonnummer bei dem mehrfach erwähnten großen und weltweit tätigen Versandhandelsunternehmen hinterlegt habe. Das Landgericht hatte daher verständlicherweise unüberwindliche Bedenken, die SMS und Anrufe gerade der Beklagten als kausal verursachten Schaden anzulasten.

2. Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das Landgericht auch für einen zukünftigen Schaden keine Anhaltspunkte sah.

3. Zutreffend versagt das Landgericht den Unterlassungsanspruch

Die Wiederholungsgefahr besteht bereits deshalb nicht, weil der Kläger die Einstellungen von „alle“ auf „nur ich“ zurücksetzen kann. Das erfordert keine weiteren Maßnahmen der Beklagten, so dass offen bleiben kann, ob diese die Suchbarkeitsfunktion deaktiviert hat und „Anti-Scraping-Maßnahmen“ ins Werk gesetzt hat.

Denn selbst wenn eine Rechtsverletzung vorläge, die – grundsätzlich – Wiederholungsgefahr zu indizieren geeignet wäre, wäre diese Indizwirkung durch obige Fallumstände hier widerlegt.

Nicht verfangen kann der Einwand, wonach es keine Abhilfe bringe, wenn der Kläger seine Einstellungen von „everyone“ auf „friends of friends“ umstellt. Es mag unterstellt werden, dass auch Daten von Nutzern „gescrapt“ worden sind, die – anders als der Kläger – nicht „everyone“ eingestellt hatten. Das ist aber nicht der Schadenshergang, der vorliegend anzunehmen war und an dem die Wiederholungsgefahr zu messen wäre. Dass sich der hier festgestellte Schadenshergang wiederholen würde, kann der Kläger schon durch die geänderten Einstellungen bewirken. Stellt er die Einstellungen von „alle“ auf „nur ich“ zurück, und würden seine Daten dann (erneut) gescrapt, so wäre das ein anderer Schadenshergang.

4. Zutreffend versagt das Landgericht den Auskunftsanspruch.

Anders als in den von der Berufungsbegründung angezogenen Entscheidungen anderer Gerichte (BerBegr S. 65/66) war der Auskunftsanspruch vorliegend erfüllt mit Ausnahme einer Angabe, wer der/die Scraper/in gewesen ist. Letztere Angabe (des „Empfängers“) kann die Beklagte nicht machen, weil sie den Empfänger nicht kennt. Dass sie in früheren Fällen gegen unbefugte Dritte vorgegangen ist, ändert hieran fallbezogen nichts.

5. Nach alledem hat das Landgericht auch Schadensersatzansprüche nach nationalem Recht zutreffend versagt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH legt EuGH vor: Voraussetzungen und Höhe des Anspruchs auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO - Unterlassungsanspruch des Betroffenen bei DSGVO-Verstoß

BGH
Beschluss vom 26. 09.2023
VI ZR 97/22

Der BGH hat dem EuGH diverse sehr praxisrelevante Fragen zur Auslegung der DSGVO zur Entscheidung vorgelegt. Zunächst geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO besteht und welche Kriterien bei der Bemessung der Höhe des Schadens zu berücksichtigen sind. Ferner soll die Streitfrage geklärt werden, ob der Betroffene bei einem DSGVO-Verstoß einen Unterlassungsanspruch hat und ob dieser aus der DSGVO oder anderen Vorschriften außerhalb der DSGVO hergeleitet werden kann.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof legt dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zum Bestehen eines
unionsrechtlichen Unterlassungsanspruchs und zum Begriff des immateriellen Schadens nach der
Datenschutz-Grundverordnung vor

Der unter anderem für Ansprüche nach der EU-Datenschutz-Grundverordnung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Vorabentscheidung zur Auslegung von Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hinsichtlich des Bestehens eines unionsrechtlichen Unterlassungsanspruchs der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, bzw. zu der insoweit bestehenden Möglichkeit eines Rückgriffs auf das nationale Recht und zum Begriff des immateriellen Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO vorgelegt.

Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Weitergabe persönlicher Daten auf Unterlassung und Ersatz immateriellen Schadens in Anspruch. Er befand sich bei der beklagten Privatbank in einem Bewerbungsprozess, der über ein Online-Portal stattfand. Im Zuge dessen versandte eine Mitarbeiterin der Beklagten über den Messenger-Dienst des Portals eine nur für den Kläger bestimmte Nachricht auch an eine dritte, nicht am Bewerbungsprozess beteiligte Person, die mit dem Kläger vor einiger Zeit in derselben Holding gearbeitet hatte und ihn deshalb kannte. In der Nachricht wird unter anderem mitgeteilt, dass die Beklagte die Gehaltsvorstellungen des Klägers nicht erfüllen könne.

Der Kläger macht geltend, sein - immaterieller - Schaden liege nicht im abstrakten Kontrollverlust über die offenbarten Daten, sondern darin, dass nunmehr mindestens eine weitere Person, die den Kläger und potentielle wie ehemalige Arbeitgeber kenne, über Umstände Kenntnis habe, die der Diskretion unterlägen. Es sei zu befürchten, dass der in der gleichen Branche tätige Dritte die in der Nachricht enthaltenen Daten weitergegeben habe oder sich durch ihre Kenntnis als Konkurrent auf etwaige Stellen im Bewerbungsprozess einen Vorteil habe verschaffen können. Zudem empfinde er das "Unterliegen" in den Gehaltsverhandlungen als Schmach, die er nicht an Dritte - vor allem nicht an potentielle Konkurrenten - weitergegeben hätte.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben, die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt und dem Kläger, der immateriellen Schadensersatz von mindestens 2.500 € fordert, einen Betrag in Höhe von 1.000 € zuerkannt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf immateriellen Schadensersatz abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der er seine Ansprüche in vollem Umfang weiterverfolgt. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. a)Ist Art. 17 DSGVO dahingehend auszulegen, dass der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, ein Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten zusteht, wenn sie vom Verantwortlichen keine Löschung der Daten verlangt?

b)Kann sich ein solcher Unterlassungsanspruch (auch) aus Art. 18 DSGVO oder einer sonstigen Bestimmung der DSGVO ergeben?

2. Falls Fragen 1a) und/oder 1b) bejaht werden:

a)Besteht der unionsrechtliche Unterlassungsanspruch nur dann, wenn künftig weitere Beeinträchtigungen der sich aus der DSGVO ergebenden Rechte der betroffenen Person zu besorgen sind (Wiederholungsgefahr)?

b)Wird das Bestehen der Wiederholungsgefahr gegebenenfalls aufgrund des bereits vorliegenden Verstoßes gegen die DSGVO vermutet?

3.Falls Fragen 1a) und 1b) verneint werden:

Sind Art. 84 i.V.m. Art. 79 DSGVO dahingehend auszulegen, dass sie es dem nationalen Richter erlauben, der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, neben dem Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens nach Art. 82 DSGVO und den sich aus Art. 17 und Art. 18 DSGVO ergebenden Ansprüchen einen Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten nach den Bestimmungen des nationalen Rechts zuzusprechen?

4.Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass für die Annahme eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung bloße negative Gefühle wie z.B. Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorge und Angst, die an sich Teil des allgemeinen Lebensrisikos und oft des täglichen Erlebens sind, genügen? Oder ist für die Annahme eines Schadens ein über diese Gefühle hinausgehender Nachteil für die betroffene natürliche Person erforderlich?

5.Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens der Grad des Verschuldens des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters bzw. seiner Mitarbeiter ein relevantes Kriterium darstellt?

6.Falls Fragen 1a), 1b) oder 3 bejaht werden:

Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens als anspruchsmindernd berücksichtigt werden kann, dass der betroffenen Person neben dem Anspruch auf Schadensersatz ein Unterlassungsanspruch zusteht?

Vorinstanzen:

LG Darmstadt - Urteil vom 26. Mai 2020 - 13 O 244/19

OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 2. März 2022 - 13 U 206/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 17 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Recht auf Löschung ("Recht auf Vergessenwerden")

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:

a)

Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig.

b)

Die betroffene Person widerruft ihre Einwilligung, auf die sich die Verarbeitung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a oder Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a stützte, und es fehlt an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung.

c)

Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.

d)

Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet.

e)

Die Löschung der personenbezogenen Daten ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten erforderlich, dem der Verantwortliche unterliegt.

f)

Die personenbezogenen Daten wurden in Bezug auf angebotene Dienste der Informationsgesellschaft gemäß Artikel 8 Absatz 1 erhoben.

(2) Hat der Verantwortliche die personenbezogenen Daten öffentlich gemacht und ist er gemäß Absatz 1 zu deren Löschung verpflichtet, so trifft er unter Berücksichtigung der verfügbaren Technologie und der Implementierungskosten angemessene Maßnahmen, auch technischer Art, um für die Datenverarbeitung Verantwortliche, die die personenbezogenen Daten verarbeiten, darüber zu informieren, dass eine betroffene Person von ihnen die Löschung aller Links zu diesen personenbezogenen Daten oder von Kopien oder Replikationen dieser personenbezogenen Daten verlangt hat.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist

a)

zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information;

b)

zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;

c)

aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit gemäß Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben h und i sowie Artikel 9 Absatz 3;

d)

für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Artikel 89 Absatz 1, soweit das in Absatz 1 genannte Recht voraussichtlich die Verwirklichung der Ziele dieser Verarbeitung unmöglich macht oder ernsthaft beeinträchtigt, oder

e)

zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen.

Art. 18 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Recht auf Einschränkung der Verarbeitung

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen die Einschränkung der Verarbeitung zu verlangen, wenn eine der folgenden Voraussetzungen gegeben ist:

a)

die Richtigkeit der personenbezogenen Daten von der betroffenen Person bestritten wird, und zwar für eine Dauer, die es dem Verantwortlichen ermöglicht, die Richtigkeit der personenbezogenen Daten zu überprüfen,

b)

die Verarbeitung unrechtmäßig ist und die betroffene Person die Löschung der personenbezogenen Daten ablehnt und stattdessen die Einschränkung der Nutzung der personenbezogenen Daten verlangt;

c)

der Verantwortliche die personenbezogenen Daten für die Zwecke der Verarbeitung nicht länger benötigt, die betroffene Person sie jedoch zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen benötigt, oder

d)

die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung gemäß Artikel 21 Absatz 1 eingelegt hat, solange noch nicht feststeht, ob die berechtigten Gründe des Verantwortlichen gegenüber denen der betroffenen Person überwiegen.

(2) Wurde die Verarbeitung gemäß Absatz 1 eingeschränkt, so dürfen diese personenbezogenen Daten - von ihrer Speicherung abgesehen - nur mit Einwilligung der betroffenen Person oder zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder zum Schutz der Rechte einer anderen natürlichen oder juristischen Person oder aus Gründen eines wichtigen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats verarbeitet werden.

(3) …

Art. 79 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Verantwortliche
oder Auftragsverarbeiter

(1) Jede betroffene Person hat unbeschadet eines verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs einschließlich des Rechts auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde gemäß Artikel 77 das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte infolge einer nicht im Einklang mit dieser Verordnung stehenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden.

(2) …

Art. 82 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Haftung und Recht auf Schadenersatz

(1) Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

(2) …

Art. 84 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Sanktionen

(1) Die Mitgliedstaaten legen die Vorschriften über andere Sanktionen für Verstöße gegen diese Verordnung - insbesondere für Verstöße, die keiner Geldbuße gemäß Artikel 83 unterliegen - fest und treffen alle zu deren Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

(2) …


BVerfG: Abweichen von Abmahnung und Verfügungsantrag nur bei Verlassen des alten Streitgegenstands oder neuen Sachverhaltsumständen Verstoß gegen Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit

BVerfG
Beschluss vom 18.09.2023
1 BvR 1728/23


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das Abweichen von Abmahnung und Verfügungsantrag nur bei Verlassen des ursprünglichen Streitgegenstands oder neuen Sachverhaltsumständen einen Verstoß gegen den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit begründen kann.

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
Verfassungsbeschwerde gegen wettbewerbsrechtliche Eilentscheidung wegen fehlender Rechtswegerschöpfung erfolglos

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen eine ohne mündliche Verhandlung und ohne Anhörung der Beschwerdeführerin im Verfahren ergangene wettbewerbsrechtliche einstweilige Verfügung richtet. Damit wird der mit der Verfassungsbeschwerde verbundene Eilantrag gegenstandslos.

Die Beschwerdeführerin vertreibt kleine Solaranlagen (sogenannte Balkonkraftwerke) an Endverbraucher. Sie wurde von einem Wettbewerber wegen des Vorwurfs künstlich generierter Rezensionen auf einem Online-Bewertungsportal abgemahnt. Die Beschwerdeführerin teilte daraufhin mit, sich wegen Urlaubsabwesenheit ihrer Geschäftsführer erst nach Ablauf der gesetzten Frist äußern zu können. Auf Antrag des Wettbewerbers erließ das Landgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung gegen die Beschwerdeführerin, ohne diese zuvor anzuhören. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht sie einen Verstoß gegen die prozessuale Waffengleichheit (Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) und das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend.

Die Beschwerdeführerin hat eine Erschöpfung des Rechtswegs nicht dargetan. Für eine ausnahmsweise direkt gegen eine einstweilige Verfügung gerichtete Verfassungsbeschwerde, mit der unter Berufung auf die prozessuale Waffengleichheit eine Verletzung prozessualer Rechte geltend gemacht wird, bedarf es eines hinreichend gewichtigen Feststellungsinteresses. Dafür reicht es nicht aus, einen Verfahrensfehler geltend zu machen. Vielmehr müssen die Zivilgerichte die aus dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit folgenden Anforderungen grundsätzlich verkennen und ihre Praxis hieran unter Missachtung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht ausrichten. An der näheren Darlegung eines solchen Feststellungsinteresses fehlt es hier.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin wurde von einem Wettbewerber abgemahnt, der ihr vorhielt, auf einem Bewertungsportal im Internet künstlich generierte, nicht auf echten Kundenbeziehungen beruhende Rezensionen eingestellt zu haben.

Am Tag nach Ablauf der in der Abmahnung gesetzten Frist beantragte der Wettbewerber beim Landgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Im Verfügungsantrag sowie in der antragsgemäß und ohne Einbeziehung der Beschwerdeführerin erlassenen einstweiligen Verfügung wurde das Unterlassungsbegehren, das in der Abmahnung noch durch Verweis auf einen Internetlink zum Profil der Beschwerdeführerin auf dem Bewertungsportal näher beschrieben worden war, unter Bezugnahme auf Bildschirmfotografien (sogenannte Screenshots) fünf einzelner Rezensionen konkretisiert.

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, die einstweilige Verfügung hätte nicht ohne ihre Anhörung im Verfahren ergehen dürfen.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die gesetzlichen Annahmevoraussetzungen nicht erfüllt sind. Insbesondere liegen die Voraussetzungen, unter denen eine Verfassungsbeschwerde ausnahmsweise unmittelbar gegen eine einstweilige Verfügung selbst erhoben werden kann, nicht vor.

1. Bei der Geltendmachung einer Verletzung prozessualer Rechte unter Berufung auf die prozessuale Waffengleichheit im Wege einer auf Feststellung gerichteten Verfassungsbeschwerde bedarf es eines hinreichend gewichtigen Feststellungsinteresses. Dafür reicht es nicht aus, einen Verfahrensfehler geltend zu machen. Vielmehr müssen die Zivilgerichte die aus dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit folgenden Anforderungen grundsätzlich verkennen und ihre Praxis hieran unter Missachtung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht ausrichten.

2. An der näheren Darlegung eines solchen Feststellungsinteresses fehlt es hier.

a) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, ihre Anhörung im Verfahren sei wegen des von der Abmahnung abweichenden Unterlassungsbegehrens im Verfügungsantrag geboten gewesen, übergeht sie die Bedeutung der sogenannten Kerntheorie für lauterkeitsrechtliche einstweilige Verfügungen. Danach bezieht sich ein Unterlassungsgebot auf den Inhalt der zu unterlassenden Handlung und weniger auf ihre konkrete Formulierung im Einzelfall.

Jedenfalls fehlt es an einem Feststellungsinteresse, weil das mit der einstweiligen Verfügung ergangene Unterlassungsgebot, bezogen auf fünf konkrete Rezensionen, in der Sache als „Minus“ bereits in dem mit der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsbegehren hinsichtlich aller Rezensionen auf dem Profil der Beschwerdeführerin enthalten war.

b) Auch hinsichtlich der angeblich abweichenden Begründung des Verfügungsantrags verfehlt die Beschwerdeführerin die gebotene Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben für lauterkeitsrechtliche einstweilige Verfügungen. Danach ist eine Identität der rechtlichen Begründung nicht erforderlich; eine Grenze ist erst dort zu ziehen, wo der gerichtliche Verfügungsantrag den im Rahmen der außergerichtlichen Abmahnung geltend gemachten Streitgegenstand verlässt oder weitere Streitgegenstände und Sachverhaltsumstände neu einführt.

Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, dass der Wettbewerber im Verfügungsantrag erstmals auf diverse Angebote von Unternehmen hingewiesen habe, bei denen die Beschwerdeführerin gefälschte Bewertungen gekauft haben soll, erschließt sich aus ihren Ausführungen nicht, inwiefern darin eine waffengleichheitsrelevante Begründungsänderung liegen soll. Denn die Mutmaßung, dass die Beschwerdeführerin die beanstandeten Rezensionen „gekauft“ habe, dient nur der Illustration des streitgegenständlichen Vorwurfs unlauteren Verhaltens durch Verwendung solcher Rezensionen, bildet aber keinen neuen Streitgegenstand.

Soweit die Beschwerdeführerin ferner damit argumentiert, dass der Verfügungsantrag länger als die Abmahnung gewesen sei, zeigt sie allein damit noch keine inhaltliche Abweichung auf.

c) Die Darlegung eines hinreichend gewichtigen Feststellungsinteresses ist vorliegend auch nicht entbehrlich. Allein die fortgesetzte Belastung durch einen einseitig erstrittenen Unterlassungstitel reicht hierzu nicht aus. Vielmehr müsste die Beschwerdeführerin auch in der Sache durch die Unterlassungsverpflichtung belastet sein. Dafür, dass die Beschwerdeführerin einen durch die Schadensersatzpflicht gemäß § 945 ZPO nicht ausgleichbaren Nachteil erlitte, wenn sie die beanstandeten Rezensionen erst nach Abschluss des fachgerichtlichen Verfahrens wieder auf ihrem Profil auf dem verfahrensgegenständlichen Bewertungsportal einstellen könnte, ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Celle: Streitwertangabe für lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche in der Klageschrift hat bei eindeutiger Sach- und Rechtslage keine indizielle Bedeutung

OLG Celle
Beschluss vom 07.03.2023
13 W 3/23


Das OLG Celle hat entschieden, dass die Streitwertangabe für lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche in der Klageschrift bei eindeutiger Sach- und Rechtslage keine indizielle Bedeutung hat.

1. In Verfahren über Ansprüche aus dem UWG bestimmt sich der Streitwert nach der aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache (§ 51 Abs. 2 GKG). Bei der Unterlassungsklage eines Wirtschaftsverbandes (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) ist dessen Interesse im Regelfall ebenso zu bewerten wie das eines gewichtigen Mitbewerbers (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 12 Rn. 4.8 mwN). Die Gefährlichkeit der zu unterbindenden Handlung für den Wettbewerber ist anhand des drohenden Schadens zu bestimmen und hängt von den Umständen ab (aaO, Rn. 4.6). Zu berücksichtigen sind insbesondere die Unternehmensverhältnisse beim Verletzer, die Intensität des Wettbewerbs zum Verletzten, Ausmaß, Intensität, Häufigkeit und Auswirkungen möglicher künftiger Verletzungshandlungen, die Intensität der Wiederholungsgefahr, die sich nach dem Verschuldensgrad beurteilt, sowie die Nachahmungsgefahr (aaO).

2. Nach dieser Maßgabe sieht der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände einen Streitwert von 5.000 € als angemessen an.

a) Das wirtschaftliche Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers ist im Streitfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände insgesamt als eher gering zu bewerten.

Es handelt sich um einen Verstoß von eher geringer Intensität. Die Beklagte hat nicht beachtet, dass aufgrund einer Änderung von § 3 Abs. 1 Satz 1 der Spielverordnung seit dem 10. November 2019 in Gaststätten nicht mehr drei, sondern nur noch höchstens zwei Geldspielgeräte zulässig sind. Für einen vorsätzlichen Verstoß ist insoweit nichts ersichtlich. Naheliegend ist vielmehr, dass die Beklagte die Änderung der Spielverordnung nicht bemerkt hatte. Zu Lasten der Beklagten ist jedoch zu berücksichtigen, dass sie - trotz der Abmahnung durch den Kläger - das Gerät zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klagerhebung noch nicht entfernt hatte. Die Abmahnfrist war allerdings kurz bemessen (unter Berücksichtigung der Postlaufzeiten etwa eine Woche), sodass diese Nachlässigkeit noch nicht die Annahme eines schwereren Verstoßes rechtfertigt.

Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass durch den Verstoß bei einem gewichtigen Mitbewerber - etwa einem örtlichen Spielhallenbetreiber - ein größerer Schaden entsteht. Es ist wenig wahrscheinlich, dass das übliche Publikum einer Spielhalle in nennenswertem Umfang nicht mehr dort die Geldspielautomaten nutzt, sondern dafür das Café der Beklagten aufsucht, wenn dort nicht nur zwei, sondern drei Automaten vorhanden sind.

Bei der Bemessung des Streitwerts kann außerdem auch eine durch den Verstoß begründete Nachahmungsgefahr in Bezug auf andere Gastwirte berücksichtigt werden. Diese ist hier allerdings ebenfalls als eher gering zu bewerten, weil es wenig wahrscheinlich war, dass andere Gastronomen den nicht sonderlich auffälligen Verstoß der Beklagten zum Anlass nehmen, ebenfalls ein drittes Geldspielgerät anzubringen.

Der mit der streitgegenständlichen Regelung verfolgte Zweck der Suchtprävention wäre für die Bemessung des Streitwerts nur dann maßgeblich, wenn er sich gleichzeitig - über die vorstehend bereits berücksichtigten Umstände hinaus - auf die wirtschaftlichen Interessen des Mitbewerbers auswirken würde. Dies hat der Kläger weder dargetan noch ist es sonst ersichtlich.

b) Die Streitwertangabe in der Klagschrift (§ 63 GKG) führt zu keiner anderen Beurteilung.

Zwar trifft es zu und entspricht auch der Rechtsprechung des Senats, dass der Streitwertangabe eine indizielle Bedeutung zukommen kann (BGH, Beschluss vom 24. November 2022 - I ZR 25/22 - Rn. 12 unter Verweis auf den Beschluss vom 20. Mai 1977 - I ZR 17/76 - juris Rn. 3). Dies ist insbesondere der Fall, wenn angenommen werden kann, dass der betreffende Kläger und sein Prozessbevollmächtigter sich bei der Einreichung der Klage um eine realistische Einschätzung des Streitwerts bemühen, weil die Erfolgsaussicht der Klage noch ungewiss ist und der Kläger sich bei einem Unterliegen durch eine überhöhte Streitwertangabe im Ergebnis selbst belasten könnte. Wenn hingegen - wie im Streitfall - die Sach- und Rechtslage eindeutig ist und für den Kläger kein erkennbares Prozessrisiko besteht, kann seiner Streitwertangabe nur eine entsprechend geringere indizielle Bedeutung zukommen.

Dies gilt insbesondere, wenn sich - wie hier - aus einer nachfolgenden Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers ergibt, dass seine Streitwertangabe nicht auf einer zutreffenden Berücksichtigung der für die Streitwertbemessung geltenden Rechtslage beruht. Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers irrtümlich angenommen, bei der Bemessung des Streitwerts seien zusätzlich zu den wirtschaftlichen Interessen eines gewichtigen Wettbewerbers auch Suchtprävention und Spielerschutz zu berücksichtigen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BVerfG: Durch Verletzung des Rechts auf prozessuale Waffengleichheit beanstandete Verfahrensfehler müssen im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde konkret dargelegt werden

BVerfG
Beschluss vom 31.08.2023 - 1 BvR 1601/23
Beschluss vom 31.08.2023 - 1 BvR 1602/23


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass durch Verletzung des Rechts auf prozessuale Waffengleichheit beanstandete Verfahrensfehler im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde konkret und nachvollziehbar dargelegt werden müssen.

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
Verfassungsbeschwerden in äußerungsrechtlichen Eilverfahren wegen unzureichend dargelegter Verfahrensfehler unzulässig

Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zwei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die fachgerichtliche Untersagung einer Online-Berichterstattung richten. Die mit ihnen verbundenen Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen werden damit gegenstandslos.

Die Beschwerdeführerin zu 1) veröffentlichte in ihrem Online-Nachrichtenportal einen von der beschwerdeführenden Person zu 2) verfassten Beitrag mit dem Titel „Schwere Vorwürfe gegen Vorstandsmitglieder des (…) e.V.“ und der Unterzeile „Veruntreuung, Steuerhinterziehung, unklare Buchführung, Überweisungen in die Schweiz - die Liste der im Raum stehenden Verdächtigungen gegen den Vorstand des Vereins ist lang (…)“. Das Landgericht Berlin untersagte die Berichterstattung durch zwei einstweilige Verfügungen. Hiergegen wenden sich die Beschwerdeführenden mit ihren Verfassungsbeschwerden und rügen eine Verletzung ihres Rechts auf prozessuale Waffengleichheit. Das Landgericht habe sie zuvor nicht angehört, indem es ihnen die Antragsschrift (Verfahren 1 BvR 1601/23) beziehungsweise den letzten Schriftsatz der Gegenseite (Verfahren 1 BvR 1602/23) nicht zugeleitet habe. Auch hätte es einer mündlichen Verhandlung bedurft.

Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig. Zwar scheitern sie – anders, als im Verfahren 1 BvR 1612/23 (vgl. Pressemitteilung Nr. 78/2023 vom 6. September 2023) – nicht an einer fehlenden Rechtswegerschöpfung vor den Fachgerichten. Denn die Beschwerdeführenden bringen nachvollziehbar vor, die von ihnen gerügten Verfahrensfehler seien Ausdruck eines bewussten und systematischen Übergehens ihrer prozessualen Rechte durch die Pressekammer des Landgerichts Berlin. Allerdings haben sie die als Verletzung ihres Rechts auf prozessuale Waffengleichheit beanstandeten Verfahrensfehler nicht nachvollziehbar dargetan.

Sachverhalt:

Am 2. Juni 2023 veröffentlichte die Beschwerdeführerin zu 1) in dem von ihr betriebenen Online-Nachrichtenportal einen von der beschwerdeführenden Person zu 2) verfassten Beitrag mit dem in der Einleitung genannten Titel über verschiedene gegen Vorstandsmitglieder des Vereins (…) e.V. gerichtete Vorwürfe. Auf zeitnahe Abmahnungen des Vereins und zweier Vorstandsmitglieder gaben die Beschwerdeführenden keine Erklärungen ab.

Gut einen Monat später beantragten vier Vorstandsmitglieder des Vereins wegen einzelner zuvor abgemahnter Äußerungen den Erlass einer einstweiligen Verfügung bei der Pressekammer des Landgerichts Berlin (Verfahren 1 BvR 1601/23). Ein weiteres Vorstandsmitglied stellte einen entsprechenden Antrag wegen weiterer, auf seine Person bezogener Äußerungen (Verfahren 1 BvR 1602/23). Die Beschwerdeführenden bringen vor, im Verfahren 1 BvR 1601/23 sei ihnen schon die Antragsschrift nicht zugeleitet worden. Im Verfahren 1 BvR 1602/23 hätten sie zwar zur Antragsschrift Stellung genommen, zu der nachfolgenden Erwiderung des antragstellenden Vorstandsmitglieds seien sie jedoch nicht mehr angehört worden.

Mit angegriffenen Beschlüssen vom 18. Juli 2023 (Verfahren 1 BvR 1601/23) und vom 25. Juli 2023 (Verfahren 1 BvR 1602/23) untersagte das Landgericht den Beschwerdeführenden im Wege der einstweiligen Verfügung „wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung“ die abgemahnten Äußerungen.

Hiergegen legten die Beschwerdeführenden Widerspruch ein. Das Landgericht habe in beiden Fällen gegen den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit verstoßen, da sie vor Erlass der einstweiligen Verfügungen nicht angehört worden seien. Soweit die Kammer von einer mündlichen Verhandlung abgesehen habe, verletze auch dies die prozessuale Waffengleichheit. Während die Antragsteller ihren ohnehin verspäteten Antrag am 3. Juli 2023 gestellt hätten, habe die Kammer ihren Beschluss erst am 18. Juli 2023 beziehungsweise am 25. Juli 2023 erlassen.

Am 18. August 2023 haben die Beschwerdeführenden mit der gleichen Begründung Verfassungsbeschwerde erhoben.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig. Zwar haben die Beschwerdeführenden den Rechtsweg erschöpft, da die unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit gerügte Rechtsverletzung nicht ausschließlich einen fachgerichtlich angreifbaren Verfahrensfehler beinhaltet, für den es im Hinblick auf § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG bei der vorrangigen Zuständigkeit der Fachgerichte verbleibt. Die Verfassungsbeschwerden genügen jedoch offensichtlich nicht den gesetzlichen Anforderungen, da ihre jeweilige Begründung die als Verletzung ihres Rechts auf prozessuale Waffengleichheit beanstandeten Verfahrensfehler inhaltlich nachvollziehbar nicht erkennen lässt.

1. Das gilt zunächst für die Rüge der Beschwerdeführenden, vor den angegriffenen Entscheidungen nicht durch das Landgericht angehört worden zu sein.

a) Soweit sich die Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 1601/23 darauf beziehen, den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nicht zur Stellungnahme erhalten zu haben, geht aus den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens hervor, dass das Landgericht am 4. Juli 2023 die formlose Übersendung beglaubigter Abschriften der Antragsschrift nebst Anlagen an die Beschwerdeführenden zur Stellungnahme binnen drei Tagen verfügt hatte und diese Verfügung am 5. Juli 2023 ausgeführt wurde. Bei dieser Sachlage ist ein bewusstes und systematisches Übergehen ihrer prozessualen Rechte nicht ersichtlich.

b) Im Verfahren 1 BvR 1602/23 stützen sich die Beschwerdeführenden maßgeblich darauf, zum erwidernden Schriftsatz des Antragstellers vom 17. Juli 2023 auf ihre vorherige Stellungnahme vom 10. Juli 2023 durch das Landgericht nicht ein weiteres Mal angehört worden zu sein. Auch damit ist eine Verletzung von Rechten im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG nicht nachvollziehbar dargetan.

Zwar gewährleistet das Grundrecht auf rechtliches Gehör die Gelegenheit, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern, also grundsätzlich zu jeder dem Gericht zur Entscheidung unterbreiteten Stellungnahme der Gegenseite. Verwertet das Gericht eine solche Stellungnahme, ohne sie dem Betroffenen zur Kenntnis gebracht zu haben, liegt hierin daher eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Die Beschwerdeführenden legen aber weder dar, welcher der in der Erwiderung des Antragstellers vom 17. Juli 2023 vorgetragenen Gesichtspunkte zuvor nicht bereits Gegenstand des Verfahrens gewesen sei, noch, welchen Gesichtspunkt das Landgericht in seiner angegriffenen Entscheidung verwertet habe, der ihnen zuvor nicht zur Kenntnis gebracht worden sei.

