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BGH: Verzicht des Urhebers gegenüber Microstockportal auf Benennung als Urheber kann nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB oder § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sein

BGH
Urteil vom 15.06.2023
I ZR 179/22
Microstock-Portal
UrhG §§ 13, 97a Abs. 4 Satz 1; BGB § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1


Der BGH hat entschieden, dass der Verzicht des Urhebers gegenüber einem Microstockportal auf Benennung als Urheber nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB oder § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sein kann.

Leitsätze des BGH_
a) Das Recht des Urhebers auf Anbringung der Urheberbezeichnung gemäß § 13 Satz 2 UrhG ist in seinem Kern unverzichtbar. Daraus, dass der Urheber nach § 13 Satz 2 UrhG bestimmen kann, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist, ergibt sich jedoch, dass es ihm außerhalb dieses unverzichtbaren Kerns grundsätzlich freisteht, durch ausdrücklich oder stillschweigend getroffene vertragliche Vereinbarungen mit dem Werkverwerter auf die Ausübung dieses Rechts zu verzichten oder in dieses Recht beeinträchtigende Nutzungen einzuwilligen.

b) Solche Vereinbarungen unterliegen allerdings Grenzen, deren Überschreitung gemäß § 138 Abs. 1 BGB und - soweit Allgemeine Geschäftsbedingungen in Rede stehen - gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB zur Unwirksamkeit der Vereinbarung führt.

c) Im Rahmen der bei der Prüfung dieser Bestimmungen vorzunehmenden Gesamtabwägung sind sowohl die Interessen von Urheber und Vertragspartner als auch die jeweiligen vertragsrelevanten Umstände wie die Art des Werks sowie der Zweck und die Dauer der Vereinbarung in den Blick zu nehmen. Zu berücksichtigen sind der sachliche und zeitliche Umfang der in Rede stehenden Einschränkung des Namensnennungsrechts. Dabei kommt es etwa darauf an, ob die Einschränkung nur bestimmte Werke oder bestimmte Nutzungen betrifft und nur für eine bestimmte Zeit gelten oder widerruflich sein soll oder aber der Urheber sich pauschal und dauerhaft zum Verzicht auf die Ausübung seines Namensnennungsrechts verpflichtet hat. Im Rahmen der Abwägung können zudem Verkehrsgewohnheiten und Branchenübungen berücksichtigt werden.

BGH, Urteil vom 15. Juni 2023 - I ZR 179/22 - OLG Frankfurt am Main - LG Kassel

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH: Doppelter Lizenzschaden bei Urheberrechtsverletzung ist europarechtskonform und verstößt nicht gegen EU-Richtlinie 2004/48/EG

EuGH
Urteil vom 25.01.2017
C‑367/15
Stowarzyszenie „Oławska Telewizja Kablowa“ gegen Stowarzyszenie Filmowców Polskich


Der EuGH hat entschieden, dass ein doppelter Lizenzschaden bei Urheberrechtsverletzungen (Verletzerzuschlag) europarechtskonform ist und nicht gegen EU-Richtlinie 2004/48/EG verstößt.

Tenor der Entscheidung:

Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, wonach der Inhaber des verletzten Rechts des geistigen Eigentums von der Person, die dieses Recht verletzt hat, entweder die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens – bei der sämtliche für den Anlassfall maßgebenden Aspekte zu berücksichtigen sind – oder, ohne den tatsächlichen Schaden nachweisen zu müssen, die Zahlung einer Geldsumme verlangen kann, die dem Doppelten der angemessenen Vergütung entspricht, die für die Erteilung der Erlaubnis zur Nutzung des betreffenden Werks zu entrichten gewesen wäre, nicht entgegensteht.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Nach den Erwägungsgründen 5 und 6 sowie Art. 2 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/48 sind bei der Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie sodann die Verpflichtungen zu berücksichtigen, die sich aus auf den Ausgangsrechtsstreit möglicherweise anzuwendenden internationalen Übereinkünften, etwa dem TRIPS-Übereinkommen, der Berner Übereinkunft und dem Rom-Abkommen, für die Mitgliedstaaten ergeben. Nach Art. 1 des TRIPS-Übereinkommens wie auch nach Art. 19 der Berner Übereinkunft und Art. 2 des Rom-Abkommens können die Vertragsstaaten den Inhabern der betreffenden Rechte einen umfassenderen Schutz als den gewähren, der in diesen Rechtsakten jeweils vorgesehen ist.

Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/48 ist folglich dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, nach der ein Rechtsinhaber, dessen Urhebervermögensrechte verletzt wurden, von der Person, die diese Rechte verletzt hat, eine Wiedergutmachung des verursachten Schadens durch Zahlung einer Geldsumme verlangen kann, die dem Doppelten einer hypothetischen Gebühr entspricht, nicht entgegensteht.