2. Soweit die Beschwerdeführenden eine Verletzung ihres Rechts auf prozessuale Waffengleichheit ferner unter dem Aspekt einer unterbliebenen mündlichen Verhandlung rügen, ist auch dies in beiden Verfahren nicht hinlänglich dargetan.

a) Eine Dringlichkeit, die die nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotene Anhörung des Gegners ausnahmsweise entbehrlich macht, ist im Regelfall zu verneinen, wenn der Antragsteller vom Ablauf der außergerichtlich eingeräumten Äußerungsfrist bis zur gerichtlichen Antragstellung ein Mehrfaches jener Zeit verstreichen lässt, die er dem Antragsgegner als außergerichtliche Frist gewährt hatte. Hingegen begründet Art. 103 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung, sondern gestaltet § 937 Abs. 2 ZPO die Frage, ob mündlich zu verhandeln sei, zunächst einfachrechtlich aus. Ein zeitlicher Verlauf, der es nicht mehr gestattet, von einer Anhörung des Gegners abzusehen, schließt daher das Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht notwendig aus.

b) Eine mit diesen Maßstäben unvereinbare Verfahrenshandhabung ist nicht ersichtlich. Das Verfahren betrifft eine aktuelle, im Internet abrufbare Berichterstattung. Weshalb es der Pressekammer nicht nur möglich, sondern sie – nicht nur einfachrechtlich (§ 937 Abs. 2 ZPO), sondern von Verfassungs wegen – gehalten gewesen sei, statt der gewählten schriftlichen Verfahrensweise einen Termin zur mündlichen Verhandlung noch auf einen Zeitpunkt vor dem 18. Juli 2023 beziehungsweise dem 25. Juli 2023 zu bestimmen, ist unter Berücksichtigung des den Fachgerichten in dieser Frage eingeräumten weiten Wertungsrahmens nicht dargetan. Insbesondere setzen sich die Beschwerdeführenden nicht hinlänglich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinander, wonach die Fachgerichte davon ausgehen dürfen, dass das Presserecht grundsätzlich von dem Erfordernis einer schnellen Reaktion geprägt und das Absehen von einer mündlichen Verhandlung nach § 937 Abs. 2 ZPO daher nicht selten sogar geboten ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Beschluss vom 31.08.2023 - 1 BvR 1601/23
Beschluss vom 31.08.2023 - 1 BvR 1602/23


OLG Hamm: Schadensersatz in Facebook-Scraping-Fällen nur wenn ein konkreter Schaden nachgewiesen wird - Verstoß gegen DSGVO und Gefühl des Kontrollverlustes seitens des Betroffenen genügt nicht

OLG Hamm
Urteil vom 15.08.2023
7 U 19/23


Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch in Facebook-Scraping-Fällen nur dann besteht, wenn ein konkreter Schaden nachgewiesen wird. Der Verstoß gegen die DSGVO und das Gefühl des Kontrollverlustes seitens des Betroffenen genügt nicht allein nicht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Leitentscheidung zu Facebook-Scraping

Das Oberlandesgericht Hamm hat ein erstes Urteil zu den sogenannten Facebook-Scraping-Fällen gesprochen und eine Klage auf Zahlung von Schadensersatz nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) abgewiesen. Nach dem Urteil liegen zwar Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften vor, einen immateriellen Schaden konnte die Klägerin jedoch nicht ausreichend darlegen.

Im April 2021 veröffentlichten Unbekannte die Daten von etwa 500 Millionen Facebook-Nutzern im Darknet, darunter Namen und Telefonnummern. Die Daten hatten die Unbekannten zuvor über einen längeren Zeitraum zunächst unter Ausnutzung der seinerzeitigen Suchfunktionen von Facebook gesammelt, weshalb von „Scraping“ gesprochen wird (von engl. to scrape für zusammenkratzen). Auch dann, wenn die Anzeige der eigenen Telefonnummer bei Facebook nicht aktiviert war, war es über die Suchfunktion möglich, einen Nutzer über eine eingegebene Telefonnummer zu identifizieren. Dies nutzen die unbekannten „Scraper“ aus, indem sie millionenfach Telefonnummern mit dem Computer generierten und hierzu Daten abriefen. Facebook deaktivierte die Suchfunktion für Telefonnummern im April 2018. Auf ein daraufhin angepasstes Scraping-Verfahren, das die Kontaktimportfunktion von Facebook ausnutzte, wurden weitere Daten abgegriffen, bis Facebook auch diese Funktion auf der Plattform im Oktober 2018 und im Facebook-Messenger im September 2019 deaktivierte.

Im Hinblick auf dieses „Datenleck“ sind bundesweit zahlreiche Klagen gegen Meta als Betreiberin der Plattform anhängig, so auch im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm, für den nunmehr die erste Entscheidung vorliegt. Der für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige 7. Zivilsenat klärt darin zahlreiche Rechtsfragen im Zusammenhang mit den Scraping-Klagen.

Auch die Klägerin im nun entschiedenen Verfahren war von dem Scraping betroffen. In dem im Darknet veröffentlichten Datensatz fanden sich ihre Mobiltelefonnummer, ihr Vor- und Nachname sowie die Angabe ihres Geschlechts. Die Klägerin hat von Meta als Betreiberin der Plattform unter anderem eine Entschädigung für immaterielle Schäden ähnlich einem Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1.000 Euro verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Betreiberin der Plattform habe sowohl im Zusammenhang mit dem Scraping als auch unabhängig davon gegen verschiedene Vorschriften des Datenschutzes aus der DSGVO verstoßen. Dem ist Meta entgegengetreten.

Das Landgericht Bielefeld hatte die Klage zurückgewiesen. Die von der Klägerin eingelegte Berufung ist nun vor dem Oberlandesgericht Hamm ohne Erfolg geblieben. Zwar hat das Oberlandesgericht Verstöße gegen die DSGVO festgestellt. Von einem immateriellen Schaden der Klägerin konnte es sich jedoch nicht überzeugen.

Zu den festgestellten Verstößen gegen die DSGVO geht das Oberlandesgericht im Ausgangspunkt davon aus, dass es auch im Zivilprozess Aufgabe des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen – hier Meta – ist, die zulässige Verarbeitung dieser Daten nach der DSGVO nachzuweisen. Auch die Weitergabe von Daten an Dritte auf eine Suchfunktion oder eine Kontaktimportfunktion ist dabei Datenverarbeitung im Sinne der DSGVO. Meta konnte hier nicht nachweisen, dass die Weitergabe der Mobiltelefonnummer der Klägerin im Rahmen der Such- oder Kontaktimportfunktion nach der DSGVO gerechtfertigt war. Auf die Erfüllung des Vertragszwecks als Rechtfertigungsgrund nach der DSGVO kann sich Meta dabei nicht berufen, da die Verarbeitung der Mobiltelefonnummer für die Vernetzung der Nutzerinnen und Nutzer von Facebook untereinander unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Datensparsamkeit nicht zwingend erforderlich ist. Für die Verarbeitung der Mobiltelefonnummer bedarf es daher einer Einwilligung der Nutzerin oder des Nutzers. Eine solche wurde hier schon deswegen nicht wirksam erteilt, weil bei der seinerzeit erteilten Einwilligung der Klägerin in unzulässiger Weise mit von der Nutzerin auf Wunsch abwählbaren Voreinstellungen gearbeitet wurde („opt-out“) und die Informationen über die Such- und Kontaktimportfunktion unzureichend und intransparent waren.

Auch eine grundsätzlich zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung hat das Oberlandesgericht bejaht, da Meta trotz der konkreten Kenntnis von dem Datenabgriff im vorliegenden Fall naheliegende Maßnahmen zur Verhinderung weiteren unbefugten Datenabgriffs nicht ergriffen hatte.

Das Oberlandesgericht hat der Klägerin im Ergebnis aber dennoch keinen Schadensersatz zuerkannt. Die Klägerin hat hier lediglich immaterielle Schäden geltend gemacht, was nach der DSGVO grundsätzlich möglich ist und zu einer Entschädigung ähnlich einem Schmerzensgeld führen kann. Allerdings ist es der Klägerin nicht gelungen, einen konkreten immateriellen Schaden darzulegen. Dabei geht das Oberlandesgericht davon aus, dass der immaterielle Schaden nicht in dem bloßen Verstoß gegen die DSGVO selbst liegen kann, sondern darüberhinausgehende persönliche bzw. psychologische Beeinträchtigungen eingetreten sein müssen. Solche hat die Klägerin jedoch nicht individuell dargelegt. Der zu einer Vielzahl an ähnlich gelagerten Verfahren identische, pauschale Vortrag, die „Klägerpartei“ habe Gefühle eines Kontrollverlusts, eines Beobachtetwerdens und einer Hilflosigkeit, insgesamt also das Gefühl der Angst entwickelt und Aufwand an Zeit und Mühe gehabt, reicht zur Darlegung einer konkret-individuellen Betroffenheit der Klägerin nicht aus. Auch ist der hier in Rede stehende Datenmissbrauch, der zur ungewollten Veröffentlichung von Name und Mobiltelefonnummer geführt hat, nicht so schwerwiegend, dass der Eintritt eines immateriellen Schadens ohne weiteres naheliegt. Hinzu kommt, dass die Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht lediglich ausgeführt hatte, sie habe ein „Gefühl der Erschrockenheit“ erlitten.

Das Oberlandesgericht hat den Streitwert für das gesamte Verfahren – in dem auch erfolglos weitere Anträge auf Feststellung, Unterlassung und Auskunft geltend gemacht worden waren – mit lediglich 3.000 Euro bewertet. Es hat keinen Anlass gesehen, das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen oder die Revision zuzulassen, da die entscheidenden Rechtsfragen jüngst durch den Europäischen Gerichtshof geklärt wurden.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 15. August 2023, Az. 7 U 19/23; Vorinstanz: Landgericht Bielefeld, Urteil vom 19. Dezember 2022, Az. 8 O 157/22.

Die Entscheidung ist veröffentlicht unter www.nrwe.de externer Link, öffnet neues Browserfenster / neuen Browser-Tab.

Bernhard Kuchler
Pressedezernent

Für die Entscheidung relevante Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Art. 4 – Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck: […]
2. "Verarbeitung" jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung; […]

Art. 5 – Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten
(1) Personenbezogene Daten müssen
a) auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden ("Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz");
b) für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden; eine Weiterverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gilt gemäß Artikel 89 Absatz 1 nicht als unvereinbar mit den ursprünglichen Zwecken ("Zweckbindung");
c) dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein ("Datenminimierung"); […]

(2) Der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes 1 verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können ("Rechenschaftspflicht").

Art. 6 – Rechtmäßigkeit der Verarbeitung
(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;
b) die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen; […]

Art. 7 – Bedingungen für die Einwilligung
(1) Beruht die Verarbeitung auf einer Einwilligung, muss der Verantwortliche nachweisen können, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat.
(2) Erfolgt die Einwilligung der betroffenen Person durch eine schriftliche Erklärung, die noch andere Sachverhalte betrifft, so muss das Ersuchen um Einwilligung in verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache so erfolgen, dass es von den anderen Sachverhalten klar zu unterscheiden ist. Teile der Erklärung sind dann nicht verbindlich, wenn sie einen Verstoß gegen diese Verordnung darstellen. […]

Art. 32 – Sicherheit der Verarbeitung
(1) Unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen treffen der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten; […]

Art. 82 – Haftung und Recht auf Schadenersatz
(1) Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. […]




BVerfG: Verfassungsbeschwerde kann nicht allein darauf gestützt werden dass das Gericht in einem äußerungsrechtlichem Eilverfahren eine hinterlegte Schutzschrift nicht beachtet hat

BVerfG
Beschluss vom 25.08.2023
1 BvR 1612/23


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass eine Verfassungsbeschwerde nicht allein darauf gestützt werden kann, dass das Gericht in einem äußerungsrechtlichem Eilverfahren eine hinterlegte Schutzschrift nicht beachtet hat.

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
Verfassungsbeschwerde in äußerungsrechtlichem Eilverfahren mangels Rechtswegerschöpfung unzulässig

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die fachgerichtliche Untersagung mehrerer Äußerungen auf einer Internetseite richtet. Der mit ihr verbundene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird damit gegenstandslos.

Die Beschwerdeführer, eine lokale politische Initiative und ihr Vorstand, wenden sich mit ihrer am 19. August 2023 erhobenen Verfassungsbeschwerde gegen eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Potsdam, durch die ihnen teilweise untersagt wurde, auf der von ihnen verantworteten Internetseite „Potsdam – Stadt für alle“ über ein mit Immobilieninvestitionen in Potsdam engagiertes, im internationalen Erdölhandel tätiges Unternehmen zu berichten. Sie rügen eine Verletzung ihres Rechts auf prozessuale Waffengleichheit; das Landgericht habe entschieden, ohne eine im zentralen Schutzschriftenregister hinterlegte Schutzschrift der Beschwerdeführer zur Kenntnis zu nehmen. Ebenfalls am 19. August 2023 legten die Beschwerdeführer beim Landgericht Potsdam Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ein.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Beschwerdeführer den Rechtsweg vor den Fachgerichten nicht ausgeschöpft haben. Zwar verletzt die Außerachtlassung der hinterlegten Schutzschrift das Recht der Beschwerdeführer auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG. Allerdings ist ein solcher einzelner Verfahrensfehler regelmäßig nicht geeignet, ein bewusstes und systematisches Übergehen prozessualer Rechte von Verfahrensbeteiligten darzutun. Es verbleibt dann bei der vorrangigen Zuständigkeit der Fachgerichte. Eine auf die Rüge der prozessualen Waffengleichheit gestützte Verfassungsbeschwerde ist in einem solchen Fall erst zulässig, wenn der vor den Fachgerichten eröffnete Rechtsweg erschöpft ist.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer, eine lokale politische Initiative in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins und dessen Vorstand, verantworten im Rahmen des Vereinsprojekts „Potsdam – Stadt für alle“ eine gleichnamige Internetseite. Am 25. Juli 2023 veröffentlichten sie auf dieser Seite einen Beitrag über ein mit Immobilieninvestitionen in Potsdam engagiertes, im internationalen Erdölhandel tätiges Unternehmen mit dem Titel „Wie Profite aus dem Geschäft mit russischen Erdölprodukten in Potsdam angelegt werden“. Dieses und sein Inhaber und Geschäftsführer forderten die Beschwerdeführer am 2. August 2023 außergerichtlich zur Abgabe vertragsstrafenbewehrter Unterlassungserklärungen auf. Daraufhin hinterlegten die Beschwerdeführer eine Schutzschrift im zentralen Schutzschriftenregister. Darin erklärten sie unter anderem, sich gegen die erhobenen Ansprüche zur Wehr zu setzen.

Mit angegriffenem Beschluss vom 14. August 2023 untersagte das Landgericht Potsdam den Beschwerdeführern, wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung, die Verbreitung mehrerer Äußerungen aus dem veröffentlichten Beitrag. Gegen diesen Beschluss legten die Beschwerdeführer am 19. August 2023 Widerspruch ein. Zur Begründung stützten sie sich unter anderem auf eine Verletzung ihres Rechts auf prozessuale Waffengleichheit, da das Landgericht die einstweilige Verfügung erlassen habe, ohne ihre Schutzschrift zur Kenntnis zu nehmen.

Ebenfalls am 19. August 2023 haben die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Diese sei hinsichtlich einer Rüge der prozessualen Waffengleichheit zulässig. Die Beschwerdeführer richteten sich gegen eine bewusste Übergehung ihrer prozessualen Rechte. Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet. Das Landgericht sei insbesondere gehalten gewesen, die von den Beschwerdeführern hinterlegte Schutzschrift zur Kenntnis zu nehmen.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, da die Beschwerdeführer eine Erschöpfung des Rechtswegs entgegen § 90 Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes nicht dargetan haben.

1. Eine Verfassungsbeschwerde kann ausnahmsweise unmittelbar gegen eine einstweilige Verfügung selbst erhoben werden, wenn zwar andere Rechtsverletzungen – auch ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör – fachgerichtlich angegriffen werden können, die Rügen der Verfassungsbeschwerde sich aber auf eine Rechtsverletzung unmittelbar durch die Handhabung des Prozessrechts im Verfahren über den Erlass der einstweiligen Verfügung selbst richten. Das Bundesverfassungsgericht hat dies wiederholt angenommen, wenn sich der Beschwerdeführer gegen ein seinem Vorbringen nach bewusstes und systematisches Übergehen seiner prozessualen Rechte wendet. Beinhaltet die unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit gerügte Rechtsverletzung demgegenüber ausschließlich einen fachgerichtlich angreifbaren Verfahrensfehler, verbleibt es bei der vorrangigen Zuständigkeit der Fachgerichte.

2. Hieran gemessen, haben die Beschwerdeführer eine Erschöpfung des Rechtswegs nicht dargetan.

a) Wird eine Schutzschrift im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht berücksichtigt, kann das Recht des Antragsgegners auf prozessuale Waffengleichheit zwar verletzt werden. Das bedeutet allerdings nicht, das für den hiermit gerügten Verfahrensfehler ein fachgerichtlicher Rechtsbehelf von vornherein ausgeschlossen ist.

Die Außerachtlassung einer hinterlegten Schutzschrift verletzt das grundrechtsgleiche Recht des Antragsgegners auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG. Besteht für eine Gehörsverletzung jedoch noch fachgerichtlicher Rechtsschutz, hat der Beschwerdeführer für die Zulässigkeit einer auf die Verletzung der prozessualen Waffengleichheit gestützten Verfassungsbeschwerde vorzutragen, welche über den Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG hinausgehende Rechtsverletzung er rügt, für die es an fachgerichtlichem Rechtsschutz fehlt. Stützt er hierzu seine Rüge – wie im vorliegenden Fall – auf eine bewusste und systematische Übergehung seiner prozessualen Rechte, bedarf es daher entsprechenden Vortrags, mit dem die Gehörsverletzung nicht als bloßer Verfahrensfehler, sondern nachvollziehbar als bewusste und systematische Übergehung seiner prozessualen Rechte dargetan ist.

b) Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, haben die Beschwerdeführer eine bewusste und systematische Übergehung ihrer prozessualen Rechte nicht nachvollziehbar dargetan.

Ein einzelner Verfahrensfehler ist regelmäßig nicht geeignet, ein bewusstes und systematisches Übergehen prozessualer Rechte von Verfahrensbeteiligten darzutun. Es kann sich dabei ebenso um ein bloßes Versäumnis handeln, das mit weitergehenden Gründen der Verfahrenshandhabung nicht einhergeht. Das gilt auch dann, wenn ein Verfahrensfehler – wie im hier gegebenen Fall einer Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG – zugleich eine Verletzung von Verfassungsrecht beinhaltet. Denn auch das besondere rechtliche Gewicht eines Verfahrensfehlers besagt regelmäßig nichts über die Gründe der Verfahrenshandhabung, auf denen er beruht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Baden-Baden: Verstoß gegen DSGVO durch Verarbeitung personenbezogener Daten auf privaten Kommunikationsgeräten von Mitarbeitern - Auskunftsanspruch und Unterlassungsanspruch

LG Baden-Baden
Urteil vom 24.08.2023
3 S 13/23


Das LG Baden-Baden hat entschieden, dass ein gegen die Vorgaben der DSGVO durch Verarbeitung personenbezogener Daten auf privaten Kommunikationsgeräten von Mitarbeitern vorliegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Berufung über Klage auf Geltendmachung von Ansprüchen nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wegen eigenmächtiger Verarbeitung von Kundendaten auf privatem Account hat Erfolg.

Unternehmen wird zur Auskunft über ihre Mitarbeiter, die Kundendaten privat verarbeitet haben und dazu verurteilt, ihren Mitarbeitern die Verwendung der Daten auf privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen.

Durch Urteil vom 24.08.2023 (Az. 3 S 13/23) hat das Landgericht Baden-Baden ein Unternehmen dazu verurteilt, einer Kundin die Namen ihrer Mitarbeiter zu benennen, die in dem Unternehmen erhobene Kundendaten privat verarbeitet haben. Darüber hinaus ist das Unternehmen dazu verurteilt worden, ihren Mitarbeitern die fortgesetzte Verwendung der personenbezogenen Kundendaten auf ihren privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sehe einen Auskunftsanspruch der Kundin nach Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO vor, der sich vorliegend auch darauf erstreckte, der klagenden Kundin die Mitarbeiter der Beklagten als Empfänger im Sinne von Art. 4 Ziff. 9 DSGVO zu benennen, denen gegenüber die personenbezogenen Daten der Klägerin offengelegt worden sind und die diese privat verarbeitet haben, etwa weil sie diese auf einem privaten Account eines sozialen Netzwerks genutzt haben. Zwar seien Arbeitnehmer eines für die Datenverarbeitung Verantwortlichen grundsätzlich nicht als Empfänger anzusehen. Dies gelte aber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 22.06.2023, C-579/21, Rn. 75) nur dann, wenn sie unter der Aufsicht des Verantwortlichen und im Einklang mit seinen Weisungen die Daten verarbeiteten. Demgegenüber habe in dem zu entscheidenden Fall zumindest eine Mitarbeiterin der Beklagten zur Klärung von Fragen im Zusammenhang mit dem Kauf eines Fernsehers den Kontakt zu einer Kundin eigenmächtig über ihren privaten Account hergestellt. Da für die Kundin die Nennung der Mitarbeiter erforderlich sei, um die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu überprüfen und ggf. weitere nach der DSGVO zustehende Ansprüche gegen die Mitarbeiter geltend machen zu können, bestehe vorliegend ein Auskunftsanspruch auf Nennung der Mitarbeiter. Denn eine vorzunehmende Abwägung der in Rede stehenden Rechte und Freiheiten der Kundin einerseits und der Mitarbeiter andererseits führe im Hinblick darauf, dass die Nutzung der Kundendaten auf privaten Accounts entgegen den Weisungen und den üblichen Gepflogenheiten des Unternehmens eigenmächtig durch die Mitarbeiterin der Beklagten erfolgt sei, dazu, dass das Interesse der Mitarbeiter, anonym zu bleiben, nicht schutzwürdig sei und gegenüber den Interessen der Kundin auf Geltendmachung ihrer Ansprüche nach der DSGVO zurückzustehen habe.

Darüber hinaus stehe der Kundin nach §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 DSGVO ein Anspruch darauf zu, dass das beklagte Unternehmen ihren Mitarbeitern, die bei der Beklagten erhobene personenbezogene Daten der Klägerin auf privaten Kommunikationsgeräten verwendet haben, die fortgesetzte Verwendung untersage. Die Beklagte sei als mittelbare Handlungsstörerin verantwortlich und verpflichtet, die ihren Weisungen unterliegenden Mitarbeiter der Beklagten dazu anzuhalten, die weisungswidrige fortgesetzte Verwendung der in dem Unternehmen erhobenen personenbezogenen Daten der Kundin zu unterlassen.

Das Landgericht hat die Revision gegen das Urteil vom 24.08.2023 nicht zugelassen. Ein Rechtsmittel gegen das Urteil ist damit nicht statthaft.

Zum Hintergrund:

Die Kundin hatte im Juni 2022 bei dem beklagten Unternehmen einen Fernseher und eine Wandhalterung erworben. In dem Zusammenhang wurden von ihr der Name und ihre Anschrift erfasst. Wenige Tage darauf gab sie die Wandhalterung wieder zurück, wobei ihr versehentlich der wesentlich höhere Kaufpreis für den Fernseher erstattet wurde.

Als das Versehen in dem Unternehmen bemerkt wurde verfasste eine Mitarbeiterin des Unternehmens über ihren privaten Account eines sozialen Netzwerks noch am gleichen Tag eine Nachricht an die Kundin, mit der sie auf das Versehen aufmerksam machte und um Rückmeldung bat. Darüber hinaus erhielt die Kundin ebenfalls noch an diesem Tag über Instagram eine weitere Nachricht, in der sie aufgefordert wurde, sich deshalb mit dem „Chef“ der Instagram-Nutzerin in Verbindung zu setzen.

Die Kundin hat mit ihrer gegen das Unternehmen gerichteten Klage die Auskunft begehrt, mitzuteilen, an welche Mitarbeiter der Beklagten ihre personenbezogenen Daten herausgegeben oder übermittelt wurden und darüber hinaus beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Mitarbeitern die Nutzung der personenbezogenen Daten der Kundin auf privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen.

Das beklagte Unternehmen ist der Klage entgegen getreten.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, der Auskunftsanspruch bestehe nicht, da Mitarbeiter eines Unternehmens keine „Empfänger“ im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO, Art. 4 Nr. 9 DSGVO seien. Die begehrte Verurteilung, den Mitarbeiter der Beklagten die Nutzung der personenbezogenen Daten der Kundin auf ihren privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen, sei nicht begründet.

Hiergegen hat sich die Berufung der Klägerin gerichtet, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt hat.

1. Instanz: Amtsgericht Bühl, Urteil vom 21.02.2023 – 3 C 210/22

2. Instanz: Landgericht Baden-Baden, Urteil vom 24.08.2023 - 3 S 13/23

Einschlägige Vorschriften:

Art. 15 DSGVO:

Abs. 1: Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:



c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen

….

Art. 4 DSGVO:

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

1. „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann;

2. „Verarbeitung“ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung;



9.. „Empfänger“ eine natürliche oder juristische Person, …, der personenbezogene Daten offengelegt werden, unabhängig davon, ob es sich bei ihr um einen Dritten handelt oder nicht. …

§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1)

Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.



§ 823 BGB Schadensersatzpflicht

(1)

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2)

Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

OLG Köln: Entfernung von Meta-Daten aus Bilddatei zwar keine Urheberrechtsverletzung aber Anspruch nach §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95c Abs. 1 und 3 UrhG möglich

OLG Köln
Urteil vom 02.06.2023
6 U 17/23

Das OLG Köln hat entschieden, dass die Entfernung von Meta-Daten aus einer Bilddatei zwar keine Urheberrechtsverletzung ist, aber ein Anspruch nach §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95c Abs. 1 und 3 UrhG bestehen kann. In dem hier vorliegenden Fall hat das Gericht aber einen Anspruch aufgrund der vertraglichen Regelung zwischen den Parteien verneint.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Anders als das Landgericht angenommen hat besteht ein Unterlassungsanspruch des Antragstellers in der Sache nicht. Unschädlich ist es zwar, dass die vom Landgericht herangezogene Anspruchsgrundlage des § 97 Abs. 1 UrhG nicht einschlägig ist (dazu a)). Mit dem Landgericht geht der Senat auch von einer Entfernung der Metadaten durch den Antragsgegner bzw. einen von diesem beauftragten Dienstleister aus (dazu b)). Die Voraussetzungen des § 95c UrhG sind jedoch jedenfalls hinsichtlich des Merkmals der Unbefugtheit nicht erfüllt bzw. ist insoweit eine Duldungspflicht des Antragstellers anzunehmen (dazu c)).

a) Soweit das Landgericht als Anspruchsgrundlage § 97 Abs. 1 UrhG herangezogen hat (so auch bereits LG Köln, Urteil vom 23.11.2005, 28 S 6/05, BeckRS 2006, 3836 zur Verletzung der Vorschrift des § 95a UrhG), teilt der Senat diese Auffassung nicht.

Der Bundesgerichtshof hat zu einem auf die Verletzung des § 95a UrhG gestützten Auskunftsanspruch ausgeführt, dass es sich bei letzterer Bestimmung zwar um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 S. 1 BGB zu Gunsten der Inhaber von Urheberrechten und Leistungsschutzrechten handele, die wirksame technische Maßnahmen zum Schutz ihrer urheberrechtlich geschützten Werke und Leistungen einsetzen. Die Regelung begründe jedoch weder ein Urheberrecht noch ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht dieser Rechtsinhaber. Zu den anderen nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechten im Sinne von §§ 97 Abs. 1 S. 1, 98 Abs. 1 S. 1 UrhG zählten nur absolute Rechte. Die Bestimmung des § 95a UrhG schaffe jedoch kein absolutes Recht, sondern regele lediglich Verhaltenspflichten, die unmittelbar dem Schutz technischer Maßnahmen und mittelbar dem Schutz der durch diese technischen Maßnahmen urheberrechtlich geschützten Werke und Leistungen dienten. Ein Verstoß gegen § 95a Abs. 3 UrhG verletzt daher weder das Urheberrecht noch ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht im Sinne von §§ 97 Abs. 1 S. 1, 98 Abs. 1 S. 1 UrhG (BGH GRUR 2015, 672, 678 Rn. 68 - Nintendo II).

Diese Auffassung ist zwar nicht gänzlich unumstritten (zum Streitstand Wandtke/Ohst, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 6. Aufl. 2022, § 95a Rn. 89), überzeugt aber angesichts des Wortlauts und Sinngehalts des § 97 Abs. 1 UrhG, weshalb sich der Senat ihr anschließt. Die zu § 95a UrhG angestellten Erwägungen des Bundesgerichtshofs lassen sich auch ohne weiteres auf die durch § 95c geschützten Informationen für die Rechtewahrnehmung übertragen, da diese ebenfalls mittelbar dem Schutz der urheberrechtlich geschützten Werke und Leistungen dienen, indem sie die Manipulation von in digitale Dateien eingebetteten elektronischen Informationen verbieten und diesbezüglich Verhaltenspflichten begründen.

Selbst bei fehlender Einschlägigkeit des § 97 Abs. 1 UrhG kommt jedoch ein auf §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95c Abs. 1 und 3 UrhG gestützter Unterlassungsanspruch grundsätzlich in Betracht (vgl. Specht-Riemenschneider, in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl. 2022, § 95c Rn. 3). Denn die Frage der Schutzgesetzeigenschaft ist bei § 95c UrhG nicht anders zu beurteilen als bei § 95a UrhG (vgl. Lindhorst, in: BeckOK UrhR, 37. Ed. 1.2.2023, § 95c Rn. 13). § 1004 BGB schützt zwar nach seinem Wortlaut unmittelbar nur das Eigentum, wird jedoch nach einhelliger Auffassung entsprechend auf durch § 823 Abs. 2 BGB geschützte Rechte angewendet (Grünewald/Herrler, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1004 Rn. 4 m.w.N.).


b) Die Annahme des Landgerichts, wonach die Benennung des Antragstellers in den Metadaten der streitgegenständlichen Fotografien einerseits und die Löschung dieser Daten andererseits § 95c UrhG unterfällt und glaubhaft gemacht ist, hält den Angriffen der Berufung stand.

Die in Rede stehenden Metadaten sind „Informationen für die Rechtewahrnehmung“ im Sinne von § 95c Abs. 2 UrhG. Dies hat der Senat für EXIF-Daten wie hier bereits entschieden (Senat GRUR-RR 2017, 212, 214 Rn. 24 sowie Urteil vom 01.04.2022, 6 U 149/21, S. 10, nicht veröffentlicht). Unzulässig ist zum einen deren Entfernung oder Veränderung an einem Vervielfältigungsstück eines Werks (§ 95c Abs. 1 UrhG), wenn diese wissentlich unbefugt erfolgt und dem Handelnden bekannt ist oder sein muss, dass er hierdurch die Verletzung von Urheberrechten veranlasst, ermöglicht, erleichtert oder verschleiert. Zum anderen verbietet § 95c Abs. 3 UrhG u.a. die wissentlich unbefugte Verbreitung, öffentliche Wiedergabe und - hier einschlägig - öffentliche Zugänglichmachung von Werken, bei denen diese Informationen unbefugt entfernt oder geändert wurden.

Der Antragsteller hat durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Herrn J. vom 16.06.2022 (Anlage A6, Bl. 176 GA) glaubhaft gemacht, dass Herr J. die Dateien vom Server bzw. der Webseite des Antragsgegners heruntergeladen hat und diese keine Metadaten (mehr) enthielten, während dies zuvor, wie der Antragsteller selbst eidesstattlich unter dem 15.06.2022 versichert hat (Anlage A2, Bl. 159 GA), der Fall war.

Soweit der Antragsgegner bereits erstinstanzlich eingewandt hat, dass der Antragsteller nicht klar dargelegt habe, bei welchen Vervielfältigungsstücken er überhaupt Metadaten eingefügt habe (S. 25 der Widerspruchsbegründung, Bl. 1654 GA) und dies auch mit der Berufung wiederholt (S. 9 der Berufungsbegründung, Bl. 111 eA), greift dies nicht durch. Denn wie aus dem Vortrag des Antragstellers hervorgeht (S. 138 der Antragsschrift, Bl. 147 GA) geht es bei den Bildern, die Gegenstand des Verbotsantrages sind, nicht um die automatisiert erstellten verkleinerten Versionen derselben, die sich auch auf dem Server finden. Der Antragsteller hat insoweit erläutert und durch eidesstattliche Versicherung des Herrn J. (Anlage A6, Bl. 176 GA) auch glaubhaft gemacht, dass sich auf der Webseite eine Vielzahl von Bildern finden, die vom Motiv identisch mit den antragsgegenständlichen Bildern sind, die jedoch eine unterschiedliche Auflösung aufweisen, weil sie vom Content Management System (CMS), hier WordPress bzw. einem entsprechenden Plugin, automatisiert verkleinert (herunterskaliert) und separat abgespeichert worden sind, um etwa Ladezeiten zu optimieren. Gegenstand des Antrags sind jedoch nicht diese automatisiert erstellten Versionen, sondern die vom Antragsteller hochgeladenen 268 „Originale“, die keine Zusätze im Dateinamen (der in der Regel aus einer Kombination von drei Buchstaben, gefolgt von einer vierstelligen Zahl besteht) tragen. Dagegen sind die Dateinamen der verkleinerten Versionen – bei grundsätzlicher Beibehaltung des ursprünglichen Dateinamens – dadurch gekennzeichnet, dass diesen ein Zahlenzusatz hinzugefügt wird, der auf die Auflösung des Bildes hindeutet (beispielhaft etwa Anlage A7 mit dem Originalnamen „N01.jpg“, Bl. 177 GA gegenüber Anlage A8 mit dem Namen „N01-600x400.jpg“, Hervorhebung durch den Senat). Da in der Antragsschrift jeweils nur die „Original“-Dateinamen abgebildet sind (z.B. findet sich auf der Darstellung S. 2, Bl. 11 GA, der Dateiname „N01.jpg“ im Programmfenster), ergibt sich hieraus in Verbindung mit dem entsprechenden Vortrag des Antragstellers (S. 11 ff. des Schriftsatzes vom 30.11.2022, Bl. 1775 ff. GA), dass der Antragsteller sich genau auf diese von ihm hochgeladenen Dateien bezieht, hinsichtlich derer er auch die jeweiligen Bearbeitungszeitpunkte dargelegt hat (Anlage A 23, Bl. 477 ff. GA, wo ebenfalls der „Original“-Dateiname Verwendung findet).

Durch die vorbezeichnete Aufstellung, mit der anhand eines Online-Tools der Zeitpunkt der letzten Bearbeitung des in Rede stehenden Bildes abgefragt werden kann, hat der Antragsteller auch glaubhaft gemacht, dass die Löschung der zuvor vorhandenen Metadaten aus der Sphäre des Antragsgegners stammen muss und nicht durch den Antragsteller selbst vorgenommen wurde. Soweit der Antragsgegner eine durch den Antragsteller selbst vorgenommene Löschung vermutet (S. 27 der Widerspruchsbegründung, Bl. 1656 GA), hat der Antragsteller durch Vorlage des WhatsApp-Verlaufs vom 14.12.2021 glaubhaft gemacht, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits keinen Zugriff mehr auf das System hatte (Anlage A 21, Bl. 475 f. GA). Dem hat der Antragsgegner nicht widersprochen, sondern vielmehr vorgerichtlich in Reaktion auf die Abmahnung selbst vorgetragen, dass er nach Ausscheiden des Antragstellers die U. (bzw. „einen externen IT-Dienstleister“) damit beauftragt habe, unter anderem die Passwörter zu ändern (Anlage A 15, dort S. 4, Bl. 338 GA). Da sich aus der bereits erwähnten Anlage A 23 (Bl. 477 ff. GA) jedoch ergibt, dass die Original-Dateien, bei denen die Metadaten zuvor vorhanden waren und nunmehr fehlen, am 17.12.2021 bzw. am 19.12.2021 und damit zu einem Zeitpunkt zuletzt bearbeitet wurden, als der Antragsteller bereits keinen Zugriff mehr auf die Webseite hatte, begründet dies ein starkes Indiz dafür, dass die Änderungen durch den Antragsgegner erfolgten oder von ihm veranlasst wurden. Denn wie aus der vorgerichtlichen Reaktion des Antragsgegners auf die Abmahnung weiter hervorgeht (a.a.O.), wurden die auf der Webseite befindlichen Bilder durch den externen Dienstleister komprimiert, weil sie nach dessen Einschätzung zu groß waren und zu lange Ladezeiten bewirkten.

Unerheblich ist es im Lichte der vorstehenden Ausführungen, wenn der Antragsgegner darauf abstellen will, dass bei einigen auf dem Server befindlichen Bildern die Metadaten noch vorhanden seien (S. 22 der Widerspruchsbegründung, Bl. 1651 GA). Zwar trifft es zu, dass die verkleinerten Bilder, was der Antragsteller auch selber vorgetragen hat, zum Teil bzw. ganz überwiegend noch die Metadaten beinhalten. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an, weil – wie der Antragsgegner zutreffend an anderer Stelle ausführt (S. 25 der Widerspruchsbegründung, Bl. 1654 GA) – im Rahmen von § 95c UrhG auf die jeweils konkreten Vervielfältigungsstücke und nicht auf das abgebildete Motiv abzustellen ist. § 95c Abs. 2 UrhG setzt voraus, dass die Informationen physisch mit dem Werk verbunden sein müssen (Spindler, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Auflage 2019, § 95c Rn. 9), sodass stets eine Betrachtung des jeweiligen (digitalen) Vervielfältigungsstücks stattfinden muss. Im Übrigen belegt gerade der Umstand, dass die Metadaten bei den automatisch hergestellten verkleinerten Versionen noch vorhanden sind, dass sie auch bei dem Original, von dem die verkleinerten Versionen lediglich abgeleitet sind, vorhanden gewesen sein müssen. Dass sie beim Original nun nicht mehr vorhanden sind, deutet in Zusammenschau mit dem Umstand, dass der IT-Dienstleister des Antragsgegners nach dem Ausscheiden des Antragstellers „die Bilder“ komprimierte (Bl. 1799, 1818 GA und Anlage A15, dort S. 4, Bl. 338 GA), stark darauf hin, dass bei diesem Kompressionsvorgang eine Entfernung der Metadaten der Originaldateien stattgefunden hat. Hierfür spricht auch, dass die kleineren Versionen der Bilder ausweislich Anlage A 27 (Bl. 768 ff. GA) jeweils eine letzte Bearbeitung am 05.08.2021 aufweisen, während dies bei den Originalen, wie bereits ausgeführt, ein Zeitpunkt nach dem Ausscheiden des Antragstellers im Dezember 2021 ist. Demnach ist auch das Argument des Antragsgegners, er könne nur dann Metadaten entfernt haben, wenn diese bei allen Bilddateien fehlten (Bl. 1654 GA), nicht überzeugend, denn für eine Komprimierung auch der kleineren Dateien bestand kein Anlass.

Auch der Vortrag des Antragsgegners, wonach die Anzeige von Metadaten von Browser und Internet-Verbindung abhänge (Bl. 391 ff., 1647 ff. GA und Anlage MK6, 7, Bl. 400 ff., und Anlage MK19, Bl. 1694 ff. GA), überzeugt nicht, weil es nicht darauf ankommt, wie ein dem Browser hinzugefügtes Programm (Internetbrowser beherrschen von sich aus gerichtsbekannt nicht die Darstellung von EXIF-Daten) die Metadaten darstellt, sondern wie sie, soweit sie Gegenstand des Antrags sind, auf dem Server des Antragsgegners (insoweit als konkrete Vervielfältigungsstücke, siehe oben) abgespeichert sind. Aus diesem Grund stellt die von Herrn J. gewählte Vorgehensweise, die Bilder zunächst – identifiziert anhand des jeweiligen Dateinamens – lokal zu speichern und sodann mit einem von dem Kamerahersteller bereitgestellten Tool die Metadaten auszulesen (Anlage A24, dort S. 17 f., Bl. 761 f. GA), eine grundsätzlich nachvollziehbare Methode zur Überprüfung des Vorhandenseins von Metadaten dar.

Weiterhin verfängt es nicht, wenn der Antragsgegner geltend macht, ein von dem Antragsteller in das CMS WordPress integriertes Plugin zur Verkleinerung von Bildern („Imagify“) sei für das Fehlen von Metadaten verantwortlich (Bl. 1641 GA). Denn dies erklärt nicht, warum die im Nachgang erstellten verkleinerten Versionen die Metadaten noch aufweisen, während diese im Original fehlen. Insbesondere führt das Plugin „Imagify“ ausweislich des von dem Antragsgegner selbst vorgelegten Gutachten des Sachverständigen R. (Anlage MK 18, dort S. 4, Bl. 1718 GA) in der unveränderten Voreinstellung lediglich dazu, dass es zwar alle Metadaten bei der Verkleinerung löscht, jedoch das Originalbild unberührt lässt. Im Übrigen verfehlt das Gutachten R. die entscheidende Frage, denn es geht darum, ob die auf dem Server befindlichen Fotografien (und nicht diejenigen, die in unterschiedlichen Situationen vom Browser für die Anzeige ausgewählt werden) die Metadaten enthalten. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Zudem betrachtet der Sachverständige stets nur die verkleinerten Versionen und nicht die Originale, auf die sich die Wirkungsweise von „Imagify“ nach seinen eigenen Ausführungen jedoch gerade nicht bezieht.

c) Allerdings liegt keine objektiv unbefugte Entfernung der Metadaten im Sinne von § 95c Abs. 1 UrhG und entsprechend auch keine unbefugte öffentliche Zugänglichmachung ohne Metadaten (§ 95c Abs. 3 UrhG) vor. Handlungen sind dann unbefugt, wenn sie von den Rechteinhabern nicht gestattet oder gesetzlich, z.B. aus Datenschutzgründen, nicht erlaubt sind (Wandtke/Ohst , in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 6. Aufl. 2022, § 95c Rn. 16). Zwar dürften, was hier offen bleiben kann, dem Antragsgegner nach § 43 UrhG für die innerhalb seines Betriebes entstandenen Lichtbilder umfassende ausschließliche Nutzungsrechte zustehen (vgl. Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl. 2022, § 43 Rn. 20 m.w.N.). Dies beinhaltet allerdings nicht das Recht, die durch § 95c UrhG geschützten Informationen zu entfernen (Senat, GRUR-RR 2017, 212, 214 Rn. 24).

Jedoch steht die vertragliche Abrede betreffend die zu unterlassende Namensnennung des Antragstellers auf der Webseite des Antragsgegners bzw. die Verhinderung einer möglichen Verbindung zwischen Antragsteller und Antragsgegner über die Webseite der Annahme unbefugten Handelns des Antragsgegners gegenüber. Denn der Antragsteller war nach dem Inhalt dieser Abrede nicht berechtigt, die Metadaten in die in Rede stehenden Fotografien einzutragen. Der Antragsgegner hat in seinen eidesstattlichen Versicherungen vom 28.06.2022 und 29.06.2022 (Anlage MK 2, Bl. 403 GA, Anlage MK 10, Bl. 442 GA) sowie vom 24.11.2022 (Anlage MK 14, Bl. 1672 GA) ausgeführt, dass man auf eigene Initiative des Antragstellers wegen der von diesem begangenen Straftaten übereingekommen sei, dass dessen Name nicht auf der Webseite selbst auftauchen oder im Zusammenhang damit zu finden sein sollte. Dies hat auch Frau L. (eidesstattliche Versicherungen vom 28.06.2022, Anlage MK3, Bl. 405 GA, 29.06.2022, Anlage MK9, Bl. 441 GA und vom 24.11.2022, Anlage MK13, Bl. 1671 GA) bestätigt. Auf dieser Grundlage ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass dies – auch wenn nicht ausdrücklich darüber gesprochen wurde –das Verbot umfasste, sich in die Metadaten der Fotografien mit Klarnamen einzutragen. Dass das Landgericht ein entsprechendes Anonymisierungsinteresse mit Blick auf den Inhalt der Metadaten nicht für erkennbar gehalten hat (S. 10 LGU, Bl. 1862 GA), überzeugt demgegenüber nicht und schöpft den Streitstoff nicht aus. Denn der Antragsteller hatte in seiner Abmahnung vom 07.06.2022 (Anlage A 14, dort S. 136, Bl. 332 GA) selbst ausgeführt: „Unser Mandant hat die Nennung in den Meta-Daten bewusst aufgeführt, um für Interessenten als Urheber wahrgenommen zu werden. Denn (nur) so wird er z.B. in der Google-Bildersuche als Bildersteller und Urheber angezeigt.“. Gerade dies sollte jedoch unter Zugrundelegung der eidesstattlichen Versicherung des Antragsgegners und der Frau L. verhindert werden. Soweit in der Berufungserwiderung bestritten wird (Bl. 127 eA), dass über die reguläre Suchfunktion von Google die Meta-Daten überhaupt „erfasst“ werden und als direktes Suchergebnis erscheinen, ist dem entgegenzuhalten, dass genau eine solche Auffindbarkeit ausweislich des vorherigen Vortrags des Antragstellers (s.o., Bl. 146 GA) der Zweck seines Vorgehens war. Auch folgt dies aus dem von dem Antragsteller selbst eingereichten Screenshot (Anlage A5, Bl. 175 GA), wo es ausdrücklich heißt: „Sie finden Bilddetails in der Google Suche, wenn der Inhaber des Bildes diese angibt. Die Details können Bildnachweise, Urheberrechtshinweise und Lizenzdetails enthalten.“ und dazu ausgeführt ist, dass diese Informationen aus Metadaten im IPTC-Standard stammen.

Demgegenüber hat der Antragsteller lediglich pauschal bestritten, dass bei der Abrede über die Auffindbarkeit seines Namens über Suchmaschinen oder Metadaten gesprochen worden sei (Bl. 464, 1772 GA). Letzteres kann angesichts der geschilderten Zielsetzung der Abrede ohnehin nicht entscheidend sein, weil es (worauf die Berufung zu Recht hinweist, Bl. 112 eA) ersichtlich nicht auf von dem Antragsgegner möglicherweise überhaupt nicht zu überblickende technische Details, sondern allein auf das Ergebnis (kein Auffinden des Namens des Antragstellers auf der Webseite des Antragsgegners bzw. keine herzustellende Verbindung zwischen beiden) ankam. Die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 21.06.2022 (Anlage A 18, Bl. 361 GA) ist darüber hinaus auch nicht geeignet, die Darstellung des Antragsgegners und von Frau L. durchgreifend in Zweifel zu ziehen: Denn an dieser Stelle führt der Antragsteller zu der Abrede lediglich aus, er sei in der Haft regelmäßig nicht unerheblich bedroht worden und habe nur aus diesem Grund mit dem Antragsgegner vereinbart, dass er nicht mit Bild in der Mitarbeiter-Galerie erscheinen müsse und eine Urheberbenennung im Impressum mittels Link zu seiner Webseite erfolgen könne. Diese Darstellung steht bereits in Widerspruch zu der bereits erwähnten Abmahnung, wonach es der Antragsteller mit der Eintragung in die Metadaten gerade darauf angelegt hatte, namentlich aufgefunden zu werden (was er im Rechtsstreit wieder in Abrede gestellt hat, Bl. 1773 GA). Soweit der Antragsteller darstellt, nach Entlassung aus der Haft habe er mit dem Antragsgegner ein Gespräch gehabt, in dem er die Nennung nur im Impressum mittels Link thematisiert und als unzureichend angesprochen habe (Bl. 361 GA letzter Absatz, der Satz ist unvollständig, seinem Sinn nach aber wohl so zu verstehen), geht hieraus nicht hervor, welches Ergebnis das Gespräch hinsichtlich der Metadaten oder einer sonstigen Nennung des Namens des Antragstellers gehabt haben sollte. Von daher muss, da es auch unstreitig ist, dass bis zuletzt nur ein Verweis auf die Webseite des Antragstellers im Impressum stand, davon ausgegangen werden, dass es bei der ursprünglichen Abrede geblieben ist und der Antragsteller durch die erhöhte Bezahlung (2.400,00 € brutto statt zuvor 1.800,00 € brutto) hierfür kompensiert wurde.

Zudem ist der Inhalt der von dem Antragsgegner und Frau L. geschilderten Abrede deutlich plausibler als die vom Antragsteller in den Raum gestellte bloße Motivation des eigenen Schutzes, denn die Taten des Antragstellers waren Gegenstand der Berichterstattung in einer überregionalen Zeitung (Anlage MK 1, Bl. 400 ff. GA) und sein Name dürfte jedenfalls innerhalb seiner Gemeinde, unter Umständen auch darüber hinaus, vielfach bekannt gewesen sein, nachdem er durch seine schulische und seelsorgerische Tätigkeit vielfach mit Menschen in Berührung kam. Deshalb lag und liegt die Gefahr nicht fern, dass Mitglieder dieser Gemeinde oder auch Pressevertreter den Namen des Antragstellers über Google suchten (was auch die Bildersuche einschließt), was wiederum der Reputation des Antragsgegners - ob gerechtfertigt oder nicht - hätte erheblichen Schaden zufügen können. Dass eine solche Recherche gegebenenfalls mehr als einen Klick oder die Eingabe eines Suchbegriffs erfordert hätte, ist in Ansehung dieser Gefährdungslage und des erheblichen öffentlichen Interesses, das die Straftaten des Antragstellers ausweislich der vorgelegten Berichterstattung ausgelöst haben, nicht entscheidend.

Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vorgebrachten Argumente rechtfertigen keine andere Beurteilung. Insbesondere kommt es bei objektiver Auslegung der vertraglichen Vereinbarung über die Namensnennung nicht entscheidend darauf an, ob ein außenstehender Dritter aus der Nennung des Namens des Antragstellers in den Metadaten der Fotografien auf der Webseite des Antragsgegners auf das tatsächlich vormals zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis oder lediglich auf eine - ggf. einmalige - Auftragsarbeit schließen konnte. Denn angesichts des Gewichts und der Natur der von dem Antragsteller begangenen Straftaten waren beide Varianten geeignet, sich erheblich rufschädigend zulasten des Antragsgegners auszuwirken, was jedoch gerade vermieden werden sollte. Soweit der Antragstellervertreter ausgeführt hat, dass die Gefahr der Herstellung einer Verbindung zwischen dem Namen des Antragstellers und dem Betrieb des Antragsgegners in gleicher Weise durch den unstreitig mit Einverständnis des Antragsgegners auf dessen Webseite enthaltenen Hinweis auf die Webseite des Antragstellers (www.G..de) entstanden sei, was der durch den Senat vorgenommenen Auslegung der Abrede entgegenstehe, vermag sich der Senat dem ebenfalls nicht anzuschließen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner ausweislich seiner eidesstattlichen Versicherung vom 28.06.2022 (Anlage MK2, Bl. 403 GA) selbst keine fundierten Kenntnisse betreffend die Bearbeitung von Webseiten und die Möglichkeit des Vorhandenseins von Metadaten in Fotos hatte und deshalb davon ausging, dass die Nennung der Webseite des Antragstellers bereits deshalb nicht geeignet sei, eine Verbindung zu seinem Betrieb herzustellen, weil diese den Namen des Antragstellers nicht in der URL führte. Da dem Antragsteller, der eigens zur Betreuung der Webseite des Antragsgegners eingestellt wurde, bekannt sein musste, dass dem Antragsgegner solche Kenntnisse über die näheren Zusammenhänge fehlten, konnte er bei der gebotenen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nicht davon ausgehen, dass der vereinbarte Verweis auf seine (vermeintlich oder tatsächlich anonyme) Homepage zugleich ein „Freibrief“ dafür war, sich zusätzlich mit Klarnamen in die Metadaten der Fotografien eintragen zu dürfen, zumal auch nicht klar ist, ob die Webseite des Antragstellers überhaupt ein Impressum enthielt oder in sonstiger Weise mit seinem Namen verbunden war.

Insofern ist auch kein Dissens festzustellen, der der Wirksamkeit der Abrede entgegenstünde. Ein versteckter Einigungsmangel im Sinne von § 155 BGB liegt nur vor, wenn der Inhalt der abgegebenen Erklärungen nicht übereinstimmt. Für die Feststellung der vorliegenden oder mangelnden Erklärungsübereinstimmung ist vom objektiven Inhalt der Erklärung auszugehen, wie er durch Auslegung ermittelt wird. Stimmen nach erfolgter Auslegung die Vertragserklärungen überein, so kommt nur ein - ggf. zur Anfechtung berechtigender - Willensmangel, insbesondere ein Irrtum desjenigen in Betracht, der mit seiner Erklärung einen anderen als den erklärten Sinn verbinden wollte (Senat, NJW-RR 2000, 1720 m.w.N. - Best-of-Album). Allenfalls der letztere Fall liegt hier vor, weil die Auslegung anhand der objektiven Interessenlage, wie sie der Senat soeben dargelegt hat, einen eindeutigen Inhalt der Abrede ergibt. Die von dem Antragsteller favorisierten Deutungen der Reichweite der Abrede sind demgegenüber aus den dargestellten Gründen weder naheliegend noch plausibel.

Ist nach alldem davon auszugehen, dass der Antragsteller von vornherein aufgrund einer vertraglichen Abrede mit dem Antragsgegner nicht berechtigt war, seinen Namen in die Metadaten der von ihm aufgenommenen Bilder einzutragen, fehlt es an dem Tatbestandsmerkmal „unbefugt“. Zwar liegt eine ausdrückliche Gestattung des Antragstellers nicht vor. Hierauf kann es jedoch in der vorliegenden Fallgestaltung nicht entscheidend ankommen. Denn da die Abrede bereits das Verbot für den Antragsteller beinhaltete, seinen Namen in die Metadaten einzutragen, kann die im Nachgang erfolgte Entfernung sich insofern auf einen Rechtfertigungsgrund stützen, der unbefugtes Handeln bei der gebotenen normativen Betrachtung ebenfalls ausschließt und im Kontext des § 1004 Abs. 2 BGB eine Duldungspflicht des Antragstellers begründet. Solche Duldungspflichten können sich auch aus schuldrechtlichen Verträgen ergeben (Fritzsche, in: BeckOK BGB, 65. Ed. 1.2.2023, § 1004 Rn. 111). Überdies ist mit der Berufungsbegründung anzunehmen, dass die Umstände des Falles auch die Annahme eines nach § 242 BGB untersagten Rechtsmissbrauchs in Gestalt des widersprüchlichen Verhaltens seitens des Antragstellers (dolo agit-Einrede) rechtfertigen. Denn angesichts des Umstandes, dass er sich gegenüber dem Antragsgegner verpflichtet hatte, dafür zu sorgen, dass sein Name nicht mit demjenigen des Antragsgegners bzw. von dessen Betrieb in Verbindung gebracht werden konnte, hat der Antragsteller sich nach seiner eigenen Darstellung bewusst mit seinem Namen in die Metadaten eingetragen, um seine Auffindbarkeit über die Google-Bildersuche zu erreichen. Die Rechtsmissbräuchlichkeit ergibt sich mithin daraus, dass der Antragsteller etwas getan hat, zu dessen Unterlassung er vertraglich verpflichtet war und aus dem Umstand, dass der Antragsgegner sich der Sache nach auf diese vertragliche Verpflichtung berufen hat, indem er die abredewidrig eingetragenen Metadaten entfernt hat, nunmehr eigene Unterlassungsansprüche herleitet (zutreffend S. 20 des Schriftsatzes des Antragsgegners, Bl. 398 GA).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: 6.000 EURO Streitwert in Scraping-Fällen gegen Facebook / Meta regelmäßig angemessen - 4.000 EURO für Unterlassungsanspruch

OLG Frankfurt
Beschluss vom 18.07.2023
6 W 40/23


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass in den typischen Scraping-Fällen gegen Facebook / Meta regelmäßig ein Streitwert von 6.000 EURO angemessen ist. Dabei entfallen 4.000 EURO auf den Unterlassungsanspruch.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Streitwert des bezifferten Klageantrags zu 1 entspricht dem eingeklagten Mindestschadensersatz in Höhe von 1.000 Euro (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO).

2. Die Beschwerdeführer wenden sich auch zu Recht nicht dagegen, dass das Landgericht den Schadensersatzfeststellungsantrag (Klageantrag zu 2) mit 500 Euro bewertet hat (vgl. auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.01.2023 - 4 AR 4/22, juris Rn. 23; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.07.2023 - 10 W 5/23, juris Rn. 15 mwN).

3. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer ist der Wert der auf Unterlassung gerichteten Klageanträge zu 3 a) und b) nicht mit mehr als insgesamt 4.000 Euro zu bemessen.

a) Nach den zutreffenden Rechtsausführungen des Landgerichts ist der Streitwert in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Dabei kommt der Streitwertangabe des Klägers zu Beginn des Verfahrens nach ständiger Rechtsprechung des Senats zwar grundsätzlich erhebliche indizielle Bedeutung für den Wert des tatsächlich verfolgten Interesses zu (siehe u.a. auch KG, Beschluss vom 26.11.2004 - 5 W 146/04, juris Rn. 5; Beschluss vom 18.02.2022 - 5 U 1007/20, juris Rn. 81), da der Kläger bei Einreichung der Klageschrift noch nicht sicher wissen kann, ob sein Antrag Erfolg haben wird. Er ist daher von sich aus gehalten, sein wirtschaftliches Interesse an der Verfolgung des geltend gemachten Verstoßes realistisch einzuschätzen. Eine Abweichung von der Streitwertangabe des Klägers kommt daher im Regelfall nur in Betracht, wenn Anzeichen dafür bestehen, dass diese erheblich über- oder untersetzt ist (vgl. z.B. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.12.2022 - 6 W 77/22, WRP 2023, 358 Rn. 4 mwN - Penthouse in Erstbezug, zu einem UWG-Verstoß).

b) Vorliegend ist allerdings unter Berücksichtigung des beidseitigen Parteivortrags davon auszugehen, dass der vom Landgericht angenommene Streitwert von insgesamt 4.500 Euro für die Klageanträge zu 3 a) und b) nicht zu gering, sondern vielmehr zu hoch ist (vgl. insofern auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.07.2023 - 10 W 5/23, juris Rn. 16: 4.000 Euro; siehe auch OLG Dresden, Beschluss vom 28.09.2022 - 17 AR 36/22, Anlage SW2 S. 5, GA 590 [juris Rn. 8]: Zwischen 3.000 Euro und 5.000 Euro).

aa) Zwar hat der Kläger geltend gemacht, das Datenleck habe für ihn schwerwiegende Folgen. Er gebe seine Telefonnummer nicht wahl- und grundlos preis. Die erlangten Datensätze stünden bis heute jedem im Internet zu Verfügung. Sie seien auf Internetseiten veröffentlicht worden, die illegale Aktivitäten begünstigten, wie www.(...).com, einem bekannten „Hacker-Forum“, auf dem illegal abgeschöpfte Daten für kriminelle Machenschaften wie Internetbetrug hinterlegt und ausgetauscht würden. Die Datensätze lieferten Kriminellen ausreichend Informationen für Betrugsversuche durch sog. Phishing per SMS (Versuche, sich über gefälschte Kurznachrichten als vertrauenswürdiger Kommunikationspartner auszugeben, um an persönliche Nutzerdaten zu kommen oder Nutzer zu schädlichen Aktionen zu verleiten), Scamming ([Internet-]Betrug), Spamming (Zusenden unerwünschter Nachrichten), Smishing (Form des Phishings, bei der Nutzer verleitet werden, auf einen Link mit Schadstoffsoftware zu klicken), Identitätsdiebstahl und die Übernahme von Accounts und Anrufen (sog. „SIM-Swap“-Angriffe). Seit dem Vorfall bzw. seit April 2019 erhalte er unregelmäßig bzw. vermehrt Anrufe von unbekannten Nummern, Kontaktversuche von Unbekannten per SMS (vgl. jeweils Anlage K6, Anlagenband zum Schriftsatz vom 08.02.2023) und E-Mails mit offensichtlichen Betrugsversuchen und potenziellen Virenlinks. Dies wäre ohne das Datenleck aufgrund der Privatsphäre-Einstellung - gerade in Bezug auf seine Telefonnummer - so nicht der Fall gewesen. Durch den von der Beklagten zu verantwortenden umfassenden Verlust der Kontrolle über seine Daten, insbesondere in Verknüpfung mit seiner Telefonnummer, habe er das Gefühl des Kontrollverlusts, Beobachtetwerdens und der Hilfslosigkeit, und damit insgesamt ein überschattendes Gefühl der Angst. Sein Unwohlsein und seine ständige große Sorge vor einem Datenmissbrauch zeigten sich insbesondere in verstärktem Misstrauen gegenüber Anrufen und E-Mails von unbekannten Nummern bzw. Adressen. Er reagiere nur noch äußerst vorsichtig auf E-Mails und Nachrichten und fürchte jedes Mal einen Betrug. Zwar erhielten auch Personen, die nicht bei Plattform1 seien, jedenfalls SPAM-E-Mails, die Spannbreite möglicher Negativfolgen des Scrapings gehe aber darüber hinaus. So könne es unter anderem sein, dass er sich bei einem Anruf mit seinem Namen melde, mit „Ja“ antworte oder auf ihm per SMS oder E-Mail übersandte Links klicke und dadurch in irgendwelche Verträge gerate. Drohanrufe oder -nachrichten könnten es erforderlich machen, dass er sich eine neue Handynummer zulegen oder den Anbieter wechseln müsse, was zeit- und kostenaufwändig wäre.

bb) Andererseits ist der Kläger selbst nur von einem mittelschweren Fall ausgegangen, da die „entwendeten“ Daten nicht sensibel oder höchstpersönlicher Natur, aber umfangreich seien. Auch hat der Kläger die Daten - abgesehen von seiner Telefonnummer - selbst auf Plattform1 öffentlich zugänglich gemacht hat und trotz des angeblichen Angstgefühls seine Kontoeinstellungen nach Bekanntwerden des Datenlecks nicht geändert.

Die Kläger aufgezeigten Missbrauchsmöglichkeiten mögen zudem zwar theoretisch bestehen und die Veröffentlichung der verknüpften Daten Anreiz zu einer rechtswidrigen Verwendung geben, allerdings hängen die vom Kläger behaupteten vermehrten E-Mails und Anrufe nicht nachweislich mit dem Scraping zusammen. Dargetan sind mit Anlage K6 im Wesentlichen ein paar SMS zu angeblich versandten Paketen, teils mit der Aufforderung, einen Link zu betätigen. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung, die dem Kläger auch bei einem künftigen, vergleichbaren Vorfall drohen könnte, kann darin nach zutreffender Auffassung des Landgerichts nicht gesehen werden. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger Opfer von Drohungen oder derart schwerwiegenden Belästigungen werden könnte, dass er seine Telefonnummer ändern müsste.

Nach zutreffender Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe ist auch nicht erkennbar, dass ein künftiger, gleichgelagerter Vorfall wirtschaftlich erheblich höher zu bewerten wäre als die Klageanträge zu 1 und 2 mit insgesamt 1.500 Euro (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.07.2023 - 10 W 5/23, juris Rn. 16). In Bezug auf den streitgegenständlichen Vorfall ist unstreitig, dass die Beklagte zunächst weder die Nutzer noch die für sie zuständige Datenschutzbehörde des Landes1 (A) über das streitgegenständliche Scraping informiert hat.

Bei gebotener Gesamtabwägung aller relevanten Umstände mögen zwar die Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Beklagten und die wirtschaftliche Bedeutung der Scraping-Vorfälle für diese mit zu berücksichtigen sein (vgl. z.B. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.07.2023 - 10 W 5/23, juris Rn. 16 mwN), allerdings führt der Verweis des Klägers auf mögliche Geldbußen in Höhe von 2 % (bei Verstößen gegen Art. 25, 33 und 35 DSGVO) bzw. 4 % (bei Verstößen gegen Art. 5, 13 bis 15 DSGVO) des „weltweiten“ Vorjahresumsatzes nicht zu einer abweichenden Streitwertbemessung. Selbst wenn der vom Kläger behauptete Gesamtumsatz der „Beklagtenseite“ von weltweit knapp 118 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 allein von der Beklagten erzielt worden wäre, entfielen auf jeden der 533 Millionen vom Scraping betroffenen Benutzer ausgehend von einer Geldbuße in Höhe von 4 % nur knapp 9 US-Dollar.

Nach zutreffender Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe ist für die Klageanträge zu 3 a) und b) auch nicht jeweils der Auffangstreitwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (analog) von 5.000 Euro anzusetzen. Auf diesen Wert ist nur zurückzugreifen, wenn - anders als hier - nicht genügend Anhaltspunkte für eine Streitwertbemessung bestehen (vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.07.2023 - 10 W 5/23, juris Rn. 16 mwN; siehe hingegen OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.01.2023 - 4 AR 4/22, Anlage SW2 S. 7 f., GA 598 [juris Rn. 27 f.]).

Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für angemessen, den mit dem Klageantrag Ziffer 3 gestellten Unterlassungsanträgen einen Streitwert von insgesamt 4.000 Euro beizumessen (ebenso u.a. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.07.2023 - 10 W 5/23, juris Rn. 16 mwN; LG Köln, Urteil vom 31.05.2023 - 28 O 138/22, juris Rn. 60 f.; LG Detmold, Urteil vom 28.04.2023 - 2 O 184/22, GRUR-RS 2023, 14599 Rn. 45).

4. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist der auf Auskunft über die von der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers gerichtete Klageantrag zu 4 mit 500 Euro gleichfalls angemessen bewertet (vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.07.2023 - 10 W 5/23, juris Rn. 17). Soweit das Oberlandesgericht Dresden in der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung vom 28.09.2022 von einem Streitwert zwischen 1.000 Euro und 5.000 Euro ausgegangen ist (Az. 17 AR 36/22, Anlage SW2 S. 5, GA 590 [juris Rn. 8]), betrifft die von diesem in Bezug genommene Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (Beschluss vom 25.07.2019 - 20 W 10/18) eine Datenauskunftsklage gemäß Art. 15 DSGVO, die nach der Vorstellung des dortigen Klägers einem wirtschaftlichen Ziel, nämlich der erleichterten Durchsetzung weiterer Klageanträge, dienen sollte, und die mit 5.000 Euro bewertet wurde (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.09.2019 - 20 W 10/18, juris Rn. 4). Vorliegend ist ein über den bezifferten Klageantrag zu 1 hinausgehendes wirtschaftliches Interesse an den begehrten Auskünften nicht dargetan und auch nicht ersichtlich (vgl. auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.01.2023 - 4 AR 4/22, Anlage SW2 S. 8, GA 599 [juris Rn. 30]).

5. Der auf Abmahnkostenersatz gerichtete Klageantrag zu 5 wirkt sich gemäß § 43 Abs. 1 GKG bzw. § 49 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 4 Abs. 1 ZPO nicht streitwerterhöhend aus.

6. Insgesamt besteht daher kein Anlass, den vom Landgericht auf 6.500 Euro festgesetzten Streitwert heraufzusetzen. Vielmehr ist der Wert auf 6.000 Euro herabzusetzen. Wegen der Möglichkeit, die erstinstanzliche Festsetzung von Amts wegen zu ändern (§ 63 Abs. Satz 1 Nr. 2 GKG), besteht bei Streitwertbeschwerden kein Verschlechterungsverbot (sog. Verbot der reformatio in peius, vgl. z.B. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 13.10.2014 - 10 W 48/14, juris Rn. 1; OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.10.2019 - 6W 47/19, NJW-RR 2020, 255 Rn. 26; OLG München, Beschluss vom 14.07.2020 - 25 W 587/20, juris Rn. 5, OVG Lüneburg, Beschluss vom 04.02.2008 - 5 OA 185/07, NVwZ-RR 2008, 431; Laube in: BeckOK Kostenrecht, 41. Edition, Stand: 01.04.2023, § 68 Rn. 161 mwN).


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Volltext BGH: Lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit der Ladenöffnung an Sonntagen im Zweibrücken Fashion Outlet Center hängt von Durchführungsverordnung ab

BGH
Urteil vom 27.07.2023
I ZR 144/22
Zweibrücken Fashion Outlet
GG Art. 80 Abs. 1, Art. 140; WRV Art. 139; UWG § 3a; LV RP Art. 47, Art. 57 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 110 Abs. 1 Satz 2; LadöffnG RP § 3 Satz 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 und 2; Landesverordnung zur Durchführung des § 7 Abs. 2 des Ladenöffnungsgesetzes Rheinland-Pfalz vom 13. März 2007 (GVBl. Rheinland-Pfalz 2007 S. 65) § 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Zulässigkeit der Ladenöffnung an Sonntagen im Zweibrücken Fashion Outlet Center hängt von Wirksamkeit der gestattenden Durchführungsverordnung ab über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Eine wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtige Rechtsverordnung entfaltet - anders als ein zwar rechtswidriger, aber nicht nichtiger Verwaltungsakt - keine Legitimationswirkung für eine nach dem Lauterkeitsrecht zu beurteilende
geschäftliche Handlung.

b) Die Nichtigkeit einer im Ermessen des Normgebers stehenden, ursprünglich rechtmäßigen Rechtsverordnung kann eintreten, wenn der Normgeber die Änderung oder Aufhebung der Rechtsverordnung unterlassen hat, obwohl sein Ermessen zu einem solchen Tätigwerden wegen einer nach Erlass der Rechtsverordnung eingetretenen Veränderung der maßgeblichen Umstände auf Null reduziert ist.

BGH, Urteil vom 27. Juli 2023 - I ZR 144/22 - OLG Zweibrücken - LG Zweibrücken

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BGH: In Teilen unzulässige Fernsehberichterstattung über Kindesentführung mit Fotos und Telefonmitschnitten wegen Schutzbedürftigkeit des Opfers auch 35 Jahre später

BGH
Urteil vom 06.06.2023
VI ZR 309/22
BGB § 823; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5


Der BGH hat entschieden, dass die Fernsehberichterstattung über eine Kindesentführung mit Fotos des Opfers und Telefonmitschnitten wegen der Schutzbedürftigkeit des damals minderjährigen Opfers auch 35 Jahre nach der Tat in Teilen unzulässig ist.

Leitsatz des BGH:
Zur teilweisen Unzulässigkeit einer Filmberichterstattung über eine Kindesentführung wegen Schutzbedürftigkeit des Opfers.

BGH, Urteil vom 6. Juni 2023 - VI ZR 309/22 - OLG Köln - LG Köln

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OLG Nürnberg: Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG sind regelmäßig dringlich gemäß §§ 935, 940 ZPO - Entfallen der Dringlichkeit bei Fristverlängerungsantrag

OLG Nürnberg
Beschluss vom 06.07.2023
3 U 889/23


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG regelmäßig dringlich gemäß §§ 935, 940 ZPO sind und im Wege einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden können. Allerdings entfällt die Dringlichkeit wenn der ungesicherte Antragsteller bzw. seine Verfahrensbevollmächtigten im Berufungsverfahren eine Fristverlängerung beantragen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG zwar nicht, die Vorschrift des § 12 Abs. 1 UWG ist nicht analog anwendbar. Bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ergibt sich der nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund jedoch regelmäßig aus der Sache selbst.

a) Der Senat schließt sich der Rechtsmeinung an, die eine analoge Anwendung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG auf Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG mangels planwidriger Regelungslücke ablehnt (vgl. MüKoUWG/Krbetschek, 3. Aufl. 2022, GeschGehG § 6 Rn. 40; OLG München, GRUR-RR 2019, 443 Rn. 14 – Medizinisches Fachpersonal). Denn der Gesetzgeber dehnte die Dringlichkeitsvermutung anlässlich der Übernahme der §§ 17-19 UWG a.F. in das am 26.4.2019 in Kraft getretene GeschGehG in Kenntnis dieser Spezialregel nicht auf dieses Gesetz aus. Vielmehr führte er aus, dass es – soweit keine speziellen Bestimmungen für die Geltendmachung der dort vorgesehenen Ansprüche im einstweiligen Rechtsschutz getroffen wurden – bei den allgemeinen verfahrensrechtlichen Bestimmungen verbleibe (Begründung zum RegE vom 04.10.2018, BT-Drs. 19/4724, S. 34). Daraus ergibt sich, dass er im GeschGehG bewusst von spezifischen Regelungen zum Verfügungsverfahren absah, während er mit Wirkung zum 14.01.2019 – also im engen zeitlichen Zusammenhang zum hiesigen Gesetzgebungsverfahren – eine Dringlichkeitsvermutung in Kennzeichensachen einführte (§ 140 Abs. 3 MarkenG).

b) Darauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an. Denn bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ergibt sich die Dringlichkeit regelmäßig aus der Natur der Sache.

Ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes werde die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert, so dass er aufgrund einer besonderen Dringlichkeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache einer einstweiligen Sicherung seines Anspruchs bedarf. Notwendig ist eine einzelfallorientierte Interessenabwägung. Dabei ist eine Folgenabschätzung vorzunehmen: Das Interesse des Verfügungsklägers muss die Nachteile eines Zuwartens bis zur Hauptsacheentscheidung so überwiegen, dass der Eingriff in die Sphäre des Verfügungsbeklagten auf Grund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist (OLG Nürnberg, GRUR-RR 2019, 64 Rn. 13 – CurryWoschdHaus).

Bei einer Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses ergibt die Abwägung der sich gegenüberstehenden Parteiinteressen, dass regelmäßig der nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund zu bejahen ist. Denn ein Geschäftsgeheimnis wird grundsätzlich vor allem dadurch geschützt, dass es Dritten nicht zugänglich gemacht wird, weil es sonst den Charakter eines Geheimnisses verliert. Vor diesem Hintergrund verlangt die Rechtsordnung in der Regel bei einer eingetretenen Verletzung nach einer dringlichen Untersagungsverfügung. Die Dringlichkeit ist somit auf eine gewisse Weise dem Geheimnisschutz inhärent (BeckOK GeschGehG/Spieker, 15. Ed. 15.03.2020, GeschGehG § 6 Rn. 46).

2. Der somit im vorliegenden Fall grundsätzlich zu bejahende Verfügungsgrund fehlt wegen Selbstwiderlegung, da die Verfügungsklägerin durch ihr Verhalten selbst zu erkennen gegeben hat, dass es ihr nicht eilig ist. Die erforderliche Interessenabwägung aller Umstände des Einzelfalles ergibt im Streifall, dass die Verfügungsklägerin das Berufungsverfahren nicht in der erforderlichen Zügigkeit betrieben hat und deswegen die Dringlichkeit entfallen ist.

a) Es besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darüber, dass der Verfügungsgrund wegen Selbstwiderlegung fehlt, wenn der Verfügungskläger nach Eintritt der Gefährdung mit einem Antrag eine längere Zeit zuwartet oder das Verfahren nicht zügig betreibt, weil er damit zum Ausdruck bringt, dass ihm selbst die Sache nicht so eilig ist. Dies ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der noch ungesicherte Verfügungskläger sich mit der Begründung der Berufung nicht beeilt, sondern die gesetzlich eingeräumte zweimonatige Begründungsfrist verlängern lässt und auch diese Frist vollständig ausschöpft. Hierbei handelt es sich um allgemeine Grundsätze, die nicht nur für Unterlassungsansprüche aus dem UWG gelten, sondern auch für solche, die auf Anspruchsgrundlagen aus dem BGB oder anderen Gesetzen gestützt werden (OLG Nürnberg, GRUR 1987, 727; OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.11.2017 – 3 U 1206/17, BeckRS 2017, 153630, Rn. 12).

Dabei muss sich der Verfügungskläger Verzögerungen, die durch seinen Prozessbevollmächtigten verursacht werden, gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Dieser hat die Verfügungssache vorrangig zu erledigen und kann sich grundsätzlich weder auf eine eigene starke berufliche Beanspruchung noch auf Urlaub berufen (OLG München, WRP 2021, 1622 Rn. 7). Bei einem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bringt der Berufungsführer zum Ausdruck, dass er eine mit der Bewilligung der beantragten Fristverlängerung einhergehende Verfahrensverlängerung in Kauf nimmt und ihm die Sache nicht derart eilig ist, dass sie eine Eilentscheidung rechtfertigen würde (OLG München a.a.Ol. Rn. 10).

b) Gemessen an diesen Maßstäben ist ein Verfügungsgrund vorliegend zu verneinen.

Durch den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat im Schriftsatz vom 15.05.2023 und das Ausschöpfen dieser Frist hat die Verfügungsklägerin zu erkennen gegeben, dass sie nicht derart eilig auf das begehrte Verbot angewiesen ist, dass es ihr nicht zugemutet werden kann, ihr Rechtsschutzziel in einem Hauptsacheverfahren durchzusetzen.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Verfügungsklägerin den einmonatigen Fristverlängerungsantrag mit Arbeitsüberlastung ihres Prozessbevollmächtigten begründete. Der Prozessbevollmächtigte hat jedoch die Verfügungssache vorrangig zu erledigen und kann sich grundsätzlich nicht auf eine eigene starke berufliche Beanspruchung berufen. Vielmehr ist zu erwarten, dass innerhalb eines Eilverfahrens für Vertretung zu sorgen ist oder notfalls weniger eilbedürftige Sachen zurückgestellt werden.

c) Der fehlenden Eilbedürftigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Verfügungsklägerin nicht rechtzeitig auf die Folgen einer Ausschöpfung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist hingewiesen worden ist. Denn die Rechtsprechung zum Verlust der Dringlichkeit bei Ausschöpfung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist ist als bekannt vorauszusetzen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2003, 31; OLG Nürnberg, BeckRS 2017, 153630, Rn. 15).


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LG Frankenthal: Bewertender muss Richtigkeit negativer Tatsachen in Online-Bewertung im Streitfall beweisen

LG Frankenthal
Urteil vom 22.05.2023
6 O 18/23


Das LG Frankenthal hat entschieden, dass ein Bewertender die Richtigkeit negativer Tatsachen in einer Online-Bewertung im Streitfall beweisen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Schlechte Bewertung im Online-Portal: Verfasser muss Tatsachen beweisen können
Wer in einem Online-Bewertungsportal negative Tatsachen zulasten eines Unternehmens behauptet, muss im Zweifel beweisen, dass diese Fakten auch zutreffend sind. Gelingt der Beweis nicht, so kann der Betroffene verlangen, dass die Bewertung unterlassen wird. Dies hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal in einem aktuellen Urteil klargestellt. Den Verfasser einer schlechten Bewertung in einem Online-Portal hat die Kammer dazu verurteilt, eine in seiner Kritik enthaltene negative Behauptung zu löschen.

Ein Mannheimer hatte ein Unternehmen aus Ludwigshafen damit beauftragt, seinen Umzug durchzuführen. Die Durchführung des Auftrags bewertete er einige Zeit später auf einer Online-Bewertungsplattform mit nur einem von fünf möglichen Sternen. Unter anderem behauptete er im Bewertungstext, dass ein Möbelstück beim Transport beschädigt worden sei und sich niemand darum gekümmert habe, den Schaden zu beheben. Der Inhaber des Umzugsunternehmens streitet dagegen ab, dass es zu einem Schaden gekommen sei und sieht die Behauptung des Kunden, man habe sich nicht gekümmert, als rufschädigend für sein Unternehmen an.

Die Kammer gab in ihrem Urteil dem Unternehmer recht: Die negative Äußerung des Kunden in dem Online-Bewertungsportal schade dem Inhaber des Umzugsunternehmens. Dem stehe zwar das Recht des Kunden gegenüber, seine Meinung über den durchgeführten Auftrag in der Bewertung frei äußern zu dürfen. Die im Streit stehende Behauptung, es sei ein Möbelstück beschädigt worden, sei jedoch keine so geschützte Meinung, sondern eine Tatsachenbehauptung. Denn sie beschreibe etwas, das wirklich geschehen sein soll. Das müsse vom bewerteten Unternehmen nur hingenommen werden, wenn deren Wahrheitsgehalt feststehe. Deshalb müsse derjenige, der in Internet-Bewertungen eine Tatsache behauptet, im Streitfall beweisen, dass diese auch zutreffend ist. Dies war dem Kunden des Umzugsunternehmens nach Ansicht der Kammer nicht gelungen, weswegen sie der Unterlassungsklage des Unternehmens insoweit stattgegeben hat.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 22.05.2023, Az. 6 O 18/23.


LG Flensburg: 10.000 EURO Schmerzensgeld für wahrheitswidrige Behauptung in der Öffentlichkeit dass Person der Stasi angehörte

LG Flensburg
Urteil vom 14.06.2023
7 O 140/20


Das LG Flensburg hat dem Betroffenen ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EURO für die wahrheitswidrige Behauptung in der Öffentlichkeit, dass die betroffene Person der Stasi angehörte, zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld gegen den Beklagten zu 1 steht dem Grunde nach bereits rechtskräftig fest (siehe Grund- und Teilurteil).

2. Der Höhe nach hält das Gericht das vom Kläger als Mindestmaß angegebene Schmerzensgeld für sachlich gerechtfertigt und angemessen.

Bei der Bestimmung der Höhe war die Schwere des Eingriffs (siehe Ziffer b)), die persönlichen

Folgen / Beeinträchtigungen des Klägers (siehe Ziffer c)), wie auch der jeweilige Verschuldensgrad seitens des Störers (hier des Beklagten zu 1) zu berücksichtigen (dazu Ziffer d)).

Nach freier Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts, den vorgelegten medizinischen Befunden und Berichten (Anlage K 27 - K 29, Bl. 266 - 269 und Bl. 417 d.A.), den Angaben des Klägers und den Zeugenaussagen hält das Gericht – auch mit Blick auf vergleichbare Fälle in der Rechtsprechung – im vorliegenden Fall ein Schmerzensgeld in Höhe von € 10.000,00 für angemessen.

a) Grundsätzlich hängt die Schmerzensgeldhöhe entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder mit ihnen zu diesem Zeitpunkt als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss. Die Schwere der Belastungen wird dabei vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt. Besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen zu (Leitsatz OLG München, Urteil v. 13.12.2013, Az. 10 U 4926/12, BeckRS 2013, 22617).

Die Überzeugung des Richters erfordert in dem Zusammenhang keine – ohnehin nicht erreichbare – absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ im Hinblick auf die Folgen, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. OLG München, Urteil v. 13.12.2013, Az. 10 U 4926/12, BeckRS 2013, 22617 m.w.N.). Nach der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität anwendbaren Vorschrift des § 287 ZPO werden geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt. Hier genügt je nach Lage des Einzelfalls eine überwiegende (höhere) Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung.

b) Die Qualität des Eingriffs dürfte vorliegend - wenn auch subjektiv auf Klägerseite anders empfunden - eher als mittelschwer zu qualifizieren sein.

Bei der Beurteilung der Qualität des Eingriffs ist einerseits die Art der Behauptung aber auch die Reichweite dieser zu berücksichtigen.

Zweifelsohne ist die vorliegende Art der Behauptung, der Kläger sei Mitglied (sogar „bis 1989 Offizier“) der Stasi gewesen und habe hierbei „viele Werftarbeiter persönlich über die Klinge springen [lassen] durch seine Spitzeltätigkeit“ schwerwiegend und in hohem Maße ehrverletzend. Derartige Behauptungen sind zudem geeignet, das soziale und ggf. politische Ansehen des Klägers zu mindern. Schließlich herrscht heute innerhalb der Bundesrepublik Deutschland allgemeiner Konsens darüber, dass die Stasi für zahlreiche Verbrechen an Menschen verantwortlich ist, die nach damaliger Beurteilung innerhalb der DDR nicht ins dortige System passten. Dass Menschen im Auftrag der Stasi verfolgt, verhaftet, gefoltert und gar getötet worden sind, dürfte heute nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt werden.

Indes geht das Gericht basierend auf den Angaben der Parteien von einer eher überschaubaren Reichweite der Äußerungen des Beklagten zu 1 aus. Zwar ist es unstreitig sehr wohl möglich gewesen, auf den Blog des Beklagten zu 1 sowie auf sein Buch aufmerksam zu werden, wenn man den Namen des Klägers zusammen mit anderen „Schlagwörtern“ bei der Suchmaschine „google“ eingegeben hat. Indes dürfte der Blog des Beklagten zu 1 mit der Domain „http://…“ ansonsten eher einen geringen „fraffic“ (Anzahl der Besucher auf der Homepage innerhalb eines bestimmten Zeitraums) gehabt haben. Zudem dürfte sich nur eine bestimmte Klientel mit dem Inhalt des Blogs auseinandergesetzt haben. Auch die Auflage des Buches beziehungsweise die bislang (geschätzte) Anzahl der Verkäufe (rund 25-30 mal) bei Amazon („www.amazon.de“) ist im Vergleich zu anderen Fällen verhältnismäßig gering. Hinzu kommt, dass der Kläger in dem Buch nur an vereinzelten Stellen genannt wird, sich das Buch also nicht ausschließlich um seine Person dreht.

c) Die persönlichen Folgen bzw. Beeinträchtigungen auf Seiten des Klägers stuft das Gericht indes als schwerwiegend ein.

Nach der Überzeugung des Gerichts haben die falschen ehrverletzenden Behauptungen des Beklagten zu 1 erhebliche negative psychische Auswirkungen auf den Kläger gehabt mit der Folge, dass dieser in eine schwere emotionale Krise gestürzt ist.

aa) Zum einen hat das Gericht die medizinischen Befunde und Berichte (Anlage K 27 - K 29, Bl. 266 - 269 und Bl. 417 d.A.) berücksichtigt. Auf deren Inhalt wird an dieser Stelle vollumfänglich Bezug genommen.

bb) Vor allem aber stützt das Gericht seine Beurteilung auf den eigenen persönlich vom Kläger gewonnenen Eindruck, dessen glaubhafte Darstellung seiner Situation sowie auf die glaubhaften Angaben des Zeugen … .

(1) In der mündlichen Verhandlung vom 22.7.2021, in welcher der Kläger das erste mal informatorisch zur Sache angehört wurde, hat das Gericht bereits den Eindruck gewonnen, dass der Kläger von dem Verfahren und der Situation schwer gezeichnet war. Mit hängenden Schultern und sorgenvoller Mine hat der Kläger damals berichtet, dass ihn die falschen Behauptungen sehr belasten würden. Er sehe seinen guten Ruf in Gefahr und wolle nicht, dass seine ehemaligen Kollegen und Schüler ein derartiges (falsches) Bild von ihm gezeichnet bekämen.

(2) Auch in der mündlichen Verhandlung vom 17.2.2022 wirkte der Kläger auf das Gericht sehr angeschlagen. Es fiel ihm merklich schwer, über die Auswirkungen der Vorwürfe zu sprechen. Dennoch gab er glaubhaft zu Protokoll, dass er sich vor ca. 10 Jahren in psychische Behandlung habe begeben müssen. Damals habe er mit den Folgen eines sog. „Burnout“ zu tun gehabt. Nachdem er diese Krise überwunden hatte, sei die Thematik - aufgrund der Behauptungen des Beklagten zu 1 und dieses Prozesses - jetzt allerdings wieder hochgekommen. Er habe sich im Zusammenhang mit den Anschuldigungen sogar in stationäre Behandlung begeben müssen.

(3) Diese Angaben hat der Zeuge … in der mündlichen Verhandlung vom

25.5.2023 glaubhaft bestätigt.

Dieser hat ausgesagt, den Kläger schon seit dem Jahr 2011 zu kennen. Damals sei er bei ihm wegen Depressionen und Angststörungen sowie Schmerzen in Behandlung gewesen. Diese damalige Behandlung habe zu tun gehabt mit der beruflichen Belastung des Klägers.

Im Jahr 2020, als er auf die Behauptungen über sich im Internet aufmerksam wurde, sei er dann erneut in eine schwere Krise gekommen. Er sei seit damals wieder verstärkt angespannt gewesen und habe nicht schlafen können. Er habe die Situation als „sehr bedrohlich“ wahrgenommen. Besonders belastet habe ihn, dass er dieser Situation so hilflos gegenüber stand.

Er sei damals auch sehr impulsiv gewesen und habe versucht, sich mit Alkohol zu beruhigen. Zuvor habe er lange Zeit gar keinen Alkohol mehr zu sich genommen.

Ein weiteres Thema sei gewesen, dass die Ehefrau des Klägers ebenfalls sehr besorgt gewesen sei. Dies habe letztlich auch zu einer Ehekrise geführt, da der Kläger seine Ehe in Gefahr gesehen habe. Dies insbesondere aufgrund des Umstandes, dass die Ehefrau des Klägers bei dem Konsum von Alkohol katastrophale Wirkungen bzw. Gedanken hervorgebracht habe. Die Ehefrau des Klägers dahingehend wieder einzufangen und sie davon zu überzeugen, dass die Probleme des Klägers gelöst werden müssten, sei für den Kläger und den Zeugen … ein enormer Kraftakt gewesen.

Zusammengefasst habe der Kläger zwischen 2020 und 2022 in einer erheblichen psychischen Krise gesteckt hat, die kausal durch die Behauptungen des Beklagten zu 1 hervorgerufen worden sei (Protokoll vom 25.5.2023, S. 2-4). Ob er diese Krise je überwinden werde, sei ungewiss. Der Zeuge … sehe allerdings gute Chancen, wenn dieser Prozess beendet sei.

Die Angaben des Zeugen waren insgesamt glaubhaft. Hinweise auf eine einseitige Belastungs- oder Begünstigungstendenz haben sich nicht ergeben. Bei dem Zeugen … handelt es sich um einen seit Jahren praktizierenden Nervenarzt, der seine fachkundigen Wahrnehmungen wertungsfrei wiedergegeben hat. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen haben sich ebenfalls nicht ergeben.

d) Das Maß an Verschulden bzw. Vorwerfbarkeit des Beklagten zu 1 sieht das Gericht als hoch an (mit Einschränkung).

Das Gericht geht zwar - ohne Zweifel - davon aus, dass der Beklagte zu 1 die Behauptungen über den Kläger in der Absicht öffentlich aufgestellt hat, um diesem zu schaden. Auch geht das Gericht davon aus, dass der Beklagte zu 1 seinen Fehler (Behauptungen sind tatsächlich unwahr) bei objektiver Betrachtung hätte erkennen müssen und können, wenn er sich mit der Aktenlage intensiver beschäftigt hätte. Der Fehler wäre also vermeidbar gewesen. Dies, wie auch die Qualität der Behauptung, muss sich der Beklagte zu 1 vorwerfen lassen.

Indes hat das Gericht im Laufe des Prozesses auch den Eindruck gewonnen, dass der Beklagte zu 1 aufgrund seiner eigenen Vergangenheit (als Opfer der Stasi) womöglich psychisch und emotional derart geprägt worden ist, dass ihm die Unterscheidung zwischen Realität (objektiv beweisbarem) und Vorstellung nicht mehr ohne Einschränkung gelingt. Mit Verweis auf die zahlreichen aus Sicht des Gerichts nicht nachvollziehbaren - teils persönlichen - Einlassungen des Beklagten zu 1 (vgl. dazu auch Grund- und Teilurteil, S. 13 ff.) sowie seine mangelnde Einsicht (trotz zweier Instanzen) schließt das Gericht nicht aus, dass der Beklagten zu 1 womöglich die Tragweite seiner Handlungen gar nicht erkennt. Jedenfalls scheint er unter einem erheblichen psychischen Trauma zu leiden, welches er durch Benennung der „Täter“ aufzuarbeiten versucht. Dass er hierbei einen Falschen als „Täter“ benannt hat, ist für ihn emotional womöglich nicht nachvollziehbar. Dies mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass Verschleierung, Verdunkelung und Täuschung in der ehemaligen DDR, insbesondere bei der Stasi, an der Tagesordnung waren. Irgendwann mag bei jedem Menschen, der von einer solchen Welt geprägt worden ist, der Punkt erreicht sein, ab dem er nichts mehr glaubt, sondern sich seine eigene Wahrheit schafft.

e) Bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe hat das erkennende Gericht insbesondere die folgenden, in der Schmerzensgeldtabelle exemplarisch aufgeführten Entscheidungen anderer Gerichte berücksichtigt und sich hieran orientiert:

• Ehrverletzung durch unzutreffende Berichterstattung ohne Namensnennung. Dennoch erfuhren mindestens 217 Bekannte, Verwandte oder Kollegen von der Behauptung, der Kläger habe als „Stasi-Scherge" einen Mord begangen: OLG Hamm, Urteil vom 1.6.1992, Az. 3 U 25/92, BeckRS 9998, 11842.

• Ehrverletzung durch Ausstrahlung von Fernsehaufnahmen („Brandenburg aktuell"), in denen der Kläger als "Neonazi" mit einschlägiger Vergangenheit dargestellt wurde: LG Berlin, Urteil vom 9.10.1997, Az. 27 O 349/97, BeckRS 9998, 16109.

• Bezeichnung des im Kommunalwahlkampf stehenden Klägers als „kulturloser Bonze" und „Wendehals". Zudem wurde der Kläger einer tatsächlich nicht bestehenden SED Vergangenheit beschuldigt: LG Frankfurt, Urteil vom 29.7.2004, Az. 17 O 540/03, BeckRS 2004, 17904.

• Ehrverletzung wegen eines „herabwürdigenden Artikels" mit der Folge psychischer Beeinträchtigungen: LG München, Urteil vom 11.6.2008, Az. 9 O 15086/06, BeckOK zum Schmerzensgeld Nr. 3782.

• Unzutreffende Bezeichnung als „Perspektiv-Agent des KGB". Es stelle eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, in einer Buchveröffentlichung eine andere Person mit dem kommunistischen Geheimdienst KGB in Verbindung zu bringen, weil so zu Lasten des Betroffenen ein zwielichtiger Eindruck erweckt werde: OLG Bremen, Urteil vom 1.11.1995, Az. 1 U 51/95, BeckRS 9998, 2560.


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