Diese Auslegung kann auch nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass erstens eine Entschädigung, die auf der Grundlage des Doppelten der hypothetischen Gebühr berechnet wird, im Verhältnis zu dem von der geschädigten Partei tatsächlich erlittenen Schaden nicht genau proportional ist. Dies ist nämlich gerade das Wesensmerkmal einer jeden pauschalen Entschädigung, genauso wie bei der, die in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/48 ausdrücklich vorgesehen ist.

Zweitens wird diese Auslegung auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Richtlinie 2004/48 ausweislich ihres 26. Erwägungsgrundes nicht die Einführung einer Verpflichtung zu einem als Strafe angelegten Schadensersatz bezweckt.

Zum einen kann, anders als das vorlegende Gericht offenbar meint, der Umstand, dass die Richtlinie 2004/48 die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichtet, sogenannten „Strafschadensersatz“ vorzusehen, nämlich nicht dahin ausgelegt werden, dass die Einführung einer solchen Maßnahme verboten wäre.

Zum anderen ist, ohne dass es hierfür einer Entscheidung darüber bedürfte, ob die Einführung von sogenanntem „Strafschadensersatz“ gegen Art. 13 der Richtlinie 2004/48 verstoßen könnte, nicht ersichtlich, dass die für den Ausgangsrechtsstreit maßgebliche Bestimmung eine Verpflichtung zur Zahlung eines derartigen Strafschadensersatzes enthält.

So ist festzustellen, dass im Fall der Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums die bloße Zahlung der hypothetischen Vergütung nicht geeignet ist, eine Entschädigung für den gesamten tatsächlich erlittenen Schaden zu garantieren, weil mit der Zahlung einer solchen Vergütung weder die Erstattung möglicher, mit der Feststellung allfälliger Verletzungshandlungen und ihrer Verursacher verbundener Kosten, auf die im 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/48 verwiesen wird, noch der Ersatz eines möglichen immateriellen Schadens (vgl. zu letztgenanntem Gesichtspunkt Urteil vom 17. März 2016, Liffers, C‑99/15, EU:C:2016:173, Rn. 26) und auch nicht die Zahlung von Zinsen auf die geschuldeten Beträge sichergestellt würde. OTK hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die Zahlung des Doppelten der hypothetischen Vergütung nämlich in der Praxis einer Entschädigung gleichkomme, die geringer ausfalle als die, die der Rechtsinhaber nach den „allgemeinen Grundsätzen“ im Sinne von Art. 79 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a UPAPP verlangen könnte.

Zwar ist nicht auszuschließen, dass der Ersatz eines Schadens, der auf der Grundlage des Doppelten der hypothetischen Vergütung berechnet wurde, den tatsächlich erlittenen Schaden in Ausnahmefällen so eindeutig und beträchtlich überschreitet, dass eine diesbezügliche Forderung einen nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48 verbotenen Rechtsmissbrauch darstellen könnte. Aus den von der polnischen Regierung in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen wird gleichwohl deutlich, dass das polnische Gericht nach der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Regelung in einem solchen Fall nicht an den Antrag des Inhabers des verletzten Rechts gebunden wäre.

Was schließlich drittens das Vorbringen angeht, die geschädigte Partei brauchte, weil sie den Schadensersatz auf der Grundlage des Doppelten der hypothetischen Vergütung berechnen könne, nicht mehr den Kausalzusammenhang zwischen dem das Urheberrecht verletzenden Ereignis und dem erlittenen Schaden nachzuweisen, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen auf einer überaus strengen Auslegung des Begriffs „Kausalität“ beruht, nach der der Inhaber des verletzten Rechts einen Kausalzusammenhang nicht nur zwischen diesem Ereignis und dem erlittenen Schaden, sondern auch zwischen diesem Ereignis und der genauen Höhe, auf die sich der Schaden beläuft, nachweisen müsste. Eine solche Auslegung ist jedoch mit dem Konzept einer pauschalen Festlegung der Höhe des Schadensersatzes – und dementsprechend mit Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/48, der eine solche Art von Entschädigung zulässt – unvereinbar.

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 13 der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, wonach der Inhaber des verletzten Rechts des geistigen Eigentums von der Person, die dieses Recht verletzt hat, entweder die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens – bei der sämtliche für den Anlassfall maßgebenden Aspekte zu berücksichtigen sind – oder, ohne den tatsächlichen Schaden nachweisen zu müssen, die Zahlung einer Geldsumme verlangen kann, die dem Doppelten der angemessenen Vergütung entspricht, die für die Erteilung der Erlaubnis zur Nutzung des betreffenden Werks zu entrichten gewesen wäre, nicht entgegensteht."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: